Beschluss vom Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (5. Senat) - 5 MB 2/22

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 3. Kammer, Einzelrichter - vom 27. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.750 € festgesetzt.

Gründe

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I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist unbegründet. Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den nachfolgenden Gründen (II.) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

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II. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. Dezember 2021 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

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1. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO abgelehnt. Die Entziehung der Fahrerlaubnis (Bescheid vom 20. August 2021) sei nach summarischer Prüfung weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig zu bewerten.

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Eine Fahrerlaubnisentziehung sei gerechtfertigt, wenn einmalig die Einnahme sogenannter harter Drogen nachgewiesen worden sei oder der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt habe. Der Antragsteller habe am 14. August 2021 um 01:09 Uhr bei einem Polizeieinsatz gegenüber den Beamten mehrfach geäußert, dass er kokainabhängig sei und am 13. August 2021 ein Gramm Kokain und in den Vortagen ebenfalls Kokain konsumiert habe. Weiter leide er an Wahnvorstellungen. Er arbeite als Busfahrer und müsse am Folgetag zur Arbeit. Nach einem Gespräch mit der zuständigen Amtsärztin und einer Zwangseinweisung habe er dies erneut mehrfach geäußert. Er habe keine Zeit für eine ärztliche Behandlung, da er seinen Tätigkeiten als Busfahrer nachkommen müsse. Dass der Antragsgegner von einer vorherigen Anhörung nach § 87 Abs. 2 LVwG abgesehen habe, sei nicht zu beanstanden, da nach den Umständen des Einzelfalles ein sofortiges Handeln geboten gewesen sei. Soweit der Antragsteller an Eides statt versichere, dass er keine Betäubungsmittel konsumiere und auch nie welche konsumiert habe, sei dies nicht ausreichend, um seinem Antrag zum Erfolg zu verhelfen. Soweit er behaupte, sämtliche vor den Polizeibeamten getätigten Äußerungen seien einer kurzzeitigen psychischen Verwirrung entsprungen, habe das Gericht erhebliche Zweifel. So erscheine auch nach den Ausführungen des Antragstellers nicht nachvollziehbar, warum er sich überhaupt in diesem Zustand befunden habe und was in einem solchen zu gerade diesen Ausführungen geführt haben könnte. Soweit der Antragsteller weiter behaupte, dass allein die kurzzeitige psychische Verwirrung zu dem Klinikaufenthalt in Heiligenhafen geführt und es sich auch nicht um eine Zwangseinweisung gehandelt habe, sondern um eine freiwillige Selbsteinweisung, sei dies weder weiter substantiiert noch belegt. Insbesondere medizinische Unterlagen habe der Antragsteller nicht vorgelegt. Das Gericht gehe nach summarischer Prüfung davon aus, dass der angefochtene Bescheid sich als rechtmäßig erweisen dürfte. Dieses Ergebnis könne nach den Umständen des Einzelfalles aber nicht als offensichtlich bezeichnet werden. Das Gericht werde sich im Hauptsacheverfahren eine Überzeugung bilden müssen. Bei der in einem solchen Fall vorzunehmenden weiteren Abwägung des Interesses des Antragstellers, vorläufig weiter ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen, mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse, seine Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr sofort zu unterbinden, sei dem öffentlichen Interesse der Vorrang einzuräumen.

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Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 28. Dezember 2021 zugestellt.

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2. Der Antragsteller hat am 11. Januar 2022 Beschwerde eingelegt, die er am 28. Januar 2022 begründet hat. Er macht geltend, das Verwaltungsgericht habe seinen Antrag zu Unrecht abgelehnt. In sämtlichen zitierten Rechtsprechungsnachweisen finde sich die vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht wieder. Insbesondere lasse sich eine psychische Ausnahmesituation aus den Entscheidungen nicht herausfiltern. Das Verwaltungsgericht lasse unberücksichtigt, dass es tatsächlich gewichtige Gründe gegen die Richtigkeit der damaligen Äußerung des Antragstellers gegenüber den Polizeibeamten, wenn sie denn so gefallen seien, gebe. Das Gericht beziehe die Tatsache, dass nach Aktenlage zumindest dreimal gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten die Unwahrheit gesagt worden sei, nicht ein. Ebenso wenig beziehe es in die Würdigung mit ein, dass ausweislich der Ermittlungsakte der Antragsteller gegenüber den Polizeibeamten verschiedene Namen angegeben habe, von denen er behauptet habe, dass er diese Person sei. Damit sprächen durchaus gewichtige Gründe gegen die Richtigkeit der Angabe, er habe Kokain konsumiert. Auch die Darlegung, dass er keine medizinischen Unterlagen vorgelegt habe, sei in Bezug auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in seinem Kernbereich bedenklich, da in den ärztlichen Befundunterlagen Ausführungen getätigt würden, deren Kenntnisnahme er unabhängig von der Frage der Fahrerlaubnis durch Dritte nicht wünsche. Hier überwiege das Allgemeine Persönlichkeitsrecht den Anforderungen des Vortrags in einem Gerichtsverfahren. Der Antragsgegner hätte vom Antragsteller angesichts der Mitteilung nach § 2 Abs. 12 StVG und dem Hinweis auf Wahnvorstellungen einen Nachweis in Form eines Drogenscreenings oder dergleichen fordern können, ohne sogleich basierend auf Angaben im Rahmen von Wahnvorstellungen/einer psychischen Ausnahmesituation sogleich die Fahrerlaubnis zu entziehen.

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Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht; das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Fahrerlaubnisentziehung vom 20. August 2021 zu Recht abgelehnt.

8

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV). Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen und Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV).

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Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. VGH München, Beschl. v. 04.04.2019 – 11 CS 18.2613 –, juris Rn. 13; Beschl. v. 26.03.2019 – 11 CS 18.2333 – juris Rn. 11).

10

Der Antragsteller hat im Rahmen eines Polizeieinsatzes am 14. August 2021, um 01:09 Uhr, in A-Stadt gegenüber den Polizeibeamten mehrfach geäußert, dass er kokainabhängig sei und am 13. August 2021 ein Gramm Kokain und in den Vortagen ebenfalls Kokain konsumiert habe (vgl. den Polizeibericht vom 16.08.2021, Bl. 14 Beiakte A). Konkrete Anhaltspunkte dafür, warum er dies wahrheitswidrig behauptet haben sollte, hat er auch mit seiner Beschwerde nicht dargelegt. Er behauptet pauschal das Vorliegen einer „psychischen Ausnahmesituation“, die zu einem stationären Klinikaufenthalt in Heiligenhafen geführt haben soll. Medizinische Unterlagen über diesen Klinikaufenthalt, die vermutlich Aufschluss über den Grund der Einweisung und unter Umständen auch über die Frage eines vorangegangenen Drogenkonsums geben würden, hat er hingegen nicht vorlegt. Dies geht auch unter Berücksichtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) zu seinen Lasten.

11

Hiervon ausgehend ist das Verwaltungsgericht – was nicht zu beanstanden ist – zu der Annahme gelangt, dass sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig erweisen dürfte. Es hat dies hingegen nach den Umständen des Einzelfalles nicht als offensichtlich bezeichnet und eine Folgenabwägung vorgenommen. In diese Abwägung hat das Verwaltungsgericht eingestellt, dass erhebliche Gefahren für gewichtige Rechtsgüter (Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer sowie fremdes Eigentum) bestünden, wenn der Antragsteller in der Zwischenzeit mit Kraftfahrzeugen am Verkehr teilnähme, obwohl ihm hierzu die erforderliche Eignung fehlte. Hinzu komme, dass der Antragsteller beruflich – als Busfahrer – in der Personenbeförderung tätig sei. Die Nachteile, welche der Verlust der Fahrerlaubnis bis zur Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller mit sich bringe (finanzielle Auswirkungen auf seine Familie), vermögen diese Gefahren nicht aufzuwiegen. Der Antragsteller zeigt mit seiner Beschwerde nicht auf, warum die Folgenabwägung – anders als vom Verwaltungsgericht angenommen – zu seinen Gunsten ausfallen sollte.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Nummern 46.1, 46.3 und 46.6 des Streitkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der danach für das Hauptsacheverfahren festzusetzende Streitwert von 17.500 € ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu halbieren (vgl. Beschl. d. Senats v. 22.07.2021 – 5 MB 16/21 –, juris Rn. 14).

14

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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