Beschluss vom Sozialgericht Karlsruhe - S 3 U 3821/16

Tenor

Rentenberater X wird als Bevollmächtigter des Klägers im Verfahren S 3 U 3821/16 zurückgewiesen.

Gründe

 
I.
Der beklagte Unfallversicherungsträger bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2016 wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. unter Berücksichtigung der im Bescheid aufgeführten Unfallfolgen. Im Bescheid wird außerdem ausgeführt, subjektiv empfundene Gedächtnis-, Merkfähigkeits- und Konzentrationseinschränkungen bestünden beim Kläger unabhängig vom Arbeitsunfall.
Am 8. November 2016 erhob der Rentenberater X als Bevollmächtigter des Klägers Klage mit dem Antrag, die im Bescheid vom 10. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2016 getroffene Feststellung, subjektiv empfundene Gedächtnis-, Merkfähigkeits- und Konzentrationseinschränkungen lägen unabhängig von dem Arbeitsunfall vor, aufzuheben und diese Störungen als Folge des Arbeitsunfalls vom 24. Februar 2012 festzustellen. Zur Begründung führte er aus, die Klage richte sich ausschließlich gegen die Feststellung in den angegriffenen Bescheiden, die subjektiv empfundenen Gedächtnis-, Merkfähigkeits- und Konzentrationseinschränkungen seien nicht unfallbedingt. Mit der Klage verfolge er das Ziel, diese als Folge des Arbeitsunfalls festzustellen. Mit weiterem Schriftsatz trug er vor, er halte die von der Beklagten festgestellte MdE von 30 v.H. im gegenwärtigen Zeitpunkt für angemessen.
Rentenberater X ist im Rechtsdienstleistungsregister unter dem Aktenzeichen beim Landgericht Stuttgart für den Bereich der Rentenberatung registriert. Er ist als „registrierter Erlaubnisinhaber“ nach § 73 Abs. 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) a.F. in Verbindung mit § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) a.F. für das mündliche Verhandeln auf den Gebieten der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, u.a. vor dem Sozialgericht Karlsruhe, zugelassen.
Mit Verfügung vom 19. Dezember 2016 hat die Kammer Rentenberater X auf ihre Absicht hingewiesen, ihn als Bevollmächtigten des Klägers nach § 73 Abs. 3 SGG zurückzuweisen, weil seine Zulassung als Rentenberater das Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung nicht umfasse, jedenfalls der erforderliche Bezug zu einer Verletztenrente nicht erkennbar sei. Zugleich hat die Kammer Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt. Von dieser Möglichkeit hat Rentenberater X innerhalb der gesetzten Frist Gebrauch gemacht (Schriftsatz vom 27. Dezember 2016).
II.
Die Kammer weist den Bevollmächtigten des Klägers, Rentenberater X, gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 SGG im Verfahren S 3 U 3821/16 zurück, weil er nicht nach Maßgabe des § 73 Abs. 2 SGG vertretungsbefugt ist.
1. Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht den Rechtsstreit entweder selbst führen (§ 73 Abs. 1 SGG) oder sich durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 73 Abs. 2 Satz 1 SGG). Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Sozialgericht vertretungsbefugt nur die in § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG im Einzelnen aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Vereinigungen, Gewerkschaften sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände. Bevollmächtigte, die keine natürliche Personen sind, handeln durch ihre Organe und ihre mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreterinnen und Vertreter (§ 73 Abs. 2 Satz 3 SGG). § 73 Abs. 2 SGG enthält eine abschließende Aufzählung des Kreises der Vertretungsberechtigten (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 73, Rn. 6). Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück (§ 73 Abs. 3 Satz 1 SGG).
2. Ausgehend hiervon ist Rentenberater X als Bevollmächtigter des Klägers zurückzuweisen, weil er nicht über eine Vertretungsbefugnis nach § 73 Abs. 2 SGG verfügt. Eine - hier allein in Betracht kommende - Befugnis zur gerichtlichen Vertretung des Klägers nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG besteht mangels konkreten Rentenbezugs des Rechtsstreits nicht. Auf die Zulassung nach § 73 Abs. 6 SGG a.F. in Verbindung mit § 157 Abs. 3 ZPO a.F kommt es nicht an, weil sie das Unfallversicherungsrecht nicht umfasst (§ 3 Abs. 2 RDG).
a) Nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG sind als Bevollmächtigte vor dem Sozialgericht Rentenberater nur im Umfang ihrer Befugnisse nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vertretungsbefugt. Danach dürfen natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die - wie Rentenberater X - bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), aufgrund besonderer Sachkunde Rentenberatung auf dem Gebiet der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, des sozialen Entschädigungsrechts, des übrigen Sozialversicherung- und Schwerbehindertenrechts mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente sowie der betrieblichen und berufsständischen Versorgung erbringen.
aa) Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG muss bei der Beratung/Vertretung stets ein konkreter Bezug zu einer gesetzlichen Rente bestehen (vgl. Siegmund in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 10 RDG Rn. 66; für das Gebiet des Schwerbehindertenrechts: BSG SozR 4-1200 § 66 Nr. 7, Rn. 13; LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 17. Februar 2016 - L 6 SB 2326/15 -, vom 4. April 2016 - L 6 VS 307/15 - und vom 11. August 2016 - L 6 U 3765/15 - sowie Köhler, SGb 2009, 441, 444 m.w.N.). Hierauf weist ebenfalls der Entwurf des Gesetzes der Bundesregierung zur Neuregelung des RBerG vom 30. November 2006 hin, wonach die Beratungs- und Vertretungsbefugnis der Rentenberaterinnen und Rentenberater auch künftig stets einen Bezug zu einer der im Entwurf genannten Rentenformen voraussetzt (vgl. BT-Drucks 16/3655, S. 64).
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bb) Soweit der Vortrag von Rentenberater X im Schriftsatz vom 27. Dezember 2016, nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG dürfe aufgrund besonderer Sachkunde „Rentenberatung auf dem Gebiet der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, …“ (der Passus „mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente“ wird nicht zitiert) erbracht werden, und er sei registrierter Erlaubnisinhaber mit Zulassung ohne Einschränkung, dahingehend zu verstehen ist, dass seine Berechtigung zum Auftreten vor dem Sozialgericht auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung allumfassend sei, insbesondere keinen konkreten Bezug zu einer gesetzlichen Rente voraussetze, ist dies weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch mit den zitierten Gesetzesmaterialien vereinbar. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass sich der Zusatz „mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente“ in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG auf sämtliche dort aufgeführten Gebiete des Sozialrechts erstreckt (vgl. BTDrucks 16/6355, S. 64: „Die Beratungs- und Vertretungsbefugnis der Rentenberater setzt damit auch künftig stets einen Bezug zu einer der genannten Rentenformen voraus. Ausgangs- und Endpunkt der Rentenberatung bleibt die Rente.“).
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Anderes ergibt sich - zumindest für den vorliegenden Fall - nach Auffassung der Kammer auch nicht daraus, dass sich die Tätigkeit der Rentenberater auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung nach der Gesetzesbegründung auf die „nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch zu gewährenden Leistungen an Versicherte und Hinterbliebene, insbesondere die im Dritten Kapitel geregelten Unfallrenten, aber auch sonstige Leistungen nach dem Versicherungsfall“ (vgl. BTDrucks 16/6355, S. 64) bezieht. Denn dies ist nicht als Verzicht auf das Erfordernis eines konkreten Rentenbezugs zu verstehen, wie im selben Absatz der Gesetzesbegründung mit der Formulierung „Ausgangs- und Endpunkt der Rentenberatung bleibt die Rente“ klargestellt wird. Unabhängig hiervon ergäbe sich für Rentenberater X hieraus schon deswegen keine Vertretungsbefugnis, weil zwischen den Beteiligten keine konkrete nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch zu gewährende Leistung an Versicherte und Hinterbliebene im Streit steht, sondern die Feststellung von Unfallfolgen.
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b) Ein hinreichender Bezug zu einer gesetzlichen Rente ist für die von Rentenberater X namens des Klägers erhobene Klage auf Feststellung von Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalls nicht zu erkennen. Hierfür genügt nicht, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden über die Gewährung einer Verletztenrente entschieden hat, wenn der Kläger - wie vorliegend - diese nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht hat.
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aa) Die namens des Klägers von Rentenberater X erhobene Klage betrifft nicht die Rente, sondern allein die Feststellung von Unfallfolgen. Er hat weder ausdrücklich mit seinem Klageantrag eine Abänderung der gewährten Rente beantragt noch im Übrigen Beginn, Dauer oder Höhe der Rente beanstandet. Die Darlegung von Rentenberater X im Schriftsatz vom 27. Dezember 2016, die Feststellung der Unfallfolgen habe Auswirkungen auf die Bemessung der MdE und damit wiederum auf die Höhe der gesetzlichen Rente, ändert hieran nichts. Denn den Klageantrag hat er nicht abgeändert und ist auch nicht von seinem früheren Vortrag abgerückt, er sei mit der Höhe der Rente einverstanden.
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bb) Ein für die Vertretungsbefugnis hinreichender Rentenbezug besteht für die Kammer nicht allein deswegen, weil sich die vom Kläger begehrte Feststellung von Unfallfolgen zu einem von ihm nicht genannten und auch nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt auf den Rentenanspruch oder einen anderweitigen Leistungsanspruch wegen des Versicherungsfalls auswirken kann.
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Nach § 56 Abs. 1 SGB VII sind zwar die durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschäden und die sich hieraus ergebende Minderung der Erwerbsfähigkeit maßgebend für Grund und Höhe eines Anspruchs auf Verletztenrente. Im Hinblick hierauf hat der Gesetzgeber mit § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die Möglichkeit eröffnet, isoliert, d.h. unabhängig von einer auf Leistungen ausgerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, feststellen zu lassen, ob eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalls ist. Die damit ausnahmsweise zugelassene Elementenfeststellungsklage setzt allein voraus, dass ein Leistungsanspruch aufgrund der zur Feststellung als Unfallfolge begehrten Gesundheitsstörung zukünftig nicht ausgeschlossen ist (vgl. BSG SozR 3-1500 § 55 Nr. 18), was bei nicht unerheblichen Erkrankungen praktisch immer der Fall ist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 55, Rn. 13).
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Dieser grundsätzliche Zusammenhang begründet jedoch nicht ohne weiteres den im Rahmen von § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG geforderten konkreten Rentenbezug. Bei der Frage, wann eine Klage auf isolierte Feststellung eines Elements des Rentenanspruchs so eng mit dem eigentlichen Rentenanspruch verbunden ist, dass der Kläger sich von einem Rentenberater gerichtlich vertreten lassen kann, berücksichtigt die Kammer die Rechtsprechung zur Vertretungsbefugnis von Rentenberatern im Bereich des Schwerbehindertenrechts. Dort wird für die Vertretungsbefugnis eines Rentenberaters ein konkreter Bezug der Feststellung einer - rentenberechtigenden - Schwerbehinderung nur dann angenommen, wenn der/die Vertretene in zeitlichem Zusammenhang zum Schwerbehindertenverfahren auch beabsichtigt, eine gesetzliche Rente in Anspruch zu nehmen, welche gerade die Schwerbehinderteneigenschaft voraussetzt (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. November 2012 - L 8 SB 2721/12 -, juris Rn. 14; Sozialgericht Karlsruhe, Beschluss vom 14. September 2016 - S 1 SB 2294/16 -, juris Rn. 19). Ein länger als drei Jahre umfassender Zeitraum reicht allerdings nicht (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. November 2012 - L 8 SB 2721/12 -, juris Rn. 14). Damit ist im Gegenschluss davon auszugehen, dass ein konkreter Zusammenhang der Feststellung eines Elementes des Rentenanspruchs - hier: einer Unfallfolge - mit dem Rentenanspruch nicht gegeben ist, wenn ein Antrag im Zusammenhang mit der Verletztenrente nicht innerhalb eines konkreten Zeitraums beabsichtigt ist.
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Ein solcher zeitlicher Zusammenhang der Feststellung der Gedächtnis-, Merkfähigkeits- und Konzentrationseinschränkungen als Unfallfolge mit einer Erhöhung der bereits gewährten Rente ist nicht vorgetragen und auch im Übrigen nicht feststellbar. Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob bei der Klage auf Feststellung von Unfallfolgen ebenfalls ein Zeitraum von drei Jahren maßgebend ist. Denn der Kläger hat eine konkrete Absicht, zeitnah oder auch nur überhaupt nach der Feststellung seiner kognitiven Einschränkungen als Unfallfolge eine Leistungsklage zu betreiben, nicht geäußert. Die Kammer verkennt nicht, dass die weitere Entwicklung der streitigen Gesundheitsstörung des Klägers, insbesondere eine zur Erhöhung des Rentenanspruchs führende Verschlimmerung, nicht ohne weiteres zeitlich absehbar ist und er deshalb zur Vermeidung von Beweisproblemen zeitnah zum Unfall die Feststellung nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG betreibt, ohne zugleich die Höhe der Verletztenrente anzugreifen. Diese ihm gesetzlich eingeräumte prozessuale Möglichkeit muss aber nicht zugleich mit der Möglichkeit einhergehen, sich vor Gericht durch einen Rentenberater vertreten zu lassen, wenn ein konkreter Zusammenhang mit der Rente nicht festgestellt werden kann.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 73 Abs. 3 Satz 1 SGG).

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