Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (4. Senat) - 4 L 174/12

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

I. Das Vorbringen des Klägers begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; denn mit der Zulassungsschrift wird weder ein die angefochtene Entscheidung tragender Rechtssatz noch eine für die Entscheidung erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 21.01.2009 - 1 BvR 2524/06 -; BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, beide zit. nach JURIS).

3

1. Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, § 25 Abs. 2 GrStG (richtig: § 25 Abs. 3 GrStG) sei als allgemeiner Grundsatz des Verschlechterungsgebotes (richtig wohl: Verschlechterungsverbotes) auszulegen mit der Folge, dass als „letzte Festsetzung“ der alte Hebesatz der ehemaligen Gemeinde F. anzusetzen sei. Zwar hat die Beklagte vorliegend für das hier in Rede stehende Haushalts- bzw. Veranlagungsjahr 2011 einen Beschluss über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes bis zum 30. Juni 2011 nicht gefasst, so dass Raum ist für die Anwendung des § 25 Abs. 3 Satz 2 GrStG, wonach nach dem 30. Juni der Beschluss über die Festsetzung des Hebesatzes gefasst werden kann, wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung nicht überschreitet. Ein (wirksamer) Beschluss über die Steuerhebesätze für das Jahr 2011 ist jedoch nach der vorinstanzlichen Aktenlage nicht ergangen (vgl. Beanstandungsverfügung des Altmarkkreises Salzwedel vom 28. November 2011, GA Bl. 88, 92 ff.). Damit aber war - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - der Anwendungsbereich des § 96 Abs. 1 Nr. 2 GO LSA eröffnet, wonach die Gemeinde - hier die beklagte Stadt A-Stadt - Abgaben vorläufig nach den (von ihr beschlossenen) Sätzen des Vorjahres erheben darf, wenn die Haushaltssatzung bei Beginn des Haushaltsjahres noch nicht erlassen ist. Mit diesem rechtlichen Ansatz setzt sich die Zulassungsschrift indes nicht substanziiert auseinander.

4

2. Die Rüge des Klägers, dass die ungleiche tatsächliche Besteuerung im Gebiet der Beklagten eine aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG folgende verfassungswidrige Ungleichbehandlung darstelle, erweist sich als unbegründet. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht verletzt. Das Gesetz selbst eröffnet in § 25 Abs. 4 Satz 2 GrStG die Möglichkeit, unterschiedliche Hebesätze festzusetzen (vgl. dazu Beschlüsse der Landesregierung vom 6. Februar 2001 [MBl. LSA 2001, 157] und vom 28. Juli 2007 [MBl. 2007, 734]). Dabei ist ein (willkürfreier) sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen den Hebesätzen im Gebiet der Beklagten, die für die auf der Grundlage von (freiwilligen) Gebietsänderungsverträgen eingemeindeten Gemeinden Vergünstigungen beinhalten, erkennbar darin zu sehen, dass eine strikte Gleichschaltung von Selbstverwaltungskörperschaften durch die Möglichkeit, im Rahmen von Gebietsänderungsverträgen (§§ 17, 18 GO LSA) - und damit einvernehmlich - vorübergehend ortsrechtliche Regelungen nebeneinander bestehen zu lassen, verhindert werden soll (NdsOVG, Urt. v. 03.10.1974 - 7 A 67/73 -, zit. nach JURIS). Demgegenüber ist die Gebietsänderung im Falle der früheren Gemeinde F. durch Gesetz erfolgt und die Geltungsdauer der Haushaltssatzung bis zum 31. Dezember 2010 beschränkt worden (§ 6 GebRefAusfG). Insgesamt beruhen gesetzliche und vertragliche Gebietsänderungen auf unterschiedlichen Sachlagen, die für eine Übergangszeit unterschiedliche Grundsteuer-Hebesätze rechtfertigen (HessVGH, B. v. 30.05.1975 - VN 3/73 -, ESVGH 26, 69). Dass im Falle der gesetzlichen Eingemeindung - hier der ehemaligen Gemeinde F. - auch nicht übergangsweise eine Beibehaltung der niedrigeren Hebesätze vorgesehen ist, entspricht im Übrigen gerade der Forderung des Klägers nach einheitlichen Steuersätzen/Hebesätzen. Der Einwand des Klägers, ein „Vertrauensschutz“ der „Altmitglieder“ auf niedrigere Hebesätze könne nicht länger als der Geltungszeitraum ihrer jeweiligen Haushalts- und oder Steuersatzung reichen, mithin in der Regel ein Jahr, beschränkt die unter Gleichheitsgesichtspunkten hinnehmbare Zeitspanne einer übergangsweisen (differenzierten) Regelung der Hebesätze angesichts der Regelung des § 25 Abs. 4 Satz 2 GrStG zu weitgehend.

5

Eine abweichende Betrachtungsweise folgt auch nicht aus der von dem Kläger angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 22.06.1995 - 2 BvL 37/91 -, zit. nach JURIS). Dieser Entscheidung liegt ein vermögenssteuerrechtliches Verfahren zugrunde. Für die vorliegend in Rede stehende spezifische Konstellation einer - im Grundsteuergesetz selbst als Möglichkeit angelegten (§ 25 Abs. 4 Satz 2 GrStG) - differenzierten Ausgestaltung der Grundsteuer-Hebesätze bei Eingemeindungen gibt die Entscheidung nichts her. Dies gilt auch hinsichtlich der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 05.04.2006 - BVerwG 10 C 6.05 -, zit. nach JURIS) sowie dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (v. 08.12.2004 - 5 B 111/03 -, zit. nach JURIS), die die Frage der Anwendung unterschiedlicher Steuermesszahlen zum Gegenstand haben und für die hier maßgebliche Fragestellung - vor dem Hintergrund der in § 25 Abs. 4 Satz 2 GrStG getroffenen Regelung - nicht entscheidungserheblich sind (vgl. stattdessen zu der mit § 25 Abs. 4 Satz 2 GrStG inhaltsgleichen Regelung des § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG: BVerwG, Beschl. v. 15.09.1981 - BVerwG 8 B 210.81 -, zit. nach JURIS).

6

II. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

7

III. Soweit der Kläger schließlich eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wird entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO schon keine konkrete klärungsbedürftige Fragestellung aufgezeigt.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

9

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen