Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 L 215/11

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen Nebenbestimmungen, die der Beklagte der ihr erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage – WKA – beigefügt hat.

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Die genehmigte WKA befindet sich innerhalb eines Windparks mit 31 WKA. Der geplante Standort liegt im Geltungsbereich eines rechtgültigen Bebauungsplans und in einem Vorranggebiet für die Nutzung der Windenergie nach dem Regionalen Entwicklungsplan Harz (Nr. IV A.). Mit Bescheid vom 18.12.2009 genehmigte der Beklagte die Errichtung und den Betrieb einer WKA vom Typ Vestas V 90 mit einer Nennleistung von 2,0 MW, einer Nabenhöhe von 105,0 m und einem Rotordurchmesser von 90,0 m. Der Genehmigung waren unter Punkt 9 des Bescheides naturschutzrechtliche Nebenbestimmungen beigefügt. Die Nummer 9.5, gegen die sich die Klägerin richtet, hat folgenden Wortlaut:

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Im Zeitraum von einem Jahr nach Errichtung der WKA sind in den Monaten März bis Oktober in einer wöchentlichen Begehung im Umkreis von 100 m zum Mastfuß der WKA Totfundsuchen auf Fledermäuse durchzuführen. Diese Totfundsuchen haben jeweils in den frühen Morgenstunden zu erfolgen, um eine Verfälschung der Ergebnisse durch Prädatoren so gering wie möglich zu halten. Mit den angeordneten Untersuchungen ist ein im Fledermausschutz erfahrenes und anerkanntes Fachbüro zu beauftragen. Die Untersuchungsergebnisse sind nach Auswertung der Daten der Genehmigungsbehörde umgehend zur Verfügung zu stellen.

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Anordnungen gemäß § 17 BImSchG über zusätzliche Abschaltungen der WKA zum Schutz von Fledermäusen (z.B. während des Frühjahrs- bzw. Herbstzuges) bleiben vorbehalten, d.h. es können in Abstimmung zwischen der oberen Naturschutzbehörde und der Genehmigungsbehörde weitere Minderungsmaßnahmen …. festgelegt werden.

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Am 18.01.2010 hat die Klägerin gegen diese Nebenbestimmung Klage beim Verwaltungsgericht Magdeburg erhoben.

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Zur Begründung der Klage hat sie geltend gemacht:

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Eine Rechtsgrundlage für die Nebenbestimmung sei nicht erkennbar. Ebenso fehle es an einer Rechtsgrundlage für nachträgliche Anordnungen, wie sie im 2. Absatz der Nebenbestimmung angeordnet seien. § 17 BImSchG beziehe sich lediglich auf das Bundesimmissionsschutzgesetz und die auf Grundlage dessen erlassenen Verordnungen. Abschaltzeiten im Hinblick auf angebliche naturschutzfachliche Beeinträchtigungen seien indes durch § 17 BImSchG nicht gedeckt. Eine Beeinträchtigung des Fledermausvorkommens durch die streitgegenständliche WKA sei auch nicht zu erwarten. Dies ergebe sich aus dem in den Genehmigungsunterlagen befindlichen Fachgutachten von „MYOTIS – Büro für Landschaftsökologie“ vom 26.10.2005.

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Die Klägerin hat beantragt,

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1. die Nebenbestimmung Ziff. 9.5 aufzuheben und
2. hilfsweise Sachverständigenbeweis darüber zu erheben,
ob und wenn ja, welche anlage- und betriebsbedingten Auswirkungen die Errichtung der streitgegenständlichen Windkraftanlage in der Gemarkung A., Flur A, Flurstücke 186/4 und 4/3 auf Fledermäuse hat
und
ob eine Totfundsuche wie in Nebenbestimmung 9.5 fachlich notwendig ist, um solche Auswirkungen bewerten zu können, insbesondere was den Zeitraum von März bis Oktober und den Umkreis von 100 Metern um den Mastfuß betrifft; und ob hier mit Blick auf die heutigen Erkenntnisse zum Konflikt Fledermäuse und Windenergieanlagen ein geringerer Umfang der Untersuchungen ausreichend ist.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Klageerwiderung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Die streitige Nebenbestimmung sei rechtens. Insbesondere stehe die Notwendigkeit, das angeordnete Monitoring zu betreiben, außer Zweifel. Das vorliegende Gutachten weise ausdrücklich darauf hin, dass Verluste von Fledermäusen nicht gänzlich auszuschließen seien. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten stamme aus dem Jahre 2005 und sei veraltet. Er hätte deshalb von der Klägerin die Vorlage eines aktuelleren Gutachtens verlangen können. Dies wäre aber mit einem erheblichen zeitlichen Aufwand verbunden gewesen. Er habe sich deshalb für die streitige Nebenbestimmung als das weniger belastende Mittel entschieden.

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Die Klage hat das Verwaltungsgericht Magdeburg mit Urteil vom 14.11.2011 (1 A 19/10 MD) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

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Die strittige Auflage finde ihre rechtliche Grundlage in § 12 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG.

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Ohne das Monitoring sei das Vorhaben der Klägerin nicht mit dem in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlmSchG normierten Vorsorgeprinzip und dem nach § 6 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG für genehmigungsbedürftige Anlagen geltenden Tötungsverbot von wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nach § 42 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. BNatSchG a. F. vereinbar. Auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG könnten gegenüber dem Anlagenbetreiber auch sog. „Hilfspflichten“ festgelegt werden, mit denen die Einhaltung der materiellen Anforderungen der Genehmigungsfähigkeit einer Anlage sichergestellt werden solle. Dabei könnten auch über §§ 26, 28 und 29 BlmSchG hinausgehende Untersuchungen angeordnet werden, wenn sie zur Sicherstellung der Genehmigungsfähigkeit erforderlich seien.

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Vorliegend seien ausweislich der naturschutzfachlichen Bewertung der oberen Naturschutzbehörde negative Auswirkungen der Anlage auf den Fledermausbestand zu befürchten. Zur Schaffung der Genehmigungsvoraussetzungen seien entsprechende bislang vor Erteilung der Genehmigung noch nicht erfolgte Untersuchungen zu diesen Auswirkungen erforderlich. Als milderes Mittel zur Verweigerung der Genehmigung sei die streitige Auflage zulässig. Hierbei handele es sich nicht um eine Ausweitung einer ständigen Eigenüberwachung des Anlagenbetreibers. Denn die angeordneten Untersuchungen würden auf ein Jahr nach Errichtung der Anlage beschränkt.

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Die obere Naturschutzbehörde des Beklagten habe in ihrer naturschutzfachlichen Bewertung vom 09.06.2009 nachvollziehbar ausgeführt, dass eine Kollision von Fledermäusen mit der genehmigten Windkraftanlage nicht auszuschließen und deshalb eine zeitnahe Prüfung des Fledermausschlagrisikos durch ein Monitorprogramm erforderlich sei. Schließlich sei es auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte das Fledermausmonitoring für einen Umkreis von 100 Metern zum Mastfuß anordnet habe. Die darauf beruhende Annahme des Beklagten, dass in diesem Bereich mit Totfunden gerechnet werden könne, sei von der naturschutzrechtlichen Einschätzungsprärogative gedeckt. Hierfür spreche insbesondere, dass der Umkreis innerhalb der für Windkraftanlagen geltenden Abstandsfläche gemäß § 6 Abs. 7 Satz 2 BauO LSA liege, die bei der Anlage entsprechend ihrer Gesamthöhe 150 m betrage.

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Dem hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin über die anlage- und betriebsbedingten Auswirkungen der mit Bescheid des Beklagten vom 18.12.2009 genehmigten Windkraftanlage auf Fledermäuse sei nicht nachzugehen. Dem Gericht liege mit dem von der Klägerin im behördlichen Verfahren vorgelegten Umweltbericht des Ingenieurbüros vom Januar 2008 und der nachschutzfachlichen Bewertung der oberen Naturschutzbehörde vom 09.06.2009 eine ausreichende Tatsachengrundlage zur Bewertung der Sachlage vor. Der Klägerin sei die Durchführung des Monitorings auch tatsächlich und rechtlich möglich. Die Klägerin habe es in der Hand, die Durchführung eines Monitorings gegenüber ihren Pächtern durchzusetzen.

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Auch der Beweisantrag über die Notwendigkeit des angeordneten, insbesondere des zeitlichen und räumlichen, Umfangs des Monitorings sei abzulehnen. Bei diesem Beweisantrag handele es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis.

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Schließlich sei auch der auf § 12 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG und § 17 BlmSchG beruhende Vorbehalt zur nachträglichen Anordnung von Abschaltzeiten, auch soweit es sich dabei nicht nur um einen bloßen Hinweis, sondern um einen Verwaltungsakt handeln sollte, nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Klägerin könne eine solche Anordnung auch zur Vermeidung von Verletzungen naturschutzrechtlicher Bestimmungen getroffen werden. Eine artenschutzrechtliche Ausnahmezulassung nach § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 oder 5 BNatSchG a F. von dem Tötungsverbot des 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG a. F. komme ebenso wenig wie eine artenschutzrechtliche Befreiung nach § 62 Satz 1 BNatSchG a. F in Betracht.

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Der Senat hat mit Beschluss vom 01.08.2013 die Berufung zugelassen. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht im Wesentlichen wie folgt begründet:

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Die Nebenbestimmung Ziff. 9.5 sei in Gänze aufzuheben. Für das Monitoring fehle es an einer Rechtsgrundlage. Darüber hinaus sei die strittige Nebenbestimmung auch zu unbestimmt. Es sei nicht ersichtlich, was sie konkret als Monitoring veranlassen solle. Ebenso wenig sei ersichtlich, zu welchem Ergebnis das Monitoring kommen könne und müsse, um Abschaltzeiten rechtfertigen zu können. Ferner sei die Monitoring-auflage auch deshalb aufzuheben, weil der Beklagte rechtlich gehindert sei, ein Monitoring durchzuführen. Die Nebenbestimmung Ziff. 9.5 sei auch insoweit aufzuheben, wie sie einen Auflagenvorbehalt formuliere. Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein solcher Auflagenvorbehalt auf § 12 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG gestützt werden könne. Insoweit sei § 12 Abs. 2 a BImSchG Spezialnorm. Danach sei ein Auflagenvorbehalt nur mit Zustimmung des Antragstellers zulässig.

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Diese Einschränkung nach § 12 Abs. 2 a BImSchG sei gerade mit Blick auf den Rechtsanspruch des Betroffenen auf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung (vgl. § 4, 6 BImSchG) zwingend. Die Klägerin habe insoweit einen Rechtsanspruch auf eine abschließende Entscheidung über den Genehmigungsantrag im WKA-Genehmigungsverfahren. Dieser Anspruch auf abschließende Entscheidung würde unterlaufen, könnte eine Immissionsschutzbehörde durch Nebenbestimmungen Auflagenvorbehalte frei „kreieren“. Ein Verzicht auf eine abschließende Entscheidung bereits im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren sei danach nur dann möglich, wenn ausnahmsweise das Einverständnis des Betroffenen vorliege. Daran fehle es hier.

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Selbst wenn man einmal unterstelle, es gebe eine Rechtsgrundlage für ein Monitoring und einen Auflagenvorbehalt, so wäre die hier angegriffene Nebenbestimmung 9.5 noch aus einem weiteren Grund rechtswidrig. Aus den Antragsunterlagen sei nichts dafür ersichtlich, dass im Bereich der streitigen Windenergieanlage eine hierfür erforderliche Aktivitätsdichte von Fledermäusen vorliege, die die Annahme eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos als naturschutzfachlich vertretbar erscheinen lassen könnte. Nach der Rechtsprechung des Senats genüge die allenfalls vorliegende Besorgnis eines Fledermausopfers an WKA gerade nicht, um beispielsweise Fledermausabschaltzeiten rechtfertigen zu können. Dasselbe müsse – erst recht – für eine bloße Monitoringauflage nebst Auflagenvorbehalt gelten.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 14.11.2011 (1 A 19/10 MD) zu ändern und die Nebenbestimmung Nr. 9.5 des Bescheides des Beklagten vom 18.12.2009 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen

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Zur Begründung trägt er vor: Rechtsgrundlage für die strittige Monitoringauflage sei der im Genehmigungsverfahren zwingend umzusetzende Artenschutz. Es liege der Anfangsverdacht einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos für Fledermäuse vor. Ausschlaggebend sei hier der „Umweltbericht mit integriertem Grünordnungsplan zum Bebauungsplan Windpark A.“ vom Januar 2008. Dieser verweise auf ein Gutachten zur Schlagopferanalyse bei Fledermäusen aus dem Jahr 2005, in welchem ein Abendsegler als Totfund bzw. durch die Detektorerfassung die Arten Abendsegler, Zwergfledermaus und Breitflügelfledermaus nachgewiesen würden. Das Gutachten schlussfolgere, dass der Abendsegler das Untersuchungsgebiet während der saisonalen Wanderungen frequentiere sowie die Arten Zwergfledermaus und Breitflügelfledermaus in den umliegenden Ortschaften auch Wochenstubengemeinschaften bildeten und so die Flächen des Untersuchungsgebietes außerhalb der Winterruhe ganzjährig als Jagdgebiet nutzten. Das Gutachten stamme zwar aus dem Jahre 2005, und aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.01.2007 könne es nicht zur abschließenden Entscheidungsfindung herangezogen werden. Der Anfangsverdacht einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos sei damit jedoch zweifelsfrei begründet. Dieser Anfangsverdacht werde weiterhin dadurch gestärkt, dass das herangezogene Gutachten aus heutiger Sicht aufgrund der Beschränkung des Untersuchungszeitraumes auf den Herbstzug sowie des allgemein unzureichenden Erkenntnisstandes zu dieser Zeit unzureichend sei. Eine hinreichend gesicherte Tatsachenbasis, ob die Signifikanzschwelle an der beantragten WKA überschritten werde, müsse das beauflagte Schlagopfermonitoring erbringen. Aus diesem Grund habe der Beklagte auch noch keine Abschaltzeiten auferlegen können, da hierfür gesicherte Erkenntnisse noch nicht vorlägen.

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Der Auflagenvorbehalt finde seine Rechtsgrundlage in § 44 Abs.1 Nr. 1 BNatSchG. Durch die Umsetzung von Vermeidungsmaßnahmen werde verhindert, dass der artenschutzrechtliche Verbotstatbestand des § 44 Abs.1 Nr. 1 BNatSchG eintrete und dies somit bei einer Überschreitung der Signifikanzschwelle der erheblichen Störung gar die Versagung der Genehmigung zur Folge hätte. Die strittige Nebenbestimmung sei weder zu unbestimmt, noch sei es der Klägerin rechtlich unmöglich sie umzusetzen. Das Problem der Inanspruchnahme fremder Grundstücke könnte durch Duldungsverfügungen gegenüber hindernden Personen beseitigt werden.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist begründet.

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Die gegen die Nebenbestimmung Nr. 9.5 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Beklagten vom 18.12.2009 gerichtete Anfechtungsklage ist begründet, weil diese Auflage rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Für die unter der Nebenbestimmung Nr. 9.5 angeordneten Untersuchungsmaßnahmen besteht keine rechtliche Grundlage.

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Die strittigen Auflagen können insbesondere nicht auf § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG gestützt werden. Danach kann die Genehmigung unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen.

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Die Auflage ist zur Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen nicht erforderlich, insbesondere nicht, um einen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG a.F.) auszuräumen. Nach dieser Vorschrift ist es u.a. verboten, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten zu verletzen oder zu töten. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts Halle im Urteil vom 23.11.2010 (– 4 A 34/10 – nach juris) und schließt sich dieser an. Das Verwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung ausgeführt:

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„Das angeordnete Monitoring ist bereits nicht geeignet, dem Tötungs- bzw. Verletzungsverbot entgegenzuwirken, insbesondere das vom Beklagten angeführte Kollisionsrisiko für die Fledermäuse zu reduzieren. Durch die Suche nach getöteten Tieren kann nämlich eine Tötung der Tiere nicht verhindert werden. Vielmehr lassen sich durch ein Monitoring lediglich Erkenntnisse über die Beeinträchtigungen der Tiere gewinnen, nicht aber diese vermeiden.

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Des Weiteren handelt es sich bei den der Klägerin unter der Nebenbestimmung Nr. 9.5 aufgegebenen Maßnahmen um solche der Eigenüberwachung ihres Vorhabens, nämlich zur Gewinnung von Erkenntnissen darüber, welche Auswirkungen der Betrieb der Windkraftanlage auf die Natur, namentlich auf die die Gehölzstrukturen nutzenden Fledermäuse, hat. Für die Anordnung einer solchen Eigenüberwachungsmaßnahme bedarf es aber grundsätzlich einer konkreten gesetzlichen Ermächtigung, die nicht besteht (vgl. auch VGH München, Urteil vom 19. Februar 2009 – 22 BV 08.1164 – Juris)“.

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Darüber hinaus ist der Senat der Auffassung, dass Behörden – dies folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – nur solche belastenden Maßnahmen anordnen können, die geeignet und erforderlich sind, eine gegebene Gefahrenlage oder einen Rechtsverstoß zu beseitigen. Eine belastende Maßnahme – wie ein Schlagopfermonitoring – ist nur dann ein geeignetes Mittel, einen Rechtsverstoß zu beseitigen oder zu verhindern, wenn sie einen Kausalverlauf unterbricht, der zum Eintritt des Rechtsverstoßes führt. Mit einer Maßnahme der Sachverhaltsaufklärung wird aber kein Kausalzusammenhang unterbrochen, und die Ursache einer Rechtsbeeinträchtigung wird dadurch nicht beseitigt (vgl. Urt. des Sen. v. 18.11.1998 – A 2 S 501/96 –, nach Juris; zu einer insoweit vergleichbaren Rechtslage im Polizeirecht). Durch ein Schlagopfermonitoring lassen sich lediglich Erkenntnisse über tote Fledermäuse gewinnen, die Tötung von Fledermäusen wird dadurch nicht verhindert. Hegt eine Behörde Zweifel, ob ein Verstoß gegen das Tötungsverbot vorliegt, muss sie diesen im Genehmigungsverfahren nachgehen und ggf. eine Bestandserhebung veranlassen, um zu hinreichend gesicherten Erkenntnissen zu gelangen. Die Anordnung eines Monitorings ist kein zulässiges Mittel, um behördliche Ermittlungsdefizite und Bewertungsmängel zu kompensieren (so auch VG Greifswald, Urt. v. 06.06.2013 – 5 A 476/11 –, nach Juris).

40

Soweit das Bundesverwaltungsgericht zu einem fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren im Zusammenhang mit der Frage der Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets entschieden hat, dass es sich gerade bei wissenschaftlicher Unsicherheit über die Wirksamkeit von Schutz- und Kompensationsmaßnahmen anbieten könne, durch ein Monitoring weitere Erkenntnisse über die Beeinträchtigungen zu gewinnen und dementsprechend die Durchführung des Vorhabens zu steuern (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.01.2007 – BVerwG 9 A 20.05 – nach Juris), ergibt sich daraus nichts anderes. In diesem Fall lag eine Rechtsbeeinträchtigung bereits tatsächlich vor. Es sollte lediglich überprüft werden, ob andere Maßnahmen, die die Rechtsbeeinträchtigungen verhindern oder kompensieren sollten, wirksam waren. Das hier strittige Monitoring dient indes allein der Sachverhaltsaufklärung und damit nur der Frage, ob eine Rechtsbeeinträchtigung als Verstoß gegen das Tötungsverbot tatbestandlich überhaupt vorliegt (so auch VG Halle, Urt. v. 23.11.2010, a.a.O.).

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Selbst wenn man jedoch § 12 Abs.1 Satz 1 BImSchG i.V.m. § § 42 Abs.1 Nr.1, 1. Alt. BNatSchG a.F (§ 44 Abs.1 Nr. 1 BNatSchG) als eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für eine Schlagopfermonitoringauflage ansehen würde, lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 Abs.1 Nr. 1 1.Alt. BNatSchG a.F. (§ 44 Abs.1 Nr. 1 BNatSchG) nicht vor.

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Sollen Windenergieanlagen in einer Gegend errichtet werden, die in der Flugroute fernwandernder Fledermausarten liegen, begründet dies zwar gewissermaßen einen Anfangsverdacht für eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die Signifikanzschwelle auch in solchen Fällen erst dann überschritten ist, wenn aufgrund einer hinreichend gesicherten Tatsachenbasis feststeht, dass gerade an dem konkreten Standort der zu errichtenden WKA und nicht nur in dessen näherer und weiterer Umgebung zu bestimmten Zeiten schlagopfergefährdete Fledermäuse in einer Zahl auftreten, die Kollisionen von mehr als nur einzelnen Individuen mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen. Der erwähnte „Anfangsverdacht“ ist nicht dahingehend zu verstehen, dass er zu einer Umkehr der Beweislast führt und deshalb bereits als solcher die Annahme einer Überschreitung der Signifikanzschwelle begründet, falls der Anlagenbetreiber nicht das Gegenteil nachweist. Vielmehr handelt es sich bei dem Anfangsverdacht nur um einen ersten Anschein, der je nach den Umständen des Einzelfalls einer näheren Konkretisierung und weiteren tatsächlichen Fundierung bedarf, die als solche auch nicht der behördlichen Einschätzungsprärogative zuzurechnen ist, sondern der vollen tatrichterlichen Kontrolle unterliegt. Ferner ist bei Fledermäusen in besonderem Maße zu beachten, dass die Zahl der Individuen, die von dem signifikant erhöhten Tötungsrisiko betroffen sind, über wenige Einzelexemplare hinausgehen muss. Bei lebensnaher Betrachtung ist nie völlig auszuschließen, dass einzelne Exemplare besonders geschützter Arten durch Kollisionen mit WKA bzw. deren Rotorblättern zu Schaden kommen können. Fledermäuse treten in Individuenzahlen auf, die die Zahl der Individuen anderer geschützter und kollisionsgefährdeter Tierarten, etwa des Rotmilans, um ein Vielfaches und damit in einem Maße übersteigt, das es rechtfertigt, insoweit von einer anderen Größenordnung zu sprechen (vgl. Urt. d. Sen. v. 16.05.2013 – 2 L 80/11 –, nach Juris.). Allein der Umstand, dass der Beklagte keine Abschaltauflage, sondern lediglich ein Schlagopfermonitoring als Maßnahme beabsichtigt, welche den Anlagenbetreiber weniger belastet als eine Abschaltauflage, führt nicht dazu, dass die Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung für die Anordnung eines Schlagopfermonitorings geringere wären als die für die Anordnung einer Abschaltauflage.

43

Die vom Beklagten hier angeführte Tatsachenbasis genügt nicht. Der Beklagte trägt hierzu lediglich vor, dass ein vorliegendes Gutachten aus dem Jahre 2005 für den strittigen Standort die Annahme eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für wildlebende Fledermausarten nicht gänzlich ausschließe. Das Gutachten sei aufgrund seines Alters allerdings nicht mehr verwendbar. Auf die Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung, auf welche Tatsachen der Beklagte die Annahme der Voraussetzungen des § 44 Abs.1 Nr. 1 BNatSchG (§ 42 Abs.1 Nr. 1 1.Alt.BNatSchG a. F.) stütze, konnte er dazu keine Angaben machen.

44

Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte selber – beispielsweise im Verfahren 2 L 175/11 – die Auffassung vertritt, dass ein Schlagopfermonitoring allein heutigen wissenschaftlichen Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung in der Fledermausforschung nicht mehr in ausreichender Weise genügt.

45

Aus den vorgenannten Erwägungen entfällt auch jede Rechtfertigung für den Auflagenvorbehalt, und zwar unabhängig von der Frage, ob § 12 Abs. 2a BImSchG für einen Auflagenvorbehalt lex specialis ist und dieser damit nur mit Einwilligung des Anlagenbetreibers erteilt werden kann.

46

Mangelt es sonach an einer rechtlichen Grundlage für die Nebenbestimmung Nr. 9.5, kann die Klägerin auch deren Aufhebung beanspruchen. Dies ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der verbleibende Teil der der Klägerin erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung rechtswidrig wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 1984 – BVerwG, 4 C 70.80 –, NVwZ 1984, 366). Die ohne die Nebenbestimmung Nr. 9.5 verbleibende Genehmigung ist nicht rechtswidrig. Es bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Betrieb der strittigen WKA gegen § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG a.F. (§ 44 Abs.1 Nr. 1 BNatSchG) verstößt bzw. dass dem Betrieb insoweit Belange des Naturschutzes im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5, 1. Alt. BauGB entgegenstehen.

47

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708, 709 ZPO.

48

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.


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