Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 1 D 494/09

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist betreffend den die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14. Oktober 2009 - 11 K 560/09 - wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14. Oktober 2009 - 11 K 560/09 - wird als unzulässig verworfen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers vom 2.11.2009 gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 16.10.2009 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist verfristet. Sie ist am 2.11.2009 und damit nach Verstreichen der am Freitag, den 30.10.2009, abgelaufenen Beschwerdefrist bei dem Verwaltungsgericht eingegangen.

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist betreffend den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts vom 14.10.2009 muss ohne Erfolg bleiben, weil dem Kläger das Verschulden eines seiner Bevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO, der nach § 173 Satz 1 VwGO ebenso wie die übrigen zivilprozessualen Vorschriften über Prozessbevollmächtigte fallbezogen Anwendung findet, als eigenes Verschulden zuzurechnen ist.

Ausweislich der mit der Klageschrift vorgelegten Vollmacht vom 24.6.2009 (Bl. 15 d.A.) hat der Kläger die Rechtsanwälte A., B. und C. bevollmächtigt, ihn in Sachen „Anfechtungsklage Erschließungsbeitrag“ zu vertreten. § 84 Satz 1 ZPO sieht für den Fall mehrerer Bevollmächtigter vor, dass diese berechtigt sind, die Partei sowohl gemeinschaftlich als auch einzeln zu vertreten. Welcher von mehreren bevollmächtigten Rechtsanwälten hinsichtlich des konkreten Rechtsstreits nach interner Arbeitsabsprache Sachbearbeiter sein soll, ist ohne Einfluss auf die Rechtswirksamkeit, den Umfang und die Wirkung der erteilten Bevollmächtigung, die sich nach den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben richten. Hiernach gilt, dass jeder von mehreren Bevollmächtigten im Außenverhältnis kraft zwingenden Rechts eine Einzelvollmacht hat und die Erklärung eines jeden Bevollmächtigten den anderen Bevollmächtigten wie dessen eigene Erklärung bindet (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, 68. Aufl. 2010, § 85 Rdnr. 4 m.w.N.) .

Die für den Erfolg des Wiedereinsetzungsgesuchs entscheidende Frage, ob der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten, ist gemessen hieran zu verneinen. Der Kläger muss sich das zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags geschilderte Verhalten des von ihm u.a. bevollmächtigten Rechtsanwalts C. als eigenes Verschulden zurechnen lassen. Dieser hat seine anwaltlichen Sorgfaltspflichten verletzt, indem er den Eingangsstempel nach Bemerken der - seiner Darstellung nach versehentlichen - Übermittlung des den verfahrensgegenständlichen Beschluss des Verwaltungsgerichts betreffenden Empfangsbekenntnisses an das Verwaltungsgericht nicht auf diesem Beschluss, sondern auf einem weiteren Eingang in diesem Verfahren angebracht hat. Es gehört zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten, das Empfangsbekenntnis über die Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung erst dann zu unterzeichnen, wenn die Rechtsmittelfrist in den Handakten festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert ist. (BVerwG, Beschluss vom 3.12.2002 - 1 B 429/02 -, NVwZ 2003, 868 m.w.N.) Diese Sorgfaltsanforderung spielt üblicherweise eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Prüfung, ob ein Rechtsanwalt hinreichende organisatorische Vorkehrungen zur Vermeidung von Fehlern seiner Hilfskräfte bei der Fristeintragung getroffen hat, gilt aber gleichermaßen, wenn ein Rechtsanwalt die Post selbst öffnet und den Empfang einer gerichtlichen Entscheidung durch Rücksendung des Empfangsbekenntnisses bestätigt. In einem solchen Fall ist er gehalten, selbst dafür Sorge zu tragen, dass die Frist ordnungsgemäß und zutreffend in der Handakte vermerkt ist. Versieht er aus Versehen ein falsches Schriftstück mit dem Eingangsstempel und unterlässt er jegliche Registrierung des Eingangs in dem Fristenkalender, so verletzt er seine anwaltlichen Sorgfaltspflichten gravierend.

Dem lässt sich fallbezogen nicht entgegenhalten, dass das Büro der Prozessbevollmächtigten des Klägers an dem fraglichen Tag wegen Personalausfalls unterbesetzt gewesen sei und man daher zur Vermeidung von Fehlern bei der Fristenregistrierung vereinbart habe, die Post bis zum nächsten Arbeitstag unbearbeitet liegen zu lassen. Gerade wenn ein Anwalt in einer solchen Situation versehentlich in einem Verfahren, das von einem Kollegen bearbeitet wird, ein Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zurücksendet, muss er sicherstellen, dass dieses Tätigwerden, - insbesondere, wenn es den Lauf einer Rechtsmittelfrist in Gang setzt - ordnungsgemäß in der Handakte und im Fristenkalender dokumentiert wird. Unterlässt er dies, so liegt hierin eine Sorgfaltspflichtverletzung, die der Partei nach § 85 Abs. 2 ZPO unmittelbar zuzurechnen ist. Ob den nach interner Absprache für den Rechtsstreit zuständigen Sachbearbeiter, der auf die Einhaltung der Vereinbarung, an dem fraglichen Tag keine Post zu bearbeiten, vertraut hat, ein eigenes Verschulden trifft, ist unter diesen Gegebenheiten ohne Belang. Zwar gibt es Konstellationen, in denen eine dritte Person, die nicht Bevollmächtigter des Betroffenen ist, eine Zustellung in Empfang genommen, aber nicht weitergegeben, beziehungsweise ein falsches Zustellungsdatum vermerkt hat, wobei dem Betroffenen nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, dass er sich hierauf verlassen hat. (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 60 Rdnr. 10) Vorliegend geht es indes nicht darum, ob der sachbearbeitende Rechtsanwalt auf die Einhaltung der Absprache, keine Post zu bearbeiten, vertrauen durfte, da das Geschehen dadurch gekennzeichnet wird, dass ein weiterer Bevollmächtigter des Klägers seine anwaltlichen Sorgfaltspflichten nicht beachtet hat und das Fristversäumnis hierdurch bedingt wurde. Der tätig gewordene Anwaltskollege ist keine dritte Person im vorgenannten Sinne, sondern selbst Bevollmächtigter des Klägers.

Demgemäß unterliegt das Wiedereinsetzungsgesuch der Zurückweisung und die verfristete Beschwerde muss als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 und 166 VwGO i.V.m. 127 Abs. 4 ZPO und Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses der Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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