Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 2 A 77/20

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Berufungszulassungsverfahren gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. Januar 2020 - 3 K 717/19 - wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für den beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27.1.2020 - 3 K 717/19 -, das eine Klage gegen Mahngebühren i.H.v. insgesamt 7,55 EUR zum Gegenstand hat.

Die Klägerin bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Durch den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Jobcenters im Kreis S... vom 21.10.2014 wurden die Entscheidungen vom 2.1.2013, 9.1.2013, 5.3.2013, 19.3.2013, 3.4.2013 und 27.5.2013 über die Bewilligung von Leistungen nach SGB II für die Zeit vom 1.6.2013 bis zum 31.7.2013 für die Klägerin und ihre Kinder aufgehoben. Die Klägerin wurde verpflichtet, einen Betrag in Höhe von 89,66 EUR (Verwendungszweck ...) bis zum 8.11.2014 zu erstatten. Würden die Zahlungsverpflichtungen trotz Mahnung nicht eingehalten werden, drohe die Zwangsvollstreckung.

Der Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wurde durch Widerspruchsbescheid des Jobcenters im Kreis S... vom 16.3.2017 zurückgewiesen. Ihre dagegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht für das Saarland - S 26 AS 229/17 - hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2017 zurückgenommen.

Mit Bescheid des Jobcenters im Kreis S... vom 4.7.2016 wurde gegenüber der Klägerin ein Erstattungsbetrag von insgesamt 185,02 EUR für den Zeitraum 1.8.2014 bis 31.8.2014 (Unterkunft und Heizung: 168,34 EUR und Regelleistungen: 16,68 EUR) festgesetzt. Gegen diesen mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid wurde nach Aktenlage kein Rechtsbehelf eingelegt.

Mit drei Mahnungen vom 11.4.2018 teilte der Beklagte der Klägerin mit, nach Überprüfung ihrer Konten hätten sich die nachfolgend aufgeführten Rückstände in Höhe von 89,66 EUR, 168,34 EUR und 16,68 EUR ergeben. Die Klägerin wurde jeweils aufgefordert, den offenen Gesamtbetrag innerhalb von 14 Tagen zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen einzuzahlen. Bei nicht fristgemäßer Zahlung werde die Zwangsvollstreckung eingeleitet. Neu festgesetzt wurden in den Mahnungen Mahngebühren in Höhe von 2,45 EUR (zu Kassenzeichen …60.8), 2,85 EUR (zu Kassenzeichen …07.8) und 2,25 EUR (zu Kassenzeichen …07.9), insgesamt 7,55 EUR. In den Mahnungen heißt es weiter, die Festsetzung der Mahngebühren erfolge nach § 5 Abs. 1 der Kostenordnung zum Saarländischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz. Säumniszuschläge würden nach § 240 Abgabenordnung erhoben. Die Säumniszuschläge würden eins von Hundert des rückständigen auf 50,00 EUR abgerundeten Betrages betragen, für jeden angefangenen Monat der Säumnis vom ursprünglichen Fälligkeitstag ab gerechnet.

Am 17.4.2018 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Mahnungen ein. Sie trug vor, die Schreiben seien fälschlicherweise auf den 28.2.2016 (gemeint ist 28.2.2018) datiert worden. Den Erhalt der Schreiben könne sie aber erst zum 13.4.2018 bestätigen. Die Gegenseite müsse nachweisen, dass per Einschreiben die Schreiben am 28.2.2018 zugegangen seien. Abgesehen davon müsse einer Mahnung eine Rechnung oder ein Leistungsbescheid vorausgegangen sein. Dies sei nicht der Fall. Der Beklagte beziehe sich nicht einmal auf einen ergangenen Leistungsbescheid. Voraussetzung für eine Zwangsvollstreckung sei ein rechtskräftiger Titel. Dieser müsse dem Schuldner zugestellt werden. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Daher sei die Forderung vorsätzlich betrügerisch und nicht rechtswirksam. Eine Forderung des Jobcenters S... gegen sie bestehe nicht.

Mit dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11.4.2019 ergangenen Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Kreises S... vom 29.4.2019 wurde der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen. Die angefochtenen Mahnungen stellten keinen Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG dar, weil sie keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfalteten, sondern lediglich auf die bereits erlassenen Leistungsbescheide hinwiesen. Sie könnten deshalb mit Rechtsbehelfen nicht angefochten werden.

Am 13.5.2019 hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, nach der Entscheidung des Sozialgerichts für das Saarland (Az: S 26 AS 229/17 und S 26 AS 636/17) hätte sie in Abgeltung aller offener Zahlungsansprüche 89,66 EUR an das Jobcenter zahlen sollen. Diese Zahlung sei erfolgt. Von einem Zahlungsverzug habe sie erst mit dem Mahnschreiben vom 11.4.2018 erfahren. Die Forderungen hinsichtlich der Mahn- und Verwaltungskosten seien rechtswidrig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 11.4.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2019 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit dem aufgrund der mündlichen Verhandlung ergangenen Urteil vom 27.1.2020 - 3 K 717/19 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Urteilsgründen wird ausgeführt, hinsichtlich der hier allein in Rede stehenden Mahngebühren, die auf der Grundlage des Saarländischen Verwaltungsvollstreckungsrechts erhoben würden, sei der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, auch wenn ihnen fallbezogen Hauptforderungen des in kommunaler Trägerschaft befindlichen Jobcenters nach SGB II zugrunde lägen. Die Klage sei unbegründet, der Beklagte habe zu Recht Mahngebühren in Höhe von insgesamt 7,55 EUR festgesetzt und angefordert. Rechtsgrundlage sei § 5 der Kostenordnung zum Saarländischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz und hinsichtlich der Säumniszuschläge § 240 AO. Der Erhebung der Mahngebühren lägen „offene“ Forderungen zugrunde, für die die Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung nach § 30 Abs. 1 SVwVG vorlägen. Der Festsetzung der Mahngebühren über 2,85 EUR zu dem Kassenzeichen 50.07907.8 mit einem Hauptforderungsbetrag von 168,34 EUR und über 2,25 EUR zu dem Kassenzeichen 50.0790.9 mit einem Hauptforderungsbetrag von 16,68 EUR beruhten auf dem Bescheid des Jobcenters des Beklagten vom 4.7.2016, der bestandskräftig geworden sei. Eine Zahlung der Beträge seitens der Klägerin an den Beklagten sei nicht feststellbar. Die Festsetzung von Mahngebühren über 2,45 EUR zu dem Kassenzeichen 50.04560.8 mit einem Hauptforderungsbetrag von 89,66 EUR beruhe auf dem Bescheid des Jobcenters des Beklagten vom 21.10.2014. Der Vortrag der Klägerin hierzu, Mahngebühren könnten sich aus dieser Forderung nicht ergeben, da die Forderung als Ergebnis eines gerichtlichen Vergleiches im Verfahren S 26 AS 229/17 des Sozialgerichts für das Saarland unter der Bedingung verhandelt worden sei, dass keine weiteren Kosten gefordert werden könnten, treffe nicht zu. Aus der dem Gericht vorliegenden Sitzungsniederschrift vom 19.12.2017 gehe hervor, dass das in Rede stehende Verfahren nicht mit einem Vergleich sondern mit einer Klagerücknahme seitens der Klägerin geendet und der Bescheid vom 21.10.2014 daher Bestandskraft erlangt habe. Eine Zahlung des Hauptforderungsbetrages seitens der Klägerin an den Beklagten habe das Gericht auch hier nicht feststellen können. Das von der Klägerin angeführte Verfahren S 26 AS 636/17 vor dem Sozialgericht für das Saarland beziehe sich auf einen anderen Lebenssachverhalt und sei für die hier in Rede stehenden Mahngebühren nicht entscheidungserheblich.

Das Urteil wurde der Klägerin am 29.1.2020 zugestellt.

Am 26.2.2020 hat die anwaltlich nicht vertretene Klägerin (zunächst) die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil beantragt und am 28.2.2020 Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Verfahren auf Zulassung der Berufung unter Beiordnung eines von ihr benannten Rechtsanwaltes beantragt.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung - das Zulassungsverfahren gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27.1.2020 - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 121 Abs. 1 ZPO).

Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dürfen die Anforderungen mit Blick auf die gesetzliche Zielsetzung des Prozesskostenhilferechts, Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen(vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 29.6.2010 - 2 B 210/10 - vom 24.8.2009 - 2 D 395/09 -, SKZ 2010, 65, LS Nr. 78 und vom 5.9.2018 - 2 D 175/18 -; juris), nicht überspannt werden. Die Bewilligung ist dann gerechtfertigt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des jeweiligen Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für vertretbar hält und bei Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der Möglichkeit der Beweisführung in seinem Sinne überzeugt ist.(vgl. Beschluss des Senats vom 5.9.2018, a.a.O., m.w.N.)

Hieran gemessen liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vor. Ein noch zu stellender Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts wäre voraussichtlich zurückzuweisen, da der von der Klägerin der Sache nach geltend gemachte Zulassungsgrund gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) nicht gegeben ist und andere Zulassungsgründe nicht erkennbar sind.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die in den Schreiben des Beklagten festgesetzten Mahngebühren in Höhe von 7,55 Euro in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2019 zu Recht als unbegründet abgewiesen. Im Einklang mit der Rechtsprechung(vgl. BSG, Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 54/10R -; vgl. auch Urteil vom 2.11.2012 - B 4 AS 97/11R -; zitiert nach juris) hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass es sich bei der in der Mahnung enthaltenen Festsetzung von Mahngebühren um einen Verwaltungsakt handelt, der mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden kann, da die Festsetzung von Mahngebühren eine für den betroffenen Schuldner verbindliche Einzelfallregelung darstellt. Ebenfalls zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Rechtsstreit allein die von der Klägerin angeforderten Mahngebühren in Höhe von insgesamt 7,55 EUR Streitgegenstand sind, da sie auf der Grundlage des Saarländischen Verwaltungsvollstreckungsrechts erhoben werden und insoweit der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet ist, obwohl Hauptforderungen des Jobcenters nach SGB II zugrunde liegen. Für Streitigkeiten über eine Vollstreckungsmaßnahme, die wie hier auf § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X und dem Verwaltungsvollstreckungsrecht des Landes beruht, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.(vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.8.2016 - 5 B 74/15 -; juris)

Die Mahngebühren wurden zu Recht gemäß § 5 der Kostenordnung zum SVwVG festgesetzt, weil die Klägerin mit der Zahlung der geschuldeten Erstattungsbeträge aufgrund der bestandskräftigen Bescheide des Beklagten vom 21.10.2014 und vom 4.7.2016 in Verzug war. Ihrem Einwand, die Mahnungen seien fälschlicherweise auf den 28.2.2016 (gemeint ist 28.2.2018) datiert worden, ist entgegenzuhalten, dass die Schreiben mit dem Datum 11.4.2018 ausgestellt wurden. Die zusätzliche Angabe eines Stichtages (hier „28.2.2018“) in den Mahnungen ist erfolgt, um zu verdeutlichen, dass der Beklagte Zahlungseingänge auf die Forderung bis zu diesem Tag berücksichtigt hat, ohne dass ein Zahlungseingang zu verzeichnen war. Die Klägerin beruft sich weiterhin - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - ohne Erfolg darauf, die Hauptforderungen aufgrund der Rückzahlungsbescheide seien beglichen worden, ohne indessen entsprechende Einzahlungsbelege vorzulegen. Soweit sie sich darauf beruft, die Forderung von 89,66 EUR (muss heißen 89,46 EUR) sei bereits als Pfändung von ihrer Tochter im August 2018 einschließlich der Mahnkosten eingezogen worden, verkennt sie, dass es sich hierbei um eine gegen ihre Tochter gerichtete Forderung handelt. Der Pfändung (vgl. die Ankündigung der Zwangsvollstreckung der Kreiskasse S... vom 29.8.2018) kommt daher im Hinblick auf gegenüber der Klägerin bestehende Forderungen keine schuldbefreiende Wirkung zu. Soweit die Klägerin des weiteren meint, „die anderen beiden Forderungen“ seien durch eine Klage beim Sozialgericht (Aktenzeichen S 26 AS 636/17) aufgehoben worden, ist dem entgegenzuhalten, dass sich aus der Niederschrift der öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts für das Saarland vom 19.12.2017 in dem Verfahren S 26 AS 636/17 zwar ergibt, dass die Änderungsbescheide vom 24.6.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.7.2017 sowie der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 8.7.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.7.2017 und der weitere Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 8.7.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.7.2017 aufgehoben wurden. Diese Bescheide betreffen aber andere Leistungszeiträume als die hier in Rede stehenden Erstattungsbescheide zum Gegenstand haben. Der Verweis auf dieses sozialgerichtliche Verfahren ist daher vorliegend für die Klägerin nicht hilfreich. Soweit die Klägerin schließlich vorbringt, am 11.2.2020 habe ihr der Kreis S... Forderungen in Höhe von 282,23 EUR in Rechnung gestellt, obwohl im Urteilstatbestand des erstinstanzlichen Verfahrens nur von 7,55 EUR die Rede sei, bezieht sie sich auf die Forderungsaufstellung der Kreiskasse des Landrates S... vom 11.2.2020, die die Höhe der Gesamtforderung (Hauptforderung und Mahngebühren) ausweist. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Urteils sind aber - entsprechend dem Klagevorbringen - ausschließlich die Mahngebühren.

Nach Lage der Dinge durfte der Beklagte daher wegen der fälligen und offenen Erstattungsforderungen aufgrund der bestandskräftigen Bescheide vom 21.10.2014 und vom 4.7.2016 das Mahnverfahren einleiten und auf der Grundlage von § 5 der Kostenordnung zum SVwVG Mahngebühren erheben, gegen deren Höhe keine rechtlichen Bedenken angezeigt sind.

Der beabsichtigte Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts bliebe demnach erfolglos, so dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein solches Verfahren nicht in Betracht kommt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Gerichtskosten nicht erhoben und die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht erstattet werden (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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