Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 O 138/14

Gründe

I.

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Am 18.10.2013 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Erdbeckens zur Gärrestelagerung. Mit Beweisbeschluss vom 05.12.2013 beauftragte das Verwaltungsgericht den TÜV Nord mit der Erstattung eines Gutachtens

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(a) über die Frage, ob die von der genehmigten Anlage ausgehenden Emissionen die Grenzwerte nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) für Wohn- und Mischgebiete von 10 % der Jahresstunden und für Gewerbegebiete von 15 % der Jahresstunden voraussichtlich überschreiten werden, Anknüpfungspunkt: insbesondere 1 m vor dem der Anlage nächstgelegenen Fenster des Wohnhauses des Antragstellers,

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(b) über die Frage, ob die Anlage – insbesondere auch hinsichtlich der verwendeten Folie – den technischen Anforderungen nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG entspricht,

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(c) über die Frage, wie hoch die Gefahr eines Überlaufens des Erdbeckens einzuschätzen ist,

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(d) über die Frage, durch welche Auflagen oder Nebenbestimmungen ggf. die Genehmigungsfähigkeit der Anlage sichergestellt werden kann, wenn die Fragen zu a), b) und c) zu Lasten des Vorhabens zu beantworten sind.

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Am 24.03.2014 erstellte der beim TÜV Nord, Geschäftsstelle H., beschäftigte Sachverständige (L.) eine gutachtliche Stellungnahme zu den Beweisfragen a) und d). Dafür stellte der TÜV Nord am 05.05.2014 Kosten in Höhe von 1.604,12 € in Rechnung. Am 17.04.2014 erstellte der beim TÜV Nord, Geschäftsstelle (…), beschäftigte Sachverständige (D.) eine gutachtliche Stellungnahme zu den Beweisfragen b) und c). Dafür stellte der TÜV Nord am 21.05.2014 Kosten in Höhe von 2.922,05 € in Rechnung.

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Mit Beschluss vom 12.05.2014 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab und erlegte dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf. In der Begründung stützte sich das Verwaltungsgericht auch auf die beiden eingeholten gutachtlichen Stellungnahmen.

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Mit Kostenrechnung vom 15.05.2014 forderte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom Antragsteller Gerichtskosten in Höhe von 1.794,62 € an, die sich zusammensetzten aus Gerichtsgebühren in Höhe von 190,50 € für das Verfahren gemäß Nr. 5210 des Kostenverzeichnisses zum GKG und 1.604,12 € für die „Sachverständigen-Entschädigung“.

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Nachdem der Antragsteller gegen den Beschluss vom 12.05.2014 zunächst Beschwerde erhoben, den vorläufigen Rechtsschutzantrag dann aber am 13.06.2014 zurückgenommen hatte, stellte der Berichterstatter des Senats mit Beschluss vom 17.06.2014 (2 M 57/14) das vorläufige Rechtsschutzverfahren ein, erklärte den erstinstanzlichen Beschluss für unwirksam und erlegte dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen auf.

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Mit Kostenrechnung vom 08.08.2014 forderte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom Antragsteller einen Betrag in Höhe von 2.795,05 an. Darin waren Gerichtsgebühren in Höhe von 63,50 € gemäß Nr. 5211 des Kostenverzeichnisses zum GKG (Beendigung des Verfahrens nach Zurücknahme des Antrags) sowie eine Sachverständigenentschädigung in Höhe von 4.526,17 € aufgeführt und der vom Antragsteller bereits bezahlte Betrag von 1.794,62 € in Abzug gebracht.

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Hiergegen hat der Antragsteller am 20.08.2014 Erinnerung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die in der Rechnung aufgeführten Positionen habe er bereits bezahlt. Weder die Größenordnung der bezahlten Rechnungsbeträge noch der fehlende Hinweis auf weiter ausstehende Kostenrechnungen ließen diese Nachtragsrechnung erwarten oder rechtfertigten diese. Zudem machte der Antragsteller Mängel „des Gutachtens“ geltend.

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Mit Beschluss vom 04.11.2014 hat das Verwaltungsgericht die Erinnerung zurückgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Vergütungsanspruch der Sachverständigen bestehe zu Recht. Lediglich dann, wenn ein Gutachten schuldhaft derart schwerwiegende inhaltliche Mängel aufweise, die zur Unverwertbarkeit des Gutachtens führten, entfalle der Vergütungsanspruch. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Sei – wie hier – das Gutachten von dem beauftragenden Gericht verwertet worden, entfalle der Vergütungsanspruch nicht schon deshalb, weil das Rechtsmittelgericht einzelne Gutachteraussagen oder gar das gesamte Gutachten für unbrauchbar halte. Davon sei angesichts der überwiegend pauschalen Rügen des Antragstellers im Übrigen auch nicht auszugehen. Der Vergütungsanspruch sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

II.

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A. Die vom Antragsteller hiergegen erhobene Beschwerde, über die gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Einzelrichter entscheidet, ist zwar gemäß § 66 Abs. 2 und 3 GKG zulässig, aber nicht begründet.

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1. Zu Unrecht rügt der Antragsteller, die beiden gutachtlichen Stellungnahmen wiesen schwerwiegende Mängel auf, die zu ihrer Unverwertbarkeit führten.

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Gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 413 ZPO erhält der Sachverständige eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), die nach § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 9005 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs 2 GKG) i.V.m. §§ 8 ff. JEVG erhoben werden. Für die Erstattungspflicht der Verfahrensbeteiligten kommt es darauf an, welche Beträge das Gericht an den Sachverständigen zahlen muss (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 43. Auflage 2013, GKG, Kostenverzeichnis Nr. 9005 Rn. 1). Die Frage, inwieweit sich Mängel eines vom Gericht in Auftrag gegebenen Gutachtens auf den Vergütungsanspruch des beauftragten Sachverständigen auswirken, ist in der am 01.08.2013 in Kraft getretenen Bestimmung des § 8a Abs. 2 JVEG geregelt. Nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG enthält der Berechtigte eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, wenn er eine mangelhafte Leistung erbracht hat. Gemäß § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG gilt sie als verwertbar, soweit das Gericht die Leistung berücksichtigt. Die letztgenannte Regelung entspricht der bisherigen Handhabung der Rechtsprechung und soll verhindern, dass Streitigkeiten über die Verwertbarkeit in den Kosteninstanzen wiederholt werden; der Sachentscheidung für eine Verwertbarkeit im Hauptsacheverfahren soll präjudizielle Wirkung zukommen (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14.11.2012 – BT-Drs. 17/471 [neu], S. 260). Soweit das Gericht eine Leistung im Ergebnis auch nur nicht völlig untergeordnet mitberücksichtigt, gilt sie als verwertbar und brauchen die Bedingungen in § 8a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 JVEG nicht mehr geprüft werden (Hartmann, a.a.O., JVEG, § 8a RdNr. 34).

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Hiernach kann den von den beiden Sachverständigen geltend gemachten Vergütungsansprüchen nicht entgegen gehalten werden, die von ihnen erstatteten Gutachten enthielten gravierende Mängel, die zur Unverwertbarkeit führten. Denn das Verwaltungsgericht hat die beiden Gutachten insgesamt für verwertbar gehalten und seine Entscheidung auch darauf gestützt. Im Übrigen hat auch der Senat in einem weiteren vom Antragsteller geführten vorläufigen Rechtsschutzverfahren die beiden Gutachten in seinem Beschluss vom 09.12.2014 (2 M 102/14) für verwertbar erachtet und bei seiner Entscheidung in nicht unwesentlichem Umfang mit berücksichtigt.

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2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge des Antragstellers, die Gerichtskosten für den zweiten Eilantrag seien zweimal berechnet worden. Der „zweite Eilantrag“, mit dem der Antragsteller offenbar das nach Rücknahme des ersten vorläufigen Rechtsschutzantrags durchgeführte weitere vorläufige Rechtsschutzverfahren (2 B 147/14 HAL) meint, ist nicht Gegenstand der mit der Erinnerung angegriffenen Kostenrechnung vom 08.08.2014 und des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 04.11.2014. Im Übrigen handelt es sich bei dem zweiten vorläufigen Rechtsschutzverfahren um ein neues Verfahren, für das weitere Gerichtskosten entstanden sind.

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3. Nicht durchzudringen vermag der Antragsteller schließlich mit dem Einwand, aus der ersten Rechnung für eine Gutachterentschädigung sei nach Einreichung der Beschwerde beim TÜV Nord plötzlich eine 1. Teilrechnung geworden und eine 2. Teilrechnung nachgereicht worden. Die erste Kostenrechnung vom 15.05.2014 wurde zu einem Zeitpunkt erstellt, zu dem nur die Rechnung des TÜV Nord vom 05.05.2014 für das Gutachten des Sachverständigen (L.) vorlag. Die Rechnung für das weitere Gutachten des Sachverständigen (D.) vom 21.05.2014 ging erst am 22.05.2014 beim Verwaltungsgericht ein. Der Umstand, dass die Kostenrechnung vom 15.05.2014 keinen Hinweis darauf enthielt, dass (voraussichtlich) weitere Gerichtskosten wegen der Entschädigung des zweiten Sachverständigen anfallen werden, hindert nicht die Nachforderung dieser Kosten. Selbst bei einem unrichtigen Kostenansatz dürfen Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 GKG Kosten nachgefordert werden, wenn der berichtigte Ansatz dem Zahlungspflichtigen vor Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach Absendung der den Rechtszug abschließenden Kostenrechnung (Schlusskostenrechnung) mitgeteilt worden ist. Im Übrigen gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG.

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B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.


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