Tenor
Die Anträge des Antragsgegners und der Beigeladenen auf
Aussetzung der sofortigen Vollziehung des dem Begehren der
Antragstellerin stattgebenden Teiles des Beschlusses des
Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 18. September 2006 – 3
F 39/06 – bis zur Entscheidung über ihre Beschwerden werden
zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung
vorbehalten.
Gründe
I.
Durch Beschluss vom 18.9.2006 – 3 F 39/06 – hat das Verwaltungsgericht - soweit hier wesentlich – die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen Klage gegen den unter dem 7.8.2006 für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Antragsgegners vom 29.6.2006 wiederhergestellt, mit dem der Beigeladenen die Erlaubnis zum Betrieb der D. N.V. Apotheke in der K. in A-Stadt als Filialapotheke erteilt wird.
Gegen diese Entscheidung haben der Antragsgegner am 20.9.2006 und die Beigeladene am 21.9.2006 Beschwerde erhoben und zugleich beantragt, bis zur Entscheidung über ihre Rechtsmittel die Vollziehung des erstinstanzlichen Beschlusses auszusetzen.
II.
Den auf die §§ 173 VwGO, 570 Abs. 3 ZPO gestützten Anträgen des Antragsgegners und der Beigeladenen, die Vollziehung des erstinstanzlichen Beschlusses bis zur Entscheidung über ihre Beschwerden auszusetzen, mit denen bei sachgerechter Würdigung die vorläufige Aussetzung der dem erstinstanzlichen Begehren der Antragstellerin stattgebenden Teile des angefochtenen Beschlusses erstrebt wird, kann nicht entsprochen werden.
Nach der über § 173 VwGO auch im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 570 Abs. 3 ZPO kann das Beschwerdegericht vor der Entscheidung über eine Beschwerde, der abgesehen von den hier nicht gegebenen Fällen der Festsetzung eines Ordnungs- oder eines Zwangsmittels keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 149 Abs. 1 Satz 1 VwGO), eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aussetzen.
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen von dieser Befugnis Gebrauch zu machen ist, wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Ausgehend davon, dass nach der gesetzlichen Regelung der §§ 149 Satz 1 VwGO, 570 Abs. 1 ZPO die sofortige Vollziehbarkeit von Beschlüssen die Regel und die Vollziehungsaussetzung die Ausnahme ist, wird teilweise die Auffassung vertreten, für eine dahingehende Entscheidung sei nur Raum, wenn der angefochtene erstinstanzliche Beschluss offenkundig fehlerhaft ist oder seine sofortige Vollziehbarkeit eine unzumutbare Belastung bewirkt.
Vgl. zum Beispiel VGH Kassel, Beschluss vom 22.3.1990 – 4 TG 724/90 – NVwZ 1990, 976.
Andere Auffassungen lassen die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Fehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung oder Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit ausreichen und fordern – alternativ oder kumulativ – eine unzumutbare Belastung des Betroffenen beziehungsweise größere Nachteile für ihn als für den oder die anderen Beteiligten
vgl. zum Beispiel Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 2006, § 149 VwGO Rdnr. 7, m.w.N. (FN 24 und 25); BGH, Beschluss vom 21.3.2002 – IX ZB 48/02 – NJW 2002, 1658.
Selbst wenn der sehr weitgehenden Ansicht des VGH Kassel nicht zu folgen sein sollte, sind vorliegend die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehbarkeit der von Antragsgegner und Beigeladener angegriffenen Teile der erstinstanzlichen Entscheidung bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens nicht erfüllt. Die bei dem derzeitigen Stand des Beschwerdeverfahrens nur mögliche überschlägige Würdigung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Sache komplexe Fragen im Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Recht nicht nur auf der Ebene der Vorausbeurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, sondern auch auf der Ebene der vom Verwaltungsgericht – bei von ihm angenommenem offenen Ausgang der gegen die Erlaubnis vom 29.6.2006 erhobenen Anfechtungsklage – vorgenommenen allgemeinen Interessenabwägung
vgl. zum Beispiel unter anderem EuGH, Urteil vom 19.6.1990 – C – 213/89 – Sammlung 1990, Seite I – 02433
aufwirft, die einer eingehenderen Prüfung im Beschwerdeverfahren bedürfen und gegenwärtig eine nur einigermaßen verlässliche Prognose über dessen voraussichtlichen Ausgang ausschließen. Dass demnach gegenwärtig der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens noch offen ist, gibt dem Senat keine Veranlassung, die Vollziehung der mit den Beschwerden angegriffenen Teile der erstinstanzlichen Entscheidung vorläufig auszusetzen.
Nichts anderes gilt im Ergebnis mit Blick auf die Betroffenheit des Antragsgegners beziehungsweise – was hier allenfalls entscheidend sein könnte – der Beigeladenen auch im Verhältnis zu den Nachteilen der Antragstellerin bei Fortdauer beziehungsweise, was die Auswirkungen auf die Antragstellerin anbelangt, Aussetzung der Vollziehbarkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Sowohl das Vorbringen von Antragsgegner und Beigeladener einerseits als auch die Ausführungen der Antragsteller sind in diesem Punkt vage. Die Antragsgegner – beziehungsweise Beigeladenenseite verweist auf sich bei vorübergehender Schließung der Apotheke nicht rentabilisierende Investitionen von rund 513.000,-- Euro und führt – wenn auch ebenfalls lediglich pauschal – weitere Kosten durch langfristige Verbindlichkeiten gegenüber Vermietern, Angestellten und Banken an, denen während der Schließung keine Einnahmen gegenüberstehen. Die Antragstellerin stellt die Angaben der Beigeladenen über die Höhe der getätigten Investitionen in Frage, macht allerdings hinsichtlich ihrer eigenen Betroffenheit lediglich ohne nähere Herleitung jährliche Gewinneinbußen geltend, die sie nicht einmal in Bezug zu ihren Umsätzen und Gewinnen stellt. Die Antragsgegner– beziehungsweise Beigeladenenseite hat demnach qualifizierte, schlechthin unzumutbare Nachteile durch eine vorläufige Fortdauer der Apothekenschließung bis zum Abschluss des Rechtsmittelverfahrens weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Ebenso wenig lässt sich freilich dem Vorbringen der Antragstellerin entnehmen, dass eine zeitweise Fortführung des Betriebes der Apotheke der Beigeladenen für sie schwerwiegende Nachteile bis hin zur Existenzvernichtung mit sich brächte. Jedoch lässt sich auch nicht feststellen, dass die Nachteile, die die Beigeladene in Folge einer Fortdauer der Apothekenschließung bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens treffen, die Folgen einer Vollziehungsaussetzung für die Antragstellerin handgreiflich überwiegen und selbst bei noch offenem Ausgang des Rechtsmittelverfahren eine Aussetzungsentscheidung gemäß den §§ 173 VwGO, 570 Abs. 3 ZPO rechtfertigen.
Es muss daher einstweilen bis zur Beschwerdeentscheidung des Senats bei der Vollziehbarkeit der angefochtenen Teile der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung verbleiben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.