Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (9. Kammer) - 9 A 12/14

Tatbestand

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Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides mit dem der Beklagte für den Erhebungszeitraum 2009 Abwasserabgaben festsetzt.

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Der Kläger ist in seinem Verbandsgebiet für die Abwasserbeseitigung zuständig. Dazu betreibt er ein zentrales Entsorgungssystem für Schmutz- und Niederschlagswasser sowie für Überlaufwasser aus Kleinkläranlagen im Trenn- und Mischsystem. Darüber hinaus entsorgt er das Abwasser aus abflusslosen Sammelgruben sowie den Fäkalschlamm aus Kleinkläranlagen.

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Hinsichtlich seiner Einleitungen aus den Kläranlagen in K..., A-Stadt und G... hat der Beklagte mit diversen Erklärungen geringere Einleitwerte als in der jeweils maßgeblichen Einleiterlaubnis vorgesehen, unter Verwendung des Vordruckes 5 (Erklärung über die Einhaltung geringerer Werte und Antrag auf Zulassung des Messprogramms) erklärt. Dieser Vordruck enthält unter Punkt II. 4. (Analyseverfahren) folgenden Verweis: „Die Analysen werden nach den in der Anlage zu § 3 AbwAG aufgeführten Verfahren durchgeführt.”

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Der Beklagte hat u. a. auf der Grundlage der Erklärungen des Klägers und nach abgeschlossener Prüfung der eingereichten Unterlagen mit streitgegenständlichem Bescheid vom 18.12.2013 (Az.: ) für das Veranlagungsjahr 2009 eine Abwasserabgabe in Höhe von insgesamt 327.521,82 Euro festgesetzt. Davon entfallen Abwasserabgaben in Höhe von 265.300,55 Euro auf Einleitungen aus Kläranlagen des Klägers, 61.018,11 Euro auf Kleineinleitungen und 1.203,16 Euro auf Niederschlagswasser. Der Beklagte hat zur Begründung der Abgabenhöhe unter anderem ausgeführt, dass bei der Berechnung der Abgabenhöhe für Einleitungen aus Kläranlagen des Klägers die heraberklärten Werte der Berechnung nicht zugrunde gelegt worden seien, weil diese mittels eines nicht anerkannten Analyseverfahrens erzielt wurden. Die Abwasserabgabe für Kleineinleiter beruhe teilweise auf dem Umstand, dass für die Einleitungen über die Kläranlage K... eine Abgabefreiheit nicht anzunehmen sei, weil ebendiese dem Stand der Technik nicht entspreche. Derartige Erwägungen sowie die Annahme einer erheblichen Unterdimensionierung führen auch bei der Kleinkläranlage (KKA) Ga... zur Abgabepflicht. Schließlich sei auch eine Abwasserabgabe für diejenigen Einleitungen von Niederschlagswasser über sogenannte Bürgermeisterkanäle festzusetzen, da dafür eine Abgabefreiheit nach dem AG AbwAG LSA nicht bestehe.

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Gegen den Bescheid hat der Kläger am 21.01.2014 Klage erhoben. Angefochten wurde mit der Klage eine Abgabenfestsetzung in Höhe von insgesamt 241.233,53 Euro. Dabei entfallen Abwasserabgaben in Höhe von 225.546,29 Euro auf Einleitungen aus den Kläranlagen des Klägers, 15.064,50 Euro auf die festgesetzte Kleineinleiterabgabe und 622,74 Euro auf Niederschlagswassereinleitungen.

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Zur Begründung legt der Kläger im Wesentlichen dar:

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Bei der Festsetzung der Abwasserabgabe für die betriebenen Kläranlagen verstoße die Nichtanerkennung des vom Kläger angewandten Messverfahrens, des Küvettentests, gegen das durch gegenteilige Verwaltungspraxis erzeugte Vertrauen und sei daher rechtsmissbräuchlich. Der Küvettentest sei bereits in den Veranlagungsjahren 1993 – 2008 zur Untersuchung des Abwassers und der damit einhergehenden Heraberklärung durch den Kläger genutzt worden. In dieser Zeit habe der Beklagte die Untersuchungsergebnisse nicht beanstandet und die heraberklärten Werte als Berechnungsgrundlage für die Abgabenhöhe genutzt. Dadurch sei der Kläger von einem rechtskonformen Handeln seinerseits ausgegangen. Es habe keine Einigung auf ein bestimmtes Messverfahren zwischen den Beteiligten gegeben, sondern lediglich auf ein adäquates Messprogramm. Der Beklagte nehme darüber hinaus durch das Ausreizen der Festsetzungsfrist sowie fehlender Vorabinformation des Klägers diesem jegliche Reaktionsmöglichkeiten, was in der Konsequenz zu einer Nichtanerkennung der herabklärten Werten auch für die Veranlagungsjahre 2010 bis 2012 führe und eine Verletzung der Fürsorge- und Informationspflicht inkludiere.

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Der Kläger habe bei der Abwasseruntersuchung mittels des Küvettentests in der Annahme gehandelt, es handele sich hierbei um ein gleichwertiges Verfahren. Das Gesetz und der zu verwendende Antragsvordruck würden gleichwertige, andere Verfahren nicht ausschließen, da die Aufzählung nicht abschließend sei. Die Formulierung des Gesetzes relativiere eine von dem Beklagten angenommene Fixierung auf DIN-Methoden. Die Anwendung des Küvettentests sei mittlerweile gemäß eines Runderlasses des zuständigen Ministeriums zulässig. Zudem führe die Eigenüberwachung im Verfahren der Heraberklärung zu Gestaltungsspielräumen des Klägers, welche von dem Beklagten nicht hinreichend berücksichtigt worden seien.

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Der Kläger habe die erklärten Grenzwerte eingehalten und dem Gewässerschutz Genüge getan, was sich nicht in der Abwasserabgabe niederschlage. Dies führe zu einem Leerlauf der Anreizfunktion einer Heraberklärung, wenn ein nachträglicher Nachweis oder die nachträgliche Anerkennung des angewandten Messverfahrens nicht möglich sei. Das Beharren auf ein zugelassenes Messprogramm von Seiten des Beklagten sei bloße Förmelei.

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Schließlich konterkariere das Abstellen des Beklagten auf die DIN-Methoden den Schutzzweck des Abwasserrechts. Die vorgeschriebenen Verfahren würden teilweise mit hochgiftigen Stoffen durchgeführt. Im Gegensatz dazu sei der angewandte Küvettentest fortschrittlicher und umweltfreundlicher. Im Hinblick auf das grundsätzliche Abstellen auf den Stand der Technik und die Fortentwicklung im Abwasserrecht erscheint ein Verweis auf veraltete DIN-Methoden bizarr. Das angewendete Messverfahren sei eine Fortentwicklung und entspreche dem Stand der Technik.

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Die pauschale Abrechnung des Niederschlagswassers bei Abführung über die Bürgermeisterkanäle sei rechtswidrig, da dieses bereits bei der Abrechnung des Schmutzwassers berücksichtigt werde und nach Vermischung von dem Schmutzwasser nicht mehr zu trennen sei. Die Bürgermeisterkanäle seien mit der vom Gesetzgeber aufgeführten Trennkanalisation vergleichbar, da eine Nachbehandlung des eingeleiteten Wassers nicht stattfinde und es zu keiner behandlungsfähigen Vermischung käme.

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In Bezug auf die Kleineinleiterabgabe sei zu berücksichtigen, dass die Kläranlage K... dem Stand der Technik entspreche. Eine etwaige Wasserrechtsänderung durch höhere Zulaufbelastung sei unerheblich, wenn ein ordnungsgemäßer Betrieb der Anlage vorliege. Demgemäß seien auch die Einwohner im Einzugsgebiet der Kläranlage bei der Abgabenfestsetzung nicht zu berücksichtigen.

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Eine Abgabepflicht für die Abwassereinleitung aus der Gruppenkläranlage P... bestünde nicht, weil diese keine öffentliche Anlage sei und der Kläger nicht abwasserbeseitigungspflichtig wäre.

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Darüber hinaus würden die Voraussetzungen für die Anerkennung der Kleinkläranlage Ga... vorliegen. Die Anlage weise lediglich die üblichen Verschleißspuren auf, entspreche aber dem Stand der Technik. Das Abwasser werde in dieser Anlage ordnungsgemäß gereinigt.

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Der Kläger hat ursprünglich beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 18.12.2013 insoweit aufzuheben, als darin eine Abwasserabgabe von mehr als 85.748,29 Euro festgesetzt ist.

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Mit Bescheid vom 17.11.2014 hat der Beklagte die streitgegenständliche Festsetzung in Höhe von 14.709,70 Euro für die Kleineinleiterabgabe zurückgenommen, was auf die Berücksichtigung der nachgewiesenen Einleitung im Gebiet der Kleinkläranlage K... zurückgeführt werden kann. Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit übereinstimmend für erledigt und der Beklagte Kostenübernahme erklärt.

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Der Kläger beantragt nunmehr,

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den Bescheid des Beklagten vom 18.12.2013 insoweit aufzuheben, als darin eine Abwasserabgabe von mehr als 85.748,29 Euro festgesetzt ist.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung der Klageerwiderung führt der Beklagte vertiefend zum Bescheid aus:

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Eine Heraberklärung der Schadstoffparameter durch Nachweis mit einem nicht zugelassenen Messverfahren stehe im Widerspruch zum Abwasserabgabenrecht, da dieses insofern keinen dispositiven Charakter habe. Es seien ausschließlich die aufgezählten Verfahren zu verwenden, wie sich aus dem Vordruck 5 entnehmen ließe. Insoweit stünde der Hinweis auf die gesetzlich zugelassenen Messprogramme auch einer Vertrauensbildung entgegen.

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Der Kläger habe keinen Rechtsanspruch auf Abgabefreiheit für die Einleitung von verschmutztem Niederschlagswasser, nur weil er bereits an diesen Einleitstellen für Schmutzwasser eine Abgabe zu entrichten habe. Es erfolge entgegen der klägerischen Ansicht keine „Doppelveranlagung”, sondern eine für die jeweiligen Abwasseranteile gesonderte Veranlagung. Die Bürgermeisterkanäle seien weder eine Mischwasserkanalisation noch mit dieser vergleichbar.

25

Die Abwassereinleitung aus der Kleinkläranlage Ga... sei abgabepflichtig, da diese überlastig betrieben worden und der Kläger seiner Nachweispflicht, dass diese gleichwohl den Regeln der Technik entspreche, nicht nachgekommen sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat in dem noch streitigen Umfang keinen Erfolg.

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Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

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Die insoweit aufrechterhaltene Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Der Festsetzungsbescheid ist rechtmäßig und der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

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I. Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zur Abwasserabgabe für das Jahr 2009 sind die §§ 1, 3, 4 und 9 des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2005 in Verbindung mit dem Ausführungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zum Abwasserabgabengesetz (AG AbwAG). Die Höhe der Abwasserabgabe richtet sich nach der Schädlichkeit des Abwassers, die unter Zugrundelegung unter anderem der oxidierbaren Stoffe nach der Anlage zum AbwAG in Schadeinheiten bestimmt (§ 3 AbwAG) oder bei Kleineinleitungen (§ 7 AbwAG) sowie Niederschlagswasser pauschaliert wird.

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1. Die von dem Beklagten festgesetzte Abwasserabgabe für Einleitungen aus den Kläranlagen des Klägers hält der rechtlichen Überprüfung stand. Zu Recht hat der Beklagte bei der Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten auf die in dem die Abwassereinleitung zulassenden Bescheiden festgesetzten Überwachungswerte abgestellt. Der Festsetzung ist kein niedrigerer Wert auf Grund der Heraberklärung als Berechnungsgrundlage nach § 4 Abs. 5 S. 1 AbwAG zugrunde zu legen, weil die Einhaltung des erklärten Werts nicht nachgewiesen ist, weshalb nach § 4 Abs. 5 Satz 6 AbwAG die Absätze 1 bis 4 anzuwenden sind.

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Gemäß § 4 Abs. 1 AbwAG errechnet sich die der Ermittlung der Zahl Schadeinheiten zu Grunde zu legende Schadstofffracht grundsätzlich nach den Festlegungen des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheides. § 4 Abs. 5 Satz 1 AbwAG bestimmt jedoch für den Fall, dass der Einleiter gegenüber der zuständigen Behörde erklärt, dass er im Veranlagungszeitraum während eines bestimmten Zeitraums, der nicht kürzer als drei Monate sein darf, einen niedrigeren Wert als den im Bescheid nach Absatz 1 festgelegten Überwachungswert oder eine geringere als die im Bescheid festgelegte Abwassermenge einhalten wird, die Zahl der Schadeinheiten nach dem erklärten Wert zu ermitteln ist. Die Abweichung muss mindestens 20 % betragen (§ 4 Abs. 5 Satz 2 AbwAG). Die Erklärung niedrigerer Einleitwerte und die damit verbundene Verringerung der Abgabenlast dienen der Flexibilisierung des starren Bescheidsystems. Bei der Ermittlung der Schadeinheiten nach der wasserrechtlichen Einleiterlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 AbwAG können nämlich erlaubte und tatsächliche Schadstoffemissionen relativ weit auseinander fallen. Mit der Möglichkeit einer förmlichen Heraberklärung nach § 4 Abs. 5 AbwAG ist der Gesetzgeber den Interessen der Abwassereinleiter an einer stärkeren Orientierung der Abwasserabgabe an der tatsächlich eingeleiteten Schmutzfracht entgegengekommen, nicht zuletzt auch deshalb, um die Anreize zu weniger schädlichen Abwassereinleitungen zu erhöhen (vgl. Köhler/Meyer, AbwAG, 2. Auflage, § 4 Rn. 351; Berendes, Das Abwasserabgabengesetz, 3. Auflage, S. 101).

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Vorliegend wurde Nachweis der Einhaltung geringerer Grenzwerte gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG nicht erbracht, da das von dem Kläger verwendete Messprogramm, vom Beklagten nicht zugelassen war. Dies ist jedoch zwingende Voraussetzung, da die Einhaltung des erklärten Wertes gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG entsprechend den Festlegungen des Bescheides für den Überwachungswert durch ein behördlich zugelassenes Messprogramm nachzuweisen ist. Die Nachweispflicht hat mithin zwingend durch das jeweils zugelassene behördliche Messprogramm zu erfolgen.

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Bei der Beurteilung der Berücksichtigung des (Analyse-)Verfahrens zum Nachweis der Erklärungswerte kommt es entgegen der klägerischen Ansicht entscheidend darauf an, ob das verwendete Messprogramm, zu dem auch das (Analyse-)Verfahren gehört (hier: Küvettentest), als – für den Einzelfall – behördlich zugelassen angesehen werden kann. Diese Auslegung wird vom Wortlaut der Vorschrift getragen, denn diese verwendet nicht lediglich den Begriff des „Messprogramms”, sondern das Attribut „behördlich zugelassenes” zur näheren Bestimmung. Das Merkmal der behördlichen Zulassung verweist auf die (vorherige) Durchführung eines geordneten Verfahrens zur Festsetzung eines Messprogramms. Innerhalb dieses Verfahrens zur Zulassung des Messprogramms besteht zwar, wie der Kläger zutreffend unter Verweis auf § 4 Abs. 2 AbwV ausführt hat, die Möglichkeit, neben den DIN-Methoden – auf die sich der im Vordruck des Beklagten enthaltene „Regelantrag“ bezieht – andere gleichwertige Verfahren zuzulassen. Dabei obliegt es jedoch der Fachbehörde, auf Grund ihrer Sachnähe über die Gleichwertigkeit abweichender Untersuchungsmethoden zu entscheiden. Diese vorherige Festsetzung dient der Rechtssicherheit und kann im Rahmen der Anfechtung der Abwasserabgabe deshalb nicht mehr geltend gemacht werden.

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Einer solchen Auslegung steht auch nicht der Sinn und Zweck des Gesetzes entgegen. Der Kläger wendet insoweit zwar zu Recht ein, dass das Abwasser(abgaben)recht bei der Bewertung grundsätzlich auf den jeweiligen Stand der Technik abstellt und hiervon keine Ausnahme gemacht werden dürfe. Diesbezüglich ist die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG aber unter Bezugnahme der Verordnungsermächtigung des § 3 Abs. 4 AbwAG zu verstehen. Diese Vorschrift ermächtigt die Bundesregierung zur Förderung der Fortentwicklung der Messverfahren Anlage 3 zum AbwAG, die auf die Abwasserverordnung nebst Anlage verweist, dem jeweiligen Stand der Technik anzupassen. Diese Ermächtigung kann jedoch nicht durch die tatsächliche Anwendung „modernerer“ Messverfahren ersetzt werden. Vielmehr obliegt es der Behörde, neben den gesetzlich genannten Verfahren weitere „gleichwertige” Messprogramme zum Nachweis zulassen (vgl. § 4 Abs. 2 AbwV).

36

Entgegen des klägerischen Vorbringens kommt es deshalb auf eine etwaige nachträgliche Zulassungsfähigkeit des Messverfahrens nicht an, da der Wortlaut der streitrelevanten Vorschrift (§ 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG) die absolute Auslegungsgrenze bildet. Vielmehr ist die Verwendung sog. "gleichwertiger" Untersuchungsverfahren, sofern nicht zugelassen, im Bereich des Abwasserabgabengesetzes ausgeschlossen (vgl. Köhler/Meyer, a. a. O., § 3 Rn. 176). Insofern kann das erkennende Gericht dahinstehen lassen, ob das vom Kläger verwendete Verfahren zulassungsfähig und damit geeignet im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG ist. Dadurch wird auch der Gestaltungsspielraum des Klägers im Rahmen der Eigenüberwachung bei der Heraberklärung nicht in rechtlich zu beanstandender Weise verletzt, da bereits der Gesetzgeber eine behördliche Zulassung des Verfahrens verlangt und gleichwertige Verfahren nur dann zulassungsfähig sind, wenn diese beantragt sind.

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Behördlich zugelassen war vorliegend nicht der vom Kläger verwendete Küvettentest, weshalb mit dessen Anwendung der Nachweis der Einhaltung der heraberklärten Werte eben gerade nicht erbracht werden konnte. Denn in seinen Erklärungen über die Einhaltung geringerer Werte und Antrag auf Zulassung des Messprogramms (Vordruck 5) hat der Kläger zum Nachweis der Erklärungswerte – unstreitig – allein solche beantragt, die sich aus der Anlage zur Abwasserverordnung ergeben, auf die die Anlage zu § 3 AbwAG verweist. Der Küvettentest ist jedoch in der Anlage zu § 4 AbwV nicht vorgesehen. Vielmehr wird darin z. B. für den Chemischen Sauerstoffbedarf auf die DIN 38409-H 41 (Ausgabe Dezember 1980) verwiesen. Ob diese noch den anerkannten Regeln der Technik entsprach/ entspricht, kann wegen des diesbezüglich allein dem Verordnungsgeber zustehenden Ermessens dahinstehen. Dieses Messverfahren ist auch nicht durch Erlass des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt vom 05.03.2015 – 23/62553/10-16 – zugelassen. Ungeachtet des Zeitpunktes seines Erlasses ist dieser allein darauf gerichtet, dem Beklagten zukünftige rechtliche Möglichkeiten für die Zulassung von Messverfahren aufzuzeigen. Anders gewendet: Allein der Erlass bewirkt noch keine „behördliche Zulassung“ im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG.

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Die ohne Berücksichtigung der heraberklärten Werte vorgenommene Festsetzung der Abwasserabgabe konterkariert auch nicht das vom Kläger geltend gemacht Vertrauensprinzip. Gegen die Zuerkennung eines Vertrauenstatbestandes durch vorangegangenes Verwaltungshandeln spricht der Verweis auf Seite 2 des Vordruckes 5 (Erklärung über die Einhaltung geringerer Werte und Antrag auf Zulassung des Messprogramms) auf die in der Anlage zu § 3 AbwAG aufgeführten Verfahren. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass der Beklagte auf diese Abweichungsbefugnis nicht hingewiesen und insofern das Prinzip des kooperativen Zusammenwirkens, welches auch zwischen der Abwasserabgabenbehörde und einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechts Geltung beansprucht, vernachlässigt hat. Allerdings hat auch der Kläger seinerseits als Einleiter die Obliegenheit, sich über die aus dem Gesetz ergebenen Rechte und Pflichten in Kenntnis zu setzen und von diesen Gebrauch zu machen. Eine erforderliche Zulassung des vom Kläger verwendeten Küvettenverfahrens wurde – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – weder beantragt noch genehmigt.

39

In Abweichung des Beklagtenvorbringens könnte allerdings durch die Einhaltung der niedrigeren Grenzwerte ein die Billigkeit tangierendes Ergebnis, was jedoch allein im Wege eines Erlassverfahrens (§ 11 a AG AbwAG) selbstständig zu prüfen wäre, vorliegen. Sinn und Zweck des Erlasses ist es, im Wege einer Einzelfallentscheidung eine Rechtsfolge herbeizuführen, die dem Anliegen des Gesetzes – und deshalb dem eigentlichen Regelungsgehalt der Norm für den Einzelfall – entspricht, weil die (formelle) Anwendung des Gesetzes auf diesen konkreten Einzelfall zu einem unbilligen, mithin vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führt. Dieses könnte vorliegend darin bestehen, dass der Kläger durch sein Verhalten dem Zweck des Abwasserrechts, den Schadstoffgehalt zugeführter Stoffe gering zu halten, entsprochen hat, was aber allein durch die Verwendung eines zum Nachweis dessen nicht zugelassenen Messverfahrens keine Berücksichtigung bei der Festsetzung der Abwasserabgabe hat finden können. Denn Sinn und Zweck der Vorschrift des § 4 Abs. 5 AbwAG ist es, wie oben dargelegt, den Schadstoffgehalt so gering wie möglich zu halten; als „Belohnung“ folgt dem dann eine geringere Abwasserabgabe als eigentlich nach den Überwachungswerten angezeigt. Dass der Kläger die Möglichkeit hatte, die behördliche Zulassung des von ihm verwendeten Messverfahrens (Küvettentest) zu beantragen, dürfte in diesem Zusammenhang nachrangig sein. Denn dies ist ebenso wie die behördliche Zulassung gerade Tatbestandsvoraussetzung für die Festsetzung und führt wegen ihres Nichtvorliegens zu der Rechtsfolge, wie sie sich bei der Anwendung des formellen Rechts ergibt. Anders gewendet: Dass ein Abgabengläubiger nicht von einer gesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, muss nicht per se einem Erlass entgegen stehen, weil sich die Unbilligkeit regelmäßig einen Vergleich zwischen dem Ergebnis bei Anwendung des formellen Rechts und dem Sinn und Zweck des materiellen Abwasserabgabenrechts ergibt.

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2. Die Abwasserabgabe für das über Bürgermeisterkanäle abgeführte Niederschlagswasser ist rechtmäßig. Nach §§ 1, 3 Abs. 1 und 7 Abs. 1 AbwAG ist für Niederschlagswasser, das über eine öffentliche Kanalisation eingeleitet wird, eine Abgabe zu entrichten. Gemäß § 7 Abs. 2 AbwAG können die Länder bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Einleitung ganz oder zum Teil abgabefrei bleibt. Von dieser Ermächtigung hat das Land Sachsen-Anhalt in § 4 AG AbwAG in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung Gebrauch gemacht. Nach Absatz 1 der Vorschrift bleibt das Einleiten von Niederschlagswasser aus einer Trennkanalisation abgabefrei, soweit es nicht durch Schmutzwasser aus Fehlanschlüssen verunreinigt ist. Gemäß dem zweiten Absatz ist das Einleiten von Niederschlagswasser aus einer Mischkanalisation abgabefrei, soweit die Regenwasserrückhaltung und -behandlung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass von der grundsätzlichen Abgabepflicht für Niederschlagswasser nach den bundesrechtlichen Vorgaben keine landesrechtliche Ausnahme besteht.

41

Entgegen des klägerischen Vorbringens sind die Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 und 2 AG AbwAG nicht erfüllt. Denn bei der vorliegenden Kanalisation handelt es sich nicht um eine Trennkanalisation, da das Niederschlagswasser gemeinsam mit dem behandelten Schmutzwasser abgeführt wurde. Eine Trennkanalisation liegt nur dann vor, wenn die beiden Abwasserarten, nämlich das Schmutz- und Niederschlagswasser g e t r e n n t abgeleitet werden. Dies verdeutlicht auch die durch den Gesetzgeber zum 01.01.2014 neu eingeführte Regelung des § 4 Abs. 2 a AG AbwAG (Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 21.03.2013 [GVBl. LSA, S. 116]), die die Bürgermeisterkanäle nach der Systematik mit der Mischkanalisation vergleichbar einordnet. Nach dieser Vorschrift ist das Einleiten von Niederschlagswasser aus einer Kanalisation, in der Niederschlagswasser gemeinsam mit behandeltem Schmutzwasser abgeleitet wird, abgabefrei, soweit die Menge und die Schädlichkeit des Schmutzwassers vor Einleitung in die Kanalisation so gering gehalten wird, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist.

42

Schließlich liegen auch die Voraussetzungen von § 4 Abs. 2 AG AbwAG nicht vor. Denn es ist bereits keine Mischkanalisation gegeben, da der Gesetzgeber hierunter nur Kanalsysteme erfasst, in denen Niederschlagswasser und unbehandeltes Abwasser gemeinsam einer Abwasserbehandlungsanlage zugeführt werden (Köhler/Meyer, a. a. O., § 7 Rn. 13). Der Gesetzgeber und der Beklagte in entsprechender Anwendung des Gesetzes haben damit bei der Abgrenzung der Bürgermeisterkanäle unter Wahrung der Anforderungen des Gleichbehandlungsgebotes aus Art. 3 Abs. 1 GG ein zulässiges Differenzierungskriterium zu Grunde gelegt. Eine Zuführung an eine Behandlungsanlage liegt nicht vor, denn der Bürgermeisterkanal bezeichnet ein Kanalsystem, das Niederschlagswasser und das (vor-)gereinigte Abwasser aus Kleinkläranlagen, Grauwasser oder gewerbliches Abwasser mindestens zweier Grundstücke sammelt und ohne weitere Behandlung direkt in ein Gewässer ableitet (Sächs. Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, Erl. v. 02.09.2003). Zudem bezeichnet auch die neu eingeführte Regelung des § 4 Abs. 2 a AG AbwAG solche Kanalsysteme nicht als Mischkanalisation, sondern als Kanalsystem sui generis. Insofern kann das Gericht dahinstehen lassen, ob die Bürgermeisterkanäle in Bezug auf Regenwasserrückhaltung und -behandlung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen (vgl. Cossack, Der „Bürgermeisterkanal” – ein wasser- und kommunalabgabenrechtliches Phantom?, LKV 2000, S. 384 ff.).

43

3. Vorliegend ist nach der Erledigung in Bezug auf die Abwasserabgabe für Kleineinleiter nur noch streitgegenständlich, ob die KKA Ga... dem Stand der Technik entspricht (a) und ob für die Gruppenkläranlage in P... eine generelle Abgabepflicht des Klägers besteht (b).

44

a) Die Beklagte hat zu Recht eine Abgabefreiheit für die Einleitungen der Kleinkläranlage Ga..., …straße 2 und 4, abgelehnt. Die Abwasserabgabe für Kleineinleitungen folgt aus § 8 AbwAG i.V.m § 5 AG AbwAG LSA. Nach diesen Vorschriften ist eine Kleineinleitung abgabefrei, wenn das Abwasser in einer Abwasserbehandlungsanlage behandelt wird, die mindestens den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Beurteilungsmaßstab ist der Stand der Technik. Der Begriff der allgemein anerkannten Regeln der Technik ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt (vgl. BVerfG, B. v 08.08.1978 – 2 BvL 8/77 – BVerfGE 49, 89, 135; BVerwG, U. v. 25.09.1992 – 8 C 28.90 –, B. v. 04.081992 – 4 B 150.92 –, juris). Regeln der Technik sind solche, die speziell die technische Konstruktion, die Beschaffenheit und die Wirkungsweise technischer Anlagen zum Gegenstand haben. Allgemein anerkannt sind diejenigen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen beruhen. (u.a. BVerwG, B. v. 18.12.1995 – 4 B 250.95 –; OVG Lüneburg, U. v 31.08.1995 – 3 L 2328/92 –, juris). Entsprechend den allgemeinen Beweisregeln ist für das Vorliegen der Voraussetzungen dieses anspruchsvernichtenden Einwands derjenige beweispflichtig, der sich hierauf beruft. Der Kläger beruft sich zwar im streitgegenständlichen Verfahren auf die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Der daraus folgenden Beweispflicht ist der Kläger aber nicht nachgekommen. Anhand der dem erkennenden Gericht vorliegenden Unterlagen hat der Beklagte unter Berücksichtigung der Unterdimensionierung - Auslegung für 12 Einwohner, Nutzung durch 20- sowie der im Prüfbericht vom 07.04.2009 aufgeführten Mängel (S. 726 VV) eine Erfüllung der technischen Anforderungen über den gesamten Erhebungszeitraum zu Recht nicht angenommen.

45

b) Der Kläger ist durch die Feststellung einer grundsätzlichen Abgabepflicht bereits nicht beschwert. Die Befugnis fehlt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Kläger verletzt sein können (OVG Greifswald, B. v. 27.11.2013 – 4 M 167/13 –, juris Rn. 30, m.w.N.). Vorliegend ist der Kläger durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz nicht verletzt, denn er wendet sich gegen die Feststellung einer Abgabepflicht, wobei keine Abwasserabgabe für die entsprechende Anlage erhoben wurde.

46

II. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils der Klage auf § 154 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils der Klage entspricht es billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO) die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen, weil er den Kläger mit dem Rücknahmebescheid insoweit klaglos gestellt hat.

47

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den Vorschriften des § 167 Abs. 2, 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

48

III. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.


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