Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 110/18

Gründe

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Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 05.09.2018 hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

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Der Antragsgegner macht geltend, das Verwaltungsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, der Antragsteller sei im Besitz der für die Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 und 4 AufenthG erforderlichen Beschäftigungserlaubnis. Das Verwaltungsgericht habe zwar zutreffend angenommen, dass die Erteilung einer Ausbildungsduldung eine Beschäftigungserlaubnis voraussetze. Diese Voraussetzungen habe das Gericht jedoch zu Unrecht als erfüllt angesehen, weil es vom Bestand der mit Bescheid vom 25.07.2016 erteilten Beschäftigungserlaubnis ausgegangen sei, obwohl der Verwaltungsakt widerrufen worden sei und der Widerspruch gegen den Widerrufsbescheid gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG keine aufschiebende Wirkung habe.

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Diese Erwägungen rechtfertigen eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht. Die Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG setzt zwar voraus, dass die nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG erforderliche Beschäftigungserlaubnis erteilt wurde oder zu erteilen ist, weil ohne diese eine Ausbildung nicht rechtmäßig aufgenommen werden kann. Eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit für die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis ist gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 2 BeschV nicht erforderlich (vgl. Beschl. des Senats vom 23.10.2018 - 2 M 112/18 -, juris, Rdnr. 28, m. w. N.). Eine Beschäftigungserlaubnis muss aber weder im Zeitpunkt der Antragstellung auf Erteilung einer Ausbildungsduldung noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits erteilt worden sein. Es reicht aus, wenn ein Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für die begehrte Ausbildung besteht. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein entsprechender Antrag bereits gestellt worden ist (vgl. Beschl. des Senats vom 23.10.2018, a. a. O.).

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Es kann dahinstehen, ob die dem Antragsteller erteilte Beschäftigungserlaubnis für die Tätigkeit als Pizzabäcker bei der „R. GmbH“ vom 25.07.2016 angesichts des mit Bescheid vom 17.07.2018 erfolgten Widerrufs noch Rechtswirkungen zugunsten des Antragstellers entfaltet und ob der Widerspruch gegen den Widerrufsbescheid gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG aufschiebende Wirkung hat. Die Beschäftigung als Auszubildender zum Restaurantfachmann bei dem Betrieb „C." wird von der Erlaubnis der Tätigkeit als Pizzabäcker bei einem anderen Unternehmen ohnehin nicht erfasst sein, da die Beschäftigungserlaubnis für die Aufnahme der konkreten Berufsausbildung erforderlich ist (vgl. hierzu auch Nds. OVG, Beschl. v. 09.12.2016 - 8 ME 184/16 -, juris, Rdnr. 7). Für die Beurteilung, ob dem Antragsteller eine Ausbildungsduldung zu erteilen ist, kommt es auf die Rechtswirkungen der Beschäftigungserlaubnis vom 25.07.2016 nicht an, wenn der Antragsteller Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für die Ausbildung zum Restaurantfachmann hat. Dies hat das Verwaltungsgericht angenommen. Es ist in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass Versagungsgründe nach § 60a Abs. 2 Satz 4 oder Abs. 6 AufenthG nicht vorliegen. Dieser Prüfungsansatz entspricht den rechtlichen Anforderungen. Bestehen keine Versagungsgründe nach den genannten Vorschriften, ist das nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG bestehende Ermessen zur Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis im Regelfall auf „Null“ reduziert. Insbesondere können die Tatbestandselemente, die in § 60a Abs. 2 Satz 4, Abs. 6 AufenthG als anspruchsbegründend oder als Ausschlusstatbestände normiert sind, nicht mit einer dem Wortlaut der Neuregelung und dem Willen des Gesetzgebers entgegenlaufenden Intention erneut zum Gegenstand behördlicher Ermessenserwägungen gemacht werden (Beschl. des Senats vom 23.10.2018, a. a. O., Rdnr. 29).

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Die Einwände des Antragsgegners zu den Erwägungen des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Versagungsgründe nach § 60a Abs. 2 Satz 4 und Abs. 6 AufenthG greifen nicht durch:

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Der Antragsgegner macht geltend, das Gericht habe zu Unrecht das Eingreifen des Ausschlussgrundes nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 AufenthG abgelehnt. Aus den Gründen des Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 18.08.2016 (2 A 362/15 MD) in dem Asylverfahren des Antragstellers und aus den Ausführungen des Antragstellers bei seinem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil ergebe sich, dass sich der Antragsteller nach Deutschland begeben habe, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen. In der Zulassungsschrift habe er vorgetragen, dass ihm in Italien keine Sozialleistungen zur Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums gewährt würden. Auch die Tatsachen, dass es in Italien kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen gebe und der Antragsteller über einen Zeitraum von über einem Jahr Leistungen nach § 3 Abs. 2 AsylbLG bezogen habe, seien starke Indizien dafür, dass das Erstreben von Sozialleistungen prägend für seine Einreise nach Deutschland gewesen sei. Der Antragsteller habe offenbar gute Gründe dafür gehabt, nach Deutschland einzureisen und nicht etwa in ein anderes EU-Land, in dem er erheblich geringere Leistungen erhalten hätte. Der Umstand, dass der Antragsteller später in Deutschland einer erlaubten Beschäftigung nachgegangen sei, spiele keine Rolle, denn schon aus wirtschaftlichen Gründen wünsche sich in der Regel niemand, auf Dauer von Sozialleistungen abhängig zu sein.

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Auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte lässt sich das Eingreifen des Ausschlussgrundes nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht feststellen. Nach dieser Vorschrift darf geduldeten Ausländern die Ausübung einer Beschäftigung grundsätzlich nicht erlaubt werden, wenn sie sich in das Inland begeben haben, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen. Da die Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG denselben Voraussetzungen unterliegt, kann auf die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (BeckOK AuslR/Kluth/Breidenbach, AufenthG § 60a Rdnr. 52). Hiernach ist ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu verlangen. Dieser erforderliche Zusammenhang besteht nicht nur, wenn der Wille, Sozialleistungen zu erlangen, der einzige Einreisegrund ist. Beruht die Einreise des Ausländers auf verschiedenen Motiven, ist das Erfordernis des finalen Zusammenhangs auch erfüllt, wenn der Zweck der Inanspruchnahme der Sozialleistungen für den Einreiseentschluss von prägender Bedeutung ist. Es genügt nicht, dass der Bezug von Sozialleistungen beiläufig verfolgt oder anderen Einreisezwecken untergeordnet und in diesem Sinne (nur) billigend in Kauf genommen wird (vgl. - zu § 120 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BSHG in der bis zum 31.10.1993 geltenden Fassung -: BVerwG, Urt. vom 04.06.1992 - 5 C 22.87 -, BVerwGE 90, 212, und juris, Rdnr. 12).

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Nach diesen Maßstäben ist nicht davon auszugehen, dass sich der Antragsteller nach Deutschland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen. Auch wenn er im Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen die gerichtliche Entscheidung über seinen Asylantrag geltend gemacht hat, dass ihm in Italien keine Sozialleistungen zur Sicherung der physischen Existenz garantiert würden, lässt sich daraus nicht darauf schließen, dass er die Absicht hatte, in Deutschland Sozialleistungen zu erhalten und diese Absicht auch einer der ausschlaggebenden Gründe für die Einreise nach Deutschland war. Als Grund für seine Ausreise aus Italien nach Deutschland hatte der Antragsteller in seinem Asylverfahren vorgetragen, dass er in Italien wegen seiner politischen Aktivitäten von muslimischen Mitstudierenden telefonisch und per E-Mail bedroht worden sei. Diesen Ausreisegrund hat auch der Antragsgegner nicht angezweifelt. Darüber hinaus hat der Antragsteller unwidersprochen vorgetragen, dass er während seines Aufenthalts in Italien über fünf Jahre seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaftet habe. Selbst wenn die schlechte wirtschaftliche Situation des Antragstellers in Italien einer der Gründe dafür gewesen ist, Italien zu verlassen und sich (gerade) nach Deutschland zu begeben, lässt dies nicht den Schluss darauf zu, dass er die Absicht hatte, in Deutschland Sozialleistungen zu erhalten. Dagegen spricht - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - schon der Umstand, dass er sich in Deutschland erfolgreich um eine Beschäftigung bemüht hat. Die Entscheidung, gerade nach Deutschland einzureisen, kann im Übrigen ohne weiteres darauf beruhen, dass sich der Antragsteller hier besonders gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhofft hat.

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Der weitere Einwand des Antragsgegners gegen die erstinstanzliche Entscheidung, im Zeitpunkt der Antragstellung hinsichtlich des Ausbildungsverhältnisses hätten bereits konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorgelegen, greift ebenfalls nicht durch.

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Nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG setzt die Erteilung einer Ausbildungsduldung unter anderem voraus, dass konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung stehen bevor, sobald die für den jeweiligen Ausländer zuständige Ausländerbehörde erstmals zielgerichtet und konkret tätig geworden ist, um die grundsätzlich mögliche Abschiebung einzuleiten (BayVGH, Beschl. v. 30.01.2019 – 19 CE 18.1725 -, juris, Rdnr. 16). Der Ausschlussgrund erfasst alle Maßnahmen, die bei typisierender Betrachtung in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zu einer beabsichtigten Abschiebung stehen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.10.2016 - 11 S 1991/16 -, InfAuslR 2017, 15 und juris, Rdnr. 21; OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 13.03.2017 - 18 B 148/17 -, juris, Rdnr. 19; OVG Schl.-Holst., Beschl. v. 30.07.2018 - 4 MB 70/18 -, juris, Rdnr. 12; BayVGH, a. a. O., Rdnr. 16). Nicht erforderlich ist demnach, dass bereits ein bestimmter Zeitpunkt für die Abschiebung feststeht (BayVGH, a. a. O.). Als Beispiele werden in der Gesetzesbegründung die Beantragung von Pass(ersatz)papieren, die Terminierung von Abschiebungen oder ein Verfahren zur Dublin-Überstellung genannt (BT-Drucks. 18/9090, S. 25). Ferner kommen die Kontaktaufnahme mit der deutschen Auslandsvertretung im Abschiebezielstaat zur Vorbereitung der Abschiebung, die Erstellung eines Rückübernahmeersuchens, das Abschiebungsersuchen der Ausländerbehörde gegenüber der für die Durchführung der Abschiebung zuständigen Behörde oder die Veranlassung einer erforderlichen ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit oder die Beantragung von Abschiebungshaft in Betracht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.08.2018 - 13 ME 298/18 -, juris, Rdnr. 10).

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Für die Beurteilung der Frage, ob konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung bevorstehen, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Beantragung einer zeitnah aufzunehmenden, konkret bezeichneten Berufsausbildung abzustellen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 30.01.2019, a. a. O., Rdnr. 18). Würde demgegenüber auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Ausländerbehörde oder der Entscheidung des Gerichts abgestellt, hätte es die Ausländerbehörde selbst nach Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung noch in der Hand, durch Einleitung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Entstehung des Anspruchs zu verhindern (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.10,2016, a. a. O., Rdnr. 19; BayVGH, Beschl. v. 22.01.2018 - 19 CE 18.51 -, juris, Rdnr. 18). Nicht erforderlich ist es, dass das Ausbildungsverhältnis bereits in der Weise in zeitlicher Hinsicht begonnen haben muss, dass sich der Betroffene an seinem Ausbildungsplatz eingefunden hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.10.2016, a. a. O., Rdnr. 15).

12

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass als maßgeblicher Tag der Antragstellung der 29.06.2018 anzusehen sei, an dem die – nicht mit einem Eingangsstempel versehenen – Antragsunterlagen, bestehend aus dem ausgefüllten Antragsformular und einer Kopie des Berufsausbildungsvertrags, spätestens beim Antragsgegner eingegangen sein müssen. Zu diesem Zeitpunkt hätten konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht vorgelegen, wobei nicht geklärt werden müsse, ob die am 16.07.2018 erfolgte Übermittlung von Abschiebungsunterlagen an das Rückkehrmanagement überhaupt eine konkrete Abschiebungsmaßnahme i. S. des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG darstelle. Unerheblich sei ferner, dass die Bestätigung der IHK über die Eintragung des Ausbildungsvertrags in das Verzeichnis der Ausbildungsverhältnisse erst am 20.07.2018 beim Antragsgegner eingegangen sei, weil zum einen die Eintragung bereits am 04.07.2018 erfolgt sei, ferner selbst der (das Gericht nicht bindende) Runderlass des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt vom 19.12.2017 von der Möglichkeit der Nachreichung des Nachweises ausgehe und schließlich der Antragsgegner den Antrag auf Erteilung der Ausbildungsduldung abgelehnt habe, ohne auf das Fehlen des Nachweises hinzuweisen.

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Ohne Erfolg wendet der Antragsgegner hiergegen ein, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage der §§ 34a, 26a AsylG die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet habe. Wie in einem vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes mit Beschluss vom 26.09.2017 (2 B 467/17) entschiedenen Fall sei von bevorstehenden konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung auszugehen, weil der Durchführung der Abschiebung keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegengestanden hätten.

14

Der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes lag schon insoweit ein anderer Sachverhalt zugrunde, als dort bereits ein Termin für die Abschiebung vorgesehen war, der jedoch wegen der Notwendigkeit der erneuten Zustellung des Bundesamtsbescheides storniert und verschoben wurde (vgl. OVG Saarl. Beschl. vom 26.09.2017 - 2 B 467/17 -, juris, Rdnr. 10). Auch soweit der Antragsgegner offenbar geltend macht, im Falle einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG sei stets oder in der Regel von konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung i. S. des § 60 Abs. 2 Satz 4 AufenthG auszugehen, lässt sich hieraus das Eingreifen des Ausschlusstatbestands nicht ableiten. In der Rechtsprechung wird zwar die Auffassung vertreten, dass die Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG eine bevorstehende konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung darstelle, wenn diese Anordnung im Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung vollziehbar sei (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.01.2017 - 11 S 2301/16 -, DVBl. 2017, 330 und juris, Rdnr. 20). Im Fall des Antragstellers lag eine Abschiebungsanordnung i. S. des § 34a AsylG jedoch nicht vor. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat in dem Bescheid vom 06.10.2015 die Abschiebung nicht angeordnet, sondern in Ziff. 2 angedroht. In der Begründung des Bescheides (S. 3) wird darauf hingewiesen, dass in den Fällen der Einreise des Ausländers aus einem Drittstaat nach § 26a AsylVfG (a. F.) grundsätzlich gemäß § 34a AsylVfG (a. F.) die Abschiebung anzuordnen sei. Eine Abschiebungsandrohung sei jedoch „als milderes Mittel“ ebenfalls zulässig.

15

Abschiebungsanordnung und Abschiebungsandrohung stellen unterschiedliche Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung dar (BVerwG, Beschl. vom 23.10.2015 – 1 B 41.15 –, juris, Rdnr. 15). Die Abschiebungsanordnung regelt feststellend, dass alle Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Abschiebung erfüllt sind und die Abschiebung nunmehr vollzogen werden kann und darf. Sie darf als Festsetzung eines Zwangsmittels erst ergehen, wenn alle Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Abschiebung erfüllt sind, denn sie ist die letzte Voraussetzung für die Anwendung des Zwangsmittels der Abschiebung (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.04.2015 - A 11 S 57/15 -, InfAuslR 2015, 310 und juris, Rdnr. 69). Wenn man davon ausgeht, dass die Abschiebungsanordnung im Hinblick auf diesen Charakter bereits als konkrete Maßnahme der Aufenthaltsbeendigung anzusehen ist, lässt sich diese Annahme auf die Abschiebungsandrohung nicht übertragen, selbst wenn die Abschiebungsandrohung im Fall einer beabsichtigten Überstellung in einen sicheren Drittstaat erlassen wurde. Wird die Abschiebung – auch in den Fällen des § 26a AsylG – lediglich angedroht, handelt es sich nicht um eine konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung, zumal sie unter Fristsetzung erfolgt. Im Übrigen war die mit der Abschiebungsandrohung verbundene Frist am 29.06.2018, den das Verwaltungsgericht als maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung auf Erteilung der Ausbildungsduldung angesehen hat, noch nicht abgelaufen. In diesem Zeitpunkt bestand also noch keine vollziehbare Ausreisepflicht.

16

Der Antragsgegner kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei als Zeitpunkt der Antragstellung auf einen späteren Termin abzustellen, nämlich den 20.07.2018, an dem die Bescheinigung der IHK über die Eintragung des Ausbildungsverhältnisses beim Antragsgegner eingegangen ist. Es kann dahinstehen, welche Nachweise mit dem Antrag vorzulegen oder vorzutragen sind (vgl. OVG Rheinl.-Pf., Beschl. v. 13.03.2017 - 18 B 148/17 -, juris, Rdnr. 25 mit einer Zusammenfassung der in der Rechtsprechung insoweit gestellten Anforderungen). Im vorliegenden Fall hatte der Antragsteller jedenfalls spätestens am 29.06.2018 das vollständig ausgefüllte Antragsformular und den abgeschlossenen Ausbildungsvertrag vorgelegt. Weitergehend ist für einen vollständigen Antrag – anders als der Antragsgegner meint – nicht der Nachweis erforderlich, dass der Ausbildungsvertrag bereits in das entsprechende Verzeichnis, die sog. Lehrlingsrolle, eingetragen wurde (vgl. §§ 34 bis 36 BBiG). Dagegen spricht, dass der Auszubildende keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Eintragung hat, da der Ausbildende die Eintragung in das Berufsausbildungsverzeichnis nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BBiG zu beantragen hat und die Eintragung von der zuständigen berufsständischen Kammer nach Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen vorzunehmen ist. Daher ist es ausreichend, wenn der Nachweis über die Eintragung des bei der Antragstellung vorgelegten Ausbildungsvertrags zeitnah nachgereicht wird (OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 13.03.2017 – 18 B 148/17 -, juris, Rdnr. 25). Von der Möglichkeit, den Nachweis über die Prüfung des Ausbildungsvertrags durch die zuständige Stelle nachzureichen, gehen auch die einschlägigen Verwaltungsvorschriften aus (Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt vom 19.12.2017, S. 4). Ob für die Beurteilung der Frage, ob konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen, nach Vorlage des Ausbildungsvertrags auf den ggf. späteren Zeitpunkt der Eintragung des Ausbildungsverhältnisses in die sog. Lehrlingsrolle abzustellen ist (offen gelassen: VG Neustadt [Weinstraße], Beschl. v. 12.10.2016 - 2 L 680/16.NW -, juris, Rdnr. 8), kann dahinstehen. Aus der Bescheinigung der IHK geht hervor, dass die Eintragung spätestens am 04.07.2018, dem Tag der Ausstellung, erfolgt ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Antragsgegner die Unterlagen zur Abschiebung noch nicht an das Rückkehrmanagement übersandt.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

18

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Da mit der beantragten Erteilung der Ausbildungsduldung im Wege der einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorweggenommen wird, legt auch der Senat den vollen Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG zugrunde.

19

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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