Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 121/15

Gründe

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Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, ihn abzuschieben, zu Recht abgelehnt.

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Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Zwar habe er einen Anspruch auf Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG. Dieser Anspruch stehe der beabsichtigten Abschiebung des Antragstellers aber nicht entgegen, weil dieser sein Begehren auch vom Heimatland aus im Hauptsacheverfahren weiterverfolgen könne. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn er einen Anspruch auf die beantragte Aufenthaltserlaubnis hätte. Das sei aber nicht der Fall. Insoweit verweist das Verwaltungsgericht auf den Beschluss des Senats vom 31.03.2015 im Verfahren 2 M 17/15.

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Das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere Entscheidung.

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Entgegen der Ansicht des Antragstellers, der vollziehbar ausreisepflichtig (§ 58 Abs. 1 AufenthG) ist, ist die Antragsgegnerin allein durch seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG nicht daran gehindert, ihn abzuschieben. Darüber hinaus steht ihm auch – soweit derzeit ersichtlich – ein Anspruch auf Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis nicht zu. Nach § 25b Abs. 1 AufenthG in der am 01.08.2015 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.07.2015 (BGBl. I S. 1386) soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der Ausländer

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1. sich seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat,
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2. sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt und über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt,
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3. seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichert oder bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt im Sinne von § 2 Absatz 3 sichern wird, wobei der Bezug von Wohngeld unschädlich ist,
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4. über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt und
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5. bei Kindern im schulpflichtigen Alter deren tatsächlichen Schulbesuch nachweist.
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Es kann offen bleiben, ob diese Voraussetzungen im Fall des Antragstellers vorliegen. Unerheblich ist ferner, dass die Voraussetzungen des Versagungsgrundes des § 25b Abs. 2 Nr. 1 AufenthG nicht gegeben sind. Hiernach ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 zu versagen, wenn der Ausländer die Aufenthaltsbeendigung durch vorsätzlich falsche Angaben, durch Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen verhindert oder verzögert. Diese Regelung knüpft – anders als § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG – nur an aktuelle Mitwirkungsleistungen des Ausländers an (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 53 f.), die hier nicht in Rede stehen. Bei der Anwendung des § 25b AufenthG kann jedoch nicht außer Betracht bleiben, dass der Ausländer vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht hat. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Regelung des § 25b AufenthG "keine Amnestie für jegliches Fehlverhalten in den vorangegangenen Verfahren" darstellt und in der Vergangenheit liegende falsche Angaben nur bei "tätiger Reue" außer Betracht bleiben sollen (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 53 f.). In der Vergangenheit liegende Täuschungshandlungen des Ausländers können vielmehr dazu führen, dass ein Ausnahmefall vorliegt, in dem von der Titelerteilung nach § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG abgesehen werden kann. Von dem Versagungstatbestand des § 25b Abs. 2 AufenthG nicht erfasste (zurückliegende) Täuschungen und Straftaten stehen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis dann entgegen, wenn sie nach ihrer Art oder Dauer so bedeutsam sind, dass sie das Gewicht der nach § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 5 AufenthG relevanten Integrationsleistungen für die nach Abs. 1 Satz 1 maßgebliche Annahme der nachhaltigen Integration beseitigen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 21.07.2015 – 18 B 486/14 –, juris RdNr. 15). So liegt es hier. Bei der Entscheidung über den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der von ihm am (…) 2007 in Schweden geschlossenen Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen H. um eine sog. Scheinehe gehandelt hat. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den Aussagen der Frau H. in dem Protokoll über deren Beschuldigtenvernehmung vom 29.02.2012 (vgl. Beschl. d. Senats v. 03.11.2014 – 2 M 110/14 –). Etwas anderes folgt – entgegen der Ansicht des Antragstellers – auch nicht daraus, dass er mit Urteil des Amtsgerichts Helmstedt vom 16.12.2013 – 15 Cs 103 Js 14849/12 – (Bl. 517 ff. d.A.) vom Vorwurf des Erschleichens von Aufenthaltstiteln aus tatsächlichen Gründen freigesprochen wurde, weil die ihm vorgeworfenen Taten nicht nachzuweisen waren. Dieser Freispruch beruhte ersichtlich darauf, dass die "Ehefrau" des Antragstellers, H., von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht als Ehefrau Gebrauch machte (vgl. Bl. 509 d.A.). Die gewichtigen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer sog. Scheinehe werden hierdurch nicht hinreichend entkräftet. Die Annahme einer nachhaltigen Integration des Antragstellers im Sinne des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Hinsichtlich der Festsetzung des Streitwertes folgt der Senat der Festsetzung des Verwaltungsgerichts.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


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