Urteil vom Sozialgericht Mainz (3. Kammer) - S 3 KR 255/14

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Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 verurteilt, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 zu zahlen, soweit der Anspruch nicht durch Auszahlung von Leistungen durch den Beigeladenen für den gleichen Zeitraum gemäß § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt gilt.

2. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Krankengeld.

2

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte, 1985 geborene Klägerin war als Service- und Thekenkraft in einem Eiscafé abhängig beschäftigt. Zum 30.09.2013 wurde das Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig gekündigt.

3

Am 30.09.2013 wurde bei der Klägerin durch die Gemeinschaftspraxis Dres…, Ärzte für Allgemeinmedizin, unter Verwendung des von den Krankenkassen hierfür vorgesehenen Formulars im Wege einer so genannten Erstbescheinigung Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Als maßgebliche Diagnose wurde der ICD-10-Code N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) genannt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 06.10.2013 arbeitsunfähig sein werde.

4

Am 06.10.2013 wurde durch die Gemeinschaftspraxis Dr. … eine „Folgebescheinigung“ ausgestellt. Als maßgebliche Diagnose wurde der ICD-10-Code G56.0 V (Verdacht auf Karpaltunnel-Syndrom) genannt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 11.10.2013 arbeitsunfähig sein werde.

5

Am 11.10.2013 wurde durch die Gemeinschaftspraxis Dr. … bei gleichbleibender Diagnose eine weitere Folgebescheinigung ausgestellt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 28.10.2013 arbeitsunfähig sein werde.

6

Am 29.10.2013 wurde durch die Gemeinschaftspraxis Dr. … bei gleichbleibender Diagnose eine weitere Folgebescheinigung ausgestellt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 04.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

7

In einem „Auszahlschein“ vom 04.11.2013 bestätigte die Praxis Dr. …, dass noch Arbeitsunfähigkeit gegeben sei. Neben der bereits bekannten Diagnose G56.0 V wurde die Diagnose M54.4 G (Lumboischialgie, gesichert) angegeben. Die Frage, bis wann voraussichtlich Arbeitsunfähigkeit bestehen werde, wurde nicht beantwortet. Der nächste geplante Praxisbesuch wurde für den 08.11.2013 angegeben.

8

Eine weitere Folgebescheinigung wurde am 07.11.2013 durch die Praxis Dres. auf Grund der Diagnose M15.9 (Polyarthrose, nicht näher bezeichnet) ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 30.09.2013 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 15.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

9

Die Klägerin befand sich vom 11.11.2013 bis zum 15.11.2013 in akutstationärer Behandlung im Krankenhaus …, vom 03.12.2013 bis zum 06.12.2013 sowie vom 23.12.2013 bis zum 24.12.2013 in akutstationärer Behandlung im Krankenhaus der und vom 25.12.2013 bis zum 29.12.2013 in akutstationärer Behandlung im Diakonie-Krankenhaus ….

10

Eine weitere Erstbescheinigung wurde am 15.11.2013 durch den Arzt für Urologie Dr. … auf Grund der Diagnose N20.1 (Ureterstein) ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 11.11.2013 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 17.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

11

Dr. ... stellte am 18.11.2013 eine Folgebescheinigung auf Grund der Diagnose R10.4 G (Sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen, gesichert) aus. Hierbei wurde der Beginn der Arbeitsunfähigkeit (wohl versehentlich) auf den 18.11.2013 datiert und als Feststellungsdatum der 11.11.2013 genannt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 22.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

12

Mit Schreiben vom 18.11.2013 beabsichtigte die Beklagte der Klägerin mitzuteilen, dass sie seit dem 30.09.2013 arbeitsunfähig erkrankt sei und von der Beklagten Krankengeld erhalte. Da das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin zum 30.09.2013 geendet habe, werde ihre Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung auf Grund des Krankengeldbezugs aufrechterhalten. Für das Weiterbestehen der Mitgliedschaft sei es unerlässlich, dass die Arbeitsunfähigkeit durchgehend attestiert und nachgewiesen werde. Eine Nachweislücke würde zum Verlust Krankenversicherungsschutzes bzw. zur Notwendigkeit einer Weiterversicherung ohne Krankengeldanspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) führen. Der Gesetzgeber sehe vor, dass der Arzt spätestens am letzten Tag der aktuellen Arbeitsunfähigkeit deren weitere Dauer bescheinigt. Sollte die Arbeitsunfähigkeit erst später ärztlich festgestellt werden, entfalle die Mitgliedschaft und damit auch der Krankengeldanspruch. Wenn auf dem Auszahlschein im Feld „voraussichtlich bis“ ein konkretes Datum angegeben sei, sei ein Nachweis der lückenlosen Arbeitsunfähigkeit möglich und der Versicherungsschutz bestehe unverändert mit allen Vorteilen für die Klägerin fort. Die Klägerin wird abschließend darum gebeten, beim Ausfüllen durch ihren Arzt darauf zu achten, „damit eine reibungslose Krankengeldzahlung möglich“ sei.

13

Die Klägerin bestreitet den Zugang dieses Schreibens.

14

Mit Schreiben vom 19.11.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie der Klägerin Krankengeld in Höhe von 1.183,88 Euro für die Zeit bis zum 04.11.2013 überweisen habe. Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, nach der gegen diesen Bescheid Widerspruch erhoben werden könne. Entsprechende Schreiben erfolgten am 02.12.2013 bezogen auf den Zeitraum vom 05.11.2013 bis zum 02.12.2013 in Höhe von 942,10 Euro, am 06.01.2014 bezogen auf den Zeitraum vom 03.12.2013 bis zum 30.12.2013 in Höhe von 960,12 Euro und am 29.01.2014 bezogen auf den Zeitraum vom 31.12.2013 bis zum 19.01.2014 in Höhe von 651,51 Euro.

15

Dr. … stellte am 21.11.2013 eine weitere Folgebescheinigung auf Grund der Diagnose N20.0 (Nierenstein) aus. Hierbei datierte er den Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf den 11.11.2013. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 29.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

16

Dr. … stellte am 28.11.2013 eine weitere Folgebescheinigung auf Grund der Diagnose N20.0 G (Nierenstein, gesichert) aus. Hierbei datierte er den Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf den 21.11.2013. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 03.12.2013 arbeitsunfähig sein werde.

17

In einem Auszahlschein vom 02.12.2013 gab Dr. … an, dass die Klägerin sich zuletzt am 21.11.2013 vorgestellt habe, weiterhin voraussichtlich bis zum 03.12.2013 arbeitsunfähig sei. Als Diagnose gab er Nieren- und Ureterstein an.

18

Am 06.12.2013 stellte das Krankenhaus der … eine weitere Erstbescheinigung aus. Hierbei wurde angegeben, dass die Klägerin seit dem 03.12.2013 arbeitsunfähig sei. An Stelle der vorgesehenen Angabe eines Datums für das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit wurde lediglich der Begriff „stationär“ eingetragen.

19

Dr. … stellte am 09.12.2013 eine weitere Folgebescheinigung auf Grund der Diagnose N20.0 (Nierenstein) aus. Hierbei datierte er den Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf den 11.11.2013. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 22.12.2013 arbeitsunfähig sein werde.

20

Am 26.12.2013 stellte das Urologische Zentrum … eine Folgebescheinigung auf Grund der Diagnosen N20.1 (Ureterstein) und N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) aus. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 31.12.2013 arbeitsunfähig sein werde.

21

In einem weiteren Auszahlschein vom 30.12.2013 gab Dr. … an, dass die Klägerin sich zuletzt am 30.12.2013 vorgestellt habe, weiterhin voraussichtlich bis zum 13.01.2014 arbeitsunfähig sei. Als Diagnose gab er N20.0 (Nierenstein) an.

22

Eine weitere Erstbescheinigung wurde am 30.12.2013 durch die Praxis Dres. ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 30.12.2013 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 13.01.2014 arbeitsunfähig sein werde.

23

Eine weitere Erstbescheinigung wurde am 13.01.2014 durch die Praxis … auf Grund der Diagnosen I73.0 V B (Verdacht auf Raynaud-Syndrom, beidseits), L40.9 V B(Verdacht auf Psoriasis, nicht näher bezeichnet, beidseits), M13.0 V B(Verdacht auf Polyarthritis, nicht näher bezeichnet, beidseits), F48.0 G (Neurasthenie, gesichert) und N20.0 Z R (Zustand nach Nierenstein rechts) ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 13.01.2014 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 19.01.2014 arbeitsunfähig sein werde.

24

Am 20.01.2014 stellte die Praxis … eine Folgebescheinigung auf Grund der gleichen Diagnosen aus. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 31.01.2014 arbeitsunfähig sein werde.

25

Am 28.01.2014 stellte die Praxis … einen Auszahlschein aus und teilte hierin mit, dass Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis auf weiteres bestehe. Der nächste Praxisbesuch sei für den 30.01.2014 geplant. Als maßgebliche Diagnosen werden Zustand nach Nierenstein rechts, Verdacht auf Raynaud-Syndrom, Verdacht auf Psoriasis, Verdacht auf Polyarthritis und Erschöpfungssyndrom genannt.

26

Die Beklagte holte eine Stellungnahme beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz ein. Diese wurde am 28.01.2014 durch die beratende Ärztin Frau Dr. … nach telefonischer Rücksprache mit Dr. … abgegeben. Nach Einschätzung von Frau Dr. … sei die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nachvollziehbar. Die Handgelenke schmerzten, Gegenstände würden aus den Händen fallen gelassen, es bestehe Morgensteifheit. Es bestehe nicht der Eindruck, dass die Klägerin aggravieren würde.

27

Mit Bescheid vom 24.01.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Krankengeld nur bis zum 19.01.2014 gezahlt werden könne. Voraussetzung für den Bezug von Krankengeld sei, dass die Klägerin sich regelmäßig in ärztlicher Behandlung befinde und die Arbeitsunfähigkeit nahtlos nachgewiesen werde und eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld bestehe. Schriftlich sei die Klägerin hierüber am 18.11.2013 aufgeklärt worden. Die der Beklagten vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wiesen eine zeitliche Lücke auf. Es liege eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 19.01.2014 vor. Die neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei jedoch erst am 20.01.2014 von Dr. … ausgestellt worden. Somit sei die Arbeitsunfähigkeit lediglich bis 19.01.2014 durchgehend nachgewiesen. Damit der Anspruch auf Krankengeld fortbestehe, hätte die Klägerin sich bis spätestens am 19.01.2014 wieder beim Arzt vorstellen und die weitere Arbeitsunfähigkeit nachweisen müssen. Da der 19.01.2014 ein Sonntag gewesen sei, hätte dies am letzten Arbeitstag vor dem 19.01.2014 geschehen müssen. Dies sei nicht geschehen.

28

Mit Bescheid vom 29.01.2014 bewilligte das beigeladene Jobcenter Bad Kreuznach der Klägerin Arbeitslosengeld II in Höhe von 161,78 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 30.06.2014. Dem Ehemann der Klägerin wurde mit dem gleichen Bescheid ebenfalls Arbeitslosengeld II bewilligt.

29

Die Praxis … stellte am 31.01.2014 eine Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit auf Grund der Diagnosen I73.0 V B (Verdacht auf Raynaud-Syndrom, beidseits), L40.9 V B(Verdacht auf Psoriasis, nicht näher bezeichnet, beidseits), M13.0 V B(Verdacht auf Polyarthritis, nicht näher bezeichnet, beidseits), F48.0 G (Neurasthenie, gesichert) und N20.0 Z R (Zustand nach Nierenstein rechts), F41.1 G (Generalisierte Angststörung, gesichert) und F41.9 V (Verdacht auf Angststörung, nicht näher bezeichnet) aus. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 10.02.2014 arbeitsunfähig sein werde.

30

Ebenfalls mit Datum vom 31.01.2014 attestierte die Praxis … dass die Klägerin sich seit dem 13.01.20014 in ärztlicher Behandlung in der Praxis befinde. Sie sei wegen der Diagnosen Raynaud-Syndrom, Psoriasis, Polyarthritis (nicht näher bezeichnet), Psychovegetative Erschöpfung und Nierenstein fortlaufend krankgeschrieben. Aus Sicht des Arztes bestehe seit dem 13.01.2014 eine lückenlos dokumentierte Arbeitsunfähigkeit.

31

Mit Schreiben vom 07.02.2014 (Eingang 10.02.2014) wandte sich die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten gegen die Ablehnung der weiteren Gewährung von Krankengeld durch die Beklagte. Zur Begründung führte sie aus, dass sie durchgehend krankgeschrieben gewesen sei. Ein Arztbesuch am 19.01.2014 wäre überhaupt nicht möglich gewesen, da dies ein Sonntag gewesen sei. Es sei daher völlig ausreichend, dass sie erst am darauffolgenden ersten Werktag der folgenden Woche den Arzt aufgesucht habe. Es handele sich immerhin um exakt die gleiche Erkrankung, wegen der die Klägerin schon längere Zeit krankgeschrieben gewesen sei.

32

Vom 10.02.2014 bis zum 21.02.2014 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung im … Rheumazentrum ….

33

Mit Schreiben vom 20.02.2014 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass sie die durchgehende Arbeitsunfähigkeit nicht angezweifelt habe. Vielmehr gehe es hier um den Anspruch auf Krankengeld. Ab wann der Anspruch auf Krankgengeld bestehe sei im § 46 SGB V in Verbindung mit § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V geregelt. Dazu sei bereits mehrfach Rechtsprechung ergangen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 19/11 R). Entscheidend sei, dass der Krankengeldanspruch immer von der Feststellung der (weiteren) Arbeitsunfähigkeit abhängig sei.

34

Die Praxis … stellte am 21.02.2014 eine „Folgebescheinigung“ aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 21.02.2014 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 05.03.2014 arbeitsunfähig sein werde.

35

Die Praxis … stellte am 13.03.2014 eine weitere Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit auf Grund der Diagnosen F41.9 V (Verdacht auf Angststörung, nicht näher bezeichnet), M13.0 V B (Verdacht auf Polyarthritis, nicht näher bezeichnet, beidseits) und F48.0 G (Neurasthenie, gesichert) aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 01.04.2014 arbeitsunfähig sein werde.

36

Die Praxis … stellte am 01.04.2014 auf Grund der Diagnosen F43.2 G (Anpassungsstörungen, gesichert), G56.0 G B (Karpaltunnelsyndrom beidseits, gesichert) und I73.0 (Raynaud-Syndrom, gesichert) eine weitere Folgebescheinigung aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 14.04.2014 arbeitsunfähig sein werde.

37

Mit Änderungsbescheid vom 07.04.2014 erhöhte der Beigeladene die Leistung von Arbeitslosengeld II u.a. auf Grund der Beendigung der Krankengeldzahlungen durch die Beklagte für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 auf insgesamt 350,37 Euro, für die Zeit vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 auf 646,12 Euro monatlich, für die Zeit vom 01.04.2014 bis zum 30.04.2014 auf 616,12 Euro und für die Zeit vom 01.05.2014 bis zum 30.06.2014 auf 221,12 Euro monatlich.

38

Die Praxis … stellte am 14.04.2014 auf Grund der Diagnosen F43.2 G (Anpassungsstörungen, gesichert), G56.0 G B (Karpaltunnelsyndrom beidseits, gesichert) und I73.0 (Raynaud-Syndrom, gesichert) eine weitere Folgebescheinigung aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde auch hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 23.04.2014 arbeitsunfähig sein werde.

39

Die Praxis … stellte am 22.04.2014 auf Grund der gleichen Diagnosen eine weitere Folgebescheinigung aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde auch hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 28.04.2014 arbeitsunfähig sein werde.

40

Die Praxis … stellte am 28.04.2014 auf Grund der gleichen Diagnosen eine weitere Folgebescheinigung aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde auch hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 09.05.2014 arbeitsunfähig sein werde.

41

Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme beim MDK Rheinland-Pfalz ein. Die Stellungnahme erfolgte am 28.04.2014 durch die beratende Ärztin Frau Dr. … nach telefonischer Rücksprache mit Dr. ... . Frau Dr. … teilte mit, dass sie die Arbeitsunfähigkeit nachvollziehen und akzeptieren könne. Die Klägerin habe viele Schmerzen und keine Kraft in den Händen. Die Diagnose und auch die Kündigung hätten den seelischen Zustand der Klägerin schon massiv belastet. Die Klägerin könne die Arbeit als Servicekraft auf keinen Fall weiterhin ausüben. Auch eine Arbeit als „Putzfrau“ seit mit diesen Erkrankungen nicht möglich. Für die Zeit ab dem 10.05.2014 habe die Klägerin ein positives Leistungsbild für leichte körperliche Arbeit ohne schweres Heben und Tragen, ohne besondere Belastungen für die Hände, ohne Arbeiten in Kälte, Nässe und Zugluft, ohne Arbeiten mit hautreizenden Stoffen.

42

Mit einem mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 05.05.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der MDK in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 28.04.2014 zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Klägerin ab dem 10.05.2014 dazu in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne besondere Belastungen für die Hände, ohne Arbeiten in Kälte, Zugluft oder Nässe und ohne Arbeit mit hautreizenden Stoffen auszuüben. Mit diesem Leistungsbild stehe die Klägerin der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Ihre Arbeitsunfähigkeit ende daher am 09.05.2014. Arbeitsunfähigkeit sei Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld. Für den Fall, dass im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens Krankengeld über den 19.01.2014 hinaus zu zahlen sei, endete der Anspruch auf Krankengeld mit dem 09.05.2014.

43

Gegen das Schreiben vom 05.05.2014 erhob die Klägerin keinen Widerspruch.

44

Mit einem Änderungsbescheid vom 13.05.2014 erhöhte der Beigeladene die Leistung von Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.04.bis zum 30.04.2014 auf 646,12 Euro.

45

Mit Bescheid vom 19.05.2014 hob der Beigeladene die Leistungsbewilligung gegenüber der Klägerin mit Wirkung zum 01.06.2014 auf.

46

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2014 wies die Beklagte den Widerspruch sinngemäß zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass Versicherte nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankengeld hätten, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig mache oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt würden. Der Anspruch auf Krankengeld entstehe nach § 46 SGB V bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge. Voraussetzung für die Zahlung von Krankengeld sei weiterhin, dass ein Krankenversicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld bestehe. Ende die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger (hier durch Abmeldung wegen Endes des Arbeitsverhältnisses), bleibe die Mitgliedschaft solange erhalten, wie Anspruch auf Krankengeld bestehe oder Krankengeld bezogen werde. Dazu sei bereits mehrfach Rechtsprechung ergangen, zuletzt am 10.05.2012 durch das Bundessozialgericht (BSG). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe am 30.09.2013 geendet. Damit habe grundsätzlich auch die Mitgliedschaft und der Krankenversicherungsschutz geendet. Dieser sei durch die bis zum 19.01.2014 nachgewiesene Arbeitsunfähigkeit und dem hiermit verbundenen Krankengeldanspruch aufrechterhalten worden. Die weitere Arbeitsunfähigkeit sei erst am 20.01.2014 erneut festgestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe kein Krankenversicherungsschutz nach § 192 SGB V mehr bestanden. Ein Anspruch aus Krankengeld aus dem beendeten Arbeitsverhältnis habe ab dem 20.01.2014 nicht mehr bestanden. Dazu hätte die weitere Arbeitsunfähigkeit bis spätestens 19.01.2014 festgestellt und nachgewiesen werden müssen. Das sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Ein Anspruch auf Krankengeld im Rahmen des so genannten nachgehenden Leistungsanspruchs nach § 19 Abs. 1 SGB V bestehe nicht, da die Klägerin ab dem 01.01.2014 durch den Bezug von Arbeitslosengeld II krankenversichert sei. Dieser Versicherungsschutz beinhalte keinen Krankengeldanspruch.

47

Die Klägerin hat am 05.06.2014 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie seit dem 30.09.2013 arbeitsunfähig gewesen sei und dies derzeit immer noch sei. Sie sei demzufolge dauerhaft krankgeschrieben und habe auch fortlaufend Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Der 19.01.2014 sei ein Sonntag gewesen. Es sei der Klägerin nicht bekannt gewesen, dass sie spätestens am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit einen Arzt aufsuchen müsse, um eine Folgebescheinigung zu erlangen. Sie sei der Annahme gewesen, dass es genüge, wenn sie dies am folgenden Werktag tue, da Arztpraxen in der Regel an Wochenenden nicht geöffnet seien. Das von der Beklagten erwähnte Schreiben vom 18.11.2013 habe die Klägerin nicht erhalten, weshalb sie auch nicht gewusst habe, dass sie noch am letzten Tag der Erstbescheinigung, der ausgerechnet ein Sonntag gewesen sei, noch einen Arzt bzw. ein Krankenhaus hätte aufsuchen müssen. Sie sei der Auffassung, dass die Beklagte angesichts der gegebenen Umstände dazu verpflichtet sei, Krankengeld auch über den 19.01.2014 hinaus zu zahlen.

48

Die Klägerin beantragt,

49

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 zu zahlen.

50

Die Beklagte beantragt,

51

die Klage abzuweisen.

52

Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

53

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

54

Auf Frage des Gerichts teilte die Beklagte mit, dass das kalendertägliche Krankengeld brutto 39,11 Euro und netto 34,29 Euro betragen würde.

55

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I.

56

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

57

Die Klage richtet sich gegen den Bescheid vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014. Streitgegenstand ist ein Anspruch der Klägerin auf Krankengeld für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014.

58

Das Gericht konnte gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG zur Leistung dem Grunde nach verurteilen. Nach dieser Regelung ist Voraussetzung für den Erlass eines Grundurteils, dass gemäß § 54 Abs. 4 SGG oder § 54 Abs. 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Diese Voraussetzung ist bei dem streitgegenständlichen Anspruch auf Krankengeld aus § 44 SGB V erfüllt. Da die Klägerin im vorliegenden Fall lediglich den Erlass eines Grundurteils beantragt hat, durfte das Gericht hierüber gemäß § 123 SGG nicht hinausgehen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 130 Rn. 2e, 11. Auflage 2014).

II.

59

Die Klage ist begründet.

60

Der Bescheid vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

61

Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 gegen die Beklagte.

62

Die Klägerin kann die Zahlung von Krankengeld für den streitigen Zeitraum schon auf Grund einer Dauerbewilligung von Krankengeld verlangen. Die unbefristete Dauerbewilligung ist bestandskräftig geworden und daher zwischen den Beteiligten bindend (1). Sie wurde für die hier streitige Zeit weder wirksam zurückgenommen noch aufgehoben. Von einer wesentlichen Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse ist für die hier streitige Zeit nicht auszugehen, da ein Ende der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zum 20.01.2014 nicht nachgewiesen werden kann (2).

63

1. In der Auszahlung von Krankengeld an die Klägerin zunächst für den Zeitraum bis zum 04.11.2013 (mitgeteilt mit Schreiben vom 19.11.2013) liegt ein Dauerverwaltungsakt, der die Gewährung von Krankengeld auch für die Folgezeit regelt (vgl. SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 32). Die Leistungsbewilligung ist durch die Leistungsauszahlung konkludent „auf andere Weise“ im Sinne des § 33 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erfolgt.

64

Die Zahlungsmitteilungen der Beklagten vom 19.11.2013, 02.12.2013, 06.01.2014 und 29.01.2014 stellen hingegen trotz der Rechtsbehelfsbelehrungen keine Verwaltungsakte dar. Den Schreiben lässt sich kein Verfügungssatz entnehmen, der einen Regelungscharakter besäße. Die Beklagte teilte der Klägerin jeweils lediglich mit, dass ein bestimmter Betrag von Krankengeld überwiesen wurde.

65

In Fällen, in denen die Krankenkasse keine förmliche Verwaltungsentscheidung erlassen hat, kommt in der für den Versicherten erkennbaren Auszahlung von Krankengeld zugleich auch dessen Bewilligung zum Ausdruck. Die Auszahlung erfüllt die Voraussetzungen für einen Verwaltungsakt nach § 31 Satz 1 SGB X. Es liegt eine Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zu Grunde, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Mit der Überweisung des Krankengeldes an den Versicherten erfolgt eine ausreichende Bekanntgabe dieser Entscheidung (§ 37 SGB X). Der Verwaltungsakt wird auf andere Weise – durch konkludentes Handeln – erlassen (§ 33 Abs. 2 SGB X; BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 – Rn. 15).

66

Derartige Krankengeldauszahlungen sind entgegen der vom BSG erstmals im Urteil vom 16.09.1986 (3 RK 37/85) vertretenen Auffassung regelmäßig nicht als befristete Bewilligungsentscheidungen auszulegen (vgl. eingehend SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 37 ff.). Ungeprüft bleibt in dieser und allen späteren Entscheidung des BSG (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 12; Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R – Rn. 15; Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R – Rn. 29; Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – Rn. 13 f.; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R – Rn. 10; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R – Rn. 15 ff., hier insbesondere Rn. 24) die Frage, ob und unter welchen Maßgaben eine Krankenkasse überhaupt berechtigt wäre, die Gewährung von Krankengeld, auf das bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch besteht (§ 38 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I), mit einer Nebenbestimmung im Sinne einer Befristung zu verbinden (§ 32 Abs. 1 SGB X; SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 41).

67

Richtigerweise ist bei der Auslegung einer (nur) konkludenten Bewilligungsentscheidung davon auszugehen, dass die Behörde – sofern möglich – eine rechtlich zulässige Entscheidung getroffen hat. In eine durch schlichtes Verwaltungshandeln zum Ausdruck kommende Entscheidung mehr hineinzulesen als die Bewilligung der Leistung, insbesondere Nebenbestimmungen wie eine Befristung oder eine auflösende Bedingung zu konstruieren, die zum einen in einem förmlichen Verwaltungsakt wegen der rechtlichen Konsequenz einer Beendigung der Wirksamkeit durch Erledigung des Verwaltungsaktes – ohne klarstellenden „actus contrarius“ – so bestimmt wie möglich, verständlich und widerspruchsfrei verfügt sein müssten (vgl. Korte, NZS 2014, S. 853; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 32 Rn. 13 m.w.N.) und zum anderen bei einer gebundenen Entscheidung nur ausnahmsweise zulässig sind und ihrerseits eine Ermessensbetätigung der Behörde erfordern, verbietet sich (SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 43). Wenn also ein Versicherter bei der Krankenkasse Krankengeld beantragt hat, eine förmliche Entscheidung hierüber zwar nicht ergeht, er aber nach einiger Zeit eine erste Zahlung erhält, kann der Versicherte dem zunächst entnehmen, dass er tatsächlich einen bestimmten Betrag erhalten hat, möglicherweise anhand des Überweisungsträgers auch noch, für welchen Zeitraum die Zahlung erfolgt. Als zu Grunde liegende Entscheidung der Krankenkasse kann er dieser Auszahlung zugleich entnehmen, dass die Krankenkasse seinen Anspruch auf Krankengeld offenbar bejaht hat. Hierin liegt die Bewilligung von Krankengeld (SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 43). Dies gilt gleichermaßen, wenn der Versicherte – wie vorliegend die Klägerin – lediglich die Mitteilung über eine Zahlung von Krankengeld erhält, ohne dass eine ausdrückliche Leistungsbewilligung für einen bestimmten Zeitraum erfolgt.

68

Eine Befristung der Bewilligung von Krankengeld ist nach Maßgabe der anzuwendenden gesetzlichen Regelungen nicht zulässig. Denn gemäß § 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist, oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Die Gewährung von Krankengeld steht bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 44 ff. SGB V nicht im Ermessen der Krankenkasse, ist also eine gebundene Entscheidung. Eine der beiden Alternativen des § 32 Abs. 1 SGB X (Ermächtigung oder Sicherstellungsfunktion) müsste daher erfüllt sein, damit eine Nebenbestimmung zur Krankengeldbewilligung zulässig wäre. In den einschlägigen Vorschriften des SGB V findet sich, anders als in anderen Leistungsgesetzen, die laufende Geldleistungen vorsehen (vgl. etwa § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, 102 Abs. 2 bis 4 SGB VI, § 41 Abs. 1 Sätze 4 und 5 SGB II), keine Rechtsvorschrift im Sinne des § 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X, die eine Befristung zulässt. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB V enthält keine gesetzlich vorgesehene Befristungsmöglichkeit im Sinne des § 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X, sondern legt die mögliche Leistungshöchstdauer fest. Ein Hinweis hierauf wäre daher ebenfalls keine Befristung der Leistung, sondern hätte lediglich deklaratorische Wirkung (SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 44).

69

Ob anlässlich der Bewilligung von Krankengeld Nebenbestimmungen denkbar sind, die im Sinne des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden, ist äußerst zweifelhaft. § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X räumt die Möglichkeit einer Nebenbestimmung ausdrücklich nur ein, wenn diese sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt „werden“, nicht auch dafür, dass diese erfüllt „bleiben“. Im Fall einer Krankengeldbewilligung kann jedenfalls eine Befristung erkennbar nicht der Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch (Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit und Aufrechterhaltung des Versichertenstatus) dienen. Ziel und Zweck der Befristung wäre hier allein die Vermeidung des nach § 48 SGB X vorgesehenen Verfahrens der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung bei Änderung der Verhältnisse. Eine Überprüfung hinsichtlich des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen und erforderlichenfalls Korrektur der Entscheidung ist auch in diesem gesetzlich vorgesehenen Verfahren möglich und muss daher nicht durch eine Befristung sichergestellt werden (SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 45 f.).

70

Demnach ist auch im vorliegenden Fall von einer konkludenten, unbefristeten Bewilligung von Krankengeld durch Auszahlung der Leistung auszugehen, der die Gewährung von Krankengeld auch für die Folgezeit bis auf Weiteres regelt. Diese Bewilligungsentscheidung ist bestandskräftig geworden und daher zwischen den Beteiligten bindend (§ 77 SGG).

71

Weder wird die Krankengeldbewilligung generell, noch wurde sie im vorliegenden Fall „abschnittsweise“ vorgenommen. Die Bewilligung von Krankengeld nur für einen bestimmten Zeitabschnitt könnte im Einzelfall nur angenommen werden, wenn in der konkreten Bewilligungsentscheidung eine entsprechende Befristung der Leistung auch tatsächlich erfolgt wäre. Das Schreiben vom 19.11.2013 ebenso wie die im Wesentlichen gleichlautenden Mitteilungen der Beklagten in der Folgezeit enthalten eine derartige Befristung nicht. Ein Verfügungssatz über die Bewilligung von Krankengeld ist in den Schreiben nicht enthalten. Es wird lediglich mitgeteilt, dass Krankengeld für einen bestimmten Zeitraum ausgezahlt wurde. Für den Adressaten des Bescheids ist auf Grund der verwendeten Formulierung nicht erkennbar, dass hiermit eine Befristung der (konkludenten) Krankengeldbewilligung erfolgt sein könnte.

72

2. Der vorliegend angefochtene Bescheid vom 24.01.2014 lässt sich als Aufhebungsverfügung gegenüber der konkludenten Bewilligungsentscheidung interpretieren. Die Beklagte ging zwar wohl davon aus, dass es einer Aufhebungsentscheidung vorliegend nicht bedurfte, hat aber mit der Äußerung, dass Krankengeld nur bis zum 19.01.2014 gezahlt werde, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass an der Krankengeldbewilligung ab diesem Zeitpunkt nicht festgehalten wird. Diese Aufhebungsentscheidung ist allerdings rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung für die Vergangenheit gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht vorlagen. Offenbleiben kann vor diesem Hintergrund, ob die vor Erlass des Bescheids unterbliebene Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nachgeholt und der Verfahrensfehler somit nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt wurde.

73

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

74

1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

75

Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligungsentscheidung sind hier bereits deshalb nicht erfüllt, weil eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage zum 20.01.2014 nicht nachgewiesen werden kann. Die Klägerin hatte über den 19.01.2014 hinaus aller Wahrscheinlichkeit nach auch materiell-rechtlich einen Anspruch auf Krankengeld.

76

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte (2.1) Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht (2.2) oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden und wenn sie nicht zu den in § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten ausgeschlossenen Versichertengruppen gehören (2.3). Gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der hier maßgeblichen bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) entsteht der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (2.4). Ein durchsetzbarer Anspruch auf Krankengeld besteht nicht für Zeiten des Ruhens wegen des Bezugs von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt oder unterlassener Meldung der Arbeitsunfähigkeit (2.5).

77

2.1 Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Die Versicherungspflicht der Klägerin ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, da die Klägerin zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit am 30.09.2013 gegen Arbeitsentgelt beschäftigt war.

78

Anschließend blieb die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten auf Grund der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V jedoch gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auch über den 30.09.2013 hinaus bestehen. Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld besteht oder eine dieser Leistungen oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen wird. Das Ende des Beschäftigungsverhältnisses lässt bei fortdauerndem Anspruch auf Krankengeld oder Bezug von Krankengeld die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf die Leistung somit nicht entfallen. Die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ist daher zugleich Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs und Rechtsfolge des Krankengeldanspruchs. Für die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld reicht es demnach aus, wenn der Versicherte zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs versicherungspflichtig ist, ohne nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB V vom Krankengeldanspruch ausgeschlossen zu sein. Es genügt hierbei allerdings, dass die Entstehung des Krankengeldanspruchs nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. – wie vorliegend – auf den ersten Tag der Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fällt (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 19/11 R – Rn. 11 ff.). Hiervon abgesehen wurde die Mitgliedschaft der Klägerin über den 30.09.2013 aber auch bereits gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auf Grund des tatsächlichen Krankengeldbezugs für die Zeit ab dem 01.10.2013 aufrechterhalten.

79

2.2 Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin am 20.01.2014 und darüber hinaus jedenfalls bis zum 09.05.2014 arbeitsunfähig war. Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB V liegt vor, wenn der Versicherte wegen Krankheit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seine bisherige Erwerbstätigkeit auszuüben. Bei Verlust des Arbeitsplatzes nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit ist Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit abstrakt die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung (BSG, Urteil vom 14.02.2001 – B 1 KR 30/00 R – Rn. 13). Die Klägerin war zuletzt bis zum 30.09.2013 als Service- und Thekenkraft in einem Eiscafé abhängig beschäftigt und war seitdem bis zum vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum durchgehend arbeitsunfähig bzw. hat Krankengeld bezogen. Das Beschäftigungsverhältnis wurde zum 30.09.2013 beendet, so dass als Maßstab für die Arbeitsfähigkeit generell eine Tätigkeit als Service- und Thekenkraft in der Gastronomie heranzuziehen ist.

80

Dass die Klägerin an diesem Maßstab gemessen am 20.01.2014 und im folgenden streitgegenständlichen Zeitraum aller Wahrscheinlichkeit nach arbeitsunfähig war, ergibt sich für die Kammer zunächst aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Auszahlscheinen der Praxis …/Dr. … vom 13.01.2014, 20.01.2014, 28.01.2014, 31.01.2014, 21.02.2014, 13.03.2014, 10.02.2014, 14.04.2014, 22.04.2014 und 28.04.2014. Hierbei wurden die Diagnosen I73.0 V B (Verdacht auf Raynaud-Syndrom, beidseits), L40.9 V B(Verdacht auf Psoriasis, nicht näher bezeichnet, beidseits), M13.0 V B(Verdacht auf Polyarthritis, nicht näher bezeichnet, beidseits), F48.0 G (Neurasthenie, gesichert), N20.0 Z R (Zustand nach Nierenstein rechts) und (später) Erschöpfungssyndrom, psychovegetative Erschöpfung sowie F41.1 G (Generalisierte Angststörung, gesichert) und F 41.9 V (Verdacht auf Angststörung, nicht näher bezeichnet), F43.2 G (Anpassungsstörungen, gesichert) und G56.0 G B (Karpaltunnelsyndrom beidseits, gesichert) gestellt und Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Der Hauptgrund für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit lag in den Beschwerden in den Händen unklarer Diagnose, was sich auch in den Arztbriefen des Chirurgen und Orthopäden Dr. … vom 01.10.2013, des Medizinischen Versorgungszentrums … vom 31.10.2013, der Radiologie … vom 04.11.2013 und vom Krankenhaus der vom 08.01.2014 zeigt.

81

Dass die Klägerin bei diesem Krankheitsbild ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Servicekraft weder an ihrem früheren noch an einem vergleichbaren Arbeitsplatz hätte ausüben können, ist nachvollziehbar. Im Servicebereich der Gastronomie wird praktisch ständig mit den Händen gearbeitet, es müssen Speisen per Hand zubereitet und mit den Händen serviert werden.

82

Dass die Klägerin aller Wahrscheinlichkeit nach am 20.01.2014 und im folgenden streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig war, wird auch bestätigt durch die gutachterlichen Stellungnahmen des MDK Rheinland-Pfalz vom 28.01.2014 durch Frau Dr. … und vom 28.04.2014 durch Frau Dr. …, die beide im Ergebnis die Arbeitsunfähigkeit nicht bezweifeln. Die beratende Ärztin Frau Dr. … führt in ihrer Stellungnahme aus, dass sie die Arbeitsunfähigkeit nachvollziehen und akzeptieren könne. Die Klägerin habe viele Schmerzen und keine Kraft in den Händen. Die Diagnose und auch die Kündigung hätten den seelischen Zustand der Klägerin schon massiv belastet. Die Klägerin könne die Arbeit als Servicekraft auf keinen Fall weiterhin ausüben. Auch eine Arbeit als „Putzfrau“ seit mit diesen Erkrankungen nicht möglich. Für die Zeit ab dem 10.05.2014 habe die Klägerin ein positives Leistungsbild für leichte körperliche Arbeit ohne schweres Heben und Tragen, ohne besondere Belastungen für die Hände, ohne Arbeiten in Kälte, Nässe und Zugluft, ohne Arbeiten mit hautreizenden Stoffen.

83

Selbst für den Fall, dass die ärztlichen Befunde und das MDK-Gutachten nicht für zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ausreichend gehalten würde, änderte dies nichts an der Rechtswidrigkeit der im Bescheid vom 24.01.2014 enthaltenen Aufhebungsverfügung. Denn die Beklagte trägt die objektive Beweislast für die Frage, ob eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetreten ist. Dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 20.01.2014 nicht mehr bestand, lässt sich angesichts der ärztlichen Bescheinigungen und Stellungnahmen des MDK auf Grund des Zeitablaufs nicht nachweisen.

84

2.3 Die Klägerin fällt nicht unter die nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB V ausgeschlossenen Versichertengruppen.

85

2.4 Der Anspruch auf Krankengeld ist entstanden. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.

86

Die ärztliche Feststellung in diesem Sinne ist die Schlussfolgerung aus einer persönlichen ärztlichen Untersuchung, also der aus der Wahrnehmung des tatsächlichen Zustands des Patienten durch den Arzt gezogene Schluss auf die Arbeitsunfähigkeit (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 38). Formelle oder verfahrensrechtliche Anforderungen an die ärztliche Feststellung ergeben sich aus dem Gesetz nicht. Dass diese in der Praxis in der Regel auf formularmäßigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dokumentiert wird, ist lediglich eine tatsächliche Nebenfolge der Vorschriften zum arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungsanspruch. Soweit an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 SGB V zur Ausstellung von Bescheinigungen über die Arbeitsunfähigkeit verpflichtet sind und dies auch in den Regelungen der §§ 74, 275 Abs. 1a Satz 1, 277 Abs. 2 Satz 1, § 295 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V Niederschlag findet, hat dies keine Auswirkungen auf den Begriff der ärztlichen Feststellung im Sinne des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. Diese Regelungen gehören nicht zur für den Anspruch auf Krankengeld einschlägigen Normtextmenge, da sie nicht die Rechtsposition des Versicherten gegen die Krankenkasse betreffen. Dasselbe gilt für die Vorschrift des § 275 Abs. 1a Satz 2 SGB V, wonach eine Prüfung durch den MDK unverzüglich „nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit“ zu erfolgen hat. Die Verkörperung der ärztlichen Feststellung wird hier zwar semantisch vorausgesetzt, da nur ein körperlicher Gegenstand „vorgelegt“ werden kann, jedoch nicht als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Krankengeld normiert. Voraussetzung für das Vorliegen (nicht: „Vorlage“) einer ärztlichen Feststellung ist mithin lediglich die Erhebung medizinisch relevanter Tatsachen durch einen Arzt sowie eine tatsächliche Beurteilung von deren Auswirkungen auf das aktuelle Leistungsvermögen des Versicherten durch den Arzt (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 38; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.07.2013 – L 11 KR 2003/13 B – Rn. 7).

87

Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wurde erstmals am 30.09.2013 festgestellt. Der Anspruch auf Krankengeld ist gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. dem Grunde nach daher am 01.10.2013 entstanden.

88

Solange eine Arbeitsunfähigkeit fortbesteht, genügt für die Aufrechterhaltung des materiellen Krankengeldanspruchs bis zum Ende der Anspruchshöchstdauer (§ 48 Abs. 1 SGB V) oder bis zum Ausschluss (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V) bzw. Wegfall (§ 51 Abs. 3 Satz 1 SGB V) des Anspruchs eine erste ärztliche Feststellung. Denn § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V regelt nur den Beginn des Krankengeldanspruchs (so bereits LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.11.1999 – L 4 KR 10/98 – Rn. 27; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.08.2002 – L 4 KR 144/00 – Rn. 36). Wenn auf dem Formular, auf dem die ärztliche Feststellung dokumentiert ist, zugleich eine Prognose für ein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit getroffen wird, folgt hieraus – entgegen der Auffassung des 1. Senats des BSG (zuletzt mit Urteilen vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/14 R; B 1 KR 35/14 R; B 1 KR 37/14 R) – keine zeitliche Begrenzung des Krankengeldanspruchs (SG Trier, Urteil vom 24.04.2013 – S 5 KR 77/12 – Rn. 21 ff.; SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 – S 17 KR 247/12 – Rn. 32 ff., SG Speyer, Urteile vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 – Rn. 39 ff. und vom 07.04.2014 – S 19 KR 10/13 – Rn. 43 ff.; SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 – S 3 KR 298/12 – Rn. 48 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 17.07.2014 – L 16 KR 146/14 – Rn. 22 ff., L 16 KR 429/13 – Rn. 26 ff., L 16 KR 160/13 – Rn. 25 ff., L 16 KR 208/13 – Rn. 24 ff.; SG Speyer, Beschlüsse vom 08.09.2014 – S 19 KR 519/14 ER – Rn. 31 ff. und vom 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER – Rn. 33 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 41 ff.;SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 61 ff.; SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 409/14 – Rn. 56 ff.; Knispel, NZS 2014, S. 561 ff.; Schröder, ASR 2015, S. 160 f.).

89

Dies folgt zwingend aus einer semantischen Auslegung des Gesetzestextes unter Berücksichtigung der auf dem Gesetzesbindungsgebot beruhenden Grenzfunktion des Gesetzeswortlauts.

90

§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der vorliegend einschlägigen, bis zum 22.07.2015 gültigen Fassung lautet:

91

"Der Anspruch auf Krankengeld entsteht (…) im übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt."

92

Demzufolge markiert der Tag der ärztlichen Feststellung den Entstehungszeitpunkt des Krankengeldanspruchs für den folgenden Tag. Ab dem Folgetag besteht ein Anspruch auf Krankengeld, soweit und solange die sonstigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Maßgeblich für die Entstehung des Krankengeldanspruchs ist (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) mithin nur, dass am Vortag ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat, nicht welche Angaben der Arzt hinsichtlich einer möglichen Dauer oder ggf. im Hinblick auf einen früheren Beginn der Arbeitsunfähigkeit gemacht hat. Über das Ende des Krankengeldanspruchs enthält § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. keine Aussage. In § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. ist auch nicht von mehreren „Arbeitsunfähigkeiten“ oder „Feststellungen von Arbeitsunfähigkeit“ die Rede; die Begriffe werden im Singular verwendet.

93

Aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. geht des Weiteren nicht hervor, dass sich die „ärztliche Feststellung“ auf einen bestimmten Zeitraum beziehen kann oder muss. Dass der Vertragsarzt eine Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit abzugeben hat, ergibt sich lediglich aus der auf Grund von § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erlassenen Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-Richtlinie) sowie im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG (vgl. SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 – Rn. 37). In § 1 Abs. 1 der AU-Richtlinie wird terminologisch zwischen der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und der Bescheinigung über ihre voraussichtliche Dauer differenziert. Diese Differenzierung steht im Einklang mit der gesetzlichen Regelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. und entspricht der Sachlogik. Ein Arzt kann zu einem bestimmten Zeitpunkt feststellen, dass Arbeitsunfähigkeit vorliegt; im Hinblick auf die Zukunft kann er anhand eines gegenwärtigen Zustands nur Aussagen über die Wahrscheinlichkeit treffen, dass noch Arbeitsunfähigkeit vorliegen wird, d.h. eine Prognose abgeben. Ob eine Prognose sich als zutreffend erweist, kann nur im Nachhinein festgestellt werden. Dieser Logik folgt weitgehend auch die AU-Richtlinie, wenn unabhängig von der in § 5 Abs. 1 AU-Richtlinie geregelten Erstfeststellung eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zum Zwecke der Krankengeldzahlung ("Auszahlschein") in der Regel nicht für einen mehr als sieben Tag zurückliegenden und nicht mehr als für einen zwei Tage im Voraus liegenden Zeitraum erfolgen soll.

94

Es ist begrifflich mithin streng zu unterscheiden zwischen der von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. geforderten „ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit“, der nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG geforderten Prognose der Dauer der Arbeitsunfähigkeit und einer ärztlichen Bescheinigung sowohl über das Datum der Feststellung als auch über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Dass ein Vertragsarzt gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 SGB V dazu verpflichtet ist, eine Bescheinigung über die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auszustellen, berührt die Entstehung des Krankengeldanspruchs nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. nicht. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist nicht mit der hierüber ausgestellten Bescheinigung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder Auszahlschein) gleichzusetzen (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 39). Auch das BSG hat noch in einem Urteil vom 10.05.2012 (B 1 KR 19/11 R – Rn. 26) die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen ärztlicher Feststellung, Bescheinigung der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit und Meldung der Arbeitsunfähigkeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) hervorgehoben. Eine ärztliche Bescheinigung ist – anders als beim Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber (§ 5 Abs. 1 EFZG) – demnach weder eine Voraussetzung für die Entstehung noch für den Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld nach dem SGB V. Demzufolge ist auch die auf den formularmäßigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgesehene Abgabe einer Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit für den Anspruch auf Krankengeld nach dem SGB V gänzlich irrelevant (vgl. ausführlich SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 41 m.w.N.).

95

Aus dem Wortlaut des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. ergibt sich somit ausschließlich eine Regelung für den Entstehungszeitpunkt des Krankengeldanspruchs, nicht für dessen zeitliche Begrenzung. Weitere materielle Wirkungen der ärztlichen Feststellung lassen sich anhand des Gesetzes nicht begründen. Dies wird bestätigt durch die amtliche Überschrift der Regelung: „Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld“. Es handelt sich hierbei um eine Spezialvorschrift zu § 40 Abs. 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (vgl. SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 38).

96

Der Wortlaut eines Gesetzes steckt die äußersten Grenzen funktionell vertretbarer und verfassungsrechtlich zulässiger Sinnvarianten ab. Entscheidungen, die den Wortlaut einer Norm offensichtlich überspielen, sind unzulässig (Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 310, zum Ganzen Rn. 304 ff., 10. Auflage 2009). Die Bindung der Gerichte an das Gesetz folgt aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Dass die Gerichte dabei an den Gesetzestext (im Sinne des amtlichen Wortlauts bzw. Normtextes) gebunden sind, folgt aus dem Umstand, dass nur dieser Gesetzestext Ergebnis des von der Verfassung vorgegebenen parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens ist. Eine Überschreitung der Wortlautgrenze verstößt sowohl gegen das Gesetzesbindungsgebot als auch gegen das Gewaltenteilungsprinzip. Deshalb verstößt das BSG gegen Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG, wenn es seine Rechtsauffassung auf eine „ergänzende Auslegung des Gesetzes“ stützt (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R – Rn. 15) und postuliert, dass „das SGB V die Tatbestände der Beendigung eines Krg-Anspruchs nicht ausdrücklich vollständig in allen denkmöglichen Verästelungen“ regle und diese „geringere Normdichte (…) ihren sachlichen Grund in der Vielgestaltigkeit der Möglichkeiten der Beendigung“ habe (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R – Rn. 13).

97

Aus den gleichen Gründen scheitert auch Dreher (jurisPR-SozR 3/2015 Anm. 2 zum Urteil des BSG vom 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R) mit dem Versuch, für die Rechtsauffassung des BSG eine kohärente Begründung zu entwickeln. Er räumt zunächst ein, dass der Gesetzeswortlaut das Erfordernis einer ärztlichen Feststellung auf den Fall der Entstehung des Krankengeldanspruchs beschränkt und § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. zum Anspruchsende oder -wegfall keine eigene Aussage trifft. Dennoch vertritt er die Auffassung, dass der Krankengeldanspruch von vornherein zeitlich begrenzt entstehe, wenn und soweit das ihn begründende „Beweissicherungsverfahren“ (gemeint ist der in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. vorausgesetzte „Gang zum Arzt“) nur eine zeitlich begrenzte Aussage ermögliche. Damit werde nicht die Entscheidungsbefugnis über den Anspruch auf den Arzt übertragen, sondern lediglich die Beweissicherung „dem Gesetzeswortlaut entsprechend“ in vollem Umfang dem Versicherten überantwortet. Die nach und nach entstehenden zeitlich begrenzten Ansprüche seien als Teile eines einheitlichen, aber „gestückelten“ Anspruchs aufzufassen.

98

Für diese Theorie fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt im Gesetzestext des SGB V. Zeitliche Beschränkungen des Krankengeldanspruchs ergeben sich ausschließlich aus § 48 SGB V. Soweit Dreher meint, diese Einschränkung mittels einer Auslegung des Begriffs des „Entstehens“ begründen zu können, geht dies fehl. Das Wort „entstehen“ hat in keiner denkbaren Verwendungsweise die Bedeutung von „Begrenzung“, „Untergang“ oder „Wegfall“. Es bedeutet schlicht das Gegenteil. Dass die Beweissicherung „dem Gesetzeswortlaut entsprechend“ dem Versicherten überantwortet werde, ist daher eine unsinnige Behauptung, die deshalb auch ohne Bezugnahme auf einen konkreten Gesetzeswortlaut auskommen muss.

99

Ebenso haltlos ist die nicht weiter begründete These des LSG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 02.10.2014 (L 5 KR 30/14 – nicht veröffentlicht), es sei mit dem Wortlaut des Gesetzes ohne weiteres vereinbar, dass nicht nur die Entstehung, sondern auch der Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld von der vorherigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abhängig sei. Gerade hierfür gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt im Gesetzeswortlaut des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F.

100

Soweit das BSG sogar meint, der Gesetzeswortlaut des § 46 SGB V (a.F.) trage die Auffassung nicht, dass die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nur für die Entstehung des Krankengeldanspruchs Bedeutung habe (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R – Rn. 13), trifft dies offensichtlich nicht zu. Diese für jedermann erkennbar falsche Behauptung ist umso erstaunlicher, als eine unbefangene Gesetzeslektüre genügt, um sie zu widerlegen. Die entsprechende Vorschrift regelt ausdrücklich nichts anderes, als die Entstehung des Anspruchs.

101

Die Annahme, dass das Fortbestehen eines Krankengeldanspruchs nach Ablauf eines Bewilligungsabschnitts oder nach Ablauf des auf einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angegebenen voraussichtlichen Enddatums einer erneuten ärztlichen Feststellung spätestens am letzten Tag vor Ablauf bedürfe, verstößt gegen das Gesetzesbindungsgebot und ist deshalb unter Geltung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V sowohl in der bis zum 22.07.2015 geltenden als auch in der neuen Fassung keine rechtswissenschaftlich vertretbare Position.

102

Darüber hinaus wird die hier vertretene Auffassung gestützt durch die Gesetzessystematik (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 75 ff.) und durch den Auslegungsgrundsatz der möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 81 ff.). Sie wird zudem bestätigt durch die historische Entwicklung des Gesetzes (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 86 ff.) und die Gesetzesbegründung (vgl. SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 90 ff.). Auf hiervon unabhängige Erwägungen zu „Sinn und Zweck“ der Regelung kommt es daher nicht an, wobei auch anhand dieses Maßstabs keine Argumente für die Auffassung des 1. Senats des BSG sprechen (vgl. SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 94 ff.). Letztere resultiert aus einer fehlerbehafteten Entwicklung der Rechtsdogmatik und führt zu abwegigen Ergebnissen (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 98 ff.). Durch die Neuregelung des § 46 Satz 2 SGB V mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) mit Wirkung zum 23.07.2015 hat sich diesbezüglich weder für die Zukunft noch für die Vergangenheit Wesentliches geändert (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 153 ff.).

103

2.5 Die Arbeitsunfähigkeit wurde der Beklagten fristgerecht gemeldet, sodass der Anspruch seit dem 20.01.2014 nicht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhte.

104

Nach dieser Regelung ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird. Dies gilt nach dem zweiten Halbsatz der Regelung nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.

105

Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist eine Tatsachenmitteilung. Diese muss der Krankenkasse zugehen. Hierfür ist weder eine bestimmte Form vorgeschrieben, noch muss die Meldung durch eine bestimmte Person erfolgen (so bereits BSG, Urteil vom 12.11.1985 – 3 RK 35/84 – Rn. 12 bezüglich der Vorgängerregelung des § 216 Abs. 3 RVO). Erforderlich ist lediglich, dass die Identität des Versicherten erkennbar ist und die Arbeitsunfähigkeit dieses Versicherten behauptet wird. Nicht erforderlich ist ein Hinweis auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (a. A. BSG, Urteil vom 12.11.1985 – 3 RK 35/84 – Rn. 12). Diese stellt lediglich eine Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld dar, deren Vorliegen von der Krankenkasse nach Antragstellung von Amts wegen zu ermitteln ist. Im vorliegenden Fall lässt sich den Verwaltungsvorgängen der Beklagten zwar nicht entnehmen, wann genau die Arbeitsunfähigkeit gemeldet wurde. Dass dies vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum der Fall gewesen sein muss, ergibt sich jedoch zwanglos aus der Tatsache, dass die Beklagte der Klägerin für die vorherigen Zeiträume Krankengeld ausgezahlt und mehrere Auszahlscheine zur Akte genommen hat. Da von einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit auszugehen ist, war keine weitere Meldung der Arbeitsunfähigkeit mehr notwendig, um das Eintreten des Ruhens nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V zu verhindern (so bereits LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.11.1999 – L 4 KR 10/98 – Rn. 30; SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 – S 17 KR 247/12 – Rn. 45 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 – Rn. 42 ff.; SG Trier, Urteil vom 21.11.2013 – S 1 KR 44/13 – Rn. 29).

106

Das BSG vertritt demgegenüber die Rechtsauffassung, dass die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengelds erneut gemeldet werden muss, auch wenn die Arbeitsunfähigkeit seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 17; BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – Rn. 18; offen gelassen noch BSG, Urteil vom 20.04.1999 – B 1 KR 15/98 R – Rn. 14). Diese Auffassung widerspricht dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 2 SGB V, in dem nur der Beginn der Arbeitsunfähigkeit als Bezugspunkt für die Meldeobliegenheit genannt wird, nicht der Beginn eines Krankengeldbewilligungsabschnitts oder eines Feststellungszeitraumes. Dass hier zu Lasten der Versicherten über den Wortlaut hinweggegangen wird, deutet das BSG selbst in der Begründung zum Urteil vom 08.02.2000 an: "Anders als es der Wortlaut des § 49 Abs.1 Nr 5 Halbs 2 SGB V nahezulegen scheint (...)" (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 17). Eine Überschreitung der Wortlautgrenze verstößt sowohl gegen das Gesetzesbindungsgebot als auch gegen das Gewaltenteilungsprinzip, so dass der Auffassung des BSG nicht gefolgt werden darf. Unausgesprochen vollzieht das BSG hier einen Analogieschluss, dessen Voraussetzungen jedoch nicht gegeben sind und vom BSG auch nicht dargelegt werden (vgl. bereits SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 – S 17 KR 247/12 – Rn. 45 ff.). Auch vor dem Hintergrund des Optimierungsgebots des § 2 Abs. 2 SGB I und des Gesetzesvorbehalts des § 31 SGB I ist die durch das BSG vorgenommene Vervielfältigung der Meldeobliegenheit des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nicht vertretbar (SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 – Rn. 42 ff.).

107

2.6 Die Klägerin hatte demnach auch über den 19.01.2014 hinaus aller Wahrscheinlichkeit nach einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Krankengeld, so dass eine wesentliche Änderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen zum 20.01.2014 oder zu einem früheren Zeitpunkt nicht nachgewiesen ist. Die Voraussetzung für eine Aufhebung der Bewilligung von Krankengeld zum 20.01.2014 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X lagen demnach nicht vor.

108

2.7 Im Übrigen liegen auch die sonstigen Voraussetzungen für die durch den Bescheid vom 24.01.2014 rückwirkend zum 20.01.2014 verfügte Aufhebung der Leistungsbewilligung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht vor. Die Änderung erfolgte nicht zu Gunsten der Klägerin (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).

109

Die Klägerin ist auch nicht einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X).

110

Sie hat auch nicht nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X).

111

Zuletzt gibt es auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin wusste oder nicht wusste, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Es ist bereits nicht nachzuweisen, dass sich hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zum 20.01.2014 eine Änderung ergeben hat, so dass erst recht kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass die Klägerin selbst Kenntnis (oder grob fahrlässige Unkenntnis) von der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und damit vom Wegfall des materiell-rechtlichen Anspruchs auf Krankengeld gehabt haben könnte. Die „nicht fristgerechte“ Erstellung einer „Folgebescheinigung“ der Arbeitsunfähigkeit bzw. die „Lückenlosigkeit“ von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ist wiederum kein Ausschlussgrund für den Anspruch auf Krankengeld, so dass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob die Klägerin über die diesbezügliche Rechtsauffassung der Beklagten bzw. des BSG informiert war. Somit ist vorliegend auch nicht entscheidungserheblich, ob die Klägerin das Hinweisschreiben der Beklagten vom 18.11.2013 tatsächlich erhalten hat.

112

3. Der Bescheid vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 ist daher rechtswidrig und war aufzuheben.

113

4. Die Beklagte war darüber hinaus gemäß § 54 Abs. 4 SGG antragsgemäß (vgl. § 123 SGG) dem Grunde nach zur Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 zu verurteilen.

114

Der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld ist jedoch erloschen, soweit er auf Grund der für den gleichen Zeitraum erbrachten Leistung von Arbeitslosengeld II durch den Beigeladenen als erfüllt gilt.

115

Nach § 107 Abs. 1 SGB X gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Hiermit wird Bezug genommen auf die in den §§ 102 bis 106 SGB X geregelten Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern.

116

Im vorliegenden Fall hat der Beigeladene einen Erstattungsanspruch aus § 104 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist derjenige Leistungsträger gegenüber einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat, soweit der vorrangig verpflichtete Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat. Nachrangig verpflichtet ist nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre.

117

Der Beigeladene ist in diesem Sinne nachrangig verpflichteter Leistungsträger. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen die (neben anderen Voraussetzungen) hilfebedürftig sind. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert nach näherer Bestimmung der §§ 11a, 11b SGB II als Einkommen zu berücksichtigen. Zu den anzurechnenden Einnahmen zählt auch das Krankengeld nach §§ 44 ff. SGB V. Hieraus folgt, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II gegenüber einem Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich nachrangig ist, da im Falle der Leistung von Krankengeld ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II ganz oder teilweise entfällt. Hätte die Beklagte ihre Leistungsverpflichtung zur Gewährung von Krankengeld im Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 rechtzeitig erfüllt, wäre der Beigeladene auf Grund der Anrechnung des Einkommens aus Krankengeld gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht bzw. nicht im bewilligten Umfang zur Leistung verpflichtet gewesen.

118

Die Beklagte war im vorliegenden Verfahren deshalb nur zur Leistung von Krankengeld dem Grunde nach zu verurteilen, soweit die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X nicht reicht.

119

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

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