Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 M 143/18

Gründe

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I. Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 1. Kammer - vom 5. März 2018 ist unbegründet. Die von dem Antragsteller vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Abänderung des Beschlusses nicht.

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Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches vom 19. Januar 2018 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15. Januar 2018, mit dem ihm u. a. unter Anordnung des Sofortvollzuges die Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, M, L, T/S entzogen (Ziffer 1) und die unverzügliche Hinterlegung des Führerschein aufgegeben wurde (Ziffer 2), abgelehnt. Denn nach der bei der im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein veranlassten überschlägigen Prüfung rechtfertigen die von dem Antragsteller mit der Beschwerde erhobenen Einwendungen keine andere Bewertung. Auch soweit der Antragsteller erstmals hilfsweise im Beschwerdeverfahren (sinngemäß) beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches hinsichtlich der Bauart landwirtschaftlicher Fahrzeuge (Fahrerlaubnisklasse T) und des Weges zur Arbeit bzw. im Umkreis von maximal 50 km vom Wohnort wiederherzustellen, bleibt sein Begehren ohne Erfolg.

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Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung sowie einer nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zum Nachteil des Antragstellers zu treffenden Interessenabwägung ausgegangen und hat ein besonderes Vollzugsinteresse bejaht.

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Mit seinem Einwand, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass das Interesse am Sofortvollzug derart überwiege, dass eine Ermessensentscheidung nicht erfolge, verkennt der Antragsteller bereits den Unterschied zwischen der Frage, ob die Rechtsgrundlage, auf die die Behörde die Entziehung der Fahrerlaubnis stützt, Ermessen einräumt und der im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung. Zudem hat das Verwaltungsgericht die Frage, ob der Gesetzgeber der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessen eingeräumt hat, nicht bei der Überprüfung des besonderen Vollzugsinteresses, sondern im Rahmen der Entscheidung der Behörde über die Entziehung der Fahrerlaubnis lediglich hilfsweise aufgeworfen und Ermessenserwägungen angestellt (vgl. Beschlussabdruck S. 5 [2. und 4. Absatz]). Ungeachtet dessen kommt der Fahrerlaubnisbehörde bei einer zu attestierenden fehlenden Eignung von vornherein kein Ermessen zu. Denn nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ein Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die Entziehung, mithin die nach Ziffer 9. 1 der Anlage 4 zur FeV aufgestellte Regelvermutung der fehlenden Fahreignung ist bereits dann gerechtfertigt, wenn - wie hier - einmalig harte Drogen im Blut des Fahrerlaubnisinhabers und damit die Einnahme eines Betäubungsmittels nachgewiesen wurden (vgl. hierzu BayVGH, Beschluss vom 24. Juni 2015 - 11 CS 15.802 -, juris Rn 15 [m. w. N.]; OVG LSA, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - 3 M 406/14 -, juris Rn. 13). Für etwaige Umstände die die normative Regelannahme nach der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV ausnahmsweise in Frage stellen, besteht nach dem Beschwerdevorbringen schon kein Anhalt.

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Der Hinweis des Antragstellers darauf, fortan auf jeglichen Drogenkonsum zu verzichten, sowie seine erklärte Bereitschaft, sich fortlaufend Kontrollen zu unterziehen und die Ergebnisse vorzulegen, berührt die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung ebenso wenig wie der dem Verwaltungsgericht vorgelegte Drogentest. Eine etwaige wiedergewonnene Fahreignung kann hieraus nicht geschlossen werden. Die Fahrerlaubnisbehörde ist erst nach Ablauf einer Frist von einem Jahr nach erwiesener oder auch nur einer behaupteten Drogenabstinenz nicht mehr berechtigt, die Entziehung der Fahrerlaubnis ohne eine weitere Überprüfung einer bestehenden Drogenabhängigkeit allein auf eine in der Vergangenheit - hier am (…) 2017- festgestellte Fahrt unter Einfluss von Drogen zu stützen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 1. Oktober 2014, a. a. O, Rn 15 [m. w. N.]). Der Antragsteller hat sich erstmals am (…). Januar 2018 einem (negativen) Drogen-/Medikamentenscreening unterzogen und mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16. Januar 2018 künftig von der Einnahme von Betäubungsmitteln distanziert. Dies zugrunde gelegt ist die sog. verfahrensrechtliche Einjahresfrist offensichtlich noch nicht abgelaufen, so dass der Antragsgegner berechtigt ist, die Entziehung der Fahrerlaubnis allein auf den Konsum harter Drogen zu stützen. Die durch den Antragsteller erklärte Bereitschaft, sich künftig regelmäßigen Drogentests zu unterziehen, beschleunigt einen etwaigen Fristablauf nicht. Vielmehr wird dem Fahrerlaubnisinhaber die Möglichkeit eingeräumt, nach einjähriger nachgewiesener Abstinenz die Fahreignung wieder zu erlangen (vgl. Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV).

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2. Für die Anordnung des Sofortvollzuges besteht mit Blick auf die offensichtliche Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis auch ein besonderes Vollzugsinteresse.

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Der Einwand des Antragstellers, die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (Beschluss vom 25. September 2000 - 2 BvQ 30/00 -, juris), wonach der Antragsteller gravierende Folgen bis hin zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage im Hinblick auf die Gefahren für die Allgemeinheit hinnehmen müsse, sei auf den vorliegenden Sachverhalt schon deshalb nicht übertragbar, weil der Antragsteller weder zur Gewalt neige, noch eine rechtsfeindliche Einstellung habe, führt zu keiner anderen Betrachtung. Richtig ist, dass Gegenstand dieser Entscheidung die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit eines strafprozessualen Grundrechtseingriffs in Form der vorläufigen Entziehung einer Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO war. Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht vor dem Hintergrund der gleichen Schutzrichtung (Sicherheit des Straßenverkehrs und Gefahren für Leib und Leben) auch entschieden, dass bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit der verwaltungsbehördlichen Entziehungsverfügung - hier ebenfalls wegen der Einnahme der Substanz Methamphetamin - die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehbarkeit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Denn es sei anerkannt, dass durch die Teilnahme ungeeigneter Kraftfahrer am Straßenverkehr besondere Gefahren drohen. Dem Schutz der Allgemeinheit vor Verkehrsgefährdungen komme daher besonderes Gewicht gegenüber den Nachteilen zu, die einem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber in beruflicher oder in privater Hinsicht entstünden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Juli 2007 - 1 BvR 305/07 -, juris).

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In Anbetracht der erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer reicht der Umstand, dass sich ein Kraftfahrer als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, in aller Regel aus, um die Verfügung zur Entziehung der Fahrerlaubnis für sofort vollziehbar zu erklären und den ungeeigneten Fahrerlaubnisinhaber unverzüglich von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen. Gerade im Bereich des Verkehrsrechts ist anerkannt, dass die Interessen, die den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigen, zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung begründen können. In aller Regel trägt somit allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung des Sofortvollzuges (vgl. u. a. OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2012 - 16 B 536/12 -, juris Rn. 33; ThürOVG, Beschluss vom 6. September 2012 - 2 EO37/11 -, juris Rn. 21; BayVGH, Beschluss vom 17. Juli 2002 - 11 CS 02.1320 -, juris).

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Solange der Antragsteller nicht den Nachweis der wiedererlangten Fahreignung geführt hat, hat sein persönliches Mobilitätsinteresse gegenüber dem öffentliche Interesse am wirksamen Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer sowie seiner selbst vor den Gefahren, die durch Fahrten unter Drogeneinfluss entstehen, regelmäßig zurückzutreten. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Fahrerlaubnis überwiegt damit grundsätzlich auch dann, wenn der Betroffene - wie hier - auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist. Dies gilt insbesondere auch, wenn er als Berufskraftfahrer - wie der Antragsteller als fahrzeugführender landwirtschaftlicher Helfer - seinen Arbeitsplatz zu verlieren droht und damit die Existenzgrundlage seiner Familie gefährdet. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist daher regelmäßig nur unter der Voraussetzung gerechtfertigt, dass der betroffene Fahrerlaubnisinhaber die Fahreignung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit zurückerlangt hat. Hierfür besteht vorliegend kein Anhalt. Insbesondere kann dies nicht aus der erklärten Bereitschaft des Antragstellers, sich regelmäßigen Drogentests zu unterziehen, und künftig auf die Einnahme von Betäubungsmittel zu verzichten, geschöpft werden. Fehlt es - wie festgestellt - an der notwendigen Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen, bedarf es des Nachweises einer bestehenden Drogenabstinenz für ein Jahr (vgl. Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV), den der Antragsteller schon mangels Zeitablaufes, auch nicht unmittelbar bevorsteht, offensichtlich nicht führen kann. Es bleibt ihm jedoch unbenommen, im Rahmen eines Wiedererteilungsverfahrens den Nachweis für seine behauptete Drogenabstinenz durch ein entsprechendes Drogenkontrollprogramm zu erbringen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. Februar 2015 - 11 CS 15.145 -, juris Rn 22).

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Soweit der Antragsteller mit seinem Hilfsantrag erstrebt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches insoweit wiederherzustellen, als er berechtigt bleibt, landwirtschaftliche Fahrzeuge zu führen bzw. in einem Umkreis von 50 km seine Fahrerlaubnis zu nutzen, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen, besteht ein solcher Anspruch nicht. Die Risiken für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und die damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben werden nicht etwa dadurch geschmälert, dass eine Fahrerlaubnis auf einen Umkreis von 50 km bzw. auf das Führen von landwirtschaftlichen Fahrzeugen begrenzt wird, da gleichwohl eine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr vorliegt. Ungeachtet dessen bergen auch Zugmaschinen, die ihrer Bauart nach für land- und forstwirtschaftliche Zwecke bestimmt sind (Fahrerlaubnisklasse T, vgl. § 6 Abs. 1 FeV) angesichts ihrer Größe und Schwere nicht zu vernachlässigende Risiken für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehr.

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nrn. 46.2 (Fahrerlaubnisklasse A1), 46.3 (Fahrerlaubnisklasse B), 46.9 (Fahrerlaubnisklasse T) und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die erstinstanzliche Festsetzung war abzuändern, weil sie die selbstständig zu betrachtende Fahrerlaubnisklasse T unberücksichtigt ließ.

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IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.


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