Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (4. Senat) - 4 M 223/09

Gründe

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Die statthafte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

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Die Einwände des Antragstellers gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben nach den im einstweiligen Rechtsschutzverfahren anzuwendenden Prüfungsmaßstäben zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung keinen Anlass.

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Ohne Erfolg bleibt der Einwand des Antragstellers, der angefochtene Beschluss sei schon deshalb rechtswidrig, weil der vorläufige Rechtsschutzantrag abgelehnt werde, obwohl diesem bereits mehrfach stattgegeben worden sei. Gegenstand des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO ist die Prüfung, ob eine zuvor gemäß § 80 Abs. 5 VwGO getroffene Entscheidung aufgrund veränderter Umstände geändert oder aufgehoben werden soll (VGH BW, Beschl. v. 19.09.1995 - 8 S 2485/95 -, zitiert nach juris). Das Abänderungsverfahren ist weder eine Fortsetzung des Aussetzungsverfahrens noch ein Rechtsmittelverfahren, sondern ein eigenständiges Verfahren, in dem über die Fortdauer der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO getroffenen Entscheidung befunden wird (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage, Rdnr. 1171 m.w.N.). Es zielt zwar wie das Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 1 VwGO darauf, einen im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschluss zu ändern. Sein Ziel ist aber nicht die Prüfung, ob die frühere Entscheidung zu Recht ergangen ist, sondern ob die frühere Entscheidung für die Zukunft aufrechterhalten werden kann (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O.; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Rdnr. 374 zu § 80). Mit einer bloßen Aufhebung oder Änderung des zuvor ergangenen Beschlusses wird der Streitgegenstand daher nicht ausgeschöpft. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich eine Entscheidung über den ursprünglich gestellten Antrag (VGH BW, a.a.O.).

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Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang geltend macht, Sinn und Zweck der Vorschrift des § 80 Abs. 7 VwGO widerspreche es, anstelle einer Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers vom 22. Oktober 2005 mehrere aufeinander folgende Abänderungsverfahren durchzuführen, greift sein Einwand ebenfalls nicht durch. Anders als ein Rechtsmittelverfahren dient das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO allein der Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen (BVerwG, Beschl. v. 25.08.2008 - 2 VR 1/08 -, zitiert nach juris). Das Abänderungsverfahren ermöglicht die Anpassung an eine veränderte Situation (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., Rdnr. 372 zu § 80). Der Abänderungsantrag ist an keine Frist gebunden; er kann damit solange gestellt werden, bis der Verwaltungsakt rechtskräftig bestätigt worden ist oder sich durch Aufhebung oder in sonstiger Weise erledigt hat (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rdnr. 1188). Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, fehlte dem Antragsgegner für einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO nur dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn er es selbst in der Hand hätte, die Wirkung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beseitigen (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rdnr. 1189). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs endet aber - auch für den Fall des Erlasses eines Widerspruchsbescheides - erst in dem Moment, in dem der Bescheid bestandskräftig wird. Vorliegend führt das gerichtliche Abänderungsverfahren entgegen der Auffassung des Antragstellers schon deshalb nicht zu einer rechtsmißbräuchlichen Verzögerung der Hauptsacheentscheidung, weil es dem Antragsteller unbenommen bleibt, Untätigkeitsklage (vgl. § 75 VwGO) zu erheben.

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Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist eine nachträglich beschlossene Satzung als geänderte Rechtslage zu werten (OVG LSA, Beschl. v. 18.12.2001 - 2 M 108/01 -, zitiert nach juris; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.09. 2007 - 9 S 29.07 -, zitiert nach juris); denn die gemäß § 80 Abs. 7 VwGO erforderliche Veränderung der Umstände setzt gerade nicht voraus, dass sich die Rechtslage durch außerhalb der Einflusssphäre der Streitparteien liegende Sachverhalte ändert.

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Nicht durchgreifend ist auch der Einwand des Antragstellers, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der Anspruch des Antragsgegners durch Verjährung erloschen, weil die erste wirksame Beitragssatzung des Antragsgegners i.S.d. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA bereits im Jahr 1995 in Kraft gewesen sei, sodass die sachliche Beitragspflicht im Jahr 1997, als das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden konnte, entstanden sei. Gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA entsteht die Beitragspflicht zwar frühestens mit dem Inkrafttreten der Beitragssatzung. Die Vorteilslage besteht indes erst zum Zeitpunkt der betriebsfertigen Herstellung der öffentlichen Einrichtung für das betreffende Grundstück. Werden in satzungsloser Zeit oder unter Geltung einer formell oder materiell unwirksamen Satzung die Anschlussvoraussetzungen für Baugrundstücke geschaffen, so entsteht für diese Grundstücke die sachliche Beitragspflicht erst mit der ersten nachfolgenden - wirksamen - Abgabensatzung (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Rdnr. 1057b zu § 8). Folgt die Satzung der betriebsfertigen Herstellung nach oder ist das Grundstück dann sogar schon an die öffentliche Einrichtung angeschlossen, so entsteht die sachliche Beitragspflicht mit Inkrafttreten der Satzung (OVG LSA, Beschl. v. 30.08.2001 - 1 M 337/01 -). Wie der Antragsteller selbst einräumt, war die Beitragssatzung vom 31. Juli 1995 (BS 95) im Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit im Jahr 1997 bereits nicht mehr in Kraft; denn sie ist, wie das Verwaltungsgericht Magdeburg bereits in seinem Beschluss vom 2. August 2007 (9 B 130/07 MD) ausgeführt hat, gemäß § 20 der nachfolgenden Beitragssatzung vom 21. Oktober 1996 (BS 96) am 31. Oktober 1996, dem Tag nach der Veröffentlichung der BS 96, außer Kraft getreten. Rechtlich unerheblich ist insoweit entgegen der Auffassung des Antragstellers, dass der Antragsgegner die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts wirksame BS 95 selbst außer Kraft gesetzt hat.

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Schließlich vermag entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO allein der unsubstanziiert bleibende Einwand des Antragstellers, auch der in der Herstellungsbeitragssatzung des Antragsgegners vom 3. März 2009 festgesetzte Beitragssatz verletze offenkundig das Aufwandsüberschreitungsverbot gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, die gegenteilige Annahme der Vorinstanz schon nicht in Frage zu stellen (vgl. auch OVG LSA, Beschl. v. 03.02.2000 - 1 M 3/00 -).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

9

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG und folgt in Übereinstimmung mit der vorinstanzlichen Wertbestimmung in Anlehnung an den sogenannten Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.) aus Nr. 1.5 Satz 1.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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