Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (4. Senat) - 4 L 217/15

Gründe

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Der statthafte Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht.

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Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist immer schon dann erfüllt, wenn im Zulassungsverfahren ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Schlüssige Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn mit dem Zulassungsantrag substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (so BVerfG, Beschl. v. 20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10 -, zit. nach JURIS).

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Diese Voraussetzung liegt nicht vor.

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a) Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass nach den Regelungen des § 4 Abs. 5 AbwAG die Bemessung der Abwasserabgabe auf der Grundlage der Heraberklärung des Einleiters den Nachweis der Einhaltung der erklärten Werte anhand eines behördlich zugelassenen Messprogrammes (unter Einbeziehung der behördlichen Überwachungsergebnisse) voraussetzt und es daher nicht ausreicht, wenn der Einleiter den Nachweis mit einem anderen Analyseverfahren führen will, selbst wenn dieses dem Stand der Technik entsprechen oder ein gleichwertiges Verfahren im Sinne von § 4 Abs. 2 AbwV sein sollte.

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Die von der Klägerin dagegen erhobenen Einwendungen sind nicht durchgreifend.

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(1) Ohne Erfolg macht sie geltend, es handele sich bei § 4 Abs. 5 Sätze 5 und 6 AbwAG um bloße Beweisregeln, da „zwischen den in § 4 Abs. 5 Satz 1-4 AbwAG geregelten Voraussetzungen der Heraberklärung und den in Satz 5 und 6 gestellten Anforderungen an den Nachweis zu unterscheiden“ sei, und eine gesetzliche Vermutung oder gar eine Fiktion, die zu dem in dem angefochtenen Bescheid festgehaltenen Ergebnis („Die geringer erklärten Werte gelten als nicht nachgewiesen“) führen könnte, enthielten die § 4 Abs. 5 Sätze 5 und 6 AbwAG nicht.

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Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nimmt § 4 Abs. 5 AbwAG eine derartige Unterscheidung nicht vor, sondern enthält die Tatbestandvoraussetzungen, die eine wirksame Heraberklärung eines Einleiters erfüllen muss. Denn die Bestimmung regelt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (so Beschl. v. 15. April 2008 - 7 B 9.08 -, zit. nach JURIS), „unter welchen Voraussetzungen die Zahl der Schadeinheiten nach einem den Bescheidwert unterschreitenden Erklärungswert zu berechnen ist“. Dementsprechend sei ein heraberklärter Wert unter anderem dann für die Berechnung der Zahl der Schadeinheiten ohne Bedeutung, wenn die behördliche Überwachung ergebe, dass ein Bescheidwert nicht eingehalten sei und auch nicht als eingehalten gelte. In diesem Fall sei die Zahl der Schadeinheiten nach dem Bescheidwert zu errechnen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AbwAG).

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Daher hat nur eine sämtlichen Anforderungen des § 4 Abs. 5 AbwAG entsprechende Erklärung - wozu auch der Nachweis des erklärten Wertes durch ein behördlich zugelassenes Messprogramm zählt (§ 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG) - zur Folge, dass die niedrigeren Erklärungswerte anstelle der Bescheidwerte der Abgabenberechnung zugrunde zu legen sind (vgl. Berendes, Das Abwasserabgabengesetz, 3. A., S. 103). Der Wortlaut des § 4 Abs. 5 Sätze 5 und 6 AbwAG, in denen die Formulierungen „ist … nachzuweisen“ und „wird…nicht nachgewiesen“ verwendet werden, steht dem nicht entgegen. Insbesondere folgt daraus nicht, dass es sich bei den betreffenden gesetzlich definierten Anforderungen nicht um formale Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Heraberklärung handeln kann. Die Gesetzessystematik, namentlich die Zusammenfassung sämtlicher Wirksamkeitsvoraussetzungen in einem Absatz, sowie Sinn und Zweck des § 4 Abs. 5 Sätze 5 und 6 AbwAG sprechen ebenfalls für die hier vertretene Auslegung. Denn durch diese Regelungen soll zum einen sichergestellt werden, dass das vom Einleiter verwendete Messprogramm geeignet ist und den gesetzlichen Anforderungen entspricht und zum anderen die Gleichartigkeit der Messungen im Rahmen der behördlichen Überwachung der Einleitungen und der eigenen Messergebnisse des Einleiters gewährleistet werden (vgl. Berendes, a.a.O. S. 104f.; Kotulla, Abwasserabgabengesetz, 2005, Rdnr. 69; vgl. auch Köhler/Meyer, AbwAG, 2. A., Rdnr. 393, 398). Auch in dem von der Klägerin zitierten Beschluss des Bundesrates vom 4. Februar 1994 (BR-DrS 5/94; BT-DrS 12/6806 v. 8. Februar 1994) wird im Hinblick auf den Nachweis der Einhaltung des erklärten Wertes durch ein behördlich zugelassenes Messprogramm u.a. ausdrücklich ausgeführt: „Die Einführung dieses Meßprogrammes hat nur dann einen Sinn, wenn damit nachgewiesene Überschreitungen der erklärten Werte eine abgabenrechtliche Konsequenz haben. … Maßgeblich sind die Ergebnisse aus der Auswertung der gemessenen Werte, also die Ergebnisse aus dem behördlich zugelassenen Meßprogramm unter Einbeziehung der Meßergebnisse der behördlichen Überwachung.“

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Damit ergibt sich auch aus der Intention des Gesetzgebers kein Anhaltspunkt für die von der Klägerin vertretene Auslegung des Gesetzes.

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Darf der Einleiter somit für den zwingend zu führenden Nachweis der Einhaltung des erklärten Wertes allein ein behördlich zugelassenes Messprogramm verwenden, hat der fehlende Nachweis durch ein solches Programm zur Folge, dass dann nicht von dem heraberklärten Wert auszugehen ist (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 21. Oktober 2015 - 9 A 12/14 MD -, n.v.; VG Augsburg, Urt. v. 13. Oktober 2010 - Au 6 K 09.1559 -, zit. nach JURIS; Köhler/Meyer, a.a.O., § 4 Rdnr. 394, 396, 401f.; Berendes, a.a.O. S. 103ff.; Kotulla, a.a.O., § 4 Rdnr. 67, 69, 72, 74). Die Frage, ob als behördlich zugelassenes Messprogramm i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG ausnahmsweise auch ein wasserrechtlich nach § 6 Abs. 5 AbwV landesrechtlich oder behördlich anerkanntes Verfahren angesehen werden kann (so wohl Köhler/Meyer, a.a.O., § 4 Rdnr. 397, 398, 399; vgl. dazu auch den nachfolgenden, hier noch nicht anwendbaren Erlass des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt vom 5. März 2014, MBl. LSA 2014, 125; VG Magdeburg, Urt. v. 21. Oktober 2015 - 9 A 12/14 MD -, n.v.), muss nicht geklärt werden, da weder ersichtlich noch geltend gemacht ist, dass die Klägerin ein derartiges Verfahren verwendet hat.

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(3) Ob die Einhaltung der heraberklärten Werte durch die Klägerin zwischen den Beteiligten im Ergebnis unstreitig ist - wofür sich allerdings weder aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beklagten noch aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung etwas ergibt -, kann offen bleiben. Denn es kommt nach der gesetzlichen Vorgabe für die Wirksamkeit der Heraberklärung allein auf den Nachweis der Einhaltung durch ein behördlich zugelassenes Messprogramm an (vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 13. Oktober 2010, a.a.O.).

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(4) Mit ihrem pauschalen Vorbringen, es seien bei einer Außerachtlassung ihrer Messergebnisse nach den Regeln des § 4 Abs. 5 Sätze 5 und 6 AbwAG nur „einzelne Messergebnisse wg. der verwendeten Analyseverfahren nicht verwertbar“, zieht die Klägerin die substanziierten Darlegungen des Verwaltungsgerichts, sie habe die vom Beklagten zugelassenen Analyseverfahren für die hier streitbefangenen Parameter AOX und Nges nicht bzw. nicht vollständig angewandt, nicht in Zweifel. Auch dann fehlt es an dem erforderlichen Nachweis der Einhaltung der von ihr erklärten Werte durch ein behördlich zugelassenes Messprogramm, da ein solches Messprogramm die Durchführung der Einzelanalysen für diese Werte nach zugelassenen Analyseverfahren erfordert. Den Ausführungen der Klägerin, ihr Messprogramm behalte dennoch „einen eigenen (Beweis)wert“, ist daher nicht zu folgen. Eine von der Klägerin vertretene „ergänzende“ Heranziehung der Messergebnisse der behördlichen Überwachung könnte also schon deshalb nicht erfolgen, weil es an Messergebnissen eines behördlich zugelassenen Messprogrammes fehlt.

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b) Soweit sich die Klägerin - ohne nähere Begründung - gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts wendet, die Zulassungsbescheide des Beklagten könnten nach ihrer Formulierung und aus der Sicht eines objektiven Empfängers nicht dahingehend ausgelegt werden, dass auch gleichwertige Verfahren i.S.d. § 4 Abs. 2 AbwV im Rahmen des Messprogrammes zugelassen worden seien, setzt sie sich nicht i.S.d. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in der gebotenen Weise mit den dazu getroffenen Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung auseinander.

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2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zeigt die Klägerin nicht auf.

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Eine solche Bedeutung ist nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich und im Sinne der Rechtseinheit klärungsbedürftig ist (so BVerfG, Beschl. v. 1. Februar 2008 - 2 BvR 2575/07 -, zit. nach JURIS). Der Rechtsmittelführer muss eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 17. November 2010 - 4 L 213/09 -, zit. nach JURIS, m.w.N.).

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Die von der Klägerin als grundsätzlich klärungsbedürftig formulierte Frage:

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„Handelt es sich bei der Erbringung des Nachweises durch ein „behördlich zugelassenes Messprogramm“ gem. § 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG um eine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Heraberklärung oder kommt es insoweit nur auf die tatsächliche Einhaltung der Werte an und kann der Nachweis - soweit Zweifel bestehen - auch auf andere Weise erbracht werden (§ 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG als bloße Beweisregel)?“

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ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 15. April 2008, a.a.O.) geklärt.

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Schon deshalb kommt der o.g. Frage keine weitere allgemeine Klärungsbedürftigkeit zu. Offen bleiben kann, ob für die Behauptung der Klägerin, zu der Frage seien (zahlreiche) Verfahren bei den Verwaltungsgerichten Halle und Magdeburg anhängig, der pauschale Hinweis auf „Branchenkreise“ sowie auf ein Gespräch mit dem Vertreter des Beklagten vor der mündlichen Verhandlung ausreicht.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1 und 3 GKG.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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