Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 64/10

Gründe

1

I. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet.

2

Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

3

1. Der Antrag festzustellen, dass die von der Beigeladenen erhobene Klage gegen die der Antragstellerin erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 11.12.2009 zur Errichtung und zum Betrieb von fünf Windkraftanlagen keine aufschiebende Wirkung hat, hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt.

4

1.1. Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere statthaft. Soweit ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung vollziehbar ist, die Behörde aber fälschlich vom Eintritt der aufschiebenden Wirkung ausgeht, kann das Gericht auf Antrag des Begünstigten in Analogie zu § 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO i. V. m. § 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VwGO die Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts mit Drittwirkung feststellen (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80a RdNr. 17a, m. w. Nachw.; vgl. auch OVG RP, Beschl. v. 07.02.1994 – 7 B 10153/94 –, DVBl 1994, 809).

5

1.2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage weder nach § 212a Abs. 1 BauGB noch nach § 70 Abs. 3 Satz 3 BauO LSA entfällt.

6

1.2.1. Gemäß § 212a Abs. 1 BauGB haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Diese Vorschrift ist auf immissionsschutzrechtliche Genehmigungen nicht anwendbar. Dies entspricht der allgemeinen Ansicht in der Kommentarliteratur, wie sich aus den vom Verwaltungsgericht bereits angegebenen Fundstellen ergibt (vgl. auch Dietlein in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, BImSchG § 6, RdNr. 73). Auch in der Rechtsprechung wird davon ausgegangen, dass einem Rechtsbehelf gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. OVG NW, Beschl. v. 24.09.2009 – 8 B 1343/09.AK – DÖV 2010, 332 [nur Leitsatz]; BVerwG, Beschl. v. 22.03.2010 – 7 VR1/10 (7 C 21/09) –, Juris; BayVGH, Beschl. v. 09.02.2010 – 22 CS 09.3255 –, BauR 2010, 827 [nur Leitsatz]).

7

Eine andere Beurteilung folgt entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht aus dem gesetzgeberischen Ziel, das mit der Einfügung des § 212a Abs. 1 BauGB verfolgt wurde. Nach den Entwürfen der Bundesregierung zur Änderung des BauGB vom 06.09.1996 (BR-Drucks. 635/96, S. 34) und 04.12.1996 (BT-Drucks.13/6392, S. 34) sollte die gesetzliche Anordnung, dass Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung haben (bis dahin § 10 Abs. 2 des Maßnahmengesetzes zum BauGB), unabhängig vom Zweck des Vorhabens in allgemeiner Form in der VwGO geregelt werden, die seinerzeit geändert wurde. Nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur sechsten Änderung der VwGO und anderer Gesetze vom 19.01.1996 (BR-Drucks. 30/96, S. 3) sollte der Wortlaut des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO dergestalt gefasst werden, dass die aufschiebende Wirkung entfallen sollte in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, „insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen“. Nach den Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrats vom 20.02.1996 (BR-Drs. 30/1/96, S. 11 f.) allerdings sollte der im Gesetz vorgesehene Zusatz lediglich den Charakter eines Hinweises an den Bundes- oder Landesgesetzgeber haben, der eine Regelung über den Wegfall der aufschiebenden Wirkung treffe. Der in eine Gesetzesbegründung gehörende Satz sollte daher aus dem Gesetzestext gestrichen werden. Nachdem deshalb der im Regierungsentwurf zum 6. VwGO-Änderungsgesetz vorgesehene und weitgehende Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht Gesetz geworden war, wurde der jetzige § 212a BauGB in die Beschlussempfehlung des 18. Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 02.05.1997 (vgl. BT-Drucks. 13/7588) aufgenommen. Im Bericht des Ausschusses vom 06.05.1997 (BT-Drucks. 13/7589 S. 30) wurde hierzu u. a. ausgeführt, es solle der materielle Regelungsgehalt des damals bis zum Jahre 2002 fortgeltenden § 10 Abs. 2 des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch in unbefristeter und auf alle baulichen Anlagen erweiterter Form in das Baugesetzbuch überführt werden. Damit werde das unbefriedigende Nebeneinander unterschiedlicher Regelungen für Wohnbauvorhaben bzw. Nichtwohnbauvorhaben beseitigt. Zugleich werde entsprechend der in dem Gesetz zur Beschränkung von Rechtsmitteln in der Verwaltungsgerichtsbarkeit enthaltenen Sonderregelung zum Entfall der aufschiebenden Wirkung bei Bauvorhaben in den neuen Ländern eine Rechtsangleichung auch für die alten Länder herbeigeführt. Aus alldem ergibt sich nicht, dass auch für andere als bauaufsichtliche Genehmigungen, auch wenn sie Investitionen oder der Schaffung von Arbeitsplätzen dienen, der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gelten soll.

8

Auch der Umstand, dass nach § 13 BImSchG die immissionsschutzrechtliche Genehmigung andere die Anlage betreffende behördliche Genehmigungen und damit auch die erforderliche Baugenehmigung einschließt (Konzentrationswirkung), zwingt zu keiner anderen Auslegung des § 212a Abs. 1 BauGB. Der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung umfassten Genehmigung nach anderen Gesetzen erstreckt sich nicht automatisch auf die immissionsschutzrechtliche Genehmigung.

9

1.2.2. Ein Wegfall der aufschiebenden Wirkung ergibt sich auch nicht aus § 70 Abs. 3 Satz 3 BauO LSA. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage auch insoweit keine aufschiebende Wirkung, als die Genehmigung als Ersatzvornahme gilt. Diese Vorschrift dient dem Zweck, dass sich die nach § 212a Abs. 1 BauGB kraft Gesetzes bestehende sofortige Vollziehbarkeit einer Baugenehmigung auch auf die darin enthaltene Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erstreckt (vgl. Jäde in: Jäde/Dirnberger, Bauordnungsrecht Sachsen-Anhalt, § 70 RdNr. 23). Sie kann dagegen – schon aus Kompetenzgründen – nicht bewirken, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung keine aufschiebende Wirkung haben, wenn der Bundesgesetzgeber dies nicht durch Gesetz angeordnet hat.

10

2. Den hilfsweise gestellten Antrag, gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 VwGO die sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 11.12.2009 anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt, es sei offen, ob die Genehmigung rechtmäßig sei. Es sei schon fraglich, ob der Antragsgegner vor Erteilung der Genehmigung der Beigeladenen ausreichend Zeit für eine erneute Entscheidung über ihr Einvernehmen gegeben habe. Werde die Frist zu kurz bemessen, so heile ein Abwarten diese Rechtswidrigkeit nicht. Es sei offen, ob die der Beigeladenen in der Verfügung vom 13.11.2009 eingeräumte Frist bis zum 24.11.2009 angemessen im Sinne von § 70 Abs. 4 BauO LSA sei. Zudem bestünden aber auch sonst ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung. Der Antragsgegner habe das Einvernehmen der Beigeladenen nicht ersetzen dürfen. Durch den rechtlichen Hinweis in der Verfügung vom 13.11.2009, die Beigeladene dürfe ihr Einvernehmen nicht wegen naturschutzfachlicher Einwendungen versagen, habe der Antragsgegner den ihr zustehenden Prüfungsrahmen unzulässig und damit rechtswidrig eingeschränkt, da auch naturschutzrechtliche Belange zur Prüfungskompetenz einer Gemeinde im Rahmen des § 36 BauGB gehörten. Zu berücksichtigen sei, dass nach einem Bescheidentwurf des Antragsgegners aus dem Jahr 2008, mit dem der Genehmigungsantrag der Antragstellerin ursprünglich habe abgelehnt werden sollen, das Vorhaben mit dem Schutz bestimmter Vogelarten wie Seeadler, Rotmilan oder Fledermausarten nicht vereinbar sei. Die wegen des offenen Ausgangs des Hauptsacheverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragstellerin aus. Bis zur abschließenden Entscheidung sei es der Beigeladenen nicht zuzumuten, dass die fünf geplanten Windenergieanlagen errichtet werden, weil der Rückbau der Anlagen nicht oder nur schwer möglich sein werde. Dem gegenüber erschöpfe sich das Interesse der Antragstellerin in dem gewöhnlichen, für jeden Bauherrn gleichermaßen geltenden Interesse, die erteilte Genehmigung rasch ausnutzen zu können.

11

Die hiergegen von der Antragstellerin vorgetragenen Gründe, rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Da das Verwaltungsgericht die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auf zwei selbständig tragende Gründe gestützt hat, müssten die von der Antragstellerin vorgebrachten Einwände hinsichtlich beider Gründe durchschlagen. Dies ist indes nicht der Fall.

12

2.1. Hinsichtlich des ersten Grundes wendet die Antragstellerin ein, die vom Antragsgegner eingeräumte Frist sei nicht zu kurz bemessen, weil die Beigeladene das Vorhaben aus den jahrelangen Auseinandersetzungen bestens gekannt habe und nur einen sehr eingeschränkten Prüfungsrahmen habe. Eine Frist von ein paar Tagen habe genügt, um feststellen zu können, dass sie aufgrund der Ausweisung im regionalen Entwicklungsplan keinerlei planungsrechtliche Bedenken gegenüber der Genehmigung habe äußern können, weil kein entsprechender Bebauungsplan in Aufstellung befindlich gewesen sei. Damit vermag die Antragstellerin nicht durchzudringen.

13

Hat eine Gemeinde, die nicht untere Bauaufsichtsbehörde ist, ihr nach den Vorschriften des BauGB erforderliches Einvernehmen rechtswidrig versagt, hat nach § 70 Abs. 1 BauO LSA die zuständige Genehmigungsbehörde das fehlende Einvernehmen nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 zu ersetzen. Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 BauO LSA gilt die Genehmigung zugleich als Ersatzvornahme. Gemäß § 70 Abs. 4 BauO LSA ist die Gemeinde vor Erlass der Genehmigung zu hören. Dabei ist ihr Gelegenheit zu geben, binnen angemessener Frist erneut über das gemeindliche Einvernehmen zu entscheiden. Bereits das Setzen einer zu kurz bemessenen Frist führt unabhängig davon, ob die Behörde die erforderliche Frist dann doch abgewartet hat, zur formellen Rechtswidrigkeit der Ersetzungsentscheidung. Ein stillschweigendes Zuwarten ersetzt eine zu kurz bemessene Äußerungsfrist nicht (vgl. Beschl. d. Senats v. 12.07.2004 – 2 M 474/03 –, Juris).

14

Der Gemeinde muss hiernach ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung gestellt werden, um sich mit den Argumenten der Genehmigungsbehörde auseinanderzusetzen und ihre bisherige Rechtsauffassung zu überdenken. Welche Frist angemessen ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Kriterien sind insbesondere: Bedeutung und Größe des Bauvorhabens, tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten des Falles, entscheidungserhebliche neue Tatsachen, innerhalb einer großen Gemeinde zu beteiligende Fachstellen. Für die Beurteilung der Frist kann auch eine Rolle spielen, ob anzunehmen ist, dass die Gemeinde u. U. in eine Bauleitplanung (z. B. Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans) eintreten und planungssichernde Maßnahmen (Veränderungssperre oder Antrag auf Zurückstellung nach §§ 14, 15 BauGB) ergreifen wird. Die Länge der zu setzenden Frist hängt insbesondere auch davon ab, welches Gemeindeorgan über das Einvernehmen zu entscheiden hat (vgl. zum Ganzen: Lechner in: Simon, BayBauO, Art. 74 RdNr. 75). Allerdings kann mit Rücksicht auf die möglichen weitreichenden Fragen des Einvernehmens für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung sowie die Vielfalt der Fallgestaltungen und die Zwecke des Einvernehmens im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass die Erklärung des Einvernehmens nicht zum Geschäft der laufenden Verwaltung (im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 2 GO LSA) gehört (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 36 RdNr. 35, m. w. Nachw.). Ist demnach regelmäßig der Gemeinderat zuständig, ist zu berücksichtigen, dass dieser nur turnusmäßig zusammentritt und eine Ladungsfrist einzuhalten ist (Lechner, a. a. O.). Gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 GO LSA hat die Einberufung in einer angemessenen Frist, mindestens jedoch eine Woche vor der Sitzung zu erfolgen. Liegen die Voraussetzungen für eine Eilentscheidung (§ 62 Abs. 4 GO LSA) vor, so dass der Bürgermeister anstelle des Gemeinderats entscheidet, kann eine Frist von nur einer Woche genügen. In der Regel ist davon auszugehen, dass für die Gemeinde eine Frist von einem Monat ausreicht (vgl. Lechner, a. a. O.), wie sie auch in § 74 Abs. 2 BauO LSA a. F. – als starre Frist – vorgesehen war.

15

Gemessen daran ist in der Tat fraglich, ob eine Anhörungsfrist von weniger als zwei Wochen hier ausreichte. Dem Umstand, dass der Beigeladenen das Vorhaben bereits seit Jahren bekannt war, dürfte schon deshalb kein entscheidendes Gewicht zukommen, weil sich eine Gemeinde in allen Fällen, in denen das Einvernehmen ersetzt werden soll, mit dem Vorhaben bereits bei der (erstmaligen) Versagung des Einvernehmens befasst hat, und ihr zudem Gelegenheit gegeben werden muss, sich mit den rechtlichen Erwägungen der Genehmigungsbehörde auseinanderzusetzen. Auch der Umstand, dass die Gemeinde nur eine eingeschränkte Prüfungskompetenz hat und ihr Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagen darf, rechtfertigt es nicht, die ihr zu gewährende Entscheidungsfrist so kurz zu bemessen, dass sie oder ihr Gemeinderat sich damit nicht mehr sachgerecht befassen können. Eine besondere Eilbedürftigkeit des Vorhabens, die es rechtfertigen könnte, eine kürzere Frist als üblich zu setzen, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

16

2.2. Hiernach kann offen bleiben, ob der weitere Einwand der Antragstellerin trägt, die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB seien nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 07.05.2007 – 2 M 89/07 –, Juris) gerade nicht Gegenstand einer Prüfung im Gerichtsverfahren, mit dem sich eine klagende Gemeinde gegen die Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB wende.

17

2.3. Gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung wegen des offenen Ausgangs des Hauptsacheverfahrens hat die Antragstellerin in ihrer Beschwerde keine Einwände vorgetragen.

18

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da sie einen Sachantrag gestellt und sich so dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt. Der Senat vertritt zwar die Auffassung, dass die Kosten einer im Bauprozess beigeladenen Behörde selbst dann, wenn die Behörde notwendig beigeladen ist, grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind (vgl. Beschl. v. 29.11.1996 – B 2 S 319/96 –). Dies hat er allerdings auf die Fälle bezogen, in denen die Behörde im Verhältnis zum Kläger als Teil der am baurechtlichen Verfahren zu beteiligenden, mit öffentlichen Aufgaben betrauten Stelle zu gelten hat und von der Stellung im anstehenden Interessenskonflikt der versagenden oder ge- oder verbietenden Bauaufsichtsbehörde zuzurechnen ist. Dies ist aber hier nicht der Fall, weil sich die Beigeladene im Hauptsachverfahren gegen die vom Antragsgegner erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung wehrt.

19

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

20

Der Senat geht für die Bemessung des nach § 52 Abs. 1 GKG maßgeblichen (wirtschaftlichen) Interesses der Antragstellerin an der sofortigen Ausnutzbarkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung von dem Streitwert aus, der bei einer Verpflichtungsklage auf Erteilung der Genehmigung maßgeblich wäre. In Verfahren wegen der Erteilung baurechtlicher oder immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen für Windenergieanlagen nimmt der Senat als Streitwert regelmäßig 10 vom Hundert der Herstellungskosten an (vgl. Beschl. v. 07.05.2007 – 2 O 91/07 –, Juris, m. w. Nachw.). Die entspricht auch der Empfehlung in Nr. 9.1.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327). Für Klagen auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung empfiehlt zwar Nr. 19.1.1. des Streitwertkatalogs als Streitwert 2,5 % der Investitionssumme. Gleichwohl erscheint es angemessen, bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für Windenergieanlagen nicht Nr. 19.1.1. des Streitwertkatalogs anzuwenden, sondern sich stattdessen an Nr. 9.1.8 zu orientieren. Die Arbeitsgruppe zur Erstellung des Streitwertkatalogs 2004 ist auf der Grundlage der damaligen Rechtslage offenbar noch davon ausgegangen, dass Windenergieanlagen in der Regel lediglich einer Baugenehmigung und nicht einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen (vgl. Beschl. d. Senats v. 07.05.2007, a. a. O.). Das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Ausnutzbarkeit der Genehmigung ist – wie in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig – mit der Hälfte des für ein solches Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzusetzen.

21

Für den Hilfsantrag ist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG kein zusätzlicher Wert anzusetzen, weil er denselben Gegenstand wie der Hauptantrag betrifft.

22

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren bezüglich der Anfechtungsklage des beigeladenen BUND mit Beschluss vom 14.04.2010 abgetrennt hat, so dass sich der Streitwert je zur Hälfte auf die beiden getrennten Verfahren verteilt. Das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Ausnutzbarkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vervielfältigt sich nicht um die Anzahl der gegen die Genehmigung erhobenen Anfechtungsklagen. Dies muss auch nach der Trennung des Verfahrens seinen Niederschlag finden.

23

Da nach den – nicht angegriffenen – Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Herstellungskosten insgesamt 7.571.964,35 € betragen, ergibt sich der im Tenor festgesetzte Streitwert von 189.299,11 €.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen