Beschluss vom Sozialgericht Karlsruhe - S 1 KO 4138/12

Tenor

Die Entschädigung des Antragstellers für seine schriftliche Aussage als sachverständiger Zeuge vom 27. September 2012 im Verfahren S 7 SB xxxx/12 wird auf 44,45 EUR festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
In dem beim Sozialgericht Karlsruhe anhängigen Klageverfahren S 7 SB xxxx/12 streiten die dortigen Hauptbeteiligten um die Höherbewertung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch. Der Antragsteller (Ast) erstattete auf Anforderung der Vorsitzenden der 7. Kammer schriftlich eine sachverständige Zeugenaussage vom 27.09.2012 in dreifacher Fertigung im Umfang von fünf Blatt; hierzu legte er weitere 10 Seiten Arztunterlagen vor. Zur Beantwortung der Beweisfragen 3, 4 und 5 (Bezeichnung und Schweregrad sowie Dauer der Gesundheitsstörungen, Äußerung zur Einstufung des GdB durch den versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten) verwies der Ast jeweils auf eine Begutachtung.
Mit seiner Kostenrechnung vom 28.09.2012 hat der Ast eine Entschädigung von 115,88 EUR (Ausstellung eines Befundscheines oder Erteilung einer schriftlichen Auskunft ohne nähere gutachtliche Äußerung : 75,00 EUR, Schreibgebühren: 3,28 EUR; 30 Kopien: 15,00 EUR; Porto: 4,10 EUR) geltend gemacht, außerdem 18,50 EUR Umsatzsteuer. Die Kostenbeamtin hat diese Entschädigung auf 53,45 EUR gekürzt. Dabei ist sie von einer Leistung nach der Nr. 203 der Anlage 2 zu § 10 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) ausgegangen; hierfür stehe eine Entschädigung von 30,00 EUR zu. Außerdem habe der Ast Anspruch auf Entschädigung für 30 Fotokopien zu je 0,50 EUR, d.s. 20,00 EUR, und des verauslagten Porto von 3,45 EUR. Eine Entschädigung der geltend gemachten Umsatzsteuer komme nicht in Betracht (Verfügung vom 08.10.2012).
Mit dem am 13.11.2012 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 12.11.2012 hat der Ast Antrag auf richterliche Festsetzung seiner Entschädigung gestellt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, aus der Erkrankung des Klägers ergebe sich ein schwieriger Sachverhalt und eine spezifische Fragestellung im zugrunde liegenden Rechtsstreit. Er habe eine Stellungnahme erarbeitet, die aus seiner ärztlichen Sicht nicht gleichzusetzen sei mit der Ziffer 203 JVEG.
Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 15.11.2012) und sie dem erkennenden Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens des Ast wird auf den Inhalt der vorliegenden Prozess- und den der Kostenakte Bezug genommen.
II.
Auf den - nicht fristgebundenen - Antrag auf richterliche Festsetzung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG) ist die Entschädigung des Ast für seine Auskunft als sachverständiger Zeuge 27.09.2012 im Verfahren S 7 SB 1896/12 auf 44,45 EUR festzusetzen.
Der Entschädigungsanspruch des Ast richtet sich allein nach den Bestimmungen des JVEG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 JVEG).
Nach § 10 JVEG („Honorar für besondere Leistungen“) bemisst sich das Honorar oder die Entschädigung eines Sachverständigen oder eines sachverständigen Zeugen, der Leistungen der in der Anlage 2 zum JVEG bezeichneten Art erbringt, nach dieser Anlage. Die insoweit maßgebliche Anlage 2 lautet für die Erstellung eines schriftlichen Befundes wie folgt:
„JVEG Anlage 2 (zu § 10 Abs. 1)
        
Abschnitt 2
        
Befund
        
Honorar in Euro
Nr. 200
Ausstellung eines Befundscheins oder Erstellung einer schriftlichen Auskunft ohne nähere gutachtlicher Äußerung
21,00 
Nr. 201
Die Leistung der in Nr. 200 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich: Das Honorar 200 beträgt
bis zu 44,00
Nr. 202
Zeugnis über einen ärztlichen Befund mit von der heranziehenden Stelle geforderter kurzer gutachtlicher Äußerung oder Formbogengutachten, wenn sich die Fragen auf Vorgeschichte, Angaben und Befund beschränken und nur ein kurzes Gutachten erfordern
38,00 
Nr. 203
Die Leistung der in Nr. 202 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich: Das Honorar 202 beträgt
bis zu 75,00“
10 
Die von der Kostenbeamtin am 08.10.2012 vorgenommene Festsetzung der Entschädigung des Ast für die Erstellung seiner schriftlichen Stellungnahme als sachverständiger Zeuge ist hier danach zu Unrecht nach der Nr. 203 der Anlage 2 zum JVEG erfolgt. Denn seine Aussage enthält - was der Ast in seiner Kostenrechnung vom 28.09.2012 auch einräumt - gerade keine gutachtliche Stellungnahme, sondern allein die Ausstellung eines Befundscheins oder Erstellung einer schriftlichen Auskunft ohne nähere gutachtlicher Äußerung i.S.d. Nr. 200 JVEG, nachdem der Ast die entsprechenden Beweisfragen unter Hinweis auf eine hierfür aus seiner Sicht notwendige Begutachtung gerade nicht beantwortet hat. Überdies ist seine schriftliche Auskunft nicht außergewöhnlich umfangreich im Sinne der Nr. 201 der Anlage 2 zum JVEG. Sie umfasst zwar fünf Blatt Text. Unter Abzug der darin wiederholend angegebenen Beweisfragen des Gerichts und bei Außerachtlassung des „großzügigen Schriftbildes“ reduziert sich der Umfang der Auskunft allerdings auf allenfalls zwei Textseiten. Damit liegt keine außergewöhnlich umfangreiche Leistung vor (vgl. Bay. LSG vom 22.06.2012 - L 15 SF 136/11 - und vom 31.07.2012 - L 15 SF 229/10 - sowie ständige Rechtsprechung der Kammer, zuletzt Beschluss vom 08.10.2012 - S 1 KO 3633/12 - ).
11 
Wie aus dem Wortlaut des Gesetzes hervorgeht, ist nicht nur eine umfangreiche, sondern eine „außergewöhnlich“ umfangreiche Leistung für die höhere Entschädigung zu fordern (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 01.09.2006 - L 12 R 3579/06 KO-A -; st. Rspr. des erkennenden Gerichts, u.a. Beschlüsse vom 27.07.2011 - S 1 KO 3147/11 - und vom 06.10.2011 - S 1 KO 4150/11 -). Eine solche deutlich über den Normalfall hinausgehende Leistung kann naturgemäß nur selten vorliegen (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Anm. 26.27). Maßgebend ist insoweit das Ausmaß der für die Erstellung der Auskunft erforderlichen Arbeit, sofern sie durch die gerichtliche Anforderung gedeckt ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.02.2001 - L 10 SB 50/00 - und Thür. LSG vom 27.02.2008 - L 6 B 134/07 SF -, ferner LSG Schleswig-Holstein vom 10.12.2008 - L 1 SK 14/08 - ). Der Arbeitsaufwand orientiert sich regelmäßig an Art und Umfang der Beschreibung sowie u.a. danach, ob neben den eigenen Unterlagen auch Unterlagen anderer Ärzte ausgewertet worden sind. Ein „außergewöhnlicher“ Umfang der Leistung nach Anlage 2 Nr. 200/202 zu § 10 Abs. 1 JVEG muss mit anderen Worten im Umfang und Ausmaß über den sonst mit der Erstellung eines ärztlichen Befundes und der Abgabe einer kurzen gutachterlichen Äußerung üblicherweise verbundenen Aufwand deutlich hinaus gehen. Er umfasst regelmäßig eine ins Einzelne gehende Darlegung der Krankheitsgeschichte mit detaillierter Angabe zu den erhobenen Befunden und die inhaltliche Zusammenstellung der dem Arzt vorliegenden Untersuchungsberichte.
12 
Gemessen daran stellt die schriftliche Auskunft des Ast vom 27.09.2012 keine Leistung nach der Nr. 203 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG dar. Denn sie ist unter Beachtung der obigen Ausführungen trotz ihrer 5 Blatt nicht einmal umfangreich und geht erst recht nicht - wie erforderlich - deutlich über den Normalfall hinaus. Für die von ihm erbrachte Leistung steht dem Ast mithin eine Vergütung von 21,00 EUR zu.
13 
Hinzu kommt die Entschädigung des Ast für zwei Mehrfertigungen seiner schriftlichen Auskunft, mithin zehn Seiten, sowie für die von ihm angefertigten und vorgelegten 3 x 10 = 30 Fotokopien (§ 7 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 3 JVEG) in Höhe von insgesamt 20,00 EUR. Schließlich hat der Ast Anspruch auf Entschädigung des von ihm verauslagten Portos in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 3,45 EUR (§ 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 3 JVEG). Für diesen Betrag hat er seinen Briefumschlag mit Briefmarken versehen.
14 
Eine - wie geltend gemacht - Entschädigung für Schreibgebühren ist ebenfalls nicht festzusetzen. Denn Schreibgebühren für das Anfertigen des Originals der schriftlichen Auskunft sind bereits mit der Entschädigung nach den Nrn. 200 bis 203 der Anlage 2 zum JVEG abgegolten (vgl. BSG SozR 1925 § 8 Nr. 1 und BSG SozR 3-1925 § 5 Nr. 1; OLG Celle, JurBüro 2005, 374; OLG Oldenburg, JurBüro 2009, 205 sowie Meyer/Höver/Bach, a.a.O., Anm. 26.24).
15 
Eine Entschädigung für Umsatzsteuer aus dem Gesamtbetrag vom 44,45 EUR steht dem Ast nicht zu, denn seine mit der schriftlichen Auskunft vom 27.09.2012 erbrachte Leistung nach der Nr. 200 der Anl. 2 zu § 10 JVEG ist nicht umsatzsteuerpflichtig (vgl. BSG vom 02.10.2008 - B 9 SB 7/07 R - sowie Meyer/Höver/Bach, a.a.O., Anm. 26.20 m.w.N.), weil der Ast nur eine Entschädigung „wie ein Zeuge“ beanspruchen kann, mithin § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG hier keine Anwendung findet.
16 
Die Gesamtentschädigung des Ast ist deshalb auf 44,45 EUR festzusetzen.
17 
Bei dieser richterlichen Festsetzung seiner Entschädigung tritt eine irgendwie geartete Bindung oder gar Präjudizwirkung der Entscheidung der Kostenbeamtin nicht ein. Denn die richterliche Festsetzung ist keine Abänderung der von der Kostenbeamtin vorgenommenen Berechnung, sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung der Entschädigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG, durch die eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg gegenstandslos wird (vgl. Bay. LSG vom 08.01.2007 - L 4 KR 42/05 ZVW.Ko sowie BGH, Breithaupt 1969, 364, 365). Deshalb greift das Verbot der „reformatio in peius“ bei einer gegenüber der von der Kostenbeamtin berechneten Entschädigung niedrigeren Festsetzung nicht ein (vgl. u.a. LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1995, 169, 170; LSG Nordrhein-Westfalen, Breithaupt 2001, 402, 403; LSG Schleswig-Holstein vom 10.12.2008 - L 1 SK 14/08 -; Thür. LSG vom 03.11.2008 - L 6 SF 48/08 -, vom 08.09.2009 - L 6 SF 49/09 - und vom 26.03.2012 - L 6 SF 132/12 E -, ferner Bay. LSG vom 17.07.2012 - L 15 SF 29/12 - und vom 31.07.2012 - L 15 SF 229/10 - ). Von der Rückforderung der sonach erfolgten Überzahlung von 9,00 EUR sieht das Gericht allein aus Kostengründen ab.
18 
Die Gebühren- und Auslagenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 Sätze 1 und 2 JVEG.
19 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 200,00 EUR nicht übersteigt (§ 4 Abs. 3 JVEG).

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