Urteil vom Sozialgericht Halle (17. Kammer) - S 17 AS 3486/15

Tenor

Die Klage wird abgewiesen, einschließlich des Antrages auf Scheckzahlung und Unterlassung von Kriminalisierungsversuchen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Ansprüche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Bewilligungszeitraum vom 1. September 2012 bis 28. Februar 2013 nach endgültiger Leistungsfestsetzung umstritten.

2

Der am ... 1958 geborene Kläger zu 1) bezieht seit November 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 14. Februar 2011 teilte der Beklagte dem Kläger zu 1) mit, seine Heizkosten überstiegen den angemessenen Wert von 69,00 EUR um 159,43 EUR, unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft iHv. 161,16 EUR und der Angemessenheitsgrenze von 268,00 EUR überstiegen die Gesamtkosten von Unterkunft und Heizung die Angemessenheitsgrenze um 52,59 EUR.

3

Laut Meldebescheinigung zog bei dem Kläger am 21. Januar 2013 dessen am ... 2001 geborener Sohn, der Kläger zu 2), ein. In dem familiengerichtlichen Verfahren ... wurde am 22. Januar 2013 ein entsprechender Vergleich geschlossen. Am 18. Juli 2016 ist der Kläger zu 2) bei dem Kläger zu 1) aus und zur Mutter, Frau R., zurückgezogen.

4

Die Grundstücke, auf denen sich das von den Klägern bewohnte Wohnhaus befindet, wurden von der in Berlin wohnenden Eigentümerin, Frau S., aufgrund notariellen Übertragungsvertrages vom 3. Februar 2004 auf die Tochter des Klägers, Frau S., jetzt Z., zu Alleineigentum übertragen. Gleichzeitig erhielten der Kläger zu 1) und Frau R., ein lebenslanges, unentgeltliches und uneingeschränktes Wohnrecht an allen Räumen des übertragenen Wohnhauses, sowie das Recht der alleinigen Nutzung des Gartens sowie Mitbenutzung von Nebengelass, Garage und Hof, als beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingeräumt. In dem Übertragungsvertrag ist Frau Z. als "Erwerber" bezeichnet. Unter Abschnitt III. des Vertrages heißt u.a. wörtlich: "Die verbrauchsabhängigen Kosten, wie Energie, Wasser, Abwasser, Heizung, Müllabfuhr tragen die Berechtigten weiterhin selbst. Ferner tragen sie auch alle Kosten wie öffentliche Abgaben (Erschließungskosten, Anliegerbeiträge) und Steuern außerdem die Versicherungen."

5

Der Kläger zu 1) ist Inhaber des Pfändungsschutzkontos ... bei der ... (BLZ ...). Außerdem nutzte er zwei weitere Konten, deren Inhaber seine Tochter Frau Z. war. Es handelt sich dabei um die Konten Nummer ..., Bankleitzahl ..., Kontoinhaber: Z., und Nummer ..., Bankleitzahl ... (ausgewiesen als Spendenkonto auf der Internetseite ...), Kontoinhaber: S ... Für die Konten seiner Tochter hatte der Kläger zu 1), wie er in einem Schreiben vom 3. Oktober 2013 (Bl. 949 bis 953 der Verwaltungsakte) gegenüber dem Beklagten darlegte, Verfügungsbefugnis.

6

In den Verwaltungsakten des Beklagten finden sich zwei Mietverträge und zwar vom 1. Januar 2005 und 5. Mai 2008. In beiden Verträgen ist der Kläger zu 1) als Vermieter ausgewiesen. Im Falle des Mietvertrages zwischen dem Kläger zu1) als Vermieter und Herrn G. und Frau S. als Mieter (1. Januar 2005) soll die Miete auf das Konto ..., BLZ ..., Konto Inhaber: S., überwiesen werden. In dem Mietvertrag vom 5. Mai 2008 zwischen dem Kläger als Vermieter und Frau G. kann auf der Kopie des Mietvertrages von der Kontoverbindung lediglich die BLZ ... und Z. als Kontoinhaber ausgemacht werden. Nach Aufforderung durch den Beklagten nahm der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 24. Juni 2011 Stellung und gab an: Es sei richtig, dass er von 2005 – 2007 in der Haus- und Immobilienverwaltung agierte und Wohnungen in N., ... Straße ... vermietete. Nach den sich in den Verwaltungsakten befindlichen Auszügen aus dem Grundbuch von N., Bl. 386, vom 7. Juli 2011 wurde die letzte Eintragung vor dem 7. Juli 2011 am 21. November 2008 vorgenommen. Nach dem Inhalt der vorliegenden Grundbuchauszüge, war Frau R. zum damaligen Zeitpunkt die letzte eingetragene Eigentümerin der im Bestandsverzeichnis unter lfd. Nummer 5 bis 14 eingetragenen Flurstücke. Die Auflassung erfolgte am 25. November 2004, die Eintragung als Eigentümerin am 20. April 2005.

7

Mit Bescheid vom 17. September 1998 hatte die Verwaltungsgemeinschaft W. dem Kläger zu 1) die selbstständige Ausübung eines Gewerbes sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person untersagt. Das Verwaltungsgericht wies die Klage gegen die erweiterte Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO wegen gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit des Klägers zu 1) mit Urteil vom 31. Januar 2007 ab. Die Verwaltungsgemeinschaft W. verfügte die Gewerbeabmeldung zum 31. August 2007. Am 23. Oktober 2012 beantragte der Kläger zu 1) die Wiedergestattung des Gewerbes. Auf Anfrage der Gemeinde T. vom 18. August 2014 teilte das Finanzamt H. mit Schreiben vom 11. September 2014 mit: Der Kläger zu 1) habe gegenwärtige Zahlungsrückstände iHv. 129.313,45 EUR. Freiwillige Zahlungen erfolgten seit dem 1. Januar 2004 von seiner Seite nicht. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass solche Zahlungen in absehbarer Zeit geleistet würden. Die Annahme gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit in der Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit sei gerechtfertigt. Mit Schreiben vom 22. Februar 2016 teilte ihm die Gemeinde T. mit, dass nach erneuter Prüfung seiner Zuverlässigkeit die Wiedergestattung nicht beabsichtigt sei.

8

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers zu 1) hatte das Amtsgericht ... mit Beschluss vom 16. März 2004 mangels Masse abgewiesen.

9

Mit Bescheid vom 10. März 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger zu 1) auf den Fortzahlungsantrag vom 21. Februar 2011 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum vom 1. März 2011 bis 31. August 2011 ohne Anrechnung von Einkommen. Mit Bescheid vom 25. August 2011 bewilligte er dem Kläger zu 1) auf dessen Antrag vom 3. August 2011 für den Zeitraum 1. September 2011 bis 29. Februar 2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ebenfalls ohne Anrechnung von Einkommen.

10

In einer für die Dauer vom 21.Juli 2011 bis 31. Januar 2012 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung zwischen dem Kläger zu 1) und dem Beklagten heißt es u.a.: " Hier sind zeitnah die erforderlichen 50 h Ballonfahrten als Erfordernis zum Erwerb der Zulassung als Ballonfahrer zu erbringen und nachzuweisen."

11

Mit Bescheid vom 15. Februar 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger zu 1) auf dessen Antrag vom 6. Februar 2012 für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis 31. August 2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, wiederum ohne Anrechnung von Einkommen. Mit Schreiben vom 23. Februar 2012 legte der Kläger zu 1) gegen den Bescheid vom 15. Februar 2012 Widerspruch ein mit der Begründung, Stromkosten seien nicht berücksichtigt. Am 8. März 2012 nahm er den Widerspruch zurück. Mit Schreiben vom 19. März 2012 teilte der Kläger zu 1) dem Beklagten u.a. mit, er gehe keinerlei gewerblicher Tätigkeit nach, weshalb keinerlei Veranlassung zur Abgabe der Anlage EKS bestehe. Am 23. April 2012 erließ der Beklagte für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis 31. August 2012 einen Änderungsbescheid, gegen den der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 20. Mai 2012 Widerspruch einlegte. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2012 entschied der Beklagte über den Widerspruch vom 23. Februar 2012 gegen den Bescheid vom 15. Februar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012.

12

Mit Schreiben vom 8. Juni 2012 forderte der Beklagte den Kläger zu 1) umfassenden und konkreten Angaben zu Einkommensverhältnissen aus Hundezucht, Ballonfahrertätigkeit und Tätigkeit als Lkw-Fahrer auf. Außerdem forderte der Beklagte den Kläger zu 1) auf, Kontoauszüge für die Monate April 2011 bis April 2012 lückenlos vorzulegen. Dazu nahm der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 21. Juni 2012 Stellung. Er gab an, aus Hundezucht, Ballonfahren und Lkw-Fahrten Einkommen jeweils iHv. 0,00 EUR bzw. 0,00 EUR oder niedriger zu erzielen. Mit Schreiben vom 30. November 2012 forderte der Beklagte den Kläger zu 1) unter Hinweis auf § 3 Abs. 6 ALG II-V auf, ab sofort eine Einnahmen-Ausgabenrechnung für Hundezucht und Ballonfahren zu erstellen. Nach Schätzung durchschnittlicher monatlicher Gewinne des Klägers zu 1) hob der Beklagte zunächst mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 21. Februar 2013 die Leistungsbewilligungen für die Zeiträume ab 1. März 2011, ab 1. September 2011 und ab 1. März 2012 auf und forderte von dem Kläger zu 1) 6627,54 EUR, 4274,00 EUR und 4314,00 EUR zurück. Nach Rücknahme dieser Bescheide setzte der Beklagte jeweils mit Bescheid vom 1. März 2013 die Leistungsansprüche für die Zeiträume vom 1. März 2011 bis 31. August 2011, vom 1. September 2011 bis 29. Februar 2012 und vom 1. März 2012 bis 31. August 2012 endgültig fest und forderte von dem Kläger zu 1) erneut 6627,54 EUR, 4274,00 EUR und 4314,00 EUR zurück. Gegen die Festsetzungs- und Rückforderungsbescheide vom 1. März 2013 legte der Kläger zu 1) erfolglos Widerspruch ein. Die am 19. April 2013 erhobenen Klagen bei dem erkennenden Gericht (S 17 AS 1803/13, S 17 AS 1804/13 und S 17 AS 1805/13) führten zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide durch die rechtskräftigen Urteile des erkennenden Gerichts vom 23. Juni 2015.

13

Für den Bewilligungszeitraum vom 1. September 2012 bis 28. Februar 2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger zu 1) mit Bescheid vom 17. August 2012 zunächst vorläufig Leistungen, und zwar iHv. 719,00 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte der Beklagte Kosten für Unterkunft und Heizung iHv. 345,00 EUR. Mit Bescheid vom 4. März 2015 setzte er die Leistungen für den Kläger zu 1) im Bewilligungszeitraum unter Berücksichtigung von sog. BWAs (Bl. 782 bis 800 der Verwaltungsakte) endgültig fest, und bewilligte dem Kläger zu 2) für die Monate Januar und Februar 2013 Leistungen. Eine Anrechnung von Einkommen erfolgte nicht. Kosten für Unterkunft und Heizung wurden für die Monate September 2012 bis Dezember 2012 iHv. 345,00 EUR für Januar und Februar 2013 iHv. 444,90 EUR monatlich berücksichtigt. Der vom Beklagten errechnete Nachzahlungsbetrag betrug insgesamt 686,98 EUR. Dagegen legte der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 12. März 2015 Widerspruch ein. In der Widerspruchsbegründung wurde ausgeführt, es seien an Bedarfen für die Monate September bis Dezember 2012 insgesamt 1313,36 Euro für den Monat Januar 2013 143,83 Euro und für den Monat Februar 2013 202,83 Euro zu wenig berücksichtigt worden. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2015 zurück. Dagegen richtet sich die am 7. Oktober 2015 erhobene Klage.

14

Das Gericht hat den Klägern mit Verfügung vom 18. Dezember 2015 u.a. aufgegeben, bis zum 27. Januar 2016 sämtliche im streitgegenständlichen Zeitraum zugeflossenen Einnahmen und geltend gemachten Aufwendungen im Einzelnen darzulegen und zu belegen, außerdem dem Gericht die lückenlos dokumentierten Kontoauszüge oder Umsatzlisten der Konten Nummer ..., Bankleitzahl ..., Kontoinhaber: Z., und Nummer ..., Bankleitzahl ... (ausgewiesen als Spendenkonto auf der Internetseite ...), Kontoinhaber: S., für den Zeitraum 1. September 2012 bis 28. Februar 2013 in ungeschwärzter Form vorzulegen.

15

Die Kläger haben u.a. vorgetragen, die Heizkosten seinen nicht in tatsächlicher Höhe von 526,00 EUR monatlich berücksichtigt, die Berechnungen seien im Übrigen nicht nachvollziehbar. Was die verlangten Kontoauszüge angeht, seien sie nicht verpflichtet Unterlagen aus der Sphäre von nicht am Prozess beteiligten Dritten beizubringen.

16

Die Kläger beantragen zu erkennen:

17

Der Bescheid vom 04.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2015 für den Leistungszeitraum 01.09.2012 bis 28.02.2013 wird aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung ohne Anrechnung von Einkommen zu Lasten des Klägers zu 1) zu bewilligen.

18

Der Beklagte möge zur Checkzahlung verurteilt werden, nicht zur Banküberweisung.

19

Der Beklagte sei zu verurteilen, die versuchte Kriminalisierung des Klägers zu unterlassen.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in den Verfahren der Beteiligten S 17 AS 1803/13, S 17 AS 1804/13, S 17 AS 1805/13, S 17 AS 5288/14, der Verwaltungsakten des Beklagten und der Gewerbeakte der Gemeinde T. ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

21

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

22

Der prozessuale Anspruch (Streitgegenstand) ist auf höhere Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung gerichtet, als sie der Beklagte setzte mit Bescheid vom 4. März 2015 für den Bewilligungszeitraum vom 1. September 2012 bis 28. Februar 2013 endgültig festsetzte.

23

Hierin eingeschlossen sind auch Regelleistungen und Bedarfe für Unterkunft und Heizung, die für den Klägers zu 2) für Zeiten zu berücksichtigen sind, die in den Zeitraum 1. September 2012 bis 22. Januar 2013 fallen, und in denen eine sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaft zwischen den Klägern bestand.

24

Gegenstand (§ 95 SGG) ist der Bescheid vom 4. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2015.

25

Mit diesem Bescheid setzte der Beklagte die am 30. Juli 2012 vom Kläger zu 1) beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum endgültig fest. Der Beklagte hatte zunächst mit Bescheid vom 17. August 2012 nur vorläufig entschieden.

26

Rechtsgrundlage für die endgültige Entscheidung über vorläufig bewilligte Leistungen ist § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II iVm. § 328 Abs. 2 SGB III. Danach ist eine vorläufige Entscheidung nur auf Antrag der berechtigten Person für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist. Der Wortlaut des § 328 Abs. 2 SGB III ist insofern missverständlich. Kommt die Behörde nach abschließender Prüfung zu dem Ergebnis, dass gegenüber der vorläufigen Bewilligung ein Änderungsbedarf besteht, entscheidet sie über den Leistungsanspruch durch endgültigen Bescheid, der den vorläufigen Bescheid ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 139/10 R –, juris, Rn. 13). Eine Aufhebung oder Änderung erfolgt dagegen nicht.

27

Ob die Voraussetzungen für eine Ersetzung des Bescheides vom 17. August 2012 vorgelegen haben, kann offen bleiben, weil die Kläger jedenfalls keinen Anspruch auf höhere Leistungen haben, als sei mit Bescheid vom 4. März 2015 festgesetzt wurden. Die Hilfebedürftigkeit der Kläger im Bewilligungszeitraum ist nicht bewiesen. Der angefochtene Bescheid ist deshalb nicht zu ihren Lasten rechtswidrig.

28

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011) Arbeitslosengeld II. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII haben (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

29

Bei der Bestimmung des Regelbedarfs des Klägers zu 2) ist wegen des familiengerichtlichen Vergleichs zwischen dem Kläger zu 1) und Frau R. die Anzahl der Tage in den jeweiligen Monaten von Bedeutung, die er im Haushalt des Klägers zu 1) in einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft (vgl. BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 14/06 R –, juris, Rn. 27) zubrachte.

30

Die zeitweise Bedarfsgemeinschaft erfordert zumindest einen dauerhaften Zustand in der Form, dass die Kinder mit einer gewissen Regelmäßigkeit bei dem Elternteil länger als einen Tag wohnen, also nicht nur sporadische Besuche vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 14/06 R –, juris, Rn. 27). Hierfür kann in der Regel ausschlaggebend sein, wo sich das Kind länger als 12 Stunden bezogen auf den Kalendertag aufhält (vgl. BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 75/08 R –, juris, Rn. 16).

31

Bei den Kosten für Unterkunft und Heizung ist nur der in den jeweiligen Monaten entstandene tatsächliche Bedarf berücksichtigungsfähig.

32

Voraussetzung nach § 7 Abs. 1 SGB II ist, dass Personen das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben (§ 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 24. März 2011). Nach § 9 Abs. 2 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Als Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen.

33

Die Berechnung des Einkommens im Einzelnen richtet sich nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011) iVm. §§ 2 bis 6 Alg II-V (in der Fassung vom 21. Juni 2011).

34

Bei einem Streit um höhere Leistungen müssen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach geprüft werden (vgl. BSG, Urteil vom 06. April 2011 – B 4 AS 119/10 R –, juris, Rn. 32). Da die Kläger höhere Leistungen verlangen, als ihnen bisher für den Bewilligungszeitraum bewilligt wurde, müssen sie deshalb die Leistungsvoraussetzungen, einschließlich der Hilfebedürftigkeit, im Prozess in vollem Umfang darlegen und gegebenenfalls beweisen. Dabei hat allerdings die Möglichkeit außer Betracht zu bleiben, dass der angefochtene Bescheid vom 4. März 2015 zugunsten der Kläger rechtswidrig ist, denn das Gericht prüft im Rahmen des zur Entscheidung gestellten Streitgegenstandes lediglich, ob zulasten der Kläger zu geringe Leistungen bewilligt wurden.

35

Die Hilfebedürftigkeit der Kläger ist nicht bewiesen. Dabei kann von höheren Bedarfen der Kläger ausgegangen werden, als sie der Beklagte im gegenständlichen Bescheid für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum berücksichtigte, ohne diese näher zu konkretisieren.

36

Die von der Beklagten bei der Ermittlung des anrechenbaren Einkommens zugrunde gelegten BWAs stellen keine ausreichende Tatsachengrundlage dar, um die nach den §§ 2 bis 6 ALG II-V notwendigen Feststellungen zu treffen. Die durch das Gericht geforderten Angaben über Einnahmen und geltend gemachten Aufwendungen im Bewilligungszeitraum haben die Kläger nicht dargelegt. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die Berechnungen des Beklagten zutreffend waren.

37

Ebenso fehlt es an den geforderten Kontoauszügen der Konten der Tochter des Klägers zu 1), die dieser neben seinem eigenen Pfändungsschutzkonto nutzte.

38

Rechtsgrundlage für die Vorlage der Kontoauszüge sind §§ 103 Satz 1, 106 Abs. 3 Nr. 1 SGG. Nach § 106 Abs. 3 Nr. 1 SGG kann der Vorsitzende um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen.

39

Bei der Aufklärung des Sachverhalts sind die Beteiligten zur Mitwirkung verpflichtet. Das folgt aus § 103 Satz 1 SGG, und gilt insbesondere für die Feststellung von Tatsachen, die nur ihnen bekannt sein können.

40

Nach zutreffender Auffassung dient die Mitwirkungspflicht eines Grundleistungsempfängers Gemeinwohlbelangen von erheblicher Bedeutung (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16. April 2009 – L 11 AS 140/09 B ER –, Rn. 21, juris). Der Grundsicherungsempfänger beantragt staatliche Fürsorgeleistungen, die ihm ohne jegliche Gegenleistung (etwa in Form von vorher gezahlten Beiträgen etc.) nur aufgrund seiner Hilfebedürftigkeit gewährt werden (Bayerisches Landessozialgericht, aaO.; BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 45/07 R –, juris, Rn. 16). Dem Staat bzw. der Gemeinschaft der Steuerzahler muss daher erlaubt sein, sich davor zu schützen, dass diese Grundsicherungsleistungen an Nichtbedürftige gewährt werden, die über weitere finanzielle Mittel verfügen, diese jedoch gegenüber dem Grundsicherungsträger verschweigen bzw. nicht offenlegen (Bayerisches Landessozialgericht, aaO.). Nichts anderes gilt im sozialgerichtlichen Prozess, in dem die Voraussetzungen eines grundsicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs zu prüfen sind.

41

Ein Kontoauszug ist eine Beweisurkunde. Die darin enthaltenen Daten geben Aufschluss über die Höhe der Ein- und Ausgänge, das Buchungsdatum, den Empfänger bzw. Absender der Buchung und im Regelfall auch über den Grund des Ein- bzw. Ausgangs der Zahlung (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 45/07 R –, juris, Rn. 15).

42

Es liegt auf der Hand, dass es im Rahmen eines aus Steuermitteln finanzierten Fürsorgesystems, das strikt an die Hilfebedürftigkeit der Leistungsempfänger als Anspruchsvoraussetzung anknüpft, keine unzumutbare und unangemessene Anforderung darstellt, Auskunft über den Bestand an Konten und die Kontenbewegungen (durch die Vorlage von Kontoauszügen) zu geben, jedenfalls soweit die Einnahmeseite betroffen ist (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 45/07 R –, juris, Rn. 16). Das gilt für alle genutzten Konten. Der Umfang kann sich auf den gesamten Bewilligungszeitraum erstrecken, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist, um die Vollständigkeit der erklärten Einnahmen zu beweisen, erst recht, wenn der Anspruchssteller die gerichtlicherseits geforderten Angaben zu Einnahmen und Ausgaben im Bewilligungszeitraum im Prozess unterlässt.

43

Die Bedeutung der o.g. Konten der Tochter des Klägers für die Voraussetzungen streitgegenständlichen Leistungsansprüche nach dem SGB II und der dafür bedeutsamen Verhältnisse des Klägers zu 1), damit auch des Klägers zu 2), ergibt sich aus folgenden Gründen:

44

Der Kläger zu 1) besaß für diese Konten Verfügungsbefugnis und nutzte sie. Das Konto ... bei der ..., als dessen Inhaber der Kläger zu 1) ausgewiesen ist, ist ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto (vgl. § 850k ZPO). § 850k Abs. 1 Satz 1 ZPO schreibt vor: Wird das Guthaben auf dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners bei einem Kreditinstitut gepfändet, kann der Schuldner jeweils bis zum Ende des Kalendermonats über Guthaben in Höhe des monatlichen Freibetrages nach § 850c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 850c Abs. 2a verfügen; insoweit wird es nicht von der Pfändung erfasst. Nach § 850k Abs. 5 ZPO ist das Kreditinstitut dem Schuldner zur Leistung aus dem nach § 850k Abs. 1 und 3 ZPO nicht von der Pfändung erfassten Guthaben im Rahmen des vertraglich Vereinbarten verpflichtet. Zweck der Einführung eines P-Kontos war die Vereinfachung des Schuldnerschutzes bei Pfändung des Giro-Kontoguthabens (nicht Spar- oder Tagesgeldkonto), das seit 1. Dezember 2012 nur noch als alternativlose Form des Kontopfändungsschutzes zur Verfügung steht (vgl. Stöber in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 850k ZPO, Rn. 1). Geschützt sind Guthabenbeträge unabhängig von ihrer Herkunft und Regelmäßigkeit, ob somit Guthaben durch Gutschrift pfändbarer oder (ganz oder teilweise) unpfändbarer Ansprüche entstanden sind und damit auch Einmalzahlungen (vgl. Stöber in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 850k ZPO, Rn. 3).

45

Vor dem Hintergrund, dass P-Konten lediglich der Vereinfachung des Schutzes pfändungsfreier Beträge dienen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger zu 1) auch ein Interesse an der Nutzung der Konten der Tochter hatte. Nach Mitteilung des Finanzamts H. hatte er dort mit Stand 11. September 2014 Zahlungsrückstände iHv. 129.313,45 EUR. Angesichts der Höhe der Forderungen ist es unerheblich, dass sie im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum im Hinblick auf die Säumniszuschläge mutmaßlich niedriger waren. Freiwillige Zahlungen seien von seiner Seite seit dem 1. Januar 2004 nicht erfolgt. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass solche Zahlungen in absehbarer Zeit geleistet würden.

46

Allein angesichts dessen und wegen der fehlenden detaillierten Darlegung der geforderten Einnahmen und Ausgaben im Bewilligungszeitraum, erweist sich die Aufklärung, welcher Zahlungsverkehr im Bewilligungszeitraum über die Konten der Tochter abgewickelt wurde, als unabdingbar.

47

Die Kläger können sich nicht auf die formale Kontoinhaberschaft von Frau Z. berufen. Zum einen ist nicht sie zur Vorlage der Kontoauszüge aufgefordert. Zum anderen ermöglichte sie ihrem Vater zwei Konten für seine eigene Zwecke zu nutzen. Im Verfahren über höhere Grundsicherungsleistungen muss sich der Kläger zu 1) als Anspruchsteller so behandeln lassen, als wären es auch formal eigene Konten. Ausschließlich er hat umfassende Kenntnis von seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, einschließlich der ihn betreffenden Buchungsvorgänge auf den Konten der Tochter. Das Risiko der Nichtvorlage liegt deshalb allein bei ihm (vgl. SG Halle (Saale), Beschluss vom 09. April 2014 – S 17 AS 4086/13 ER –, juris, Rn. 60 ff.).

48

Inwieweit Schwärzungen auf der Ausgabenseite im Einzelfall zulässig sein können, solange gewährleistet bleibt, dass die vom jeweiligen Grundsicherungsempfänger überwiesenen Beträge der Höhe nach erkennbar bleiben (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 45/07 R –, juris, Rn. 24), kann hier offen bleiben, weil die geforderten Kontoauszüge überhaupt nicht vorgelegt worden sind.

49

Bei dem Antrag auf Scheckzahlung handelt es sich um einen unselbständigen Hilfsantrag zur Verfahrensweise der Leistungserbringung bei bewilligter Leistung. Angesichts der Abweisung des Klageantrages der Hauptsache, muss über diesen Antrag nicht entschieden werden, insbesondere nicht darüber, ob die Voraussetzungen für eine andere Zahlungsweise als die Überweisung nach § 42 Satz 3 SGB II vorliegen.

50

Was die beantragte Unterlassung der Kriminalisierung angeht, handelt es sich ebenfalls um einen unselbstständigen Hilfsantrag, der die Entscheidungspraxis des Beklagten betrifft, über den aber nur bei Erfolg des Klageantrages in der Hauptsache zu entscheiden gewesen wäre.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

52

Die Zulassung der Berufung beruht auf § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.


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