Beschluss vom Sächsisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 L 85/18

Gründe

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Der zulässige Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 3. Kammer - vom 16. Januar 2018 hat in der Sache keinen Erfolg.

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Die gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

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„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und u. a. konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris [m. w. N.]). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).

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Das Antragsvorbringen begründet im vorbezeichneten Sinne keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der angefochtenen Entscheidung.

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Die Antragsbegründungsschrift trägt vor, der Beklagte habe in Bezug auf die Auswahl des Zinsschuldners kein Ermessen ausgeübt, weil er bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 17. August 2016 keine Erwägungen angestellt habe, weshalb er die Klägerin und nicht die seit 5 Jahren bestehende Ambulante Krankenpflege V. A. GmbH (nachfolgend: GmbH) zu den ausstehenden Zinsen herangezogen habe. Der Beklagte habe offensichtlich nicht erkannt, dass die GmbH neben der Klägerin für die Zinsforderung mithaften könne.

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Ein Ermessensnichtgebrauch bei der hier in Betracht kommenden Auswahl eines Gesamtschuldners wird mit diesem Vorbringen nicht schlüssig dargelegt.

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Nach dem Vortrag der Klägerin ist die GmbH durch Spaltung in Form der Ausgliederung des von der Klägerin ursprünglich als Einzelkaufmann betriebenen Unternehmens zwecks Neugründung einer Kapitalgesellschaft entstanden (vgl. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 Nr. 2, 152 S. 1,158 UmwG). Die Umwandlung in eine GmbH sei dem Beklagten aus den Verhandlungen über die am 3. Juli 2014 geschlossene Stundungsvereinbarung auch bekannt gewesen. Die Umwandlung in die GmbH habe zu einer Gesamtrechtsnachfolge hinsichtlich des Unternehmens des Einzelkaufmanns geführt, dessen Verbindlichkeiten seien auf die GmbH übergegangen. Der Einzelkaufmann hafte indes zeitlich beschränkt für die Verbindlichkeiten weiter (vgl. §§ 158, 156 S. 1, 157 UmwG).

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Hiervon ausgehend ist die Haftung von neu gegründeter GmbH und Einzelkaufmann als Gesamtschuldverhältnis in entsprechender Anwendung von § 421 BGB zu qualifizieren (vgl. Karollus in Lutter, Umwandlungsgesetz, 5. Aufl. 2014, § 156 UmwG Rn. 19 m. w. N.).

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Im öffentlichen Recht tritt an die Stelle des freien Beliebens der Inanspruchnahme nach § 421 S. 1 BGB ein Ermessen bei der Auswahl unter den Gesamtschuldnern, wobei diesem Auswahlermessen grundsätzlich weite Grenzen gezogen sind, soweit es der Verwaltungsvereinfachung und der Effizienz des Gesetzesvollzuges dient, nicht aber dem Schutz des in Anspruch genommenen Schuldners. Für eine Bindung des Ermessens an eine bestimmte Rangfolge bei der Inanspruchnahme bedürfte es daher eines Anhaltspunktes im Gesetz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2010 - 3 B 17.10 -, juris Rn. 10 m. w. N.). Ansonsten wird das Ermessen der Behörde lediglich durch das Willkürverbot und offenbare Unbilligkeit begrenzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 - 8 C 57.91 -, juris Rn. 20). Sie ist auch in der Regel nicht verpflichtet, die Gründe ihrer Ermessensentscheidung über die Auswahl des Gesamtschuldners im Heranziehungsbescheid anzugeben, außer es bestünde gegenüber dem Adressaten des Verwaltungsaktes ein hinreichend schutzwürdiger Anlass, etwa die Geltendmachung bzw. das Vorliegen von Billigkeitsgründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993, a. a. O., Rn. 21, 22). Ebenso gehören Hinweise auf die gesamtschuldnerische Haftung des nicht zur Zahlung herangezogenen Mitschuldners und die befreiende Wirkung der Zahlung eines Gesamtschuldners nicht zum notwendigen Inhalt des Heranziehungsbescheides (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993, a. a. O., Rn. 16).

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Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hinsichtlich einer nach dem Zulassungsbegründungsvorbringen vorliegenden gesamtschuldnerischen Haftung genügt es deshalb nicht, einen Ermessensnichtgebrauch lediglich zu behaupten bzw. auf das Fehlen von entsprechenden Erwägungen für die Wahl der Klägerin anstelle der GmbH im Bescheid vom 17. August 2016 zu verweisen. Hiermit wird nicht schlüssig dargelegt, dass der Beklagte ein ihm zustehendes Auswahlermessen nicht erkannt bzw. seiner Entscheidung nicht zumindest für den Fall der von der Klägerin dargelegten Umwandlungsfolgen unterstellt hat. Auch der Vortrag, der Beklagte habe die Mithaftung der GmbH nicht erkannt, erschöpft sich vor allem im Hinblick auf dessen angeführte Kenntnis von der Umwandlung aus den Stundungsverhandlungen in einer bloßen Behauptung und wird nicht nachvollziehbar dargelegt. Ein fehlender Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung bzw. auf fehlende Erläuterungen für die Auswahl der Klägerin sind insoweit nicht aussagekräftig bzw. die Antragsbegründungsschrift macht nicht plausibel, weshalb im vorliegenden Fall auf entsprechende Hinweise/Erläuterungen nicht verzichtet werden konnte und sich somit die von der Klägerin gezogene Schlussfolgerung fehlender Ermessensausübung rechtfertigt.

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Im Übrigen erscheint die Heranziehung der Klägerin - ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankommt - naheliegend. Sie war die von der Förderung Begünstigte und Nutznießerin, langjährige Verfahrensbeteiligte und nicht nur (bis ins Jahr 2017) neben ihrer Tochter alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der GmbH, sondern auch deren Alleingesellschafterin (vgl. mit Zulassungsbegründungsschrift als Anlage R 2 beigefügte notarielle Urkunde vom 2. Oktober 2017, Nr. 257 der Urkundenrolle für 2017, Seite 2 Pkt. I, II A); zudem überschritt das Stammkapital der GmbH von 25.000 € die Zinsforderung des Beklagten nur in geringem Maße und die (volle persönliche) Haftung des Einzelkaufmanns gemäß § 156 UmwG trägt auch dem Umstand Rechnung, dass sich der von einer Ausgliederung betroffene Gläubiger hiergegen nicht wehren kann, d. h. ein Wechsel in der Person des Schuldners ohne seine Zustimmung erfolgt und von ihm hinzunehmen ist.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 3 S. 1 GKG und folgt der erstinstanzlichen Wertfestsetzung.

14

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


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