Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 L 62/12

Gründe

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I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

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1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (BVerfG, Beschl. v. 11.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642). Dies ist hier nicht der Fall.

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Das Verwaltungsgericht hat angenommen, für die von der Klägerin am 25.07.2007 beantragte Zerlegungsvermessung habe der Beklagte ungeachtet der Rücknahme des Antrages zu Recht Kosten unabhängig vom geleisteten Arbeitsvolumen der Behörde erhoben und diese gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 2 VwKostG LSA um ein Viertel ermäßigt.

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1.1. Zu Unrecht rügt die Klägerin, die vom Beklagten geltend gemachten Kosten für die Zerlegungsvermessung seien gemäß § 12 Abs. 1 VwKostG LSA wegen unrichtiger Sachbehandlung zu erlassen, weil der Beklagte den Antrag auf Zerlegungsvermessung (zunächst) als Antrag ihres von ihr bevollmächtigten Sohnes, Herrn M. A., behandelt, insbesondere von ihm persönlich einen Kostenvorschuss angefordert und zunächst ihm gegenüber einen Leistungsbescheid in der streitigen Höhe erlassen habe.

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Es kann dahinstehen, ob diese Handhabung durch den Beklagten als unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 12 Abs. 1 VwKostG LSA anzusehen ist. Eine unrichtige Sachbehandlung kann nur dann zu einem Erlass der Kosten führen, wenn die zu erlassenden Kosten gerade auf dem fehlerhaften Verwaltungshandlung beruhen; es muss also ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. Loeser, NVwKostG, § 11 Anm. 3.1 und 3.2). Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 VwKostG LSA, wonach die Kosten „durch“ die unrichtige Sachbehandlung entstanden sein müssen. Es ist hier aber nicht ersichtlich, dass die vom Beklagten von der Klägerin geforderten Kosten nicht entstanden wären, wenn der Beklagte den Antrag auf Vornahme einer Zerlegungsvermessung vom 25.07.2007 aufgrund der beigefügten Vollmacht der Klägerin vom 17.07.2007 von Anfang an als Antrag der Klägerin und ihren Sohn lediglich als – nicht kostenpflichtigen – Vertreter behandelt hätte. Gemäß 6 Abs. 1 VwKostG LSA entsteht die Gebührenschuld mit der Beendigung der Amtshandlung oder mit der Antragsrücknahme. Die Verpflichtung zur Erstattung der Auslagen entsteht nach § 6 Abs. 2 VwKostG LSA mit der Aufwendung des zu erstattenden Betrages. Die Klägerin vermag nicht aufzuzeigen, wie nach Stellung des Antrags auf Zerlegungsvermessung die Entstehung der Gebührenschuld sowie nach Entstehen der Aufwendungen die Auslagenschuld entfallen sein könnten.

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1.2. Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, aus dem Aktenvermerk vom 11.12.2007 auf Bl. 14 der Verwaltungsakte ergebe sich, dass – entgegen der bis dahin geltenden Praxis der Nichterhebung von Kosten bei Antragsrücknahme – das Verfahren verzögert worden sei, bis eine „25%-Regelung stehe“, die die Gebührenerhebung rechtfertigen könne.

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Der Inhalt dieses Aktenvermerks „Antrag am 20.11.07 zu R. gegeben zwecks Nachfrage beim Antragsteller –- 11.12.2007 wiedergeholt, da eine 25%-Regelung noch nicht steht, hat er auch nicht angerufen“ mag unverständlich erscheinen. Es ist gleichwohl nicht ersichtlich, dass erst das Zuwarten des Beklagten bei der Rückfrage, ob der Vermessungsantrag aufrechterhalten werde, dazu führte, dass von der Klägerin Kosten (in der streitigen Höhe) angefordert werden können. Die Regelung in § 12 Abs. 3 Nr. 2 VwKostG LSA, dass die Gebühr bis auf ein Viertel des vollen Betrages ermäßigt werden kann, wenn ein Antrag auf Vornahme einer Amtshandlung zurückgenommen wird, bevor die Amtshandlung beendet ist, war bereits Bestandteil des VwKostG LSA in seiner ursprünglichen Fassung vom 27.06.1991 (GVBl. S. 154) und gilt seitdem unverändert. Die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit, dass eine Ermäßigung „bis zu einem Viertel des vollen Betrages“ gewährt werden kann, bedeutet nach dem klaren Wortlaut der Norm, dass bei der Gebührenerhebung im Fall der Antragsrücknahme ein behördliches Ermessen nur insoweit besteht, als es um die Frage geht, ob überhaupt und in welcher Höhe eine Ermäßigung gewährt wird, dass aber mindestens ein Viertel der vollen Gebühr zu erheben ist, soweit nicht Billigkeitsgründe im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA vorliegen. Eine das Ermessen der Behörde bindende rechtmäßige Verwaltungspraxis hätte sich daran zu orientieren. Liegt die erbrachte Verwaltungsleistung erheblich unter dem Normalaufwand, kann das Ermessen der Behörde dergestalt „auf Null“ reduziert sein, dass sie zu einer Gebührenreduzierung ein Viertel des vollen Betrages verpflichtet ist (vgl. Loeser, a.a.O., § 11 Anm. 5.2). Der Beklagte hat hier eine Ermäßigung auf ein Viertel des vollen Betrages vorgenommen.

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Soweit die von der Klägerin beanstandete Verzögerung bei der Rückfrage als unrichtige Sachbehandlung zu werten sein sollte, könnte dies mithin mangels Kausalität ebenfalls keinen Erlass der Kosten nach § 12 Abs. 1 VwKostG LSA rechtfertigen.

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1.3. Ebenso wenig vermag die Klägerin mit dem Einwand durchzudringen, der Beklagte habe gegenüber ihrer Prozessbevollmächtigten zu Unrecht Kosten wegen der Gewährung von Akteneinsicht erhoben und ihr zunächst zu Unrecht Akteneinsicht verwehrt. Auch insoweit scheidet eine Kausalität zwischen einer möglichen unrichtigen Sachbehandlung gegenüber der Bevollmächtigten und der von der Klägerin angeforderten Kosten für die beantragte Zerlegungsvermessung aus.

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1.4. Nicht stichhaltig ist auch der Einwand der Klägerin, niemand habe Anlass zur Vermessung und Fortführung des Liegenschaftskatasters gegeben, weil ihr Antrag nicht bearbeitet worden sei, der als Antrag des Vertreters bearbeitete Vorgang nicht zu ihren Lasten ausgelegt werden könne und der gegenüber dem Vertreter erlassene Leistungsbescheid aufgehoben worden sei.

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Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwKostG LSA werden für Amtshandlungen in Angelegenheiten der Landesverwaltung nach diesem Gesetz Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, wenn die Beteiligten zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben. Kostenschuldner ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 VwKostG LSA derjenige, der zu der Amtshandlung Anlass gegeben hat. Veranlasser im Sinne dieser Vorschrift ist grundsätzlich derjenige Beteiligte, der durch sein Verhalten die Tätigkeit der Behörde auslöst, also den Arbeitsvorgang, der mit der Amtshandlung abgeschlossen werden soll, in Gang setzt; typisch hierfür ist die Stellung eines Antrags, beispielsweise auf Erteilung einer Genehmigung oder einer sonstigen Amtshandlung (Beschl. d. Senats v. 22.01.2004 – 2 L 463/03 –, Juris, m.w.N.).

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Die Klägerin hat am 25.07.2007 schriftlich einen Antrag auf Zerlegungsvermessung des ihr gehörenden Grundstücks gestellt. Zwar wurde das Antragsformular vom Sohn der Antragstellerin unterschrieben ohne einen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass er als Vertreter seiner Mutter handeln will. Dem Antrag war jedoch eine Vollmacht der Klägerin des Inhalts beigefügt, dass sie ihren Sohn bevollmächtige, ihr Grundstück vermessen zu lassen. Daraus ergibt sich mit hinreichender Klarheit, dass der Sohn der Klägerin den Antrag nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Klägerin stellte. Die Klägerin trägt in ihrer Zulassungsschrift selbst vor, dass die Vertretung bei Antragstellung offen gelegt worden sei. Der Umstand, dass der Beklagte zunächst den Vertreter als Antragsteller und Kostenschuldner behandelte, vermag nichts daran zu ändern, dass die Klägerin einen Antrag auf Zerlegungsvermessung gestellt hatte. Ebenso wenig war der Beklagte, nachdem er das Vertretungsverhältnis und die fehlende Kostenschuldnerschaft des Vertreters erkannt und den gegenüber dem Vertreter erlassenen Kostenbescheids aufgehoben hatte, daran gehindert, gegenüber der Klägerin als richtiger Kostenschuldnerin die mit der Antragsrücknahme entstandenen Gebühren zu erheben.

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1.5. Die Klägerin vermag auch nicht mit dem Argument durchzudringen, es könnten allenfalls Auslagen, aber keine Gebühren erhoben werden, wenn mit der Vermessung und Fortführung des Liegenschaftskatasters noch nicht begonnen worden sei. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 VwKostG LSA sind Kosten auch zu erheben, wenn ein auf Vornahme einer kostenpflichtigen Amtshandlung gerichteter Antrag abgelehnt oder zurückgenommen wird. Die Gebührenschuld entsteht gemäß § 6 Abs. 1 VwKostG LSA entweder mit der Beendigung der Amtshandlung oder mit der Rücknahme des Antrages. Die Vorschriften beschränken sich damit gerade nicht auf die Auslagenerstattung und verlangen nach ihrem klaren Wortlaut gerade nicht, dass die Behörde bis zur Antragsrücknahme eine über den normalen Abwicklungsaufwand hinausreichende besondere Arbeitsleistung in der Sache erbracht hat; vielmehr ist die Antragsrücknahme im jeden Fall kosten- bzw. gebührenpflichtig (vgl. Loeser, a.a.O., § 1 Anm. 4.1.2; § 6 Anm. 3.2.2.2). § 12 Abs. 3 Nr. 2 VwKostG LSA erlaubt lediglich eine Gebührenermäßigung auf bis zu ein Viertel des vollen Betrages. Eine Gebühr entsteht nur dann nicht, wenn sich das Amtshandlungsverfahren vor Entstehung der Gebühr durch Beendigung der Amtshandlung auf andere Weise als durch Antragsrücknahme erledigt (vgl. Loeser, a.a.O., § 1 Anm. 3.1.9.1; § 6 Anm. 3.3). Insofern unterscheidet sich die landesrechtliche Reglung des § 12 Abs. 3 Nr. 2 VwKostG LSA von der bundesrechtlichen Regelung des § 15 Abs. 2 VwKostG, der eine ermäßigte Gebührenerhebung nach Antragsrücknahme nur für die Fälle vorsieht, in denen mit der sachlichen Bearbeitung bereits begonnen worden war.

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1.6. Zu Unrecht beanstandet die Klägerin, das Verwaltungsgericht habe nicht geprüft, ob die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 VwKostG LSA vorliegen.

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Nach dieser Vorschrift kann die Gebühr u.a. dann außer Ansatz bleiben, wenn ein Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis beruht. Eine solche unverschuldete Unkenntnis liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deshalb vor, weil sie nicht wusste, welche Kosten auf sie zukommen würden. Hierzu hat das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten (vgl. S. 6 des Urteils), der Umstand, dass sich die Klägerin über die Kosten der Vermessung nicht im Klaren gewesen sei, stelle keine unverschuldete Unkenntnis hinsichtlich der Kosten dar. Weder habe sie vorgetragen noch sei sonst ersichtlich, dass sie vom Beklagten auf entsprechende Nachfrage über die Kosten bewusst im Unklaren gelassen oder getäuscht worden wäre. Eine ungefragte Aufklärungspflicht des Beklagten hinsichtlich der Kosten seiner Amtshandlungen bestehe nicht, auch wenn die heutige Praxis eine andere, bürgerfreundlichere sein sollte. Mit dieser Begründung setzt sich die Zulassungsschrift nicht auseinander. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargetan, weshalb es ihr oder ihrem Bevollmächtigten nicht zumutbar war, sich beim Beklagten vor Antragstellung über die voraussichtlichen Kosten der beabsichtigten Vermessung zu informieren. Auch in diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass der Beklagte nach Antragstellung den von der Klägerin bevollmächtigten Vertreter zunächst als Kostenschuldner betrachtete. Es ist nicht ersichtlich, weshalb es ihm – sei es als Vertreter oder als Antragsteller – nicht möglich war, sich über die voraussichtliche Kostenbelastung Kenntnis zu verschaffen.

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1.7. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA nicht geprüft.

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Danach kann die Behörde die Kosten ermäßigen oder von der Erhebung absehen, wenn dies im Einzelfall mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kostenschuldners oder sonst aus Billigkeitsgründen geboten ist. Die Beklagte führt als Billigkeitsgrund allein an, der Beklagte habe das Verfahren absichtlich verzögert, wie sich aus dem o.g. Aktenvermerk zur „25%-Regelung“ auf Blatt 14 der Verwaltungsakte ergebe. Wie oben bereits dargelegt, führte nicht erst das Zuwarten des Beklagten bei der Rückfrage, ob der Vermessungsantrag aufrechterhalten wird, zur Entstehung der Kostenschuld. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, was den Bevollmächtigten die Klägerin oder nach Erhalt der Kostenvorschussanforderung vom 17.08.2007 daran hinderte, nach eventueller Rücksprache mit der Klägerin als Vollmachtgeberin zeitnah zu erklären, ob das Verfahren in Anbetracht der voraussichtlichen Kosten weitergeführt werden soll.

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1.8. Die Klägerin trägt weiter vor, der Beklagte könne auch deshalb keine Kosten erheben, weil er sich mit der Ankündigung, dass mit einer Sachbearbeitung nur bei Zahlung des angeforderten Kostenvorschusses begonnen werde, in der Weise selbst gebunden habe, dass eine Sachbearbeitung nicht beginne, so dass auch keine Kosten anfielen. Wie oben (unter 1.5) bereits dargelegt, entsteht die Kostenschuld nach dem klaren Wortlaut der einschlägigen Regelungen des VwKostG LSA unabhängig davon, ob die Behörde bis zur Antragsrücknahme eine über den normalen Abwicklungsaufwand hinausreichende besondere Arbeitsleistung in der Sache erbracht hat. Zur Anforderung eines Kostenvorschusses ermächtigt § 7 Abs. 2 Satz 1 VwKostG LSA. Dem von der Klägerin herangezogenen und in § 3 Abs. 2 Satz 1 VwKostG LSA zum Ausdruck kommenden Grundsatz, dass das Gebührenaufkommen den auf die Amtshandlungen entfallenden durchschnittlichen Aufwand des Verwaltungszweiges nicht übersteigen darf, hat für den Fall der Rücknahme eines Antrages vor Beendigung der Amtshandlung in § 12 Abs. 3 Nr. 2 VwKostG seine spezielle Ausprägung darin gefunden, dass die Gebühr bis auf ein Viertel des vollen Betrages ermäßigt werden kann.

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2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

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Besondere Schwierigkeiten liegen nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 27.12.2006 – 2 L 66/05 –, Juris) vor bei erheblich über dem Durchschnitt liegender Komplexität der Rechtssache, im Tatsächlichen besonders bei wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Zusammenhängen, wenn der Sachverhalt schwierig zu überschauen oder zu ermitteln ist, im Rechtlichen bei neuartigen oder ausgefallenen Rechtsfragen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

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2.1. Besondere Schwierigkeiten im oben dargestellten Sinne ergeben sich entgegen der Auffassung der Klägerin insbesondere nicht schon daraus, dass der Beklagte zunächst irrtümlich davon ausging, es liege ein Antrag ihres Sohnes vor. Allein aus dem Umstand, dass eine Behörde einen Sachverhalt falsch einschätzt, lassen sich solche besonderen Schwierigkeiten nicht ableiten.

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2.2. Die Rechtssache weist auch in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit des § 12 Abs. 3 VwKostG LSA keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf. Die Klägerin legt schon nicht dar, gegen welche verfassungsrechtlichen Normen die Regelung verstoßen könnte. Allein der Vortrag, dass ohne Tätigwerden der Behörde keine Kosten entstünden, genügt insoweit nicht.

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Im Übrigen gilt: Zwar sind Gebühren öffentlichrechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlichrechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahmen auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Aus dieser Zweckbestimmung folgt, dass Gebühren für staatliche Leistungen nicht völlig unabhängig von den tatsächlichen Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürfen; die Verknüpfung zwischen Kosten und Gebührenhöhe muss sachgerecht sein. Aus der Zweckbindung der Gebühr ergibt sich jedoch keine verfassungsrechtlich begründete Begrenzung der Gebührenhöhe durch die tatsächlichen Kosten einer staatlichen Leistung. Art. 3 Abs. 1 GG steht weder einer Unterdeckung noch einer Überdeckung der Kosten durch die Gebühren von vornherein entgegen. Das Kostendeckungsprinzip und ähnliche gebührenrechtliche Prinzipien sind keine Grundsätze mit verfassungsrechtlichem Rang. Mit einer Gebührenregelung dürfen neben der Kostendeckung auch andere Zwecke verfolgt werden. Innerhalb seiner jeweiligen Regelungskompetenzen verfügt der Gebührengesetzgeber über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung hinausgehenden Zwecke, etwa einer begrenzten Verhaltenssteuerung in bestimmten Tätigkeitsbereichen, er mit einer Gebührenregelung anstreben will (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschl. v. 27.08.1999 – 1 BvL 7/96 –, NJW 1999, 3550, RdNr. 17 in Juris). Es ist ferner höchstrichterlich geklärt, dass der Gesetzgeber sich bei der Regelung von Gebührenmaßstäben und Gebührensätzen von den Zielen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit leiten lassen darf und bei der Ordnung von Massenerscheinungen einen – freilich nicht unbegrenzten – Spielraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.04.1997 – 2 BvL 77/92 –, BVerfGE 96, 1 [6], m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 20.05.2008 – 4 KSt 1000/08 –, Juris, RdNr. 5).

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Gemessen daran verletzt der Landesgesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht, wenn er im Fall der Rücknahme eines Antrages wie im Fall der Antragsablehnung lediglich eine Ermäßigung der Gebühr bis auf ein Viertel des vollen Betrages vorsieht. Er darf dem Umstand Rechnung tragen, dass einerseits bei der Antragsrücknahme der bei einer Sachprüfung erforderliche Verwaltungsaufwand (deutlich) geringer ist, andererseits bereits der bloße Antragseingang in der Regel eine – wenn auch nicht immer nach außen sichtbare – behördliche Tätigkeit auslöst.

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2.3. Soweit die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass sich der Beklagte mit der Anforderungen des Kostenvorschusses selbst gebunden habe, rügt sie nochmals die Fehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, ohne besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten darzutun. Gleiches gilt für ihr Vorbringen, die Bearbeitung des Antrages ohne Vorschusseingang sei widersprüchlich, das Verwaltungsgericht habe nicht „herausgearbeitet“, wer Pflichtiger sei, das Verwaltungsgericht habe trotz streitigen Vortrages nicht ermittelt, ob der Kostenvorschuss als Bedingung für die Bearbeitung des Antrages gewesen sei, es sei nicht unterschieden worden, zu welcher Amtshandlung Anlass gegeben worden sein solle, das Verwaltungsgericht habe die Verwaltungsakte des Beklagten nicht vollständig gewürdigt, und es habe keine Prüfung der Anwendbarkeit des § 12 Abs. 3 VwKostG LSA mit Blick auf § 3 Abs. 2 Satz 1 VwKostG LSA stattgefunden.

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3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

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Dieser Zulassungsgrund verlangt, dass eine konkrete, aber generalisierbare, aus Anlass dieses Verfahrens zu beantwortende, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, die um der Einheitlichkeit der Rechtsprechung willen der Klärung bedarf und noch nicht (hinreichend) geklärt worden ist. Die Frage muss für eine Vielzahl, jedenfalls Mehrzahl von Verfahren bedeutsam sein; jedoch reicht allein der Umstand nicht aus, dass der Ausgang des Rechtsstreits auch für andere Personen von Interesse sein könnte oder sich vergleichbare Fragen in einer unbestimmten Vielzahl ähnlicher Verfahren stellen (vgl. Beschl. d. Senats v. 23.04.2010 – 2 L 148/09 –, Juris). Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass der Rechtsmittelführer konkret auf die Rechts- oder Tatsachenfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.06.2006 – 5 B 99.05 –, Juris, m. w. Nachw.).

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3.1. Die Klägerin hält für klärungsbedürftig, „ob eine unrichtige Behandlung der Sache durch die Behörde gegeben ist, wenn allein der Vertreter als Antragsteller behandelt wird und dass dies zugleich eine Nichtbearbeitung des Antrages des Vertretenen darstellt, welcher dann keinen Anlass zu einer Amtshandlung gegeben hat“ und ob „in einem solchen Fall überhaupt ein Verwaltungshandeln gegenüber dem Vertretenen gegeben ist“. Unabhängig davon, dass die Klägerin eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Fragen nicht dargelegt hat, fehlt es an der Klärungsfähigkeit dieser Fragen schon deshalb, weil es auf diese Fragen nicht entscheidungserheblich ankommt. Wie oben (1.1.) bereits ausgeführt, könnte die von der Klägerin geltend gemachte unrichtige Sachbehandlung hier schon deshalb nicht zu einem Erlass der Kosten führen, weil nicht ersichtlich ist, dass die vom Beklagten von der Klägerin geforderten Kosten nicht entstanden wären, wenn der Beklagte den Antrag auf Vornahme einer Zerlegungsvermessung vom 25.07.2007 aufgrund der beigefügten Vollmacht der Klägerin vom 17.07.2007 von Anfang an (mit hinreichender Klarheit) als Antrag der Klägerin und ihren Sohn lediglich als – nicht kostenpflichtigen – Vertreter behandelt hätte. Die Klägerin hat mit ihrem durch den Bevollmächtigten gestellten Antrag auf Zerlegungsvermessung das Verwaltungsverfahren eingeleitet.

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3.2. Die Klägerin möchte ferner die Frage geklärt wissen, ob nach dem VwKostG LSA Kosten erhoben werden können, wenn die Behörde überhaupt nicht tätig geworden ist. An der Klärungsfähigkeit der Frage fehlt es schon deshalb, weil sie sich in einem Berufungsverfahren so nicht stellen würde. Es trifft nicht zu, dass der Beklagte auf den Antrag der Klägerin überhaupt nicht tätig geworden ist. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, holte der Beklagte zur Vorbereitung der Zerlegungsvermessung von verschiedenen Stellen Auskünfte ein und trat in Korrespondenz mit dem Vertreter der Klägerin. Im Übrigen lässt sich – wie oben (1.5.) bereits erörtert – die Frage nach dem erforderlichen Umfang des Tätigwerdens der Behörde ohne weiteres anhand der Vorschriften des VwKostG LSA in dem Sinne beantworten, dass die Gebührenschuld auch dann entsteht, wenn die Behörde bis zur Antragsrücknahme eine über den normalen Abwicklungsaufwand hinausreichende besondere Arbeitsleistung in der Sache noch nicht erbracht hat.

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3.3. Die Klägerin hält schließlich für grundsätzlich bedeutsam, „ob dann, wenn die Behörde ihr Tätigwerden vom Eingang eines Vorschusses abhängig macht, schon eine Bearbeitung des Antrages in dem Sinne zu erblicken ist, dass im Falle der Rücknahme des Antrages ohne Zahlung des Vorschusses eine Reduzierung der Gebühren auf 25 % gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig ist“. Wie unter 3.2. bereits dargelegt, kommt es nach den Vorschriften des VwKostG LSA für die Entstehung der Gebührenschuld nicht darauf an, ob die Behörde bereits in größerem Umfang den Antrag bearbeitet hat. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die Gebühr gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 2 VwKostG LSA auf ein Viertel des vollen Betrages ermäßigt werden und gemäß § 12 Abs. 4 VwKostG LSA bei unverschuldeter Unkenntnis außer Ansatz bleiben kann. Dieser pauschalierende Ansatz begegnet aus den oben bereits dargelegten Gründen auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

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4. Schließlich liegen auch die von der Klägerin gerügten Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht vor.

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4.1. Die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe gegen den Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, weil es die Akte des Verfahrens 4 A 98/08 nicht beigezogen habe, aus der hervorgehe, dass der Beklagte zunächst den Sohn der Klägerin in Anspruch genommen und damit die Sache unrichtig behandelt habe.

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Wird ein Aufklärungsmangel behauptet, muss der Rechtsmittelführer darlegen, hinsichtlich welcher Tatsachen Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und dass bereits in der Vorinstanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.07.1998 – 6 B 67.98 –, Juris, m.w.N.; Beschl. d. Senats v. 21.02.2007 – 2 L 156/05 –, Juris). Ein lediglich schriftsätzlich angekündigter Beweisantrag genügt diesen Anforderungen nicht (BVerwG, Beschl. v. 03.07.1998, a. a. O.; Beschl. v. 06.03.1995 – BVerwG 6 B 81.94 –, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwG Nr. 265).

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Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, hinsichtlich welcher Tatsachen Aufklärungsbedarf bestanden hat. Mit dem Vortrag, mit der Beiziehung der Akten hätte die unrichtige Sachbehandlung durch den Beklagten dargelegt werden können, vermag sie schon deshalb nicht durchzudringen, weil die Frage, ob ein Verhalten der Behörde eine unrichtige Sachbehandlung darstellt, eine Rechtsfrage ist. Soweit die Klägerin geltend macht, im Fall der Beiziehung der Akte wäre erkennbar geworden, dass der Vertreter als Antragsteller behandelt worden sei, benennt sie ebenfalls keine Tatsachen, hinsichtlich derer weitere Ermittlungen hätten angestellt werden müssen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2, 6. Absatz) festgestellt, dass der Beklagte zunächst gegenüber dem Sohn der Klägerin einen Leistungsbescheid erließ. Dass das Verwaltungsgericht der Heranziehung des Sohnes der Klägerin nicht die aus Sicht der Klägerin gebotene rechtliche Bedeutung beigemessen, insbesondere nicht als unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 12 Abs. 1 VwKostG LSA gewertet hat, begründet keinen Aufklärungsmangel.

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Zudem hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht auf die Beiziehung der Akte hingewirkt. Dazu genügte es nach den oben dargelegten Grundsatzen nicht, dass sie in der Klageschrift vom 06.04.2010 zum Beweis der Tatsache, dass der Beklagte einen Kostenvorschuss anforderte, die Beiziehung beantragt hat. Hinzu kommt, dass dies nur für den Fall des Bestreitens dieser Tatsache erfolgen sollte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich dem Verwaltungsgericht gleichwohl die Beiziehung dieser Akte hätte aufdrängen müssen, insbesondere weil es erkannt hat, dass der Beklagte zunächst den Sohn der Klägerin in Anspruch genommen hatte. Die Klägerin legt nicht dar, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich der Akte entnehmen lassen, die das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat.

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4.2. Der von der Klägerin gerügte Widerspruch zwischen dem Sitzungsprotokoll und dem Urteil besteht nicht. Die Erklärung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie hätte die Gesamtvermessung sicherlich nicht beantragt, wenn sie gewusst hätte, was diese kostet, steht nicht in Widerspruch zu der Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass sie vom Beklagten auf entsprechende Nachfrage über die Kosten bewusst im Unklaren gelassen oder getäuscht worden sei.

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4.3. Soweit die Klägerin vorträgt, das Verwaltungsgericht habe das möglich Vorliegen einer unbilligen Härte nicht anhand der Gesetzesbegründung geprüft, habe es unterlassen, den unbestimmten Rechtsbegriff der „unrichtigen Sachbehandlung“ aufzuklären, und das Verhalten des Beklagten zu Unrecht nicht als unrichtige Sachbehandlung erkannt, rügt sie die fehlerhafte Anwendung der materiellen Vorschriften des § 12 VwKostG LSA. Gleiches gilt für den weiteren Vortrag, im angefochtenen Urteil fehlten Feststellungen zu dem im Aktenvermerk auf Seite 14 des Verwaltungsvorgangs dokumentierten Vorgehen des Beklagten, es fehlten Ausführungen zum Sinn und Zweck der Gebühren laut Gesetzesbegründung und zur Verfassungswidrigkeit des § 12 Abs. 3 VwKostG LSA. Eine unrichtige oder in ihrer Begründung defizitäre (weil die Gesetzesmaterialien vernachlässigende) materielle Rechtsanwendung stellt aber grundsätzlich keinen Verfahrensfehler dar (BVerwG, Beschl. v. 27.10.2008 – 9 B 34.08 –, BRS 75 Nr. 75).

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.


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