Beschluss vom Sächsisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 L 32/18

Gründe

I.

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Der Kläger begehrt die Erteilung einer nachträglichen Baugenehmigung zur Errichtung eines eingeschossigen Gebäudes mit einer Grundfläche von ca. 20 m² auf dem rückwärtigen Teil seines Wohngrundstückes. Den Bauantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.07.2013 ab.

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Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem bereits umgesetzten Bauvorhaben stünden sowohl bauordnungsrechtliche Vorschriften über einzuhaltende Abstandsflächen als auch Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegen.

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Im unbeplanten Innenbereich dürften gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 BauO LSA nach Planungsrecht Gebäude ohne Grenzabstand errichtet werden, wenn sich eine Grenzbebauung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB insbesondere hinsichtlich der Bauweise in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Eine aus der tatsächlichen Bebauung zu erschließende Bauweise, die einen Grenzanbau ermögliche, könne dabei nur durch Hauptgebäude, nicht aber durch Nebengebäude oder Garagen vorgegeben werden. Die Eigenart der näheren Umgebung sei hier durch eine Bebauung mit aus mehreren Reihenhäusern bestehenden Häusergruppen geprägt, die parallel zur jeweiligen Straße errichtet seien. Die Grundstücksgrenzen, die durch das in Rede stehende Gebäude betroffen seien, lägen innerhalb der straßenseitigen Reihenhauszeile und damit im Bereich der geschlossenen Bauweise. Im nicht beplanten Innenbereich strahle aber die Geschlossenheit nicht auf die gesamten unbebauten Flächen vor und hinter den Gebäudefronten aus; dort steuerten auch die Kriterien der baulichen Nutzung und die überbaubare Grundstücksfläche den Bereich, der einer grenzständigen Bebauung offenstehe. Das in Rede stehende Gebäude überschreite nach der durchgeführten Beweisaufnahme den von der näheren Umgebung vorgegebenen Rahmen hinsichtlich der Grenzbebauung von Hauptgebäuden im rückwärtigen Bereich. Als nähere Umgebung, die den maßgeblichen Rahmen bilde, sei der Grünstreifen anzusehen, der sich durch die westlich des K. Weges liegenden rückwärtigen Gärten sowie die Gärten ergebe, die sich an die Wohnbebauung des S. Weges anschlössen. Denn dieser Bereich stelle den maßgeblichen Ruhebereich/Grünbereich dar, um dessen etwaigen Wandel durch das Bauvorhaben es gehe. Die Bebauung sei dort sehr homogen gehalten. In den schmalen und langen rückwärtigen Grünstreifen befänden sich zahlreiche Nebengebäude, die aber nicht als maßstabsbildend herangezogen werden könnten. Die hier streitige Hauptnutzung als Erweiterung der Wohnnutzung, die losgelöst vom Hauptgebäude erfolge, sei ohne Vorbild. Die Erteilung einer Abweichung komme nicht in Betracht, weil die Zulassung des Vorhabens dazu führen würde, dass auch eine vergleichbare rückwärtige Bebauung der umliegenden Grundstücke zu genehmigen und damit eine die bisherige Situation deutlich verändernde Verdichtung auf den rückwärtigen Grundstücksflächen nicht zu verhindern wäre. Insoweit würde in den rückwärtigen Grünbereich die Situation in Bewegung gebracht. Eine für eine Abweichung erforderliche atypische Situation liege nicht vor. Auf den rückwärtigen Anbau mit Dachterrasse auf dem Grundstück S. Weg und den recht großzügigen Anbau auf dem Grundstück S. Weg könne sich der Kläger nicht berufen. Zum einen ragten diese der Hauptnutzung dienenden, sich unmittelbar an das jeweilige Wohnhaus anschließenden Anbauten nicht so tief in den Gartenbereich hinein wie der in Rede stehende Bau des Klägers, der sich in einem Abstand vom Hauptgebäude weiter in den rückwärtigen Bereich erstrecke und damit eine rückwärtige faktische Baugrenze deutlich nach hinten verlagere. Zudem habe die Beklagte diese Anlagen nicht genehmigt. Da diese einseitig grenzständig errichteten Hauptnutzungen den Bereich nicht prägten, hätten sie das Gebiet noch nicht so umschlagen lassen, dass eine rückwärtige grenzständige Bebauung „vorherrsche“, mithin einen Rahmen bilden könne.

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Das Bauvorhaben des Klägers verstoße auch gegen das Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB. Zur maßgeblichen näheren Umgebung im Sinne dieser Vorschrift gehörten nach dem beim Augenschein gewonnenen Eindruck hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nur die zwischen dem K. Weg und dem S. Weg bestehenden rückwärtigen (Grün-)Flächen. Nur insoweit könnten wechselseitige Wirkungen entstehen. Inwieweit eine rückwärtige Bebauung in anderen Grünbereichen vorangeschritten sei, bedürfe keiner Aufklärung. In der maßgeblichen näheren Umgebung sei die Bebauung in der Weise geprägt, dass die Hausreihen direkt bzw. nach kleinen Vorgärten zur Straße hin lägen, während sich in zweiter Reihe nur Nebengebäude, aber keine Hauptgebäude befänden. Das Vorhaben des Klägers überschreite diesen Rahmen. Es sei auch nicht ausnahmsweise zulässig, weil es geeignet sei, bodenrechtliche Spannungen auszulösen. Die durch Gärten und Grünflächen geprägte Ruhezone würde im Falle der Zulassung der Umnutzung in Dauerwohnen erheblich gestört. Von dem Wohngebäude gehe eine negative Vorbildwirkung aus, weil auf den Nachbargrundstücken des Straßengevierts eine ähnliche Bebauung dann nicht mehr zu verhindern wäre. Eine Hauptnutzung im Gartenbereich sei nicht maßstabsbildend, wenngleich es offenbar Genehmigungen für an die Wohnhäuser rückwärtig angebaute eingeschossige Wintergärten oder ähnliches gebe. Aus den vorhandenen zahlreichen Nebengelassen bzw. Gartenhäuschen zur Unterbringung von Gartengeräten könne der Kläger für sich nichts herleiten, weil diese Objekte nicht maßgeblich für die Frage sein könnten, ob sich die vom Kläger begehrte Hauptnutzung im rückwärtigen Bereich mit einer Tiefe von ca. 21 m in den vorgegebenen Rahmen einfüge. Eine solche Nutzung brächte den rückwärtigen Ruhebereich in Unruhe. Es bestehe eine negative Vorbildwirkung. Wie dieses Verfahren zeige, werde auf andere Hauptnutzungen Bezug genommen. Auf fast jedem Grundstücke bestehe baulich die Möglichkeit. die Grünfläche (weiter) zu versiegeln und einen Wintergarten oder andere der Hauptnutzung dienende Objekte zu errichten. Soweit der Anbau auf dem Grundstück S. Weg genehmigt worden sei, folge daraus kein Anspruch des Klägers, da es sich um einen eingeschossigen Anbau unmittelbar an das Wohngebäude handele. Ob die Terrassennutzung zu Recht genehmigt worden sei, bedürfe keiner Vertiefung. Für den eingeschossigen Anbau mit Satteldach auf Bild 1 und den eingeschossigen Anbau auf Bild 2 lägen keine Baugenehmigungen vor.

II.

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A. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

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Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Solche Zweifel bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.07.2013 – 1 BvR 3057/11 –, juris, RdNr. 36, m.w.N.). Das ist vorliegend nicht der Fall.

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1. Der Kläger wendet ein, das Verwaltungsgericht habe nur die zwischen dem K. Weg und dem S. Weg bestehenden rückwärtigen (Grün-)Flächen zur Bestimmung der maßgeblichen näheren Umgebung herangezogen, zu Unrecht aber die daran angrenzenden baugleichen Bereiche unberücksichtigt gelassen und nicht in Augenschein genommen. Zutreffend zitiere das Urteil eingangs aus der Erhaltungssatzung der Beklagten, in deren Geltungsbereich sein Grundstück liege und die das Quartier als in sich geschlossene Einheit mit einer Reihe von Einfamilienhäusern gleichen Aussehens beschreibe. Dann aber würden selbst Bereiche aus der näheren Umgebung ausgeschlossen, die sich von seinem Grundstück nur wenige Meter entfernt befänden, wie etwa auf der gegenüberliegenden Seite des K. Weges, wo ein Grundstück ebenso bebaut sei wie sein Grundstück. Damit vermag der Kläger nicht durchzudringen.

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Welcher Bereich als „nähere Umgebung“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anzusehen ist, hängt davon ab, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die benachbarte Bebauung und andererseits sich diese Bebauung auf das Baugrundstück prägend auswirken. Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann. Bei der überbaubaren Grundstücksfläche ist der maßgebliche Bereich in der Regel (deutlich) enger zu begrenzen als bei der Art der baulichen Nutzung, weil die Prägung, die von der für die Bestimmung der überbaubaren Grundstücksflächen maßgeblichen Stellung der Gebäude auf den Grundstücken ausgeht, im Allgemeinen (deutlich) weniger weit reicht als die Wirkungen der Art der baulichen Nutzung. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass nur wenige, unter Umständen sogar nur zwei Grundstücke den maßgeblichen Rahmen bilden. Auch wenn eine Bebauung, die jenseits der das Geviert umgebenden Straßen liegt, prägende Wirkung für ein Vorhaben innerhalb eines Straßengevierts haben kann, ist damit nicht vorgegeben, dass in Bezug auf das Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche generell die Bebauung in Gebieten jenseits angrenzender Straßen zur näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB gehört; dies hängt vielmehr von der Abgrenzung der maßgeblichen näheren Umgebung unter Berücksichtigung der relevanten Umstände des Einzelfalls ab (zum Ganzen: Beschl. d. Senats v. 24.10.2016 – 2 L 68/15 –, juris, RdNr. 13, m.w.N.). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (BVerwG, Beschl. v. 28.08.2003 – BVerwG 4 B 74.03 –, juris, RdNr. 2).

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Der Kläger legt nicht dar, weshalb das Verwaltungsgericht mit der Heranziehung nur der zwischen dem K. Weg und dem S. Weg liegenden Grundstücke die nähere Umgebung in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche nach dem aufgezeigten Maßstab fehlerhaft bestimmt hat. Der Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung hat insoweit keine Aussagekraft, weil die Gebietsabgrenzung dort nach anderen Maßstäben erfolgt. Bei der flächenmäßigen Umgrenzung eines Erhaltungsgebiets steht der Gemeinde ein planerischer Ermessensspielraum zu; das schützenswerte Gebiet ist so auszuwählen, dass die städtebaulichen Folgen der in § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Maßnahmen städtebaulich gewichtet werden können (Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 172 RdNr. 26). Anhaltspunkte für eine sachgerechte Gebietsabgrenzung beim Erlass einer Erhaltungssatzung sind bei Satzungen der hier in Rede stehenden Art zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vor allem die optischen Auswirkungen der zu schützenden baulichen Anlagen (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg BauGB, § 172 RdNr. 64).

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2. Der Kläger rügt, die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts der näheren Umgebung zuzuordnenden Grundstücke wiesen in ihren rückwärtigen Teilen eine große Anzahl von Baukörpern auf. Neben Schuppen, Carports und Garagen befänden sich darunter auch Wohnhäuser, die zum Teil größer und prägnanter seien als sein Gebäude, wie etwa eine Ferienwohnung, und zum Teil mit einer Dachterrasse ausgestattet seien. Zwar schließe der streitige Bau nicht an sein Wohnhaus an, der Zwischenraum betrage aber nur etwa einen halben Meter, was von dem zwischen den Grundstücken verlaufenden Weg nicht auszumachen sei. Eine – nicht definierte – faktische Baugrenze werde nicht überschritten. Auch diese Einwände verfangen nicht.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 16.06.2009 – BVerwG 4 B 50.08 –, juris, RdNr 6) ist bei der Bestimmung des sich aus der vorhandenen Bebauung ergebenden Maßstabes grundsätzlich alles in den Blick zu nehmen, was in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist. Nicht jegliche vorhandene Bebauung in der näheren Umgebung bestimmt jedoch ihren Charakter. Vielmehr muss die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden. Es muss alles außer Acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint. Auszusondern sind hiernach auch solche baulichen Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild (Ausdehnung, Höhe, Zahl usw.) nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, die der Betrachter also nicht oder nur am Rande wahrnimmt. Auch Baulichkeiten, die keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bilden können, können in der Lage sein, in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil die Eigenart der näheren Umgebung zu prägen (BVerwG, Urt. v. 08.12.2016 – BVerwG 4 C 7.15 –, juris, RdNr. 13; Beschl. v. 16.07.2018 – BVerwG 4 B 51.17 –, juris, RdNr. 6). Da das Bauplanungsrecht für die räumliche Lage von Nebenanlagen im Sinne von § 14 BauNVO und nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässigen Anlagen, wie etwa Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten bis zu einer bestimmten Größe (vgl. § 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BauO LSA), gewisse Erleichterungen vorsieht (vgl. § 23 Abs. 5 BauNVO), die im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB nicht auf die Hauptgebäude übertragen werden können, ist eine rückwärtige Bebauung mit einem Hauptgebäude unzulässig, wenn im hinteren Bereich der umliegenden Grundstücke nur solche (Neben-)Anlagen vorhanden sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.11.1997 – BVerwG 4 B 172.97 –, BRS 59 Nr. 79; Beschl. d. Senats v. 12.11.2010 – 2 M 142/10 –, juris, RdNr. 15; Beschl. v. 04.07.2012 – 2 L 94/11 –, juris, RdNr. 13; ThürOVG, Urt. v. 26.04.2017 – 1 KO 347/14 –, juris, RdNr. 41). Für die Annahme einer faktischen hinteren Baugrenze kann es ausreichen, wenn auf den Grundstücken in der maßgeblichen Umgebung in den rückwärtigen Grundstücksbereichen jenseits einer bestimmten Bebauungstiefe durchgehend keine Hauptgebäude mit Wohnnutzung, sondern lediglich Nebengebäude vorhanden sind (OVG BBg, Urt. v. 24.05.2018 – OVG 2 B 3.17 –, juris, RdNr. 30, m.w.N.).

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In Übereinstimmung damit hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass nur in der näheren Umgebung vorhandene Hauptgebäude, nicht hingegen Nebengebäude den maßgeblichen Rahmen für das Einfügen des streitigen Vorhabens nach der überbaubaren Grundstücksfläche bilden können. Dem genehmigten Anbau an das Wohngebäude auf dem Grundstück S. Weg (vgl. Bl. 95 GA) hat es keine maßgebliche Bedeutung beigemessen, weil es sich lediglich um einen eingeschossigen Anbau unmittelbar an das Wohngebäude handele. Zwar dürfte es für die Frage des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche keinen Unterschied machen, ob in rückwärtige Grundstücksteile sich erstreckende Bebauung sich unmittelbar an straßenseitige Hauptgebäude anschließt oder aus baulich selbständigen Hauptgebäuden besteht. Aber auch wenn der genannte 3,80 m tiefe Anbau mit Dachterrasse, der – gemessen vom S. Weg – ca. 19 m in den rückwärtigen Grundstücksteil hineinreicht, und Anbauten ähnlicher Größe und Anordnung auf benachbarten Grundstücken (Bl. 66 GA) für die Bestimmung der überbaubaren Grundstücksfläche zu berücksichtigen sein sollten, hielte sich das vom Kläger errichtete, ca. 8 m tiefe Gebäude nicht innerhalb des von diesen Anbauten mit vorgegebenen Rahmens, da es – gemessen vom K. Weg – ca. 21 m und damit weiter in den rückwärtigen (Garten-)Bereich hineinreicht als diese Anbauten. Den als Ferienwohnung genutzten Anbau mit Satteldach an das Hauptgebäude auf dem Grundstück S. Weg (Bl. 65 GA) sowie den eingeschossigen Anbau auf Bild 2 (Bl 66 GA) hat das Verwaltungsgericht deshalb unberücksichtigt gelassen, weil dafür keine Baugenehmigungen erteilt worden seien. Mit dieser Erwägung setzt sich der Zulassungsantrag nicht auseinander. Zwar können nicht nur genehmigte oder genehmigungsfähige Bauten und Nutzungen die Eigenart der näheren Umgebung prägen; vielmehr kann zu einer solchen Prägung auch eine Bebauung beitragen, die in einer Weise geduldet wird, die erkennen lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben (BVerwG, Urt. v. 23.11.2016 – BVerwG 4 CN 2.16 –, juris, RdNr. 26, m.w.N.). Dass Letzteres der Fall ist, hat der Kläger in seinem Zulassungsantrag aber nicht geltend gemacht. Die Erklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 24.01.2018, nach einer hauseigenen Recherche lägen für diese Anbauten keine Baugenehmigungen vor, lässt einen solchen Schluss auch nicht ohne weiteres zu. Weitere in den rückwärtigen Grundstücksteilen vorhandene Bebauung in dem vom Verwaltungsgericht für maßgeblich erachteten Bereich, die einen für das klägerische Gebäude günstigeren Rahmen bilden könnten, hat der Kläger nicht konkret bezeichnet.

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3. Der Kläger macht geltend, durch sein Gebäude trete im maßgeblichen Ruhebereich/Grünbereich kein Wandel ein, so dass es auch keine städtebaulichen Spannungen auslösen könne. Die Ruhezone werde nicht gestört, da es bereits Wohnbauten rückseits der Grundstücke gebe. In rückwärtigen Grundstücksteilen befänden sich zudem Garagen bzw. ein Carport, so dass die "Ruhezone" zumindest zum Teil mit Autos befahren werden könne. Bei seinem Bungalow handele sich um kein Wohngebäude, weil die direkte Verbindung zum Wohnhaus fehle; im Gebäude befänden sich nur Sitzgelegenheiten in einem Raum von ca. 20 m², sanitäre Einrichtungen, Wasser- und Abwasseranschlüsse, Kochgelegenheiten und ein Flur seien nicht vorhanden. Auch mit diesem Vorbringen vermag der Kläger nicht durchzudringen.

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In die Eigenart der näheren Umgebung fügt sich ein Vorhaben ein, das sich innerhalb des aus seiner näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, es sei denn, es lässt die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen. Zwar kann sich im Ausnahmefall auch ein Vorhaben, das sich nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, noch in seine nähere Umgebung einfügen; Voraussetzung hierfür ist, dass es weder selbst noch infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen (BVerwG, Urt. v. 08.12.2016 – BVerwG 4 C 7.15 –, juris, RdNr. 17, m.w.N.). Dies gilt auch für das Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.10.1995 – BVerwG 4 B 68.95 –, juris, RdNr. 3). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass eine solche Vorbildwirkung hier gegeben ist, weil auf einer Vielzahl der benachbarten Grundstücke eine solche rückwärtige, der Wohnnutzung dienende Bebauung möglich wäre mit der Folge, dass bereits vorhandene bodenrechtliche Spannungen erhöht würden und eine städtebaulich unerwünschte Verdichtung in diesem Bereich zu befürchten wäre. Mit der Erwägung, die vom Kläger vorgesehene Wohnnutzung bringe „Unruhe“ in den rückwärtigen Bereich, ist nicht gemeint, dass die Nutzung der benachbarten Gärten als Ruhebereich gestört wird. Vielmehr geht es darum, dass ein Vorhaben, das sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen soll, die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise nicht verschlechtern, stören oder belasten und in diesem Sinne Unruhe stiften darf (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.03.1999 – BVerwG 4 B 15.99 –, juris, RdNr. 5).

15

Soweit der Kläger vorträgt, bei dem streitigen Bungalow handele es sich um kein Wohngebäude, ist dem zunächst entgegenzuhalten, dass das Gebäude – wie ein Anbau an ein vorhandenes Wohngebäude – der Wohnnutzung dient. Nach dem Bauantrag soll das Gebäude der Erweiterung des vorhandenen Wohnraums dienen. Soweit der Kläger mit diesem Einwand geltend machen sollte, bei dem streitigen Gebäude handele es sich um eine untergeordnete Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, die auch außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche zugelassen werden könne, ist nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, insbesondere dass das Gebäude der Eigenart des Baugebiets nicht deshalb widerspricht, weil ein Wohnzwecken dienendes Gebäudes in zweiter Reihe dort nicht vorhanden ist.

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B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

17

C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.

18

D. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).


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