Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 L 105/16

Gründe

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1. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 22. Juni 2016 bleibt ohne Erfolg.

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a) Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

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„Grundsätzliche Bedeutung“ im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 28. April 2014 - 1 L 75/13 -, juris Rn. 39 m. w. N.).

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Der Kläger hält für rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage, „ob bei der Ermittlung des Urlaubsanspruchs bei einer Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage allein auf die sich aus dem regelmäßigen Schichtrhythmus ergebende Verteilung der Arbeitszeit abzustellen ist oder ob darüber hinaus Freistellungsansprüche aus anderen Gründen außerhalb des regelmäßigen Dienstplanes urlaubsmindernd zu berücksichtigen sind.“ Diese Frage rechtfertigt die Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht, weil sie - soweit sie sich nicht auf ausgelaufenes und mangels gegenteiliger Darlegungen bereits aus diesem Grund nicht (mehr) klärungsbedürftiges Recht bezieht (vgl. hierzu OVG LSA, Beschlüsse vom 25. November 2010 - 1 L 137/10 -, juris Rn. 22, und vom 17. Januar 2012 - 1 L 6/12 -, juris Rn. 27) und soweit sie sich in einem Berufungsverfahren stellen würde - aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung, insbesondere anhand des Normzwecks, ohne Weiteres dahin zu beantworten ist, dass sich die Dauer des Erholungsurlaubs in einem Fall wie dem vorliegenden, der dadurch gekennzeichnet ist, dass den betreffenden Beamten im Hinblick auf die unionsrechtlich zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden nach dienstlichen Erfordernissen ungleichmäßig Freischichttage gewährt werden, nicht (allein) nach dem „regelmäßigen Schichtrhythmus“ (hier einer Zeitspanne von drei Wochen mit sieben Arbeitsschichten zu je 24 Stunden - sog. Bremer Modell -) bemisst.

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Nach § 3 Abs. 1 UrlVO LSA beträgt der Erholungsurlaub für Beamte, deren regelmäßige Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist, für jedes Urlaubsjahr 30 Arbeitstage. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 UrlVO LSA erhöht oder vermindert sich bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche der Erholungsurlaubsanspruch entsprechend. Dabei ist gesondert je nach unterschiedlicher Arbeitspflicht und deren Verteilung die Anzahl der Urlaubstage zu ermitteln, die zur gleichen Dauer eines zusammenhängenden gleichwertigen Urlaubs nötig ist (vgl. zum Tarifrecht BAG, Urteil vom 15. März 2011 - 9 AZR 799/09 -, juris Rn. 23). Mangels besonderer Regelungen (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 UrlVO LSA) ist nach allgemeinen Grundsätzen umzurechnen. Ist die regelmäßige Arbeitszeit nicht auf eine Kalenderwoche verteilt, muss für die Umrechnung eines nach Arbeitstagen bemessenen Urlaubs auf den längeren Zeitabschnitt abgestellt werden, in dem die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt erreicht ist (vgl. BAG, Urteile vom 15. März 2011, a. a. O. Rn. 24, und vom 19. Januar 2016 - 9 AZR 608/14 -, juris Rn. 14). Für die Berechnung ist der repräsentative Zeitabschnitt heranzuziehen, in dem die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt erreicht wird (vgl. BAG, Urteil vom 15. März 2011, a. a. O. Rn. 25). Dabei muss die Berechnungsmethode eine Gleichwertigkeit insbesondere der Urlaubsdauer sicherstellen. Das wird erreicht, wenn jahresbezogen die für den Beamten mit abweichender Arbeitszeit maßgebliche Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht mit der Anzahl der in der Fünftagewoche geltenden Anzahl der Arbeitstage zueinander ins Verhältnis gesetzt wird (vgl. BAG, Urteil vom 15. März 2011, a. a. O.).

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Demgegenüber besteht kein überzeugender Grund, bei einem Schichtmodell der hier in Rede stehenden Art nicht die jeweils im Kalenderjahr zu leistenden Arbeitstage in die maßgebliche Umrechnungsformel einzustellen, sondern unter Berufung auf den „regelmäßigen Schichtrhythmus“ - wie es der Kläger für sachgerecht hält - eine auf (drei) Wochen bezogene Betrachtung bzw. eine entsprechende wöchentliche Durchschnittsbetrachtung vorzunehmen. Denn damit bliebe unberücksichtigt, dass der „regelmäßige Schichtrhythmus“ durch die rechtlich gebotene Gewährung von Freischichttagen jedenfalls auf längere Sicht notwendig durchbrochen und früher oder später ein Ausgleich hergestellt wird, der eine Reduzierung der Zahl der Arbeitstage bewirkt. Freischichttage sind keine Arbeitstage, sondern Wochentage, an denen der Arbeitnehmer wegen der Verteilung der Arbeitszeit auf Arbeitsschichten nicht zur Arbeit verpflichtet ist; sie verringern rechnerisch die Anzahl der in einem Jahr möglichen Tage mit Arbeitspflicht (vgl. BAG, Urteil vom 15. März 2011, a. a. O. Rn. 32). Die Vorschrift des § 3 Abs. 4 Satz 1 UrlVO LSA zielt, wie das Verwaltungsgericht der Sache nach zutreffend ausgeführt hat, lediglich darauf ab, den von ihr erfassten Beamten bei einer abweichenden Arbeitszeitverteilung einen zum Grundmodell des § 3 Abs. 1 UrlVO LSA gleichwertigen Urlaub zu gewährleisten, nicht aber, ihnen mehr Urlaubstage einzuräumen, als sie für die Inanspruchnahme einer insgesamt sechswöchigen arbeitsfreien Zeit im Jahr benötigen. Dass die jahresbezogene Ermittlung der Urlaubsdauer bei dem vorliegend praktizierten Schichtsystem dazu führen würde, dass dem Beamten ein dem Modell des § 3 Abs. 1 UrlVO LSA gleichwertiger Erholungsurlaub vorenthalten wird oder sich ein hierauf gerichteter Urlaubsanspruch nicht zumutbar verwirklichen lässt, ist nicht ersichtlich. Dafür ergeben sich auch aus dem Zulassungsvorbringen keine greifbaren Anhaltspunkte; die bloße Möglichkeit eines Widerrufs einer bewilligten Arbeitsfreistellung sowie im Einzelfall mögliche Erschwernisse in der Urlaubsplanung genügen nicht, um eine abweichende Berechnung zu rechtfertigen. Eine (bevorzugende) Zubilligung von Urlaubstagen, derer es zur Sicherung der Gleichwertigkeit nicht bedarf, wäre vom Sinn und Zweck des § 3 Abs. 4 Satz 1 UrlVO LSA nicht mehr gedeckt.

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Unabhängig davon genügt die Zulassungsbegründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4,Abs. 5 Satz 2 VwGO. Es fehlt an der hinreichenden Aufbereitung des Sach- und Streitstoffs anhand der einschlägigen Rechtsprechung und Fachliteratur, die verdeutlicht, dass die erstinstanzliche Entscheidung dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird (vgl. zu diesem Erfordernis OVG LSA, Beschluss vom 15. April 2016 - 1 L 135/14 -, juris Rn. 20). Soweit der Kläger auf das (klageabweisende) Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 19. Dezember 2011 - 12 K 5204/10 - (juris) und den nachfolgenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Februar 2014 - 6 A 127/12 - (juris) über die Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung verweist, sind diese Entscheidungen zu anderem Landesrecht ergangen. Schon deshalb kann die behauptete Abweichung eine Grundsatzbedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründen. Im Übrigen werden in den genannten Entscheidungen die Auswirkungen von zu gewährenden Freischichten auf die Urlaubsberechnung nicht thematisiert.

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b) Die Berufung ist auch nicht - wie beantragt - wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

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„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und unter anderem konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris Rn. 3 m. w. N.). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).

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Das Zulassungsvorbringen bietet keine schlüssigen Argumente, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Erwägungen des Verwaltungsgerichts wecken könnten. Wie sich aus den Ausführungen zur Grundsatzrüge ergibt, ist das Verwaltungsgericht zu Recht von einer nicht auf das dreiwöchige Schichtintervall beschränkten, Freischichttage ausblendenden Sichtweise, sondern von einer einen längeren Zeitraum von Arbeitstagen zugrunde legenden, die Freischichttage einbeziehenden Durchschnittsbetrachtung ausgegangen. Ob - wie der Kläger rügt - das Verwaltungsgericht gemeint hat, dass in jedem Dreiwochenabschnitt (genau) eine Freischicht gewährt werde, während es in Wahrheit durchaus mehrere aufeinanderfolgende Dreiwochenzeiträume ohne Freischicht wie auch Dreiwochenzeiträume mit mehreren Freischichten geben könne, kann danach auf sich beruhen. Erhält der Kläger unbestrittenermaßen für jeden Dreiwochenzeitraum mit sieben Schichten ausgleichsweise eine Freischicht, kann aus den obigen Erwägungen nicht festgestellt werden, dass sich seine wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt auf 2,3 (statt nur 2) Tage in der Woche verteilt. Insofern ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das erstinstanzliche Urteil von einer für den Beamten „vorhersehbaren“ Integration der Arbeitsfreistellung in das Schichtsystem spricht, wenngleich die Gewährung der Freischichten unregelmäßig und außerhalb der zu Jahresbeginn aufgestellten Dienstpläne erfolgt. Eine Verkennung des Charakters des Erholungsurlaubsanspruchs einerseits und des Anspruchs auf Freizeitausgleich andererseits ist mit dieser Lösung entgegen der Auffassung des Klägers nicht verbunden.

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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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3. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren und unter Aufhebung der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren zugleich für die erste Instanz beruht auf den §§ 63 Abs. 3, 47, 52 Abs. 2 GKG. Eine monetäre Bewertung des Klagebegehrens gemäß § 52 Abs. 1 GKG scheidet nach der Senatsrechtsprechung aus (vgl. OVG LSA, Beschlüsse vom 24. Mai 2007 - 1 O 87/07 -, BA S. 2, und vom 20. Dezember 2011 - 1 L 164/11 -, juris Rn. 10, jew. m. w. N.).

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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 124a Abs. 5 Satz 4, § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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