Vorlagebeschluss vom Sozialgericht Mainz (3. Kammer) - S 3 AS 99/14
Tenor
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Dem Bundesverfassungsgericht wird folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist § 7 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BGBI. Teil I Nr. 23, S. 857), zuletzt geändert mit Wirkung zum 01.04.2012 durch Gesetz vom 20.12.2011 (BGBl. Teil I Nr. 69, S. 2917), mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar?
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.11.2013 bis zum 31.01.2014.
- 2
Die am … 1973 geborene Klägerin ist iranische Staatsangehörige und verfügt seit dem 01.07.2010 über eine unbefristete Niederlassungserlaubnis. Sie lebt mit ihrem Ehemann, dem im März 1966 geborenen iranischen Staatsangehörigen Herrn …, der ebenfalls über eine Niederlassungserlaubnis verfügt, in einer gemeinsamen Mietwohnung in …. Für die Wohnung haben die Klägerin und ihr Ehemann, die beide als Gesamtschuldner Mietvertragspartner sind, laut Mietvertrag vom 30.10.2007 eine Grundmiete von 325,18 Euro und eine Gesamtmiete von monatlich 520,18 Euro zu entrichten (einschließlich Betriebskostenvorauszahlung und Wärmeversorgung). Seit November 2007 bis zum 31.05.2011 hatte die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann Arbeitslosengeld II vom Beklagten bezogen, teilweise ergänzend zu Einkommen aus Erwerbstätigkeit.
- 3
Ab dem 01.12.2012 bezogen die Klägerin und ihr Ehemann wieder Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Anlässlich der Antragstellung gaben sie unter Vorlage von Kontoauszügen an, neben einem positiven Saldo von 109,76 Euro (Stand 27.11.2012) auf einem Girokonto bei der Sparkasse … über keine Vermögenswerte zu verfügen.
- 4
Mit Schreiben vom 25.03.2013 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie einen Ausbildungsplatz zur Medizinisch-technischen Radiologieassistentin an der Staatlichen Lehranstalt für Radiologie der Universitätsmedizin … erhalten habe, und bat um ein persönliches Gespräch.
- 5
Die Klägerin nahm zum 01.10.2013 die Ausbildung auf. Die Ausbildung sollte voraussichtlich Ende September 2016 mit einem Staatsexamen enden. Eine Ausbildungsvergütung wurde nicht gewährt.
- 6
Am 02.10.2013 stellte die Klägerin für sich und ihren Ehemann einen Weiterbewilligungsantrag beim Beklagten für die Zeit ab dem 01.11.2013.
- 7
Der Ehemann der Klägerin bezog bis zum 17.09.2013 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), zuletzt wegen Arbeitsunfähigkeit in Form der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall. Im Anschluss hieran bezog der Ehemann der Klägerin Krankengeld von der ….
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Am 12.11.2013 erhielt der Ehemann der Klägerin eine Zahlung von Krankengeld in Höhe von 315,70 Euro für den Zeitraum vom 29.10.2013 bis zum 12.11.2013. Weitere Zahlungen erfolgten innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums am 21.11.2013 (202,95 Euro), am 02.12.2013 (135,50 Euro), am 10.12.2013 (293,15 Euro), am 27.12.2013 (293,15 Euro), am 03.01.2014 202,95 Euro), am 13.01.2014 (180,40 Euro) und am 20.01.2014 (157,85 Euro).
- 9
Mit Bescheid vom 22.10.2013 lehnte die Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit … – einen Antrag der Klägerin auf Berufsausbildungsbeihilfe ab. Die Berufsausbildung sei nicht nach § 57 Abs. 1 SGB III förderungsfähig, weil es sich nicht um eine betriebliche oder außerbetriebliche Berufsausbildung in einem nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG), der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, sondern um eine schulische Ausbildung handele.
- 10
Mit Bescheid vom 25.10.2013 bewilligte der Beklagte dem Ehemann der Klägerin Arbeitslosengeld II für die Zeit ab dem 01.11.2013.
- 11
Mit Bescheid vom 28.11.2013 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Arbeitslosengeld II für die Zeit ab dem 01.11.2013 ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mehr habe, da sie in Ausbildung sei und diese Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 51,57 und 58 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig sei. Auszubildende hätten über § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 5 und Abs. 6 SGB II.
- 12
Mit einem weiteren Bescheid vom 28.11.2013 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an den Ehemann der Klägerin mit Wirkung ab dem 01.12.2013 auf.
- 13
Mit einem dritten Bescheid vom 28.11.2013 bewilligte der Beklagte dem Ehemann der Klägerin Arbeitslosengeld II in Höhe von 175,26 Euro für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 30.11.2013.
- 14
Mit Bescheid vom 05.12.2013 lehnte die beigeladene Stadtverwaltung … einen Antrag der Klägerin auf Ausbildungsförderung nach dem BAföG ab. Zur Begründung führte sie aus, dass Ausbildungsförderung gemäß § 10 BAföG nicht geleistet werde, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er Ausbildungsförderung beantrage, das 30. Lebensjahr vollendet habe. Die Klägerin habe am 22.06.2003 das 30. Lebensjahr vollendet. Es stehe ihr gemäß der von ihr selbst gemachten Angaben keine Ausnahme dieser Vorschrift zur Seite. Somit bestehe dem Grunde nach kein Anspruch aus Ausbildungsförderung.
- 15
Gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 28.11.2013 erhob die Klägerin am 13.12.2013 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass der Beklagte sie dazu aufgefordert gehabt habe, sich für eine Ausbildung zu bewerben, was sie erfolgreich getan habe und was für die Zukunft sowohl für sie selbst als auch für den Beklagten von großem Vorteil sei, da dies die Chance erhöhe, dass sie ausreichendes Einkommen erlangen und dann nicht mehr auf Unterstützung angewiesen sein würde. Ihr stehe kein BAföG zu, da sie schon (über) 30 Jahre alt sei. Sie bitte dringendst darum, ihren Antrag unter diesen Umständen nochmals zu prüfen, denn sie habe kein Geld und werde die Ausbildung umgehend abbrechen müssen, wenn sie kein Geld erhalte, denn von nichts könne sie nicht leben.
- 16
Mit Bescheid vom 17.12.2013 lehnte der Beklagte auch einen Antrag auf Zuschuss zu den ungedeckten Unterkunftskosten ab. Ein Anspruch auf den Zuschuss nach § 27 SGB II bestehe, wenn Auszubildende Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem SGB III oder Leistungen nach dem BAföG bezögen. Da die Klägerin keine dieser Leistungen beziehe, erfülle sie nicht die Voraussetzungen für einen Zuschuss.
- 17
Mit Schreiben vom 08.01.2014 beantragte die Klägerin eine Vorschusszahlung beim Beklagten. Zur Begründung trug sie vor, dass sie seit Anfang November 2013 ohne Geld sei, nachdem sie eine vom Beklagten empfohlene Ausbildung begonnen habe. Das Widerspruchsverfahren laufe und derzeit häuften sich die Schulden an. Sie benötige dringend Geld zum Leben und für die Miete für drei Monate.
- 18
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2014 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 28.11.2013 zurück. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II hätten Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig sei, über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nach § 7 Abs. 6 SGB II finde § 7 Abs. 5 SGB II keine Anwendung auf Auszubildende,
- 19
1. die auf Grund von § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder aufgrund von § 64 Abs. SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hätten oder
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2. deren Bedarf sich nach § 12 Absatz 1 Nr. 1 BAföG, nach § 62 Abs. 1 oder § 124 Abs. 1 Nr. 1 SGB III bemesse oder
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3. die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund von § 10 Abs. 3 BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung hätten.
- 22
Mit der Formulierung „dem Grunde nach förderungsfähig“ werde klargestellt, dass es lediglich darauf ankomme, ob die begonnene Ausbildung bzw. das Studium abstrakt, also unabhängig von etwaigen individuellen Ausschlussgründen, förderungsfähig sei. Die Ausbildung der Klägerin zur Medizinisch-technischen Radiologieassistentin sei grundsätzlich nach dem BAföG förderungsfähig. Vorliegend erhalte die Klägerin lediglich auf Grund ihres Alters entsprechend § 10 BAföG keine Leistungen nach dem BAföG. Eine der in § 7 Abs. 6 SGB II genannten Ausnahmen sei ebenfalls nicht einschlägig. Ein Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 27 Abs. 3 SGB II könne nicht gewährt werden, weil die Klägerin keine Leistungen nach dem BAföG erhalte und diese auch nicht nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalte, sondern weil sie zu Beginn ihrer Ausbildung bereits 40 Jahre alt gewesen sei. Ein Anspruch auf darlehensweise Gewährung von Leistungen sei ebenfalls nicht gegeben. Dies wäre dann der Fall, wenn die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben würde, jedoch besondere Umstände die Nichtgewährung des Arbeitslosengeldes II als außergewöhnlich hart und deshalb unzumutbar erscheinen lassen würden. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei das Vorliegen einer so genannten „allgemeinen Härte“ keineswegs ausreichend, einen Leistungsanspruch zu rechtfertigen. Es müssten vielmehr außergewöhnliche, schwerwiegende, atypische und möglichst nicht selbst verschuldete Umstände gegeben sein, die einen zügigen Ausbildungsdurchlauf verhinderten oder die sonstige Notlage hervorgerufen hätten. Ein besonderer Härtefall sei gemeinhin zu bejahen, soweit die Folgen des Anspruchsausschlusses deutlich über das Maß hinausgingen, welches regelmäßig mit der Versagung von Sozialleistungen verbunden sei und auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart erscheinen würden. Die Annahme eines besonderen Härtefalles komme gegebenenfalls in Betracht, wenn
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- die Ausbildung/das Studium wegen der Geburt und der damit verbundenen Betreuung des Kindes ruhe,
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- das Studium/die Berufsausbildung wegen Krankheit, Schwangerschaft oder Behinderung länger dauere, als es durch das BAföG/SGB III gefördert werden könne und der erfolgreiche Abschluss wegen fehlender Mittel gefährdet wäre,
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- es einem Schwerbehinderten bei Abbruch der schulischen oder beruflichen Ausbildung langfristig und möglicherweise auf Dauer nicht möglich sein werde, seinen Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit ausreichend zu sichern,
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- ein mittelloser Studierender sich in der akuten Phase des Abschlussexamens befinde und ihm deshalb der Abbruch der Ausbildung nicht zugemutet werden könne,
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- oder der Abschluss der beruflichen Ausbildung unmittelbar bevorstehe.
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Nach der Rechtsprechung liege ein besonderer Härtefall insbesondere nicht vor, soweit
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- die Ausbildung ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung aus wirtschaftlichen Gründen abgebrochen werden müsse,
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- die Ausbildungsvergütung unterhalb des Sozialhilfebedarfs angesiedelt sei, da die Differenz durch (zusätzliches) Arbeitseinkommen gedeckt werden könne,
- 31
- der Auszubildende/Studierende die von ihm beantragte Förderung (BAföG/(BAB) tatsächlich noch nicht erhalten habe; auf die hierfür maßgebenden Ursachen komme es nicht an,
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- oder Unterstützungsleistungen Dritter in Folge des Überschreitens der Höchstförderungsdauer ausblieben.
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Die Nichtgewährung von Leistungen nach dem SGB II stelle im vorliegenden Fall – mangels entgegenstehender Anhaltspunkte bezüglich des Vorliegens eines Härtefalls – aus den genannten Gründen keine besondere Härte dar.
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Am 17.01.2014 beendete die Klägerin ihre Ausbildung vorzeitig durch Kündigung des Ausbildungsvertrags.
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Die Klägerin hat am 03.02.2014 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass es zwar sein möge, dass der Beklagte für Menschen in Ausbildung nicht zuständig sei. Sie halte es aber nicht für rechtmäßig, dass der Beklagte sie dazu auffordere, sich genau auf diese Ausbildung zu bewerben, sie auf das BAföG verweise, obwohl er wissen müsste, dass sie die Altersgrenze hierfür überschritten habe und ihr dann, nachdem ihr das BAföG abgelehnt worden sei, die Kosten zum Leben nicht gewähren wolle. Stattdessen solle sie nun begründen, warum sie die Ausbildung abgebrochen habe und einen neuen Antrag stellen. Hätte sie sich nicht auf die Ausbildungsstelle beworben, wie vom Beklagten gefordert, hätte man höchstwahrscheinlich eine Sanktion gegen sie ausgesprochen mit der Begründung, sie hätte die Mitwirkung verweigert.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 28.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2014 in der Fassung des Bescheids vom 17.02.2014 zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 31.01.2014 Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
- 41
Mit Bescheid vom 17.02.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 244,03 Euro für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 und in Höhe von zusammen 579,68 Euro für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 30.06.2014. Der Klägerin selbst wurde hierbei für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 ein Betrag von insgesamt 134,33 Euro (21,62 Euro Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und 112,71 Euro Bedarfe für Unterkunft und Heizung) bewilligt.
- 42
Die Klägerin nahm daraufhin einen zeitgleich mit der Klage erhobenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Az. S 3 AS 176/14 ER) zurück.
- 43
Mit Beschluss vom 17.03.2016 hat das Gericht die Stadtverwaltung … gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen.
- 44
Das Gericht hat die Prozessakte zum Verfahren S 3 AS 176/14 ER sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten beigezogen. Sie waren wie auch die Prozessakte zum vorliegenden Verfahren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
A.
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Der Rechtsstreit ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) auszusetzen und es sind Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber einzuholen, ob § 7 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BGBI. Teil I Nr. 23, S. 857), zuletzt geändert mit Wirkung zum 01.04.2012 durch Gesetz vom 20.12.2011 (BGBl. Teil I Nr. 69, S. 2917) mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar ist, soweit danach Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 51, 57 und 58 SGB Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig ist, über § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II haben.
- 46
Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG (konkrete Normenkontrolle) hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist zu begründen, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.11.2014 – 2 BvL 2/11 – Rn. 5 – alle Gerichtsentscheidungen zitiert nach juris, wenn nicht anders angegeben). Die Voraussetzungen für die Durchführung eines konkreten Normenkontrollverfahrens sind vorliegend erfüllt.
- 47
Die Überzeugung der Kammer von der Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II beruht darauf, dass es dem Gesetzgeber nach Maßgabe des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verwehrt ist, die Gewährung jeder Art von existenzsichernden Leistungen von Handlungen oder Unterlassungen der betroffenen Personen abhängig zu machen, die weder zur Feststellung der Leistungsvoraussetzungen erforderlich noch unmittelbar dazu führen, die Hilfebedürftigkeit der Betroffenen zu beseitigen.
I.
- 48
Die Zuständigkeit des BVerfG ist gegeben, da das vorlegende Gericht Vorschriften eines Bundesgesetzes für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar hält (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 GG).
II.
- 49
Die vorlegende Kammer ist als Spruchkörper des Sozialgerichts Mainz ein vorlageberechtigtes Gericht im Sinne des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG.
III.
- 50
Bei der als verfassungswidrig gerügten Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II handelt es sich um Vorschiften eines formellen, nachkonstitutionellen Bundesgesetzes. Sie sind daher vorlagefähig.
IV.
- 51
Die Vorlagefrage ist für das dem Beschluss zu Grunde liegende Klageverfahren entscheidungserheblich.
- 52
Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist ein Vorlageverfahren nur dann zulässig, wenn es für die Entscheidung auf die Gültigkeit des für verfassungswidrig gehaltenen Gesetzes ankommt.
- 53
Dies setzt – wenn nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen selbst Gegenstand der Vorlage sind – zunächst voraus, dass die dem Vorlagebeschluss zu Grunde liegende Klage zulässig ist (1) und dass im Falle der – hier vorliegenden – Leistungsklage die Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen vorliegen (2). Ferner muss es für die Entscheidung des Gerichts auf die Gültigkeit der zur Prüfung vorgelegten Normen ankommen. Dies setzt voraus, dass bei Gültigkeit der Regelungen ein anderes Entscheidungsspektrum eröffnet wird, als bei deren Nichtigkeit (3). Der Klage dürfte auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattzugeben sein (4).
- 54
1. Die Klage ist zulässig. Das Gericht ist zur Sachentscheidung berufen.
- 55
1.1 Die Klägerin hat ihre Klage frist- und formgerecht erhoben. Das Widerspruchsverfahren gegen den streitgegenständlichen Bescheid des Beklagten vom 28.11.2013 ist durchgeführt und abgeschlossen worden.
- 56
1.2 Die Klägerin ist klagebefugt im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SGG, da sie geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein.
- 57
1.3 Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, mit der die Klägerin die Aufhebung des Bescheids vom 28.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2014 und die Zahlung von Geldleistungen nach dem SGB II verlangt, ist nach §§ 54 Abs. 4, 56 SGG statthaft. Der Streitgegenstand wurde im Sinne des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG hinreichend bestimmt. Eine exakte Bezifferung des geltend gemachten Anspruchs ist nicht erforderlich. § 92 Abs. 1 Satz 3 SGG enthält hinsichtlich der Bestimmtheit des Antrags lediglich eine Sollvorschrift. Aus dem systematischen Zusammenhang mit der Regelung zum Grundurteil in § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG ergibt sich zudem, dass bei Geldleistungen keine Bezifferung des Antrags erfolgen muss. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG kann zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden, wenn gemäß § 54 Abs. 4 SGG oder § 54 Abs. 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Aus der Befugnis des Gerichts, ein Grundurteil zu erlassen, folgt die Statthaftigkeit einer entsprechenden unbezifferten Antragstellung. Im Übrigen lässt sich das klägerische Begehren in hinreichender Bestimmtheit dem Vorbringen in der Klageschrift und im vorangegangenen Widerspruchsverfahren entnehmen.
- 58
1.4 Zulässiger Streitgegenstand ist der Bescheid vom 28.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2014 (§ 95 SGG) in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17.02.2014 (§ 96 Abs. 1 SGG). In zeitlicher Hinsicht ist der Streitgegenstand auf den Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 31.01.2014 begrenzt, da die Klägerin ihren Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2016 dahingehend konkretisiert hat.
- 59
2. Die Klägerin erfüllte im streitgegenständlichen Zeitraum abgesehen von der den Gegenstand der Vorlagefrage bildende Ausschlussregelung des § 7 Abs. 5 SGB II alle Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.
- 60
2.1 Die Klägerin ist erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie ist älter als 15 Jahre und hat die nach § 7a Satz 2 SGB II maßgebliche Altersgrenze von 67 Jahren noch nicht erreicht.
- 61
2.2 Die Klägerin hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Die Klägerin lebt in .... Anhaltspunkte dafür, dass sie sich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten könnte, sind nicht erkennbar. Die Klägerin verfügt über eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis. Für die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts kommt es auf aufenthaltsrechtliche Aspekte im Übrigen nicht an (BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – Rn. 18 f.).
- 62
2.3 Die Klägerin hat den nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II erforderlichen Antrag gestellt.
- 63
2.4 Die Klägerin ist erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, insbesondere ist ihr die Aufnahme einer Beschäftigung in Folge der Niederlassungserlaubnis gestattet (§ 8 Abs. 2 Satz 1 SGB II).
- 64
2.5 Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Hilfebedürftigkeit liegt gemäß § 9 Abs. 1 SGB II vor, wenn jemand seinen eigenen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen, sichern kann und die nötige Hilfe nicht von anderen erhält. In Folge der Einkommens- und Vermögenszurechnungsregelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II, nach der jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig gilt, sofern der gesamte Bedarf nicht aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist („horizontale Berechnungsmethode“), kommt es für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage nur darauf an, dass der Gesamtbedarf der Klägerin und ihres Ehemanns durch Einkommen oder Vermögen beider zu irgendeinem Zeitpunkt im streiterheblichen Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 31.01.2014 nicht vollständig gedeckt war.
- 65
2.5.1 Bei der Klägerin und bei ihrem Ehemann ist jeweils für die Zeit vom 01.11.2013 bis zum 31.12.2013 von einem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 345 Euro monatlich (§ 20 Abs. 4 SGB II i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Januar 2013 vom 18.10.2012 (BGBl. Teil I S. 2175)) auszugehen, für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.10.2014 von einem Regelbedarf in Höhe von 353 Euro monatlich (§ 20 Abs. 4 SGB II i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Januar 2014 vom 16.10.2013 (BGBl. Teil I S. 3857)), da sie als Partner miteinander in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II leben und das 18. Lebensjahr vollendet haben.
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Darüber hinaus ist von einem Gesamtbedarf für Unterkunft und Heizung nach §§ 19 Abs. 1 Satz 3, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe von 520,18 Euro – nachgewiesen durch den Mietvertrag – monatlich auszugehen. Die Klägerin ist gemeinsam mit ihrem Ehemann Mietvertragspartnerin. Im Außenverhältnis besteht eine Gesamtschuldnerschaft gegenüber der Vermieterin (§§ 421, 427 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Im Innenverhältnis ist mangels unterhaltsrechtlicher Leistungsfähigkeit davon auszugehen, dass beide Ehegatten zur Tragung jeweils einer Hälfte der Unterkunftsaufwendungen verpflichtet sind (vgl. SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 12.12.2014 – S 3 AS 370/14 – Rn. 99). Hieraus resultiert eine individueller Unterkunfts- und Heizungsbedarf in Höhe von jeweils 260,09 Euro monatlich.Die Frage, ob die Aufwendungen der Klägerin (und ihres Ehemanns) für Unterkunft und Heizung angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II sind, kann vorliegend offenbleiben, da die Bedarfsgemeinschaft mangels Kostensenkungsaufforderung jedenfalls keine Kostensenkungsobliegenheit trifft und daher die Kosten nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II bis auf Weiteres unabhängig von ihrer Angemessenheit in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen sind. Die Frage, ob § 22 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II verfassungswidrig ist (vgl. SG Mainz, Vorlagebeschlüsse vom 12.12.2014 – S 3 AS 130/14 und S 3 AS 370/14), ist daher im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich.
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Bei der Klägerin ist somit für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 31.12.2013 ein monatlicher Gesamtbedarf in Höhe von 605,09 Euro und für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 in Höhe von 613,09 Euro auszugehen. Entsprechendes gilt für ihren Ehemann.
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Für die aus der Klägerin und ihrem Ehemann (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II) bestehende Bedarfsgemeinschaft ist somit für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 31.12.2013 ein Gesamtbedarf in Höhe von 1.210,18 Euro monatlich, für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 in Höhe von 1.226,18 Euro zu Grunde zu legen.
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2.5.2 Vermögen haben die Klägerin und ihr Ehemann zur Bedarfsdeckung nicht einzusetzen.
- 70
Nach § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Gemäß § 12 Abs. 2 SGB II sind vom verwertbaren Vermögen jedoch Freibeträge abzusetzen. Als Vermögensfreibetrag ist gemeinsam für die Klägerin und ihren Ehemann ein Betrag von 14.550 Euro zu berücksichtigen. Dieser errechnet sich aus dem Grundfreibetrag für die Klägerin von 6.000 Euro gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II (40 Lebensjahre x 150 Euro), aus dem Grundfreibetrag für den Ehemann der Klägerin in Höhe von 7.050 Euro (47 Lebensjahre x 150 Euro) und dem jeweiligen Anschaffungsfreibetrag von 750 Euro gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II, zusammen 1.500 Euro.
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Das Vermögen der Klägerin und ihres Ehemanns lag zu Beginn des Bewilligungszeitraums am 01.11.2013 und in der Folgezeit deutlich unter dieser Vermögensfreigrenze. Bereits aus den Angaben anlässlich der Antragstellung am 20.11.2012 geht hervor, dass die Klägerin und ihr Ehemann neben kleineren Beträgen auf einem Girokonto über keine Vermögenswerte verfügen. Auch aus den in den Verwaltungsverfahren und im einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 3 AS 176/14 ER vorgelegten Kontoauszügen gehen allenfalls leicht positive Kontostände in Folge des Bezugs von Soziallleistungen hervor. Auch nach den Ermittlungen des Beklagten, die letztendlich zu einer Leistungsbewilligung geführt haben, verfügten die Klägerin und ihr Ehemann zu keinem Zeitpunkt über Vermögen oberhalb der für sie maßgeblichen Vermögensfreigrenze.
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2.5.3 Die Klägerin selbst hat im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen erzielt. Allerdings hat ihr Ehemann Krankengeld erhalten, das als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bedarfsmindernd anzurechnen ist.
- 73
In der Zeit vom 01.11.2013 bis zum 30.11.2013 erhielt der Ehemann der Klägerin Krankengeld in Höhe von insgesamt 518,65 Euro (Zahlung vom 12.11.2013 in Höhe von 315,70 Euro und Zahlung vom 21.11.2013 in Höhe von 202,95 Euro). Nach Abzug der Versicherungspauschale von 30 Euro nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) ergibt sich ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 488,65 Euro. Dieses Einkommen ist auf die Klägerin und ihren Ehemann gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II hälftig aufzuteilen, so dass bei der Klägerin für den Monat November 2013 ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 360,77 Euro (605,09 Euro – 488,65 Euro : 2) verbleibt. Die Klägerin hätte daher im Fall der Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II in dieser Höhe.
- 74
In der Zeit vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 erhielt der Ehemann der Klägerin Krankengeld in Höhe von insgesamt 721,60 Euro (Zahlung vom 02.12.2013 in Höhe von 135,30 Euro, Zahlung vom 10.12.2013 in Höhe von 293,15 Euro und Zahlung vom 27.12.2013 in Höhe von 293,15 Euro). Nach Abzug der Versicherungspauschale von 30 Euro nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V ergibt sich ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 691,60 Euro. Dieses Einkommen ist auf die Klägerin und ihren Ehemann gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II hälftig aufzuteilen, so dass bei der Klägerin für den Monat Dezember 2013 ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 259,29 Euro (605,09 Euro – 691,60 Euro : 2) verbleibt. Die Klägerin hätte daher im Fall der Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II in dieser Höhe.
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In der Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 erhielt der Ehemann der Klägerin Krankengeld in Höhe von insgesamt 541,20 Euro (Zahlung vom 03.01.2014 in Höhe von 202,95 Euro, Zahlung vom 10.01.2014 in Höhe von 180,40 Euro und Zahlung vom 20.01.2014 in Höhe von 157,85 Euro). Nach Abzug der Versicherungspauschale von 30 Euro nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V ergibt sich ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 511,20 Euro. Dieses Einkommen ist auf die Klägerin und ihren Ehemann gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II hälftig aufzuteilen, so dass bei der Klägerin für den Monat Januar 2014 ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 357,49 Euro (613,09 Euro – 691,60 Euro : 2) verbleibt. Mit dem Bescheid vom 17.02.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 lediglich Leistungen in Höhe von 134,33 Euro, so dass im Falle der Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II ein Anspruch auf höhere Leistungen im Umfang von 223,16 Euro bestünde.
- 76
Da laufende Einnahmen gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen, spielt es keine Rolle, dass das vorliegend anzurechnende Krankengeld einerseits auch für Zeiträume im Oktober 2013 geleistet wurde und andererseits noch im Februar 2014 Krankengeld für Januar 2014 gezahlt wurde.
- 77
3. Die Gültigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II ist für die durch das Gericht zu treffende Sachentscheidung über den Anspruch der Klägerin entscheidungserheblich. Entscheidungserheblichkeit im Sinne des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG liegt vor, wenn bei Gültigkeit der Vorschrift (3.1) ein Entscheidungsspektrum eröffnet wird, das eine Abweichung von der Entscheidung bei Nichtigkeit der Vorschrift (3.2) ermöglicht (SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 12.12.2014 – S 3 AS 130/14 – Rn. 127).
- 78
3.1 Im Falle der Gültigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II wäre die Klage abzuweisen.
- 79
3.1.1 Nach § 7 Abs. 5 SGB II in der seit dem 01.04.2012 geltenden Fassung haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 51, 57 und 58 des SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
- 80
Auf Grund dessen, dass das Bezugswort zum Terminus „dem Grunde nach förderungsfähig“ in § 7 Abs. 5 SGB II „Ausbildung“ und nicht etwa „Auszubildende“ ist, kommt es für das Eingreifen des Ausschlusstatbestands nicht darauf an, ob im Einzelfall tatsächlich eine Förderung nach dem BAföG oder nach dem SGB III erfolgt (so im Ergebnis auch BSG, Urteil vom 06.08.2014 – B 4 AS 55/13 R – Rn. 17 m.w.N.). Das Fehlen individueller Voraussetzungen für eine Förderung ist unerheblich und ändert nichts an der Förderungsfähigkeit dem Grunde nach, auch wenn Auszubildende keine Leistungen nach dem BAföG erhalten, z.B. wegen mangelnder Eignung (§ 9 BAföG), wegen Überschreitens der Altersgrenze (§ 10 BAföG), bei Überschreiten der Förderungshöchstdauer (§ 15a BAföG) oder wegen des Fehlens der Voraussetzungen für die Förderung einer weiteren Ausbildung bei einem nach Maßgabe des Gesetzes unbegründeten Ausbildungs- und Fachrichtungswechsel (§ 7 Abs. 2, 3 BAföG).
- 81
3.1.2 Bei der Klägerin lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für diesen Leistungsausschluss für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 17.01.2014 (Beendigung der Ausbildung durch Abbruch im Sinne des § 15b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BAföG) vor.
- 82
a) Die Ausbildung zur Medizinisch-technischen Radiologieassistentin an der Staatlichen Lehranstalt für Radiologie der Universitätsmedizin …, gehört nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG (Berufsfachschulklasse) zu den nach dem BAföG förderungsfähigen Ausbildungen.
- 83
b) Eine Rückausnahme nach § 7 Abs. 6 SGB II liegt im Falle der Klägerin nicht vor. Sie hat insbesondere nicht im Sinne des § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II auf Grund des § 2 Abs. 1a BAföG deshalb keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung, weil sie bei ihren Eltern gewohnt hätte. Der Bedarf der Klägerin würde sich auch nicht entsprechend § 7 Abs. 6 Nr. 2 SGB II nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG bemessen, sondern nach § 12 Abs. 2 BAföG, weil sie in der Zeit der Ausbildung nicht bei ihren Eltern gewohnt hat. Auch § 7 Abs. 6 Nr. 3 SGB II greift nicht, weil die Klägerin keine der dort genannten Abendschultypen besucht hat. Die an nach dem SGB III förderungsfähige Ausbildungen anknüpfenden Rückausnahmen in § 7 Abs. 6 SGB II sind für die schulische Ausbildung der Klägerin ebenfalls nicht einschlägig.
- 84
c) Ansprüche auf Leistungen in Höhe der Mehrbedarfe nach § 27 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5 oder Abs. 6 SGB II, auf Erstausstattungsleistungen nach § 27 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB II und auf ergänzende Leistungen gemäß § 27 Abs. 3 SGB II sind für sich genommen nicht zur vollständigen Deckung der Bedarfe zum Lebensunterhalt geeignet. Davon abgesehen erfüllt die Klägerin auch die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen nicht.
- 85
d) Die Klägerin begehrt im vorliegenden Verfahren die zuschussweise Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II, so dass auch die theoretische Möglichkeit, Darlehensleistungen nach § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf Grund einer Ermessensentscheidung zu erhalten, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 5 SGB II eine besondere Härte bedeuten würde, an der (teilweisen) Klageabweisung für den Fall der Gültigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II nichts ändern würde.
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Im Übrigen wäre hier wohl das Vorliegen einer besonderen, d.h. über den Regelfall des Leistungsausschlusses hinausgehenden Härte zu verneinen, da die Klägerin die Ausbildung gerade erst begonnen hatte und die Aussichten sowohl für den Erwerb der beruflichen Qualifikation als auch für die anschließenden Arbeitsmarktchancen noch nicht absehbar waren. Der Umstand, dass die Klägerin wohl durch die Vermittlung des Beklagten bzw. der Agentur für Arbeit auf die Möglichkeit der streitgegenständlichen Ausbildung hingewiesen wurde, stellte zu Beginn der Ausbildung auch noch keine besondere Härte dar.
- 87
Die begehrte Verurteilung zur Leistung könnte im Übrigen selbst bei Annahme eines besonderen Härtefalls nur unter der Voraussetzung einer „Ermessensreduzierung auf Null“ erfolgen.
- 88
Selbst wenn unter dem Gesichtspunkt einer besonders weitgehenden („verfassungskonformen“) Auslegung davon ausgegangen würde, dass eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II bereits vorliegt, wenn der notwendige Lebensunterhalt während der Ausbildungszeit nicht anderweitig sichergestellt wäre und in diesen Fällen zudem eine „Ermessensreduzierung auf Null“ zu Gunsten der Gewährung von Leistungen an die Betroffenen angenommen würde, änderte dies in Folge des anderen Entscheidungsinhalts (Darlehen statt Zuschuss) nichts an der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage.
- 89
3.2 Die Klägerin hätte für den Fall, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II für nichtig erklärt würde, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 31.12.2013 und einen Anspruch auf weiteres Arbeitslosengeld II über den bewilligten Betrag hinaus für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014.
- 90
Der Beklagte wäre unter Abänderung des Bescheids vom 28.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2014 dem Grunde nach zur Zahlung von Arbeitslosengeld II an die Klägerin für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 31.12.2013 und zu höheren Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 zu verurteilen.
- 91
Die im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit relevante Frage, ob nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossene Personen – insbesondere auch die Klägerin – Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB XII haben könnte, berührt die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage nicht. Denn in einem solchen Fall hätte die durch das Gericht zu treffende Entscheidung einen anderen Inhalt. An Stelle des Beklagten wäre die Beigeladene zu einer anderen als der im Hauptantrag begehrten Leistung zu verurteilen.
- 92
4. Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen wird ferner nicht dadurch beseitigt, dass der streitgegenständliche Bescheid aus einem anderen Rechtsgrund aufzuheben wäre und/oder der Klägerin aus anderen Rechtsgründen (höhere) Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 31.01.2104 zustehen könnten. Insbesondere liegen weder wirksame Bewilligungsbescheide noch Zusicherungen im Sinne des § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vor, die den Beklagten unabhängig von der materiellen Rechtslage zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an die Klägerin verpflichten könnten.
- 93
5. Die Vorlagefrage ist somit entscheidungserheblich im Sinne des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG, da die Klage im Falle der Gültigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II abzuweisen wäre, bei Nichtigkeit der Vorschrift der Klage hingegen stattzugeben wäre.
V.
- 94
Die Kammer ist von der Verfassungswidrigkeit der genannten Vorschrift überzeugt.
- 95
Die mögliche Verfassungswidrigkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 5 SGB II (sowie nach der Parallelregelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bzw. nach den Vorgängerregelungen im ab dem 01.01.1976 geltenden § 31 Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in der Fassung des Gesetzes vom 18.12.1975 (BGBl. Teil I, S. 3091) und seit dem 01.01.1982 in § 26 (Abs.1) Satz 1 BSHG, zunächst in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.1981 (BGBl. Teil I S. 1523) und seither in verschiedenen Fassungen bis zum 31.12.2004) wurde bisher in Rechtsprechung (1) und Literatur (2) selten thematisiert.
- 96
1. Die Rechtsprechung geht bislang weit überwiegend von der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 5 SGB II aus.
- 97
1.1 Die 3. Kammer des 1. Senats des BVerfG hat sich in zwei veröffentlichten Nichtannahmebeschlüssen mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung befasst.
- 98
a) Im Beschluss vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11 – Rn. 21 ff.) kommt sie zu dem Schluss, dass eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG im der Verfassungsbeschwerde zu Grunde liegenden Fall nicht vorliege. § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. konkretisiere den Nachrang gegenüber vorrangigen besonderen Sozialleistungssystemen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Hinweis auf § 3 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB II). Der Gesetzgeber gehe im Rahmen seines Gestaltungsspielraums in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass das menschenwürdige Existenzminimum, soweit eine durch die Ausbildung bedingte Bedarfslage entstanden sei, vorrangig durch Leistungen nach dem BAföG beziehungsweise dem SGB III zu decken sei. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. führe (im Falle der Beschwerdeführerin) dazu, dass ihr für die Dauer ihrer Ausbildung keine Grundsicherungsleistungen (über Leistungen für Mehrbedarf für Alleinerziehende hinaus) gewährt würden. Dies beruhe auf den Vorgaben des BAföG, insbesondere zur Altersgrenze der Förderung und sei keine im dem Beschluss zu Grunde liegenden Verfahren zu klärende Frage zum SGB II. Der faktische Zwang, eine Ausbildung abbrechen zu müssen, weil keine Sozialleistungen die Existenz sicherten, berühre die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG (Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 8.05.2013 – 1 BvL 1/08 – Rn. 36 f.). Der Gesetzgeber habe mit den Vorschriften des BAföG jedoch hierfür ein besonderes Sozialleistungssystem geschaffen. Dabei habe der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums entschieden, dass eine möglichst frühzeitige Aufnahme der Ausbildung angestrebt wird (Hinweis auf BT-Drucks. 8/2467, S. 15 und BT-Drucks. 11/610, S. 16 f.). Ermöglicht werde im Allgemeinen, bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres eine der Begabung entsprechende Ausbildung zu beginnen (Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 15.09.1980 – 1 BvR 715/80). Ob sich der Ausschluss der Beschwerdeführerin von der Förderung einer Ausbildung vor der Verfassung rechtfertigen lasse, sei damit nicht gesagt, aber auch nicht zu entscheiden.
- 99
b) Im Beschluss vom 08.10.2014 (1 BvR 886/11 – Rn. 13 ff.) kommt die 3. Kammer des 1. Senats des BVerfG ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG im der Verfassungsbeschwerde zu Grunde liegenden Fall nicht verletzt sei. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II müssten erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einsetzen; dies tue der Beschwerdeführer (des dortigen Verfahrens) nicht, wenn er studiere. Daher schließe § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. im Fall des Beschwerdeführers die Gewährung dieser Grundsicherungsleistungen aus. Soweit durch die Ausbildung existenzielle Bedarfe entstünden, würden diese insofern vorrangig durch Leistungen nach dem BAföG beziehungsweise dem SGB III gedeckt. Über die dortige Altersgrenze der Förderung hätten die Gerichte im vorliegenden Verfahren nicht entschieden. Daher gehe auch die Rüge einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG in diesem Verfahren ins Leere. Der faktische Zwang, ein Studium abbrechen zu müssen, weil keine Sozialleistungen zur Verfügung stehen, berührt zwar die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber habe mit den Vorschriften des BAföG jedoch ein besonderes Sozialleistungssystem zur individuellen Förderung der Hochschulausbildung durch den Staat geschaffen, das diese Teilhabe sichern solle. Seine Regelungen über Förderungsvoraussetzungen sowie Art, Höhe und Dauer der Leistungen seien auf die besondere Lebenssituation der Studierenden zugeschnitten, die auf öffentliche Hilfe bei der Finanzierung ihres Studiums angewiesen seien. Der Gesetzgeber habe die Förderung so ausgestaltet, dass eine möglichst frühzeitige Aufnahme der Ausbildung gefördert werde, denn im Allgemeinen müsse bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres eine der Begabung entsprechende Ausbildung begonnen werden. § 10 Abs. 3 Satz 2 BAföG lasse Ausnahmen bei einer Ausbildungsaufnahme in höherem Alter zu. Es sei so derzeit möglich, ein Erststudium gefördert zu absolvieren. Ob sich insofern der Ausschluss des Beschwerdeführers von der Förderung für ein Studium nach Ausbildung und Erwerbstätigkeit vor der Verfassung rechtfertigen lässt, sei damit nicht gesagt, aber auch nicht zu entscheiden.
- 100
1.2 Nach Auffassung des 5. Senats des BVerwG (Beschluss vom 18.07.1994 – 5 B 25/94 – Rn. 5 f.) war die dem jetzigen § 7 Abs. 5 SGB II in wesentlicher Hinsicht entsprechende Ausschlussregelung des § 26 Satz 1 BSHG a.F. mit dem verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) vereinbar. Angesichts der Weite und Unbestimmtheit dieses Grundsatzes lasse sich aus ihm regelmäßig kein Gebot entnehmen, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren. Zwingend sei lediglich, dass der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben seiner Bürger schaffe (Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 29.05.1990 – 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86 – Rn. 83). Dass diese Mindestvoraussetzungen bei Personen, die nach dem BAföG gefördert würden und zufolge des § 26 Satz 1 BSHG a.F. daneben grundsätzlich keine Hilfe zum Lebensunterhalt nach Sozialhilferecht erhalten könnten, in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise unterschritten würden, könne nicht angenommen werden. Die gegenteilige Einschätzung des Klägers (des dortigen Verfahrens) beruhe zum einen darauf, dass dieser, was die Höhe der Ausbildungsförderung nach dem BAföG angehe, mit dem Erhöhungsbetrag nach § 13 Abs. 2a BAföG (a.F.) für die Krankenversicherung von Auszubildenden an Hochschulen Leistungen unberücksichtigt lasse, die nicht nur nach Sozialhilferecht, sondern auch im Rahmen der Ausbildungsförderung gewährt werden könnten. Zum anderen bleibe in der dem Beschluss zu Grunde liegenden Beschwerde auch unerwähnt, dass nach der Rechtsprechung des BVerwG durch § 26 Satz 1 BSHG a.F. der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nur für einen ausschließlich ausbildungsgeprägten Bedarf ausgeschlossen werde. Nicht berührt werde deshalb der Anspruch auf solche Leistungen, die zwar nach ihrer Zuordnung im Gesetz Hilfe zum Lebensunterhalt seien, jedoch einen Bedarf beträfen, der durch besondere, von der Ausbildung unabhängige Umstände bedingt sei (Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 17.01.1985 – 5 C 29/84 – Rn. 8 ff.; BVerwG, Beschluss vom 13.05.1993 – 5 B 47/93 – Rn. 4; BVerwG, Urteil vom 14.10.1993 – 5 C 16/91 – Rn. 6). Neben Ausbildungsförderung nach dem BAföG könnten daher z.B. sozialhilferechtliche Leistungen wegen besonderer, nicht ausbildungsbezogener Belastungen durch Krankheit, Behinderung, Schwangerschaft oder Kinderpflege und -erziehung in Betracht kommen. Abgesehen davon sei es, was in der Rechtsprechung des BVerwG seit langem geklärt sei, auch Auszubildenden an Hochschulen grundsätzlich zumutbar, durch gelegentliche – insbesondere in die vorlesungsfreie Zeit fallende – Nebentätigkeit, bei der es sich nicht um die Aufnahme einer mit der Ausbildung unvereinbaren Erwerbstätigkeit handeln würde, einen Verdienst zu erzielen, der ausreiche, mindestens den Unterschiedsbetrag abzudecken, der sich etwa ergebe, wenn dem Betrag der gewährten Ausbildungsförderung der Betrag gegenübergestellt werde, der als Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe der Vorschriften des BSHG in Betracht kommen könnte (Bezugnahme u.a. auf BVerwG, Urteil vom 24.04.1975 – V C 9.74 – Rn. 16). Der Auszubildende habe es danach in der Hand, im Bedarfsfall die Sozialleistungen, die er aus Mitteln der Ausbildungsförderung und gegebenenfalls – beim Vorliegen eines nicht ausbildungsgeprägten Bedarfs – im Rahmen des Sozialhilferechts erhalte, im Wege der Selbsthilfe aufzustocken.
- 101
1.3 Der 8. Senat des OVG Nordrhein-Westfalen war im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerwG ebenfalls der Ansicht, dass es sowohl mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG als auch mit dem verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) vereinbar sei, dass § 26 Satz 1 BSHG a.F. Personen, die eine im Rahmen des BAföG dem Grunde förderungsfähige Ausbildung absolvieren, von der Hilfe zum Lebensunterhalt grundsätzlich ausschließe (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.02.1995 – 8 B 540/95 – Rn. 6).
- 102
1.4 Nach Auffassung des 14. Senats des BSG begegnete der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003 (BGBl. Teil I, S. 2954) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar führe der Ausschluss sowohl im SGB II als auch im SGB XII dazu, dass im Einzelfall für Ausbildungszeiten überhaupt keine staatliche Sozialleistung zur Verfügung gestellt werde. Der Gesetzgeber stelle aber grundsätzlich ein besonderes System der Ausbildungsförderung zur Verfügung, mit dem er den Lebensunterhalt während einer Ausbildung sichere. Er sei verfassungsrechtlich nicht gehalten, darüber hinaus Ausbildungszeiten auch außerhalb dieses Systems zu fördern. Soweit jemand eine Ausbildung betreiben wolle, obwohl er die Anspruchsvoraussetzungen des zur Förderung einer Ausbildung vorgesehenen Sozialleistungssystems nicht erfülle, handele es sich um eine vom Auszubildenden selbst zu verantwortende Entscheidung. Sie könne zumindest nicht die Konsequenz haben, den Gesetzgeber zu verpflichten, auch während dieser Ausbildung Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts nach einem System (SGB II) zu gewähren, das der Existenzsicherung von Personen diene, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Einkommen erzielen wollten und nur wegen des Fehlens einer Erwerbsmöglichkeit (vorübergehend) der Unterstützung bedürften. Wegen der Ausbildung wäre die Klägerin (des dortigen Verfahrens) nämlich kaum in der Lage, ihren Lebensunterhalt durch eine von der Bundesagentur für Arbeit vermittelte Erwerbstätigkeit selbst zu sichern. Etwaige Härten würden dabei durch § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II (a.F.) abgefedert. Angesichts der insgesamt pauschalierten Höhe der Leistungen nach dem BAföG würde die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, jedenfalls in der Zeit vor dem Inkrafttreten des § 22 Abs. 7 SGB II zum 01.01.2007 auch zu einer nicht zu rechtfertigenden Privilegierung von Personen führen, die eine förderungsfähige Ausbildung absolvierten, aber die besonderen Voraussetzungen einer Ausbildungsförderung nach den spezialgesetzlichen Vorschriften nicht erfüllten (BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 28/06 R – Rn. 29; ähnlich: BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 36/06 R – Rn. 28).
- 103
1.5 Dieser Auffassung hat sich der 14. Senat des LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 18.07.2008 (L 14 B 774/08 AS PKH – Rn. 2) ohne weitere Begründung angeschlossen.
- 104
1.6 Im Urteil vom 30.09.2008 stellte auch der 4. Senat des BSG unter Bezugnahme auf die Urteile vom 06.09.2007 (B 14/7b AS 28/06 R und B 14/7b AS 36/06 R) ohne weitere Ausführungen fest, dass eine verfassungswidrige Benachteiligung durch den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II nicht ersichtlich sei (BSG, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 28/07 R – Rn. 30). Die Ausschlussregelung sei auf die Erwägung zurückzuführen, dass bereits die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder nach §§ 60 bis 62 SGB III (a.F.) auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasse und deshalb im Grundsatz die Grundsicherung nicht dazu diene, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung solle die nachrangige Grundsicherung mithin davon befreien, eine (versteckte) Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen (BSG, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 28/07 R – Rn. 14).
- 105
Im Urteil vom 27.09.2011 führte der 4. Senat des BSG aus, dass es der Sinn der Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II (a.F.) sei, Ausbildungsförderleistungen nur durch die dafür vorgesehenen Systeme (BAföG oder SGB III) zu gewährleisten. Ausbildungsförderung durch Leistungen aus den Fürsorgesystemen (SGB II und SGB XII) solle daher weitestgehend verhindert werden (BSG, Urteil vom 27.09.2011 – B 4 AS 160/10 R – Rn. 19).
- 106
In einem weiteren Urteil vom 27.09.2011 konstatierte der 4. Senat des BSG – ohne allerdings ausdrücklich eine verfassungsrechtliche Prüfung vorzunehmen –, dass es, da grundsätzlich die Sicherung des Lebensunterhalts bei förderungsfähigen Ausbildungen durch ein anderes Sozialleistungssystem erfolgen solle als die Grundsicherung für Arbeitsuchende, in der Ausbildungssituation keiner Leistungen der Grundsicherung bedürfe. Soweit ein Student ein Studium betreiben wolle, obwohl er die Anspruchsvoraussetzungen des zur Förderung dessen vorgesehenen Sozialleistungssystems nicht erfülle, handele es sich um eine vom Auszubildenden selbst zu verantwortende Entscheidung. Sie könne zumindest nicht die Konsequenz haben, den Gesetzgeber zu verpflichten, auch während dieses Studiums Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren, ohne dass der Student dem Gesamtsystem des SGB II unterläge. Wegen der Ausbildung sei er nämlich kaum in der Lage, seinen Lebensunterhalt durch eine von der Bundesagentur für Arbeit vermittelte Erwerbstätigkeit selbst zu sichern (BSG, Urteil vom 27.09.2011 – B 4 AS 145/10 R – Rn. 23).
- 107
In einem Urteil vom 28.03.2013 hat der 4. Senat des BSG seine Auffassung bekräftigt, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne und der Gesetzgeber nicht gehalten sei, außerhalb des besonderen Systems zur Ausbildungsförderung den Lebensunterhalt während der Ausbildung sicherzustellen (BSG, Urteil vom 28.03.2013 – B 4 AS 59/12 R – Rn. 20).
- 108
In einem Urteil vom 02.04.2014 (B 4 AS 26/13) zu einem Verfahren, in dem der nach dem BAföG geförderte dortige Kläger einen Zuschuss zu den ungedeckten Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 7 SGB II (a.F.) (heute weitgehend übernommen in § 27 Abs. 3 SGB II) begehrt hatte, ohne dessen spezielle Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen, wiederholte der 4. Senat des BSG im Wesentlichen seine Argumentation aus dem Urteil vom 30.09.2008 (B 4 AS 28/07 R – Rn. 14). Es sollten nicht mehrere Träger zur Deckung ein und desselben Bedarfs zuständig sein (BSG, Urteil vom 02.04.2014 – B 4 AS 26/13 – Rn. 18). Soweit der Kläger geltend mache, der Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 i.V.m. Art. 20 GG (Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 134 und BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07.07.2010 – 1 BvR 2556/09) erfordere seine Einbeziehung in den Kreis der nach § 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II a.F. Leistungsberechtigten, vermöge der Senat dem nicht zu folgen. Der Kläger berufe sich darauf, aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG folge die staatliche Garantie der Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins erforderlich seien. Insoweit übersehe er jedoch, dass er zur Finanzierung seines Lebensunterhalts staatliche Mittel in Gestalt der Leistungen nach dem BAföG erhalten habe, insbesondere erhöhte Unterkunftsleistungen. Für Studierende, die in einer Unterkunft außerhalb des Elternhauses wohnten, habe § 13 Abs. 3 BAföG im streitigen Zeitraum im Fall der Unterdeckung bei den Unterkunftskosten eine pauschalierte Erhöhung der Leistungen hierfür um 72 Euro monatlich auf insgesamt 218 Euro vorgesehen. Inwieweit auch im BAföG – wie im SGB II – die Deckung der angemessenen tatsächlichen Aufwendungen gewährleistet werden müsse, habe hier keiner Prüfung bedurft. Der Kläger begehre ausschließlich Leistungen nach dem SGB II. Das SGB II habe jedoch wegen der Pauschalierung bei den Unterkunftskosten im BAföG nur in genau definierten Härtefällen eine Aufstockung der Ausbildungsförderungsleistungen durch § 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II a.F. vorgesehen. Soweit der Kläger über die geregelten Ausnahmefälle des § 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II a.F. hinaus einen weitergehenden gesetzlich nicht vorgesehenen Anspruch geltend mache, rüge er daher keine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung des Existenzminimums, sondern eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG (BSG, Urteil vom 02.04.2014 – B 4 AS 26/13 – Rn. 27). Eine Verletzung des Gleichheitsgrundrechts verneinte der Senat allerdings (BSG, Urteil vom 02.04.2014 – B 4 AS 26/13 – Rn. 28 ff.).
- 109
1.7 In späteren Entscheidungen des BSG (Urteile vom 06.08.2014 – B 4 AS 55/13 R und vom 17.02.2015 – B 14 AS 25/14 R) wurde die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung nicht mehr aufgegriffen.
- 110
1.8 Auch der 28. Senat des LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 26.02.2016 – L 28 AS 2230/12 – Rn. 16) ist der Auffassung, dass die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 5 SGB II nicht verfassungswidrig sei. Zur Begründung verweist er ohne weitere Erläuterungen auf den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 08.10.2014 (1 BvR 886/11).
- 111
1.9 Die vorlegende 3. Kammer des SG Mainz hat hingegen im Vorlagebeschluss vom 12.12.2014 (S 3 AS 130/14 – Rn. 220) hervorgehoben, dass es einen nicht ohne Weiteres nachvollziehbaren Bruch mit der im Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) entwickelten Dogmatik darstelle, wenn das BVerfG in den Nichtannahmebeschlüssen des BVerfG vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11) und vom 08.10.2014 (1 BvR 886/11) die Auffassung vertrete, der Leistungsausschluss von Auszubildenden in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. verletze das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht, da existenzielle Bedarfe, soweit sie durch die Ausbildung entstünden vorrangig durch Leistungen nach dem BAföG beziehungsweise nach dem SGB III gedeckt würden, obwohl diese Leistungssysteme bedarfsunabhängige Ausschlussgründe vorsähen. Es sei unklar, weshalb die zur Voraussetzung der Gewährung existenzsichernder Leistungen gemachte Verhaltenserwartung des Abbruchs der Ausbildung oder des Studiums mit dem Axiom der Unverfügbarkeit des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sein könnte.
- 112
Diese Auffassung wird auch im Beschluss der 12. Kammer des SG Mainz vom 12.11.2015 (S 12 AS 946/15 ER – Rn. 83) mit dem Hinweis aufgegriffen, dass das Existenzminimum auch bildungspolitisch nicht zu relativieren sein dürfte.
- 113
2. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 5 SGB II bzw. in dessen sozialhilferechtlichen Parallel- und Vorgängerregelungen überwiegend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung für verfassungsgemäß gehalten (vgl. bereits zum BSHG: Marschner, NVwZ 1995, S. 870, Fn. 3).
- 114
2.1 Felix hat allerdings bereits zu § 26 Satz 1 BSHG a.F. in kritischer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 14.10.1993 – 5 C 16/91) hervorgehoben, dass diese Vorschrift bereits von der Systematik des BSHG her gesehen äußerst bedenklich sei, weil durch sie ganze Gruppen von Personen völlig vom Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen würden. Dies verstoße gegen den tragenden Grundsatz der individuellen Gestaltung und Bemessung der Hilfe (Bezugnahme auf § 31 BSHG a.F.), so dass § 26 BSHG a.F. bereits aus diesem Grunde auf Grund seiner Systemwidrigkeit als Ausnahmevorschrift eng ausgelegt werden müsse. Die rein formale Anknüpfung an den Status des Hilfebedürftigen – Auszubildender im Rahmen einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung –, die vom BVerwG praktiziert werde, werde diesem Erfordernis nicht gerecht. Entgegen der Auffassung des BVerwG sei stattdessen im konkreten Einzelfall danach zu fragen, ob die Durchführung der Ausbildung in kausalem Zusammenhang mit dem sozialhilferechtlichen Bedarf des Bedürftigen bestehe (Felix, NVwZ 1995, S. 246).
- 115
2.2 Voelzke stellt im Rahmen seiner Kommentierung der Parallelreglung in § 22 SGB XII fest, dass derjenige Auszubildende, der die Leistungsvoraussetzungen nach dem BAföG oder nach dem SGB III nicht erfülle, bei Hilfebedürftigkeit keine Fürsorgeleistungen erhalte, sondern darauf verwiesen werde, entweder seine Ausbildung aufzugeben oder seinen Lebensunterhalt durch eine Nebenerwerbstätigkeit zu sichern (Voelzke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 22 Rn. 7, Stand 20.05.2015). Der Anspruchsausschluss bedeute im Ergebnis wegen des nicht bedarfsdeckenden Charakters der Ausbildungsförderung, dass der Auszubildende die Ausbildung durch die Hilfe Dritter (insbesondere der Eltern), durch eine ausbildungsbegleitende Tätigkeit oder durch die Aufnahme eines Darlehens kofinanzieren müsse. Stünden dem Auszubildenden derartige Möglichkeiten nicht zur Verfügung, müsse die Ausbildung in der Konsequenz der Struktur der gesetzlichen Regelungsstruktur ggf. unterbrochen oder sogar aufgegeben werden (Voelzke, a.a.O. Rn. 18). Die Vorschrift solle die Sozialhilfe davon befreien, eine (versteckte) Ausbildungshilfe auf einer zweiten Ebene zu sein. Da die Ausbildungsförderung nach dem BAföG und die Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III auch die Kosten des Lebensunterhalts umfassten, werde verhindert, dass die Sozialhilfe durch die Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderbaren Ausbildung ermögliche. Es solle kein Ersatzförderungssystem installiert werden, das die im BAföG oder SGB III geregelten speziellen Anspruchsvoraussetzungen aushebeln und die Lasten der Ausbildungsförderung der Sozialhilfe auferlegen würde. Insoweit sei es Sinn und Zweck des § 22 SGB XII, die Inanspruchnahme von ergänzender Sozialhilfe zu verhindern, wenn die Notlage durch eine abstrakt förderungsfähige Ausbildung verursacht werde. Ein Wahlrecht des Auszubildenden, Ausbildungsförderung oder Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, sei diesem nicht eingeräumt. Die Sozialhilfe solle deshalb regelmäßig nicht dazu dienen, das Betreiben einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts sicherzustellen. Der vorstehende Grundsatz werde jedoch dadurch relativiert, dass § 27 SGB II und das entsprechende Leistungsangebot im SGB XII Lücken im Leistungsangebot schließen würden (Voelzke, a.a.O., Rn. 20). Die Zielsetzung des § 22 SGB XII werde vielfach als systemwidrig und sozialpolitisch verfehlt kritisiert. Dieser Einschätzung könne jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zugestimmt werden, denn dem Gesetzgeber sei es grundsätzlich unbenommen, für die Ausbildungsförderung ein gesondertes Leistungssystem zur Verfügung zu stellen, das er in der Folge gegen die Sozialhilfe (und die Grundsicherung für Arbeitsuchende) abgrenze. Die Abgrenzungsregelung fuße also auf der – vom Ansatz her hinzunehmenden – Auffassung des Gesetzgebers, dass die Leistungen des BAföG und des SGB III bedarfsgerecht ausgestaltet seien und neben dem speziellen Ausbildungsbedarf auch den Lebensunterhalt des Betroffenen abdeckten, so dass eine Aufstockung der Leistungen nicht erforderlich sei. Aus diesem Grunde dürfte sozialpolitisch eine Lösung der Problematik eher darin zu suchen sein, die vorrangige Ausbildungsförderung als bedarfsdeckendes Leistungssystem auszugestalten. Eine durch den Leistungsausschluss herbeigeführte verfassungswidrige Benachteiligung hätten die Rechtsprechung und die überwiegende Literatur bislang verneint, weil der Gesetzgeber wegen der zwischen den in Frage kommenden Gruppen bestehenden Unterschiede berechtigt sei, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unterschiedlich zu regeln. Die unterschiedliche Behandlung rechtfertige sich nach Auffassung Voelzkes dadurch, dass die Sicherung des Lebensunterhalts durch ein anderes Sozialleistungssystem erfolgen solle. Zwar könne diese Systementscheidung im Einzelfall dazu führen, dass während einer Ausbildung keine Sozialleistungen bezogen werden könnten. Soweit eine Ausbildung angetreten werde, ohne die Anforderungen des einschlägigen Leistungssystems zu erfüllen, handele es sich jedoch um eine vom Auszubildenden selbst zu verantwortende Entscheidung. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine individuelle staatliche Ausbildungsförderung bestehe nicht (Voelzke, a.a.O., Rn. 21).
- 116
2.3 Grote-Seifert ist der Auffassung, dass die Verpflichtung, seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einzusetzen, auch den Ausschluss der Leistungen gemäß § 7 Abs. 5 SGB II bei Aufnahme eines Studiums rechtfertige, solange der Student der Hochschule organisationsrechtlich angehöre und sein Studium betreibe (Grote-Seifert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 2 Rn. 47, Stand 10.03.2015).
- 117
2.4 Auch nach Auffassung von Valgolio (in: Hauck/Noftz, SGB II, § 7 Rn. 281, Stand August 2015) begegnet der Leistungsausschluss keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber sei nicht gehalten, außerhalb des besonderen Systems zur Ausbildungsförderung den Lebensunterhalt während der Ausbildung sicherzustellen. Diesem Personenkreis werde vielmehr zugemutet, die Ausbildung abzubrechen und nach Kräften selbst für den Lebensunterhalt zu sorgen. Soweit jemand die Ausbildung trotz Ausschluss der Ausbildungsförderung betreibe, handele es sich um eine vom Auszubildenden zu verantwortende Entscheidung, die nicht die Konsequenz haben könne, wegen des ausbildungsbedingten Fehlens einer Erwerbsmöglichkeit Leistungen der Grundsicherung beanspruchen zu können (Hinweis auf BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 28/06 R).
- 118
2.5 Leopold hält den grundsätzlichen Ausschluss von Auszubildenden, die dem Grunde nach einen Anspruch auf Ausbildungsförderung BAföG oder auf Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 51, 57, 58 SGB III haben, von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für verfassungsrechtlich unbedenklich. Dieser Leistungseinschränkung für Auszubildende liege die Annahme zu Grunde, dass die Leistungen des BAföG und des SGB III bedarfsgerecht ausgestaltet seien und neben dem speziellen Ausbildungsbedarf auch den Lebensunterhalt des Geförderten abdeckten, so dass keine Aufstockung der Leistungen durch solche des SGB II erforderlich sei. Dadurch solle eine versteckte Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene verhindert werden. Zudem sollten die Fördervoraussetzungen nach den für Ausbildungsförderung vorgesehenen Gesetzen nicht umgangen werden können. Den vom Leistungsausschluss Betroffenen mute das Gesetz zu, auf die Aufnahme bzw. Fortführung einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung zu verzichten und sich stattdessen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen (Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 7 Rn. 287, Stand 14.03.2016).
- 119
3. Die vorlegende Kammer ist auch nach Auswertung der vertretenen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur der im Folgenden noch zu begründenden Überzeugung, dass auch die Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II verfassungswidrig ist. Eine verfassungskonforme Auslegung ist nicht möglich.
VI.
- 120
Das BVerfG hat sich mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II (in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung) bereits in den Nichtannahmebeschlüssen vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11) und vom 08.10.2014 (1 BvR 886/11) auseinandergesetzt. Mit diesen Entscheidungen hat die 3. Kammer des 1. Senats des BVerfG zwei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Eine Sachentscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II war hiermit jedoch nicht verbunden (vgl. Baer, NZS 2014, S. 4 zum „Stiefkinderbeschluss“ der 3. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 29.05.2013 – 1 BvR 1083/09). Den Beschlüssen kommt gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG i.V.m. § 13 Nr. 8a BVerfGG keine Gesetzeskraft zu, da mit den Entscheidungsformeln der Kammer weder ein Gesetz als mit dem GG vereinbar, noch als mit dem GG unvereinbar oder für nichtig erklärt wurde. Die gleichwohl in den Beschlüssen skizzierte Auffassung, der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II (a.F.) sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 03.09.2014 – 1 BvR 1768/11 – Rn. 22; BVerfG, Beschluss vom 08.10.2014 – 1 BvR 886/11 – Rn. 12 ff.), bringt daher keine zusätzlichen Begründungslasten oder sonstigen Anforderungen für die Zulässigkeit des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 BVerfGG mit sich.
VII.
- 121
Einer Rüge der Nichtigkeit der Rechtsvorschrift durch die Beteiligten bedarf es nicht (§ 80 Abs. 3 BVerfGG).
B.
- 122
§ 7 Abs. 5 SGB II ist verfassungswidrig (II). Die Regelung verstößt gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG (Schutz der Menschenwürde) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) (I.).
I.
- 123
Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 133). Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Grundrecht in mehreren Entscheidungen konkretisiert und Anforderungen für dessen Gewährleistung herausgearbeitet (1-4). Die vorlegende Kammer schließt sich diesen Entscheidungen grundsätzlich an (5, 6) und zieht hieraus Schlüsse für die Anspruchsvoraussetzungen (7), den Anspruchsgegner (8) und den Anspruchsinhalt (9) sowie für das Verhältnis mehrerer möglicherweise verfassungswidriger Normen zueinander (10).
- 124
1. Mit dem Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.), bestätigt und ergänzt durch das Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) und durch den Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 ), hat das BVerfG die auf Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) gestützte staatliche Pflicht zur Existenzsicherung subjektivrechtlich fundiert und ein Recht auf parlamentsgesetzliche Konkretisierung in strikten einfachgesetzlichen Anspruchspositionen konstituiert (so Rixen, SGb 2010, S. 240). Bereits mit Beschluss vom 12.05.2005 hatte das BVerfG klargestellt, dass die Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates sei, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folge (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – Rn. 28).
- 125
Im Urteil vom 09.02.2010 stellte das BVerfG nicht nur prozedurale Anforderungen an die Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums an einen beliebigen (staatlichen) Akteur, sondern weist die Bestimmung des Anspruchsinhalts auch einem konkreten Adressaten, dem Bundesgesetzgeber, zu. Der Bundesgesetzgeber stehe, da er von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Recht der öffentlichen Fürsorge aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG umfassend Gebrauch gemacht habe (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 181), demnach in der Verantwortung, das Sozialstaatsprinzip selbst durch ein Gesetz hinreichend zu konkretisieren und zu gewährleisten, dass auf die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlichen Leistungen auch ein entsprechender Rechtsanspruch besteht (Berlit in: LPK-SGB II, § 22a Rn. 6, 5. Auflage 2013). Hiermit hat das BVerfG das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG als Gewährleistungsrecht im Sozialrecht aktiviert (Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 275).
- 126
2. Das BVerfG entwickelte das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Das Menschenwürdeprinzip aus Art. 1 Abs. 1 GG wird dabei als eigentliche Anspruchsgrundlage herangezogen, während das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG im Sinne eines Gestaltungsgebots mit erheblichem Wertungsspielraum verstanden wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 62). Das auf dieser Grundlage bestimmte Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG habe in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG demnach neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es sei dem Grunde nach unverfügbar und müsse eingelöst werden, bedürfe aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten habe. Dabei stehe dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 133).
- 127
Der Gesetzgeber sei im Übrigen durch weitere Vorgaben verpflichtet, die sich aus dem Recht der Europäischen Union und aus völkerrechtlichen Verpflichtungen ergäben.Zu den in Deutschland geltenden Regeln über das Existenzminimum gehöre auch der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966 (IPwskR, in Kraft getreten am 03.01.1976, BGBl. Teil II 1976, S. 428), dem der Deutsche Bundestag mit Gesetz vom 23.11.1973 (BGBl. Teil II, S. 1569) zugestimmt habe. Der Pakt statuiere in Art. 9 ein Recht auf Soziale Sicherheit und in Art. 15 Abs. 1 a) das Menschenrecht auf Teilnahme am kulturellen Leben (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 68).
- 128
Der unmittelbare verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstrecke sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich seien. Er gewährleiste hierbei das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasse, da der Mensch als Person notwendig in sozialen Bezügen existiere (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 135).
- 129
Das BVerfG führt hierzu weiter aus, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch ein Parlamentsgesetz erfolgen müsse, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthalte. Aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergebe sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen. Dies gelte in besonderem Maße, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz gehe. Zudem könne sich der von Verfassungs wegen bestehende Gestaltungsspielraum des Parlaments nur im Rahmen eines Gesetzes entfalten und konkretisieren. Schließlich sei die Begründung von Geldleistungsansprüchen auch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte verbunden. Derartige Entscheidungen seien dem Gesetzgeber vorbehalten (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 136). Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkomme, sei das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 137).
- 130
Der Umfang des Anspruchs könne im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Er hänge von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und sei danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG halte den Gesetzgeber an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen. Die hierbei erforderlichen Wertungen kämen dem parlamentarischen Gesetzgeber zu. Ihm obliege es, den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren. Ihm komme Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Dieser umfasse die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und sei zudem von unterschiedlicher Weite: Er sei enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiere, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehe (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 138).
- 131
Zur Konkretisierung des Anspruchs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen. Hierzu habe er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das GG schreibe ihm dafür keine bestimmte Methode vor (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 139). Es komme dem Gesetzgeber zu, die Methode zur Ermittlung der Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auszuwählen. Die getroffene Entscheidung verändere allerdings nicht die grundrechtlichen Maßstäbe (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 78).
- 132
3. Als Menschenrecht stehe das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 63).
- 133
Falls der Gesetzgeber bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen wolle, dürfe er bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren. Eine Differenzierung sei nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweiche und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden könne (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 73).
- 134
Ob und in welchem Umfang der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen für Menschen mit nur vorübergehendem Aufenthaltsrecht in Deutschland gesetzlich abweichend von dem gesetzlich bestimmten Bedarf anderer Hilfebedürftiger bestimmt werden könne, hänge allein davon ab, ob wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfsempfängern mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden könnten. Hierbei sei zu berücksichtigen, ob durch die Kürze des Aufenthalts Minderbedarfe durch Mehrbedarfe kompensiert würden, die typischerweise gerade unter den Bedingungen eines nur vorübergehenden Aufenthalts anfielen. Auch hier komme dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse dieser Personengruppe wie auch die wertende Einschätzung ihres notwendigen Bedarfs umfasse, aber nicht davon entbinde, das Existenzminimum hinsichtlich der konkreten Bedarfe zeit- und realitätsgerecht zu bestimmen (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 73).
- 135
4. Zum (verfassungs-)gerichtlichen Prüfungsmaßstab führt das BVerfG aus, dass dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums eine zurückhaltende Kontrolle durch das BVerfG entspreche.
- 136
Das GG selbst gebe keinen exakt bezifferten Anspruch vor. Deswegen könne auch der Umfang dieses Anspruchs im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und der dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Dem BVerfG komme nicht die Aufgabe zu, zu entscheiden, wie hoch ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums sein müsse. Es sei zudem nicht seine Aufgabe, zu prüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung zur Erfüllung seiner Aufgaben gewählt habe. Aus verfassungsrechtlicher Sicht komme es vielmehr entscheidend darauf an, dass die Untergrenze eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht unterschritten werde und die Höhe der Leistungen zu dessen Sicherung insgesamt tragfähig begründbar sei (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. - Rn. 80).
- 137
Die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz beschränke sich darauf, ob die Leistungen evident unzureichend seien. Diese Kontrolle beziehe sich auf die Höhe der Leistungen insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienten, diese Höhe zu bestimmen. Evident unzureichend seien Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich sei, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen könnten, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen sei (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 81).
- 138
Jenseits der Evidenzkontrolle überprüfe das BVerfG, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen seien. Das BVerfG setze sich dabei nicht mit eigener Sachkompetenz an die Stelle des Gesetzgebers, sondern überprüfe lediglich die gesetzgeberischen Festlegungen zur Berechnung von grundgesetzlich nicht exakt bezifferbaren, aber grundrechtlich garantierten Leistungen. Ließen sich diese nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen, stünden sie mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG im Einklang (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 82).
- 139
Entscheidend sei, dass der Gesetzgeber seine Entscheidung an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichte und die Leistungen zur Konkretisierung des grundrechtlich fundierten Anspruchs tragfähig begründet werden könnten (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 76). Die sich aus der Verfassung ergebenden Anforderungen an die methodisch sachgerechte Bestimmung grundrechtlich garantierter Leistungen bezögen sich nicht auf das Verfahren der Gesetzgebung, sondern auf dessen Ergebnisse. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG bringe für den Gesetzgeber keine spezifischen Pflichten im Verfahren mit sich. Entscheidend sei, ob sich die Höhe existenzsichernder Leistungen durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen sachlich differenziert begründen lasse. Das GG enthalte in den Art. 76 ff. GG zwar Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren, die auch die Transparenz der Entscheidungen des Gesetzgebers sicherten. Das parlamentarische Verfahren mit der ihm eigenen Öffentlichkeitsfunktion sichere so, dass die erforderlichen gesetzgeberischen Entscheidungen öffentlich verhandelt würden und ermögliche, dass sie in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert würden. Die Verfassung schreibe jedoch nicht vor, was, wie und wann genau im Gesetzgebungsverfahren zu begründen und zu berechnen sei, sondern lasse Raum für Verhandlungen und für den politischen Kompromiss. Das GG verpflichte den Gesetzgeber insofern auch nicht, durch Einbeziehung aller denkbaren Faktoren eine optimale Bestimmung des Existenzminimums vorzunehmen. Darum zu ringen sei vielmehr Sache der Politik (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 77).
- 140
Zur Ermöglichung der verfassungsgerichtlichen Kontrolle bestehe für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Komme er dieser Obliegenheit nicht hinreichend nach, stehe die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 144).
- 141
5. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des BVerfG im Wesentlichen an.
- 142
5.1 Die Entwicklung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Umstand geschuldet, dass sowohl die Menschenwürdegarantie als auch das Sozialstaatsprinzip als echte, einklagbare, verfassungsrechtliche Garantien verstanden werden, nicht lediglich als Programmsätze. Ein menschenwürdiges Leben, zu dessen Achtung und Schutz alle staatliche Gewalt nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet ist, kann nur mit einem Mindestmaß an materiellen und sozialen Ressourcen geführt werden (vgl. Schulz, SGb 2010, S. 203 f.). Der Schutz der Menschenwürde liefe ohne Rücksicht auf ihre ökonomischen Bedingungen ins Leere (Drohsel, NZS 2014, S. 99). Vor diesem Hintergrund erscheint es sogar vertretbar, das Grund- und Menschenrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums allein auf Art. 1 Abs. 1 GG zu stützen (vgl. Tiedemann, NVwZ 2012, S. 1032 f.).
- 143
5.2 Das Bekenntnis zum Sozialstaat bedingt die (Selbst-)Verpflichtung des Staates und der ihn tragenden Gesellschaft, ein menschenwürdiges Leben auch denen zu ermöglichen, die dies nicht aus eigener Kraft (bzw. mit den Mitteln, die ihnen Staat und Gesellschaft anderweitig durch Bildung, Infrastruktur etc. zur Verfügung stellen) gewährleisten können. Die objektive staatliche Verpflichtung zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums enthält auch die Verpflichtung, Hilfebedürftigen einen Anspruch auf die Leistung zu verschaffen (so bereits BVerfG, Urteil vom 07.06.2005 – 1 BvR 1508/96 – Rn. 48; vgl. Baer, NZS 2014, S. 3). Diese subjektivrechtliche Seite der verfassungsrechtlichen Garantie folgt aus dem Umstand, dass Art. 1 Abs. 1 GG als echte Rechtsnorm zu verstehen ist (SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 12.12.2014 – S 3 AS 130/14 – Rn. 212); das Sozialstaatsprinzip allein würde diese der Verrechtlichung folgende Subjektivierung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung noch nicht erzwingen (vgl. Schulz, SGb 2010, S. 202). Ohne die aus dem Achtungs- und Schutzanspruch des Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG folgende subjektivrechtliche Fundierung stünde die konkrete Ausgestaltung der sozialstaatlichen Versorgung von Hilfebedürftigen mit den zum Überleben notwendigen Mitteln weitgehend zur Disposition des Gesetzgebers. Sie wäre abhängig von der jeweiligen Staatsräson und vollständig Verhandlungsmasse im politischen Prozess (vgl. Spellbrink, NZS 2010, S. 653). Der Hilfebedürftige bliebe Almosenempfänger (Baer, NZS 2014, S. 3).
- 144
Die Menschenwürdegarantie führt dazu, dass der sozialstaatlichen Verpflichtung ein klagbarer verfassungsrechtlicher Anspruch entsprechen muss (skeptisch gegenüber der Notwendigkeit, das Existenzsicherungsgrundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG herzuleiten aber Kingreen, NVwZ, 2010, S. 558 f.). Zugleich führt sie dazu, dass das Gewährleistungsrecht keiner Einschränkungsbefugnis unterliegt. Insofern ist es konsequent, die Garantie der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums terminologisch und dogmatisch in den Rang eines Grundrechts und Menschenrechts (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - Rn. 62) zu erheben und hiermit auch die Möglichkeit des Verfassungsbeschwerdeverfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG zu eröffnen (vgl. Berlit, KJ 2010, S. 147).
- 145
5.3 Dass das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum bei der Gestaltung des einfachrechtlichen Anspruchs belässt, gründet darauf, dass die normative Einschätzung und Bestimmung dessen, was für ein menschenwürdiges Leben unter konkreten gesellschaftlichen Bedingungen erforderlich ist, nur im Wege eines politischen Prozesses erfolgen kann, dessen Durchführung unter den verfassungsrechtlichen Bedingungen einer parlamentarischen Demokratie den gewählten Legislativorganen obliegt. Der materielle Gehalt des Grundrechts muss im Gesetzgebungsprozess konkretisiert werden (vgl. jedoch zur Kritik an der sozialpolitischen "Leere" des Urteils des BVerfG vom 09.02.2010: Schnath, NZS 2010, S. 298; zur Kritik an der eingeschränkten Überprüfbarkeit: Neskovic/Erdem, SGb 2012, S. 137 f.).
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Die Auffassung, das BVerfG entziehe die gesellschaftlich streitbare Frage nach der Reichweite der staatlichen Verpflichtung zur Absicherung des Existenzminimums durch Verankerung des Grundrechts in Vorschriften, die der Ewigkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG) unterliegen, für die Ewigkeit dem politischen Diskurs und schwäche hiermit das demokratische Prinzip (Groth, NZS 2011, S. 571; kritisch auch Rixen, NZS 2011, S. 333), vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen. Bei formaler Betrachtungsweise schwächt jedes Grundrecht und jede verfassungsrechtliche Bindung der Legislative die Demokratie, wenn man diese auf den Gesetzgebungsakt reduziert und die Voraussetzungen für den demokratischen Prozess (z.B. Meinungsfreiheit, soziale Teilhabe, politische Autonomie) ausblendet (vgl. auch Luik, jurisPR-SozR 4/2010 Anm. 1). Die Konstituierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch das BVerfG als "Gewährleistungsrecht" zwingt die Legislativorgane jedoch dazu, den demokratischen Prozess, der sich nicht im Gesetzgebungsakt erschöpft, praktisch zu realisieren, auch wenn von echten Verfahrensfehlern abgesehen nur dessen Ergebnis einer (verfassungs-)gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Daneben sind Grundrechte auf Gewährung sozial gesicherter Lebensbedingungen, wie dies für eine chancengleiche Nutzung bürgerlicher Rechte unter gegebenen Verhältnissen jeweils notwendig ist, Funktionsvoraussetzungen für Handlungsfreiheit und Aktivbürgerschaft in einem demokratischen Rechtsstaat und somit auch für den demokratischen Prozess selbst (vgl. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 155 f., 5. Auflage 2014).
- 147
Die scheinbar entgegengesetzte Kritik, das BVerfG überlasse das Grundrecht weitestgehend der Disposition des nur bedingt gebundenen Gesetzgebers (Neskovic/Erdem, SGb 2012, S. 138), verdeutlicht die Kompromisshaftigkeit der vom BVerfG entwickelten Dogmatik (vgl. auch Berlit, KJ 2010, S. 145 ff.). Bei der Konstruktion des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums werden Menschenwürdegarantie und Sozialstaatsprinzip mit dem Demokratieprinzip harmonisiert. Eine Lösung, die diese Verfassungsgrundsätze prinzipiell besser miteinander in Einklang bringt, ist der vorlegenden Kammer nicht ersichtlich. Dass das BVerfG „zur sozialstaatlich elementaren Verteilungsfrage geschwiegen (hat)“ (Borchert, SGb 2015, S. 661) ist vor diesem Hintergrund konsequent.
- 148
5.4 Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums stellt an ein Staatswesen, welches den Schutz und die Achtung der Menschenwürde zum obersten Staatsziel erklärt und der Verfassung voranstellt (Art. 1 Abs. 1 GG) und sich als "sozial" bezeichnet (Art. 20 Abs. 1 GG), keine überzogenen Anforderungen, insbesondere nicht im Hinblick auf die Finanzierung (vgl. allgemein zu diesbezüglichen Vorbehalten gegenüber sozialen Menschenrechten: Wimalasena, KJ 2008, S. 4 f.). Letzteres wird dadurch gesichert, dass der Gesetzgeber unter Nutzung seines Gestaltungsspielraums bei der inhaltlichen Bestimmung des Grundrechts den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsstand berücksichtigen kann und muss. Das Grundrecht ist zwar dem Grunde nach unverfügbar und abwägungsfest, der Höhe nach aber nicht vom gesellschaftlichen Wohlstand und dessen ökonomischen Grundlagen entkoppelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 74; Voßkuhle, SGb 2011, S. 186). Nicht die Menschenwürde ist hierbei historischen Wandlungen unterworfen, sondern das Urteil darüber, welche materiellen Voraussetzungen notwendig sind, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können (Neumann, NVwZ 1995, S. 428).
- 149
6. Das Menschenrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verpflichtet den Gesetzgeber zur Schaffung eines Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen für alle Menschen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich aufhalten (Kirchhof, NZS 2015, S. 4). Dem Gesetzgeber ist es daher sowohl verwehrt, Personen, die sich in Deutschland tatsächlich aufhalten, trotz Hilfebedürftigkeit von sämtlichen existenzsichernden Sozialleistungssystemen auszuschließen, als auch die Gewährung jeglicher existenzsichernder Leistungen von Handlungen der betroffenen Personen abhängig zu machen, die weder zur Feststellung der Leistungsvoraussetzungen erforderlich noch unmittelbar dazu geeignet sind, die Hilfebedürftigkeit des Betroffenen zu beseitigen. Das Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und insoweit – wie es der überkommenen Dogmatik der Menschenwürdegarantie entspricht – abwägungsfest (Baer, NZS 2014, S. 3).
- 150
6.1 Die Unverfügbarkeit des Grundrechts (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 133; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 74) resultiert aus dessen Verankerung im Grundsatz der Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), soweit hierin der Schutz der Selbstbestimmung des Menschen auf Grund seines Eigenwerts angesprochen wird (vgl. Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 10, 4. Auflage 1999). Der Mensch kann seinen Achtungsanspruch nach Art. 1 Abs. 1 GG nicht verwirken, auch nicht durch selbst zu verantwortende Handlungen. Die Eigenschaft des Menschseins ist jeder weiteren Differenzierung nach Zugehörigkeit (Staatsangehörigkeit, Herkunft) oder Status (z.B. Aufenthaltsrecht) vorgelagert, so dass aus der Menschenwürdegarantie hergeleitete Rechte durch solche und ähnliche Kategorien nicht eingeschränkt werden können.
- 151
Die vom BVerfG hervorgehobene Unverfügbarkeit "dem Grunde nach" bringt lediglich zum Ausdruck, dass hinsichtlich der Art und Höhe der existenzsichernden Leistungen ein Gestaltungsspielraum besteht. Diese Formulierung ist zu unterscheiden von einem lediglich "grundsätzlich" bestehenden Recht, welches im Ausnahmefall auch nicht bestehen kann. Die in der Rechtsprechung gelegentlich vertretene Auffassung, das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber bedürfe, gelte „nicht schrankenlos“ (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.06.2015 – L 1 AS 2338/15 ER-B, L 1 AS 2358/15 B – Rn. 39; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 02.11.2015 – L 6 AS 503/15 B ER – nicht veröffentlicht) verfehlt deshalb den wesentlichen Punkt. Die Verpflichtung zur "Konkretisierung" und "Aktualisierung" (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 133; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 74) bedeutet keine Einschränkungsbefugnis im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Grundrecht unterliegt daher auch keinem Gesetzesvorbehalt, sondern der Gesetzgeber (d.h. die verfassungsmäßigen Organe der Legislative) unterliegt einem Gestaltungsgebot (vgl. Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 279 f.).
- 152
Bei der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Sicherung des Existenzminimums geht es nicht darum, bestimmte selbstgewählte Lebensentwürfe zu fördern oder zu ermöglichen, sondern das physische Überleben und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe des Menschen im Falle der Hilfebedürftigkeit unabhängig von dessen Lebensentwurf zu garantieren. Der Staat kann Art und Höhe der Gewährung von aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanzierten Sozialleistungen generell zwar von der Erfüllung von Verhaltenserwartungen abhängig machen, nicht jedoch die Gewährleistung des Existenzminimums. Gerade hierin liegt – neben der subjektivrechtlichen Fundierung – der normative Gewinn der Herleitung des Grundrechts auf Gewährleistung eines Existenzminimums auch aus dem Gebot zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG. Würde der Anspruch auf Existenzsicherung isoliert als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips betrachtet, spräche jedenfalls bei rein semantischer Auslegung des Sozialstaatsbegriffs noch nichts dagegen, den Anspruch auf Gewährleistung eines Existenzminimums von Gegenleistungen wie beispielsweise einer Arbeitspflicht bei Arbeitsfähigkeit abhängig zu machen. Hiermit könnte die Gewährleistung existenzsichernder Leistungen für den Einzelnen Staats- bzw. Gemeinschaftszwecken untergeordnet werden.
- 153
Der mit dem Urteil des BVerwG vom 24.06.1954 (V C 78.54 – Rn. 22 ff.) eingeleitete Bruch mit der armenpolizeilichen Tradition des Fürsorgerechts folgt dementsprechend nicht bereits aus dem Sozialstaatsprinzip (Neumann, NVwZ 1995, S. 430; zur Relativierung der Bedeutung der Entscheidung vgl. Hinrichs, KJ 2006, S. 196 f.). Dass der Staat zugleich zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen verpflichtet ist (Art. 1 Abs. 1 GG), fügt der sozialstaatlichen Schutzdimension des Art. 20 Abs. 1 GG eine liberal-grundrechtliche Dimension hinzu. Art. 1 Abs. 1 GG schützt durch die staatliche Gewährleistung des materiellen Existenzminimums (auch) die notwendigen Bedingungen der Freiheit des Einzelnen, sich seiner Autonomie zu bedienen und von seiner Befähigung zur Personalität tatsächlich Gebrauch zu machen (vgl. Nettesheim, AöR 2005, S. 103 f.).
- 154
Auf die konkrete Fähigkeit des Menschen zur Ausübung von Autonomie kommt es hierbei keineswegs an (vgl. zu verschiedenen Begründungsansätzen für die Expansion des Würdebegriffs: Gutmann, Würde und Autonomie. Überlegungen zur Kantischen Tradition, Preprints of the Centre for Advanced Study of Bioethics, Münster 2010/2). Menschenwürde in diesem Sinne ist nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde des Menschen als Gattungswesen, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status. Sie ist auch dem eigen, der aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht sinnhaft handeln kann. Selbst durch "unwürdiges" Verhalten geht sie nicht verloren (BVerfG, Beschluss vom 20.10.1992 – 1 BvR 698/89 – Rn. 107).
- 155
6.2 Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 137). Die Gewährung existenzsichernder Leistungen darf deshalb in letzter Konsequenz nicht von der Erfüllung von bestimmten Gegenleistungen, Handlungen oder Eigenschaften des Hilfebedürftigen oder von einem bestimmten Status des Hilfebedürftigen abhängig gemacht werden. Denn keine dieser Kategorien ist dazu geeignet, den aus dem Schutz der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG resultierenden Achtungsanspruch des Einzelnen in Frage zu stellen.
- 156
Die Unverfügbarkeit des Grundrechts ist insbesondere nicht durch den Verweis auf ein gleichfalls aus der Menschenwürde abgeleitetes Prinzip der Selbstverantwortlichkeit zu relativieren (in diese Richtung Görisch, NZS 2011, S. 648; Berlit, info also 2013, S. 200; vgl. auch Louven, SGb 2008, S. 582; SG Reutlingen, Urteil vom 23.03.2016 – S 4 AS 114/14 – Rn. 44; weitere Nachweise bei Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 390). Auch wenn nach bestimmten, eher vom Zeitgeist geprägten Interpretationen des Begriffs der Menschenwürde Erwerbsarbeit zur Würdeverwirklichung gehören soll, folgt hieraus nicht, dass der ebenfalls der Menschenwürdegarantie unterfallende Schutz des physischen und soziokulturellen Existenzminimums bei Verstoß gegen Erwerbsobliegenheiten wegfallen dürfte. Aus der Einbeziehung der Selbstverwirklichung durch Erwerbsarbeit in den Schutz der Menschenwürdegarantie könnte allenfalls gefolgert werden, dass der Staat derartige Selbstverwirklichung nicht verhindern darf und möglichst fördern sollte. Einer hilfebedürftigen Person existenzsichernde Leistungen vorzuenthalten, weil sie beispielsweise einer Erwerbsarbeit nicht nachgehen will, mag eine sozialpolitische Wunschvorstellung sein; die Annahme, dass dies als ein Ausdruck der Anerkennung der Menschenwürde des Betroffenen erscheinen könne (vgl. Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 390; Berlit, info also 2013, S. 200), liegt jedoch fern. Schließlich ist mit dem Anspruch auf existenzsichernde Leistungen kein Verbot der Selbstverwirklichung durch Erwerbsarbeit verbunden. Die Einräumung eines Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen kann für sich genommen die Menschenwürde nicht verletzen.
- 157
Die Beschränkung der Reichweite des Schutzes durch Art. 1 Abs. 1 GG durch Anreicherung des Menschenwürdebegriffs mit bestimmten Vorstellungen vom „guten“, "eigenverantwortlichen" oder „gemeinschaftsdienlichen“ Leben hätte letztendlich zur Folge, dass die Verwirklichung der Würde des Menschen Staats- oder Gemeinschaftszwecken untergeordnet werden dürfte. Dies zu verhindern, ist gerade der Sinn des Art. 1 Abs. 1 GG, der die Menschenwürde für unantastbar erklärt. Die Verankerung des Existenzsicherungsgrundrechts in der Menschenwürdegarantie schließt es somit aus, die Frage, wem existenzsichernde Leistungen zu gewähren sind, vom durch demokratischen Mehrheitsbeschluss zugeschriebenen Wert eines Menschen oder seiner Handlungen für die Gesellschaft abhängig zu machen (vgl. Spellbrink, NZS 2010, S. 653).
- 158
6.3 Soweit für die Beschränkung des Anspruchs auf Gewährleistung des Existenzminimums unter Bezugnahme auf den Beschluss des BVerfG vom 07.07.2010 (1 BvR 2556/09) angeführt wird, die Verfassung gewährleiste nicht die Gewährung bedarfsunabhängiger, voraussetzungsloser Sozialleistungen (so z.B. Bayerisches LSG, Beschluss vom 13.10.2015 – L 16 AS 612/15 ER – Rn. 34), wird übersehen, dass das BVerfG in diesem Kontext ausschließlich auf die Bedarfsabhängigkeit abstellt und dem Gesetzgeber bei der Anrechnung von Einkommen konsequenterweise einen weiten Gestaltungsspielraum zubilligt. Das Verfassungsrecht gebietet demnach nicht die Schaffung eines Anspruchs auf ein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern die Schaffung eines Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen bei Hilfebedürftigkeit.
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Dies lässt die Zulässigkeit der Schaffung von Mitwirkungsobliegenheiten unberührt, die dazu dienen, festzustellen, ob Hilfebedürftigkeit überhaupt besteht (vgl. §§ 60 ff. SGB I; vgl. auch Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 290) oder den Leistungsträger von der Hilfebedürftigkeit erst in Kenntnis zu setzen.
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6.4 Leistungsausschlüsse dem Grunde nach, die trotz bestehender Hilfebedürftigkeit eintreten und nicht durch ein anderes existenzsicherndes Leistungssystem (z.B. durch Leistungen nach dem SGB XII oder nach dem AsylbLG) aufgefangen werden, sind per se verfassungswidrig, da sie die staatliche Pflicht zur Gewährleistung von Lebensbedingungen, die physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen sind, unterlaufen (vgl. SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 12.12.2014 – S 3 AS 130/14 – Rn. 219; so auch Frerichs, ZESAR 2014, S. 285).
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7. Die staatliche Pflicht zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums hat dementsprechend lediglich drei Anspruchsvoraussetzungen:
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7.1 Der Grundrechtsträger muss erstens ein Mensch sein, also eine natürliche Person. Abgrenzungsfragen bezüglich Beginn und Ende des menschlichen Lebens sind für das Existenzsicherungsgrundrecht bislang nicht von praktischer Bedeutung. Der Begriff des Menschen im Sinne des GG stimmt im Übrigen mit dem Gattungsbegriff (beim heutigen Menschen gleichbedeutend mit dem Artbegriff) der biologischen Klassifikation überein. Jede weitere Unterscheidung zwischen verschiedenen Menschengruppen lässt der Rekurs auf den Menschenwürdebegriff bezüglich des Existenzsicherungsgrundrechts nicht zu. Es sind ausnahmslos alle Menschen gleich welcher Herkunft oder Staatsangehörigkeit erfasst (vgl. Kirchhof, NZS 2015, S. 4).
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7.2 Anspruchsberechtigte sind zweitens alle Menschen, die sich in Deutschland tatsächlich aufhalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 63; Kirchhof, NZS 2015, S. 4; Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 386; vgl. zum Territorialitätsprinzip auch Neumann, NVwZ 1995, S. 428). Hintergrund für die territoriale Beschränkung auf das Bundesgebiet ist letztendlich die Abhängigkeit der Realisierung und Durchsetzung der dem Anspruch nach universalen Menschenrechte von partikularen Staatsgewalten (Thym, Stellungnahme für die Öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags am 1210.2015, S. 17). Da die deutsche Staatsgewalt auf das Bundesgebiet beschränkt ist, kann ein Verfassungsverstoß durch unterlassene Gewährleistung des Hoheitsträgers nur angenommen werden, wenn er sich innerhalb des Hoheitsgebiets realisiert. Das Unterlassen der Erfüllung eines grundrechtlichen Gewährleistungsanspruchs kann als Äquivalent zu einem Eingriff in ein Abwehrrecht aufgefasst werden (vgl. Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 386). Die Gewährleistung von existenzsichernden Leistungen außerhalb Deutschlands steht in letzter Konsequenz nicht in der Macht und somit nicht in der verfassungsrechtlichen Verantwortung des deutschen Gesetzgebers, auch wenn ihm die Einräumung derartiger Ansprüche selbstverständlich gestattet ist (vgl. § 24 SGB XII).
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7.3 Drittens muss die betroffene Person tatsächlich hilfebedürftig sein. Die Grundrechtsträger haben den Gewährleistungsanspruch nur für den Fall ihrer Hilfebedürftigkeit. Der verfassungsrechtliche Begriff der Hilfebedürftigkeit ist nicht mit dem einfachrechtlichen Begriff der Hilfebedürftigkeit (z.B. in § 9 SGB II) gleichzusetzen, der über die verfassungsrechtlichen Anforderungen hinausgehen, aber nicht hinter diesen zurückbleiben darf. Im verfassungsrechtlichen Sinne hilfebedürftig ist eine Person, wenn ihr die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 63). Die Abstraktheit des verfassungsrechtlichen Hilfebedürftigkeitsbegriffs korreliert mit dem Umstand, dass die normative Einschätzung und Bestimmung dessen, was für ein menschenwürdiges Leben unter konkreten gesellschaftlichen Bedingungen erforderlich ist, in weiten Teilen dem politischen Prozess obliegt (s.o. unter 5.3).
- 165
Ob die Hilfebedürftigkeit des Grundrechtsträgers eine weitere Anspruchsvoraussetzung für das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums darstellt oder dieser Aspekt stattdessen dem Anspruchsinhalt in Form des zu gebenden einfachen Rechts zugeordnet wird (Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 386), hat für das praktische Ergebnis jedenfalls in der vorliegenden Konstellation keine Auswirkungen. Der Unterschied bestünde allein darin, dass auch nicht akut Hilfebedürftige einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schaffung eines Sozialleistungsanspruchs für den Fall ihrer Hilfebedürftigkeit hätten; diesen könnten sie jedoch mangels aktueller eigener Betroffenheit in Ermangelung eines individuellen Rechtsschutzbedürfnisses wohl nicht selbst durchsetzen.
- 166
8. Adressaten des Gewährleistungsanspruchs, also Anspruchsgegner, sind in Folge der konkurrierenden Gesetzgebung im Bereich der „öffentliche(n) Fürsorge“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) grundsätzlich sowohl der Bund als auch die Länder. Da der Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Recht der öffentlichen Fürsorge umfassend Gebrauch gemacht hat, ist dieser in Folge des Ausschlusses der Länder gemäß Art. 72 Abs. 1 GG allein verpflichtet (Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 387 f.; im Ergebnis ebenso BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 181).
- 167
9. Zur Erfüllung der staatlichen Pflicht zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Anspruchsinhalt) müssen nach den oben entwickelten Prinzipien folgende Anforderungen erfüllt werden:
- 168
Erstens muss der Gesetzgeber durch formelles Gesetz eine Inhaltsbestimmung der Mindestanforderungen für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vornehmen (Inhaltsbestimmung, 9.1).
- 169
Zweitens muss der Anspruch des hilfebedürftigen Grundrechtsträgers (d.h. jedes hilfebedürftigen Menschen, der sich in Deutschland tatsächlich aufhält, s.o. unter 7) in einem formellen Gesetz auf Grund eines verfassungsgemäß durchgeführten Gesetzgebungsverfahrens konstituiert werden (formell-gesetzlicher Anspruch, 9.2).
- 170
Drittens muss der Leistungsanspruch im Gesetzestext selbst so hinreichend bestimmt sein, dass die Verwaltung eine Entscheidung über die Höhe des Anspruchs treffen kann, die die im Gesetzestext zum Ausdruck kommenden Wertentscheidungen des Gesetzgebers nachvollziehbar berücksichtigt (hinreichende Bestimmtheit; konkreter Anspruch, 9.3).
- 171
Viertens müssen die konkreten Leistungsansprüche objektiv am Maßstab der Inhaltsbestimmung (9.1) im Ergebnis zu rechtfertigen sein (Folgerichtigkeitsprüfung, 9.4).
- 172
9.1 Der Gesetzgeber hat durch formelles Gesetz eine Inhaltsbestimmung der Mindestanforderungen für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (d.h. des Existenznotwendigen) zu leisten. Denn die aus dem Demokratieprinzip folgende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers führt dazu, dass der Gesetzgeber sowohl auf einer ersten Ebene für die grundlegenden Wertentscheidungen hinsichtlich der für die Existenzsicherung erforderlichen Bedarfe zuständig ist, als auch für die Realisierung eines konkreten, auf existenzsichernde Leistungen gerichteten Anspruchs für jeden hilfebedürftigen Grundrechtsträger auf einer zweiten Ebene (9.2). Da nur der Gesetzgeber diese Gestaltungsaufgabe umsetzen kann, ist er hierzu auch verpflichtet – anders könnte das Grundrecht nicht realisiert werden.
- 173
Der Gesetzgeber hat somit sowohl den Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit der Leistungen zu konkretisieren als auch den Leistungsanspruch entweder in konkreter Höhe festzusetzen oder aber ein Regelungssystem zu etablieren, das eine Festsetzung der Leistungshöhe auf Grund gesetzgeberischer Wertentscheidungen ermöglicht. Die Ausgestaltung der Leistung hinsichtlich der Art und Höhe ist daher an den durch den Gesetzgeber selbst getroffenen Wertentscheidungen zu messen, die selbst allerdings auch einer (verfassungs-)gerichtlichen Prüfung unterliegen. Der Zusammenhang zwischen Inhaltsbestimmung und Leistungsanspruch muss folgerichtig sein (9.4).
- 174
a) Der bisherigen Judikatur des BVerfG lässt sich nicht widerspruchsfrei entnehmen, in welcher Form der Gesetzgeber die für die Ausgestaltung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen grundlegenden Wertentscheidungen zu treffen hat, ob diese Wertentscheidungen selbst Bestandteil eines formellen Gesetzes sein müssen, oder ob sie sich zumindest aus der Gesetzesbegründung oder sonstigen Gesetzesmaterialien ergeben müssen (zur Kritik an „mäandernden Maßstäben“ vgl. Borchert, SGb 2015, S. 655 ff.).
- 175
Das BVerfG stellt im Urteil vom 09.02.2010 fest, dass sich der Grundrechtsschutz (auch) deshalb auf das Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums erstrecke, weil eine Ergebniskontrolle am Maßstab dieses Grundrechts nur begrenzt möglich sei (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 142). Das BVerfG prüfe deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben habe, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt habe, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt habe (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 143). Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle bestehe für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Komme der Gesetzgeber dieser Obliegenheit nicht hinreichend nach, stehe die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn.143).
- 176
Im Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 79) führt das BVerfG diesbezüglich aus, dass sich die Art und die Höhe der Leistungen "mit einer Methode erklären lassen (müssen), nach der die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt werden und nach der sich alle Berechnungsschritte mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegen".
- 177
Im Beschluss vom 23.07.2014 hebt das BVerfG dann hervor, dass die Entscheidung anhand des vom BVerfG entwickelten Folgerichtigkeitsmaßstabs "tragfähig begründbar" sein müsse (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 80). Die Verfassung schreibe nicht vor, was, wie und wann genau im Gesetzgebungsverfahren zu begründen und zu berechnen sei (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 77).
- 178
Jedenfalls nach der zuletzt vertretenen Auffassung des BVerfG stellen demnach bestimmte Qualitätsmerkmale der Gesetzesbegründung keine formelle Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen dar (kritisch diesbezüglich Borchert, SGb 2015, S. 661).
- 179
Auf Grund des Beschlusses des BVerfG vom Beschluss vom 23.07.2014 (1 BvL 10/12 u.a.) liegt es nahe die „tragfähige Begründbarkeit“ als rein objektiven Maßstab zu verstehen, so dass Wertentscheidungen über die Auswahl der Methoden zur Bestimmung des Existenzminimums weder anhand des Gesetzes noch anhand der Gesetzgebungsmaterialien belegbar sein müssten und es auch nicht darauf ankommen würde, wer für die Begründung oder Begründbarkeit verantwortlich zeichnet. Hierfür spricht auch, dass für die praktische Grundrechtsverwirklichung nur Art und Höhe der Leistung wesentlich sind, nicht aber die der Anspruchsausgestaltung zu Grunde liegenden Wertentscheidungen. Andererseits birgt die Reduzierung des Prüfungsmaßstabs auf eine objektivierte "tragfähige Begründbarkeit" die Gefahr, dass einer durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes festgelegten Leistungshöhe eine derartige Methode nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens beliebig untergeschoben werden könnte, beispielsweise durch das Gericht selbst oder durch interessierte Teilnehmer am öffentlichen Diskurs (Beispiele für Stellungnahmen zur „richtigen“ Höhe der Regelleistungen z.B. bei Spindler, info also 2010, S. 53). Hierdurch würde die Folgerichtigkeitsprüfung tendenziell auf das Niveau einer methodisch verfeinerten Evidenzkontrolle reduziert, da jedes in die Diskussion eingebrachte Berechnungsmodell, das in sich schlüssig den gesetzlich geregelten Anspruch zu begründen oder zu unterbieten im Stande wäre, zu dessen Rechtfertigung taugen würde. Bei einer derartigen Sichtweise wäre nicht sichergestellt, dass die grundlegenden Wertentscheidungen hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums tatsächlich, wie es das Demokratieprinzip gebietet, durch den parlamentarisch-demokratischen Gesetzgeber getroffen werden. Bei der Prüfung, ob sich aus den parlamentarischen Wertentscheidungen das gefundene Ergebnis in Form des gesetzlichen Anspruchs folgerichtig ableiten lässt, fiele die erste Komponente weg.
- 180
Das BVerfG hat sich bei der Folgerichtigkeitsprüfung trotz der Reduzierung des Prüfungsmaßstabs auf die "tragfähige Begründbarkeit" jedoch fast ausschließlich an den zur Verfügung stehenden Gesetzgebungsmaterialien bzw. im Falle des Beschlusses vom 23.07.2014 am gesetzlich fixierten Verfahren zur Bestimmung der Regelbedarfe im RBEG orientiert (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn.160 ff.; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 91 f.; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 91 ff.). Insbesondere im Urteil vom 09.02.2010 hat das BVerfG soweit ersichtlich keine ergänzenden Expertisen zu der Frage eingeholt, ob die seinerzeit zur Überprüfung stehende Leistungshöhe nicht unabhängig von der Gesetzesbegründung „tragfähig begründbar“ gewesen sein könnte.
- 181
Es bleibt nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG mithin unklar, in welchem Zusammenhang die der Folgerichtigkeitsprüfung zu Grunde zu legenden Wertentscheidungen mit dem Gesetzgebungsprozess stehen müssen.
- 182
b) Eine Lösung auf Grundlage der Dogmatik des BVerfG besteht in der Annahme, dass die grundlegenden Wertentscheidungen im Sinne einer inhaltlichen Bestimmung des Existenznotwendigen ebenso wie der hieraus abzuleitende Leistungsanspruch im Wege eines formellen Gesetzes getroffen werden müssen.
- 183
Hierfür spricht, dass dem Gesetzgeber als solchem keine andere Handlungsform als das formelle Gesetz zur Verfügung steht. In Folge der pluralistischen Zusammensetzung der Gesetzgebungskörperschaften (die auf Bundesebene darüber hinaus aus zwei verschiedenen Gremien, Bundestag und Bundesrat, bestehen) gibt es keinen authentischen Interpreten der Entscheidungen des Gesetzgebers, der verbindlich gesetzgeberische Konzeptionen und Intentionen im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Prüfung darstellen oder auch "nachbessern" könnte. Daher ist auch nicht klar, wer zur Erfüllung von „Obliegenheiten“ des Gesetzgebers (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn.143) berufen sein sollte. Unter dem Aspekt der Gewaltenteilung ist es insbesondere problematisch die Bundesregierung oder ein Fachministerium hierzu heranzuziehen. Verbindliche Wertentscheidungen des Gesetzgebers können zudem nur in Gesetzesform ergehen oder gegebenenfalls mit sonstigen parlamentarischen Beschlüssen getroffen werden. Gesetzesbegründungen gehören nicht dazu. Aus dem GG lassen sich weder Begründungspflichten noch sonstige Dokumentationspflichten über den Gesetzgebungsprozess als formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für ein Bundesgesetz herleiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 77; Groth, NZS 2011, S. 571 m.w.N.). Die Gestaltungsverpflichtung des Gesetzgebers kann sich in formeller Hinsicht daher nicht auf dessen Begründung beziehen. Die grundlegenden Wertentscheidungen, die der Ausgestaltung des Anspruchs auf ein menschenwürdiges Existenzminimum müssen demnach in Gesetzesform getroffen werden, um als Entscheidungen des Gesetzgebers identifizierbar zu sein.
- 184
Der (vom BVerfG zuletzt herangezogene) objektive Prüfungsmaßstab der "tragfähigen Begründbarkeit" kann sich demnach nur auf den folgerichtigen Zusammenhang zwischen der gesetzlich zu regelnden inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums einerseits und dem gesetzlichen Leistungsanspruch andererseits beziehen (9.4). Sofern der Gesetzgeber also seinem Auftrag zur Ausgestaltung des Grundrechts nachgekommen wäre, könnte der hieraus abgeleitete Leistungsanspruch aus objektiver Perspektive auf seine tragfähige Begründbarkeit überprüft werden.
- 185
In diesem Sinne objektiv zu prüfen sind allerdings auch die Wertentscheidungen, die in der abstrakten inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums zum Ausdruck kommen. Dies unternimmt das BVerfG auch, in dem es postuliert, welche Kategorien von Bedürfnissen jedenfalls zum menschenwürdigen Existenzminimum hinzugehören (Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene, Gesundheit, Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben – BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 135) und einen Verfassungsverstoß in der mangelnden Berücksichtigung von Bildungs- und Teilhabebedarfen (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 192) sieht, die Berücksichtigung dieser Bedürfnisse dem Grunde nach also gerade nicht einer Wertentscheidung des Gesetzgebers überlasst.
- 186
c) Die sich aus diesem Lösungsansatz ergebende Differenz zwischen der abstrakten Bestimmung der materiellen und sozialen Bedürfnisse, die zur Führung eines menschenwürdigen Lebens unter gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen befriedigt werden können müssen, und der Schaffung konkreter Leistungsansprüche, die die Erfüllung dieser Bedürfnisse gewährleisten müssen, liefert auch eine Begründung dafür, dass für verschiedene Personengruppen unterschiedliche Leistungssysteme geschaffen werden können, obwohl das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für alle Menschen gleichermaßen und in gleicher Weise Geltung beansprucht (vgl. auch Janda/Wilksch, SGb 2010, S. 570). Der dem Grundrecht inhärente Gleichbehandlungsanspruch betrifft die abstrakte Bestimmung dessen, welche materiellen Bedürfnisse zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfüllt werden müssen. Hierbei sind Ungleichbehandlungen nur auf Grund unterschiedlicher Bedürfnisse gestattet, beispielsweise bei Abweichungen von Bedarfslagen in Folge eines absehbar nur kurzfristigen Aufenthalts im Inland (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 73) oder zwischen Erwachsenen und Kindern.
- 187
Weitere Differenzierungen auf Grund prinzipiell beliebiger politischer Kriterien (d.h. nicht bedarfsdeckungsbezogene Ziele, vgl. Kempny/Krüger, SGb 2013, S. 389) beispielsweise bei der Setzung von Anreizen und Sanktionen für bestimmte Verhaltensweisen können nur auf der zweiten Ebene der Ausgestaltung des Leistungsanspruchs zum Zuge kommen und hierfür auch nur den Spielraum nutzen, der sich aus einer – objektiv tragfähig begründbaren – Übererfüllung der durch den Gesetzgeber selbst gesetzten Mindestanforderungen für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im Sinne einer Inhaltsbestimmung ergeben kann (ähnlich Görisch, NZS 2011, S. 650). Dies erfordert wiederum eine hinreichend bestimmbare Unterscheidbarkeit zwischen den gesetzgeberisch ausgestalteten Mindestanforderungen einerseits und den konkreten Leistungsansprüchen andererseits. Würden sich die Mindestanforderungen allein in den konkreten Leistungsansprüchen ausdrücken, wäre jede auch nur geringfügige bedürftigkeitsunabhängige Kürzung der Leistung verfassungswidrig.
- 188
Ungleichbehandlungen auf dieser zweiten Ebene haben sich jedoch an den allgemeinen und speziellen Gleichheitsgrundrechten (Art. 3 GG) messen zu lassen. Dies steht der Auffassung des BVerfG, dass Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 6 Abs. 1 GG für die Bemessung des Existenzminimums im Sozialrecht keine weiteren Maßstäbe zu setzen vermögen (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 145; vgl. auch Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 284) nicht entgegen, sofern die „Bemessung des Existenzminimums“ nicht mit der gesetzlichen Konkretisierung des Leistungsanspruchs gleichgesetzt wird. Ungleichbehandlungen auf Grund der Staatsangehörigkeit sind aber auch auf dieser zweiten Ebene sehr enge Grenzen gesetzt, weil sie eine große sachliche Nähe zu einigen speziellen Diskriminierungsverboten des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG aufweisen (vgl. Kingreen, SGb 2013, S. 137 ff.; BVerfG, Beschluss vom 07.02.2012 – 1 BvL 14/07 – Rn. 46).
- 189
9.2 Der konkrete Leistungsanspruch des hilfebedürftigen Grundrechtsträgers muss seinerseits in einem formellen Gesetz auf Grund eines verfassungsgemäß durchgeführten Gesetzgebungsverfahrens konstituiert werden (formell-gesetzlicher Anspruch).
- 190
Wenn das Sozialleistungssystem derart lückenhaft ist, dass bestimmte Personengruppen die positiven Anspruchsvoraussetzungen für keines der bestehenden Existenzsicherungssysteme erfüllen, liegt eine verfassungswidrige Unterlassung des Gesetzgebers vor. Sofern bestimmte Personenkreise durch besondere Regelungen von allen Existenzsicherungssystemen ausgeschlossen werden, sind diese Ausschlussregelungen – und zwar jede für sich – verfassungswidrig. Auch die Einräumung von Ermessen gegenüber der zuständigen staatlichen Stelle hinsichtlich der Frage, ob bei Hilfebedürftigkeit Leistungen erbracht werden, ist verfassungswidrig.
- 191
Aus dem Gestaltungsgebot für den Gesetzgeber folgt im Übrigen auch, dass das Fehlen eines gesetzlichen Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums nicht richterrechtlich kompensiert werden kann (vgl. auch Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 287).
- 192
9.3 Der konkrete Leistungsanspruch muss durch den Gesetzestext selbst so hinreichend bestimmt sein, dass die Verwaltung eine Entscheidung über die Höhe des Anspruchs treffen kann, die die im Gesetzestext zum Ausdruck kommenden Wertentscheidungen des Gesetzgebers nachvollziehbar berücksichtigt (hinreichende Bestimmtheit; konkreter Anspruch). Dies schließt sowohl die Verwendung zu unbestimmter Rechtsbegriffe (vgl. SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 12.12.2014 – S 3 AS 130/14 – Rn. 252 ff.) als auch die Einräumung von Ermessen gegenüber der zuständigen Stelle über den Inhalt (bei Geldleistungen: die Höhe) der Leistungsgewährung im Kernbereich der Existenzsicherung aus. In den Worten des BVerfG betrifft dieser Aspekt die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 136).
- 193
Die das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums konturierenden Entscheidungen des BVerfG (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a.; BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a.) enthalten selbst keine näheren Ausführungen über den Grad der Bestimmtheit, den gesetzliche Regelungen zur Sicherung des Existenzminimums haben müssen. Dies ist wohl dem Umstand geschuldet, dass die dort zu überprüfenden Fragen ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistungen bzw. des Regelbedarfes betrafen, bei denen die Leistungshöhe im Gesetz oder in den hierzu erlassenen, durch gesetzliche Regelungen weitgehend determinierten Anpassungsverordnungen numerisch exakt bestimmt war bzw. ist. Die durch das BVerfG geprüften Vorschriften wiesen – jedenfalls auf der Rechtsfolgenseite – kein Bestimmtheitsproblem auf.
- 194
Aus der Grundrechtsrelevanz der existenzsichernden Leistungen erwachsen jedoch qualitative Anforderungen hinsichtlich der Merkmalsdichte (oder „Intensionstiefe“, vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik, 10. Auflage 2009, S. 196) der textlich verfassten gesetzlichen Bestimmungen (SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 12.12.2014 – S 3 AS 130/14 – Rn. 253 ff.). Diese müssen so viele Merkmale aufweisen, dass die argumentative Rückbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Fachgerichte (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 97 Abs. 1 GG) an die im Gesetzgebungsverfahren erzeugten Gesetzestexte ermöglicht wird. Der Gesetzestext muss so hinreichend bestimmt sein, dass eine Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung auch und gerade vom Adressaten der Entscheidung noch als Konkretisierung eines bestimmten Gesetzgebungsakts nachvollzogen werden kann. Aus diesem Grund genügt der Gesetzgeber seiner verfassungsrechtlichen Gewährleistungsverpflichtung auch dann nicht, wenn er die Gewährung existenzsichernder Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach in das Ermessen der Verwaltung stellt. Die aus dem Demokratieprinzip resultierende Anforderung an den Gesetzgeber, die wesentlichen Entscheidungen zur Grundrechtsverwirklichung selbst zu treffen, liefe andernfalls ins Leere.
- 195
Das Bestimmtheitsgebot ist sowohl Ausdruck des Demokratie- als auch des Rechtsstaatsprinzips. Das BVerfG formuliert die rechtsstaatlichen Bestimmbarkeitsanforderungen beispielhaft folgendermaßen (BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 – 1 BvR 2307/94, 1 BvR 1120/95, 1 BvR 1408/95, 1 BvR 2460/95, 1 BvR 2471/95 – Rn. 325):
- 196
"Das rechtsstaatliche Gebot der Gesetzesbestimmtheit zwingt den Gesetzgeber nicht, Regelungstatbestände stets mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Der Gesetzgeber ist aber gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (...). Bei der Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist auch die Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten zu berücksichtigen (...). Die Rechtsunterworfenen müssen in zumutbarer Weise erkennen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (...). Dabei reicht es aus, wenn sich dies im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt (...)."
- 197
An anderer Stelle führt das BVerfG aus, dass die grundsätzliche Zulässigkeit unbestimmter Gesetzesbegriffe den Gesetzgeber nicht davon entbinde, die Vorschrift so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normklarheit und Justitiabilität entspreche (BVerfG, Beschluss vom 12.01.1967 – 1 BvR 169/63 – Rn. 17).
- 198
Die Aussage des BVerfG, die Rechtsunterworfenen müssten in zumutbarer Weise erkennen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen, und hierfür reiche es aus, wenn sich dies im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lasse (BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 – 1 BvR 2307/94 u.a. – Rn. 325), darf nicht so verstanden werden, dass ein verfassungswidriger Bestimmtheitsmangel des Gesetzes durch Auslegung der Gerichte mit anerkannten Mitteln der juristischen Methodenlehre ausgeglichen werden könnte (in diese Richtung aber Luik, jurisPRSozR 22/2013 Anm. 1).
- 199
Bei der Prüfung, ob ein verfassungsrechtlich relevanter Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vorliegt, geht es darum festzustellen, ob eine Rechtsvorschrift nach verfassungsrechtlichen Maßstäben hinreichend bestimmt ist. Hierzu muss beurteilt werden, ob die sich aus der Eigenart des Lebenssachverhalts und des Normzwecks ergebenden Anforderungen an die Merkmalsdichte des Normtextes mit der konkret gewählten Regelungstechnik erfüllt werden. Diese Frage ist mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden zu beantworten. Dies kann insbesondere mit den Methoden der semantischen und der systematischen Auslegung geschehen, da diese die einschlägigen Normtexte selbst in den Blick nehmen.
- 200
Bei dieser Prüfung geht es hingegen nicht darum nachzuweisen, dass ein unbestimmter Rechtsbegriff mit Hilfe anerkannter Mittel der juristischen Methodenlehre für eine gerichtliche Sachentscheidung fruchtbar gemacht werden kann; denn dies ist ausnahmslos der Fall. Gerichte können unbestimmte Rechtsbegriffe argumentativ u.a. mit Zweckerwägungen, historischen und genetischen Aspekten, Erwägungen zur „materiellen Gerechtigkeit“ und Praktikabilitätserfordernissen anreichern, um den Fall zur Entscheidungsreife zu bringen. Die Rechtsprechung ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes verpflichtet (Art. 19 Abs. 4 GG), d.h. sie muss auch dann, wenn unbestimmte Rechtsbegriffe im Gesetz Verwendung finden, zu einer bestimmten Sachentscheidung kommen, denn in einem funktionierenden Rechtsstaat muss es auf jede Rechtsfrage eine Antwort geben (Forgó/Somek, Nachpositivistisches Rechtsdenken, in: Buckel/Christensen/Fischer-Lescano (Hrsg.): Neue Theorien des Rechts, 2. Auflage 2009, S. 257). Dies wirkt sich dahingehend aus, dass die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle unterliegen (vgl. zum Begriff der „Angemessenheit in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II: BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 – Rn. 21 ff.; Knickrehm, jM 2014, S. 340; zum Ganzen: SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 12.12.2014 – S 3 AS 130/14 – Rn. 255 ff.). Hierfür stellt die juristische Methodenlehre Werkzeuge zu Verfügung, deren Aufgabe es ist, jeden Fall anhand rationaler Kriterien lösbar zu machen. Die normtextbezogenen Methoden der "grammatischen" und "systematischen" Auslegung verlieren durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe jedoch an Bedeutung, wodurch die Begrenzungen richterlichen und behördlichen Entscheidens durch Gesetzesbindung geschwächt werden. Durch Heranziehung vom Normtext unabhängiger, gleichwohl "anerkannter" Konkretisierungselemente wie historischer, genetischer und (insbesondere) teleologischer Auslegung lassen sich unbestimmte Rechtsbegriffe besonders leicht einer auf den Fall bezogenen Konkretisierung zuführen, da in diesen Fällen der Vorwurf des Verstoßes gegen das Gesetzesbindungsgebot kaum jemals erhoben werden kann. Entsprechendes gilt für die Einräumung von behördlichem Ermessen, bei dem, gesetzgeberisch legitimiert, die Beantwortung einer aufgeworfenen Rechtsfrage in Grenzen der Verwaltung überlassen bleibt und nur die Bestimmung dieser Grenzen im Wege der Konkretisierung durch die Rechtsprechung erfolgt.
- 201
Hiermit wird aber noch nichts über die Abgrenzung der Rechtserzeugungsbefugnisse zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung gesagt. Bei der Frage, ob der Gesetzgeber hinreichend bestimmte Regelungen getroffen hat, handelt es sich mithin nicht um ein methodologisches Problem im engeren Sinne, sondern um ein Problem der Legitimation. Die demokratische Willensbildung kann im Rechtsstaat nur in dem Umfang Wirkung entfalten, in dem sie durch Gesetze Verwaltung und Rechtsprechung zu binden vermag (Art. 20 Abs. 3 GG). Je weniger bedeutsame Merkmale eine Regelung aufweist, also je unbestimmter sie ist, desto geringer ist die Bindungswirkung des Gesetzes. Bei Regelungsmaterien, die aus verfassungsrechtlichen Gründen im Wesentlichen der Gestaltung durch den parlamentarischen Gesetzgeber unterliegen, erwächst hieraus ein Bestimmtheitsgebot. Das Bestimmtheitsgebot verlangt eine Regelungstechnik, die dazu geeignet ist, Gesetzesbindung zu erzeugen. Hierzu muss die gesetzliche Vorschrift so viele bestimmende Merkmale aufweisen, dass der durch Verwaltung und Rechtsprechung zu vollziehende Konkretisierungsprozess wirksam im Sinne des Ergebnisses der demokratischen Willensbildung gesteuert werden kann. Die Verwendung (zu) unbestimmter Rechtsbegriffe und die Einräumung von behördlichem Ermessen geraten mit dieser Anforderung gleichermaßen in Konflikt.
- 202
Das verfassungsrechtliche Prinzip, dass die für die Grundrechtsverwirklichung wesentlichen Bestimmungen durch den parlamentarischen Gesetzgeber getroffen werden müssen ("Wesentlichkeitstheorie"), wird im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf zweierlei Weise aufgerufen. Einerseits bewirkt bereits die dogmatische Qualifikation des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Grundrecht, dass das Wesentlichkeitsprinzip berücksichtigt werden muss (vgl. Konzak, NVwZ 1997, S. 873). Andererseits bedingt die Besonderheit der Qualifikation als "Gewährleistungsrecht", dass das Grundrecht erst durch Erfüllung des gesetzgeberischen Gestaltungsauftrags zur Entfaltung kommen kann. Sowohl die Grundrechtsqualität als auch die Konstituierung des Anspruchs auf Existenzsicherung als Gewährleistungsrecht prägen mithin die "Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck" und bestimmen die "Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten" (BVerfG, Urteil vom 22.11.2000 – 1 BvR 2307/94 u.a. – Rn. 325) in dem Sinne, dass der Gesetzgeber die Regelungen zur Sicherung des Existenzminimums möglichst präzise ausgestalten und hierdurch eine möglichst effektive Bindung der Verwaltung an die gesetzgeberischen Grundentscheidungen ermöglichen muss.
- 203
Umgekehrt folgt hieraus, dass eine Verwaltungs- oder Fachgerichtsentscheidung, mit der über die Gewährung existenzsichernder Leistungen entschieden wird, in qualifizierter Weise auf eine gesetzgeberische Entscheidung zurückführbar sein muss. Die hierfür wesentlichen Bestimmungen müssen im für die Sachentscheidung auf Verwaltungsebene einschlägigen Gesetzestext (Normtext bzw. amtlicher Wortlaut) enthalten sein, da nur dieser durch das formalisierte Gesetzgebungsverfahren in Geltung gesetzte Text dem parlamentarischen Willensbildungsprozess eindeutig zuzurechnen ist. Nicht einschlägige Normtexte (z.B. Parallelvorschriften) oder im Sachzusammenhang mit dem Gesetzgebungsakt stehende Nicht-Normtexte (z.B. Gesetzgebungsmaterialien) können legitimerweise Konkretisierungselemente für die Auslegung einfachen Gesetzesrechts und Richtschnur für die Ermessensausübung sein, vermögen aber nicht, die gemessen am Wesentlichkeitsvorbehalt festgestellte Unterbestimmtheit einer gesetzlichen Regelung zu kompensieren. Denn weder nicht einschlägige Normtexte noch Gesetzesmaterialien sind – bezogen auf die konkrete Regelungsmaterie – Ergebnisse des parlamentarisch-demokratischen Entscheidungsprozesses. In Bezug auf den Regelungsgegenstand unterliegen sie auch nicht den durch den parlamentarischen Prozess garantierten Sicherungen im Hinblick auf die Öffentlichkeit der Debatte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. – Rn. 77).
- 204
Für Grundrechtsträger muss darüber hinaus erkennbar sein, welche staatlichen Akteure für die Ausgestaltung ihrer Rechte verantwortlich sind. Dies betrifft den Grundrechtsträger nicht nur in seiner Eigenschaft als Leistungsberechtigten, sondern auch als Teilnehmer am demokratischen Prozess durch Wahlen oder andere Beteiligungsformen. Mit den Worten des BVerfG (Urteil vom 07.10.2014 – 2 BvR 1641/11 – Rn. 81):
- 205
"Demokratie und Volkssouveränität erschöpfen sich im repräsentativ-parlamentarischen System des Grundgesetzes nicht in Zurechnungsfiktionen und stellen auch nicht nur formale Mindestanforderungen an den Legitimationszusammenhang zwischen dem Volk und den handelnden Staatsorganen. (...) Der wahlberechtigte Bürger muss wissen können, wen er wofür - nicht zuletzt durch Vergabe oder Entzug seiner Stimme - verantwortlich machen kann. Daran fehlt es, wenn die Aufgaben durch Organe oder Amtswalter unter Bedingungen wahrgenommen werden, die eine solche Verantwortungszuordnung nicht ermöglichen (...)."
- 206
Dieser Verantwortungszusammenhang kann praktisch nur realisiert und sichtbar gemacht werden, indem die aus Gründen der Grundrechtsverwirklichung vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu treffenden Regelungen so gestaltet sind, dass sie zur maßgeblichen Beeinflussung der konkreten Entscheidungsprozesse der Verwaltung und der Fachgerichte geeignet sind.
- 207
Wann die Voraussetzung der hinreichenden Bestimmtheit (bzw. Bestimmbarkeit) erfüllt ist, lässt sich nicht abstrakt festlegen, da Gesetzestext, Interpretationskultur und rechtsstaatliches Verfahren – abgesehen von Fällen numerischer Exaktheit – niemals eine vollständige Determination der Fallentscheidung ermöglichen (Müller/Christensen, Juristische Methodik, 10. Auflage 2009, S. 195). Gesetzesbegriffe sind in diesem Sinne also immer unbestimmt. Hieraus folgt, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Gesetzes nicht losgelöst von dessen Funktion betrachtet werden können und Maßstab für die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots nur ein der Regelungsmaterie angemessener Grad von Bestimmbarkeit sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.08.1978 – 2 BvL 8/77 – Rn. 101). Dass dieser Grad der Bestimmbarkeit bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums besonders hoch sein muss, ergibt sich zum einen aus der Grundrechte verwirklichenden Funktion des Gesetzes (Stölting, SGb 2013, S. 545), zum anderen und wesentlich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die politische Transformation der "gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche" (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 138) überhaupt erst vollziehen muss, um seiner Gestaltungsverpflichtung nachzukommen. Regelungstechniken, die nicht dazu geeignet sind, Verwaltung und Rechtsprechung wirkungsvoll zu steuern, erhalten zwar den legitimatorischen Schein der Gesetzesbindung aufrecht (vgl. Maus, Verrechtlichung, Entrechtlichung und der Funktionswandel von Institutionen, in: dies.: Rechtstheorie und politische Theorie im Industriekapitalismus, München 1986, S. 278), überlassen die Interpretation dessen, was die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen "gesellschaftlichen Anschauungen" sein mögen, jedoch demokratisch allenfalls mittelbar legitimierten Funktionsträgern. Durch die Einräumung von Ermessen in wesentlichen Fragen der Grundrechtsverwirklichung wird die Gesetzesbindung – immerhin auf transparente Weise – weiter reduziert.
- 208
Aus diesen Anforderungen aus Demokratieprinzip und Bestimmtheitsgebot folgt zum einen, dass die Verwendung (besonders) unbestimmter Rechtsbegriffe im Existenzsicherungsrecht verfassungswidrig sein kann (vgl. SG Mainz, Vorlagebeschlüsse vom 12.12.2014 – S 3 AS 130/14 und S 3 AS 370/14; vgl. auch Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 3 AsylbLG i.d.F. v. 23.12.2014, Rn. 57, Stand 01.04.2016), zum anderen, dass die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums dem Grunde und der Höhe nach nicht von einer Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde abhängig gemacht werden darf. Die Einräumung von Ermessen widerspräche der Anforderung, dass die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch ein Parlamentsgesetz erfolgen muss, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthält (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 136; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 96: „Eine Regelung zur Existenzsicherung hat vor der Verfassung nur Bestand, wenn Bedarfe durch Anspruchsnormen gesichert werden“).
- 209
Auch die Annahme einer so genannten „Ermessensreduzierung auf Null“ durch die fachgerichtliche Rechtsprechung und deren faktische Durchsetzung würde einen derartigen Mangel nicht heilen, da die Voraussetzungen, die an eine solche Ermessensreduzierung gestellt werden, von der Rechtsprechung entwickelt werden müssten und gerade nicht auf gesetzgeberische Entscheidungen zurückzuführen wären. Die Argumentationsfigur der „Ermessensreduzierung auf Null“ stellt auch nur ein im Einzelfall legitimes Mittel zur Erhöhung der richterlichen Kontrolldichte behördlicher Entscheidungen dar. Würde sie hingegen als Umdeutung einer Ermessensvorschrift in eine die Verwaltung bindende Anspruchsnorm verstanden, läge hierin ein Verstoß gegen das Gesetzesbindungsgebot, weil der gesetzlich eingeräumte Ermessensspielraum nicht nur im Einzelfall reduziert, sondern generell ausgeschaltet würde.
- 210
Zugleich muss das Leistungsrecht allerdings hinreichend flexibel ausgestaltet sein, um individuell abweichenden Bedarfslagen gerecht werden zu können. Dies resultiert aus dem Umstand, dass gleiche Rechte der Menschen auf ungleiche Lebenswirklichkeiten stoßen, wodurch abschließenden Pauschalierungen existenzsichernder Leistungen Grenzen gesetzt sind (vgl. Hebeler, SGb 2008, S. 10 ff.). Bei der Berücksichtigung individueller Bedarfslagen lässt sich die Verwendung in relativ hohem Maße unbestimmter Rechtsbegriffe daher nicht vermeiden.
- 211
9.4 Die konkreten (9.2) und hinreichend bestimmten (9.3) Leistungsansprüche müssen am Maßstab der gesetzlichen Inhaltsbestimmung des Existenznotwendigen (9.1) im Ergebnis zu rechtfertigen sein.
- 212
Die konkreten Leistungsansprüche müssen mindestens dazu geeignet sein, die Lebensbedingungen zu gewährleisten, die der Gesetzgeber im Wege einer (verfassungskonformen) Inhaltsbestimmung als für eine menschenwürdige Existenz unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen für unerlässlich erklärt hat. Reicht der konkrete Leistungsanspruch der Höhe nach nicht zur Deckung der vom Gesetzgeber als existenznotwendig bestimmten Bedarfe aus, ist er insoweit verfassungswidrig. Ob dies der Fall ist, ist mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln objektiv zu prüfen. In diesem Sinne kann hier der (vom BVerfG zuletzt herangezogene) objektive Prüfungsmaßstab der "tragfähigen Begründbarkeit" hinsichtlich des folgerichtigen Zusammenhangs zwischen der gesetzlich zu regelnden inhaltlichen Bestimmung des Existenzminimums einerseits und dem gesetzlichen Leistungsanspruch andererseits herangezogen werden. Dass die Höhe des Anspruchs nicht evident unzureichend zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz sein darf, stellt demgegenüber keinen eigenständigen Prüfungsmaßstab dar. Hiermit wird bloß zum Ausdruck gebracht, dass die fehlende Folgerichtigkeit unter Umständen einfach festzustellen sein kann.
- 213
Dementsprechend sind auch Leistungseinschränkungen gegenüber einem dem Grunde nach gewährten Leistungsanspruch verfassungswidrig, wenn sie dazu führen, dass die Höhe der verbliebenen Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unzureichend ist. Prüfungsmaßstab ist hierbei die gesetzliche Inhaltsbestimmung des Existenznotwendigen. An diesem verfassungsrechtlichen Maßstab sind die im SGB II vorgesehenen Leistungseinschränkungen zu prüfen (z.B. § 22 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II, § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II, § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II, § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Dies betrifft beispielsweise Leistungskürzungen durch Sanktionen (§ 31a SGB II, § 32 SGB II), die nur dann nicht verfassungswidrig wären, wenn trotz der Leistungskürzung noch das gesamte Existenzminimum einschließlich eines zumindest geringfügigen Maßes an sozialer Teilhabe gedeckt wäre (Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 297 f.). Da es dem Gesetzgeber freisteht, den Leistungsanspruch über das durch ihn verfassungsgemäß bestimmte Existenznotwendige hinaus zu erweitern, verstoßen Abstufungen in der Leistungshöhe, die verhaltenssteuernde Wirkung entfalten sollen, jedoch nicht automatisch gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07.07.2010 – 1 BvR 2556/09 – Rn. 9).
- 214
10. Sofern einer bestimmten Gruppe von Grundrechtsträgern durch den Gesetzgeber kein die soeben geschilderten Mindestanforderungen erfüllender Anspruch auf existenzsichernde Leistungen eingeräumt wird, besteht ein verfassungswidriger Zustand. Konkret verfassungswidrig sind dann alle Rechtsnormen, die für die betroffenen Grundrechtsträger zum Ausschluss aus dem jeweiligen Leistungssystem führen. Dies kann sowohl echte Ausschlussnormen betreffen, wie der den Gegenstand der Vorlagefrage bildende § 7 Abs. 5 SGB II, als auch Normen, die positive Voraussetzungen für den Leistungsanspruch regeln, die die betroffenen Grundrechtsträger jedoch nicht erfüllen. Beide Kategorien von Rechtsnormen haben im Hinblick auf die Grundrechtsverletzung den gleichen Effekt; sie bestimmen gleichermaßen den Umfang der defizitären Gestaltung des einfachen Rechts (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 137).
- 215
Wenn verschiedene Leistungssysteme für die Existenzsicherung Hilfebedürftiger bestehen (z.B. SGB II, SGB XII, AsylbLG, BAföG) und der betroffene Personenkreis in allen Systemen ausgeschlossen ist (z. B. § 7 Abs. 5 SGB II und § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII), sind die jeweiligen Ausschlussregelungen in den einzelnen Leistungssystemen allesamt verfassungswidrig. Der Leistungsausschluss in einem System kann verfassungsrechtlich nicht dadurch aufgefangen werden, dass der betroffene Personenkreis auf ein anderes Leistungssystem verwiesen wird, dass seinerseits einen (verfassungswidrigen) Leistungsausschluss für den gleichen Personenkreis vorsieht, mit dem Argument, dass dann Letzteres für nichtig erklärt werden muss und hierdurch ein verfassungsgemäßer Zustand herzustellen wäre. Dies wäre nur dann der Fall, wenn zwischen den Leistungssystemen bezogen auf den betroffenen Personenkreis unabhängig von den für verfassungswidrig gehaltenen Vorschriften ein Nachrangverhältnis bestünde, der Betroffene also unabhängig von dem Leistungsausschluss im vorrangigen System hilfsweise auf das nachrangige System zurückgreifen könnte, wo er dann mit dem gleichartigen Leistungsausschluss konfrontiert wäre. Nur in diesem Fall bestünde ein logischer Vorrang der Verfassungswidrigkeit des nachrangigen Gesetzes.
- 216
Die Identifizierung der potenziell verfassungswidrigen Ausschlussnormen beschränkt nicht die gesetzgeberischen Möglichkeiten, den verfassungswidrigen Zustand zu beheben. Der Gesetzgeber kann einen Leistungsausschluss in einem Gesetz dadurch kompensieren, dass er die Ausschlussvorschrift aufhebt oder die Tatbestandsvoraussetzungen reduziert, was der Möglichkeit der Nichtigerklärung einzelner Ausschlussnormen durch das BVerfG entspricht. Er kann aber auch ein weiteres Leistungssystem für den ausgeschlossenen Personenkreis schaffen oder diesbezügliche Anspruchshürden ausschließlich in einem anderen schon bestehenden Leistungssystem beseitigen. Hieraus folgt allerdings nicht, dass eine verfassungswidrige Ausschlussnorm wegen des gesetzlichen Gestaltungsspielraums durch das BVerfG nicht für nichtig (§ 78 Satz 1 BVerfGG), sondern lediglich für mit der Verfassung unvereinbar erklärt werden könnte. Denn der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum besteht hier nur hinsichtlich denkbarerer regelungstechnischer Korrekturen des Verfassungsverstoßes, nicht jedoch hinsichtlich des materiellen Ergebnisses. Eine verfassungsgemäße Alternative zum Wegfall des Ausschlusstatbestands besteht – anders als regelmäßig bei der Verletzung von Gleichheitsgrundrechten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.02.2012 – 1 BvL 14/07 – Rn. 58 m.w.N.) – nicht.
- 217
Ein durchsetzbarer Anspruch auf Schaffung eines existenzsichernden Leistungssystems, der nur im Wege einer Normerlassklage verfolgt werden könnte, wäre hingegen allenfalls denkbar, wenn überhaupt kein gesetzliches Leistungssystem bestünde, welches dem Grunde nach Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums einräumt und dessen Ausschluss- oder Voraussetzungsnormen einer effektiven (verfassungs-)gerichtlichen Kontrolle unterliegen könnte. Dies ist auf Grund der bestehenden Leistungssysteme der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), der Sozialhilfe (SGB XII), des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) und der Ausbildungsförderung (BAföG und §§ 56 ff. SGB III) jedoch nicht der Fall.
II.
- 218
Das Vorstehende zu Grunde gelegt, verstößt § 7 Abs. 5 SGB II gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG.
- 219
Der vom Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 5 SGB II (1) effektiv betroffene Personenkreis (2) erfüllt grundsätzlich die Anspruchsvoraussetzungen für das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (3). Für diesen Personenkreis fehlt es an einem formell-gesetzlichen, hinreichend bestimmten Anspruch auf Leistungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (4). Die sich hieraus ergebende unterlassene Grundrechtsgewährleistung kann nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden (5).
- 220
1. § 7 Abs. 5 SGB II lautet:
- 221
„Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.“
- 222
§ 7 Abs. 6 SGB II lautet:
- 223
„Absatz 5 findet keine Anwendung auf Auszubildende,
- 224
1. die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder aufgrund von § 60 des Dritten Buches keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben,
- 225
2. deren Bedarf sich nach § 12 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, nach § 62 Absatz 1 oder § 124 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches bemisst oder
- 226
3. die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund von § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.“
- 227
2. Vom Leistungsausschluss erfasst sind demnach Auszubildende, die eine nach dem BAföG oder nach den §§ 51, 57 und 58 SGB III dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung absolvieren und keinen der in § 7 Abs. 6 SGB II geregelten Ausnahmetatbeständen erfüllen. § 7 Abs. 6 SGB II greift bestimmte Fallkonstellationen auf, in denen Auszubildende dem Grunde nach keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung bzw. Berufsausbildungsförderung haben (Nr. 1), nur eine geringe Ausbildungsförderung erhalten (Nr. 2) oder wegen Erreichen der Altersgrenze keine Ausbildungsförderung gewährt bekommen (Nr. 3) (vgl. Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 7 Rn. 308, Stand 14.03.2016), wobei jeweils weitere Voraussetzungen hinzukommen müssen. Umstritten, aber vorliegend nicht klärungsbedürftig ist die Frage, ob auch Personen vom Ausschluss erfasst sind, die gemäß § 122 SGB III Ausbildungsgeld unter entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe erhalten (verneinend Kador in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 122 Rn. 15, 5. Auflage 2013; bejahend BSG, Urteil vom 16.06.2015 – B 4 AS 37/14 R – Rn. 18 m.w.N.; Treichel, NZS 2013, S. 805 ff.).
- 228
2.1 Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II greift bereits ein, wenn die betroffene Person eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung absolviert, unabhängig davon, ob sie Leistungen nach §§ 51, 57 oder 58 SGB III oder nach dem BAföG tatsächlich bezieht oder die persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt. Dies legt bereits der Wortlaut des § 7 Abs. 5 SGB II nahe, da das Bezugswort zum Terminus „dem Grunde nach förderungsfähig“ in § 7 Abs. 5 SGB II „Ausbildung“ und nicht etwa „Auszubildende“ ist. Zwar ließe sich auch mit dieser Formulierung isoliert betrachtet noch vereinbaren, wegen der Verwendung des Relativpronomens „deren“ zwischen „Auszubildende“ und „Ausbildung“ auf die Förderungsfähigkeit der konkreten Ausbildung abzustellen, allerdings ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit den Rückausnahmeregelungen in § 7 Abs. 6 Nr. 1 und Nr. 3 SGB II, dass der Leistungsausschluss abgesehen von den dort genannten Ausnahmefällen auch dann greift, wenn kein Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG oder nach dem SGB III besteht (so im Ergebnis auch BSG, Urteil vom 22.08.2012 – B 14 AS 197/11 R – Rn. 14; BSG, Urteil vom 06.08.2014 – B 4 AS 55/13 R – Rn. 17 m.w.N.; ausführlich mit Erläuterungen zur Systematik, Gesetzgebungsgeschichte und Sinn und Zweck: BSG, Urteil vom 17.02.2015 – B 14 AS 25/14 R – Rn. 20 ff.). Das Fehlen individueller Voraussetzungen für eine Förderung ist mithin unerheblich (vgl. auch Thie in: LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, § 7 Rn. 113; Wolff-Dellen in: Löns/Herold-Tews, SGB II, § 7 Rn. 52, 3. Auflage 2011).
- 229
Es ändert sich somit nichts an der Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II, wenn Auszubildende (einschließlich Studierende) tatsächlich keinen Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG haben, z.B. wegen mangelnder Eignung (§ 9 BAföG), wegen Überschreitens der Altersgrenze (§ 10 BAföG), bei Überschreiten der Förderungshöchstdauer (§ 15a BAföG) oder wegen des Fehlens der Voraussetzungen für die Förderung einer weiteren Ausbildung bei einem nach Maßgabe des Gesetzes unbegründeten Ausbildungs- und Fachrichtungswechsel (§ 7 Abs. 2, 3 BAföG). Die Ausbildung ausländischer Studierender ist im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II dem Grunde nach förderungsfähig, auch wenn sie tatsächlich keine Ausbildungsförderung erhalten, weil sie die in § 8 BAföG aufgeführten aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen (Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 7 Rn. 297, Stand 14.03.2016). Entsprechendes gilt für Auszubildende, die eine nach §§ 51, 57 oder 58 SGB III förderungsfähige Ausbildung absolvieren und als Ausländer auf Grund der in § 59 Abs. 1 SGB III angeordneten entsprechenden Anwendung der Absätze 1, 2, 4 und 5 des § 8 BAföG (ausgenommen wiederum Fälle des § 59 Abs. 2, Abs. 3 SGB III), wegen bereits abgeschlossener Erstausbildung nach § 57 Abs. 2 Satz 2 SGB III oder wegen der vorzeitigen Lösung eines vorangegangenen Ausbildungsverhältnisses nach § 57 Abs. 3 SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben.
- 230
Der Leistungsausschluss betrifft demnach auch Personen, die keine Ausbildungsförderungsleistungen nach dem SGB III oder nach dem BAföG erhalten, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe sie über Einkommen oder Vermögen verfügen.
- 231
2.2. Vom Leistungsausschluss ausgenommen sind gemäß § 27 Abs. 2 SGB II Mehrbedarfe bei Schwangerschaft (§ 21 Abs. 2 SGB II), für Alleinerziehende (§ 21 Abs. 3 SGB II), bei kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen (§ 21 Abs. 5 SGB II), bei unabweisbaren, laufenden, besonderen Bedarfen (§ 21 Abs. 6 SGB II) und der Sonderbedarf für Erstausstattungen für Bekleidung und bei Schwangerschaft und Geburt (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II), soweit diese nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gedeckt sind.
- 232
2.3 Nach näherer Maßgabe des § 27 Abs. 3 SGB II erhalten vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II betroffene Auszubildende einen Zuschuss zu ihren ungedeckten, angemessenen Unterkunfts- und Heizungskosten, wenn sie Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem SGB III oder Leistungen nach dem BAföG beziehen oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht beziehen. Personen, die einem individuellen Leistungsausschlussgrund nach dem SGB III oder nach dem BAföG unterliegen, haben diesen Anspruch nicht.
- 233
2.4 Nach § 27 Abs. 4 SGB II können Personen, die vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II betroffen sind, bei Vorliegen einer besonderen Härte Leistungen als Darlehen für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erbracht werden. Die Gewährung der Leistungen steht im Ermessen der Behörde. Zu der Frage, unter welchen Umständen eine „besondere Härte“ vorliegt, hat das BSG bislang drei Fallgruppen entwickelt (BSG, Beschluss vom 23.08.2012 – B 4 AS 32/12 B – Rn. 20):
- 234
- Es ist wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entstanden, der nicht durch BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe gedeckt werden kann und es besteht deswegen begründeter Anlass für die Annahme, dass die vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werden kann und das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit droht.
- 235
- Die bereits weit fortgeschrittene und bisher kontinuierlich betriebene Ausbildung ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls wegen einer Behinderung oder Krankheit gefährdet.
- 236
- Eine nach den Vorschriften des BAföG förderungsfähige Ausbildung stellt objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt dar.
- 237
2.5 Gemäß § 27 Abs. 5 SGB II können unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 8 SGB II (Sicherung der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage) nach Ermessen der Behörde Schulden übernommen werden.
- 238
3. Die vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II betroffenen Personen sind Grundrechtsträger und können hilfebedürftig im verfassungsrechtlichen Sinne sein.
- 239
Es handelt sich um Menschen (s.o. unter I.7.1), die sich, um von § 7 Abs. 5 SGB II überhaupt betroffen sein zu können, in Deutschland tatsächlich aufhalten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II) und im einfachrechtlichen Sinne hilfebedürftig sein (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II) müssen. Der „gewöhnliche Aufenthalt“ schließt den regelmäßigen tatsächlichen Aufenthalt in Deutschland (s.o. unter I.7.2) logisch mit ein.
- 240
Die Grundrechtsrelevanz der Regelung wird nicht dadurch beseitigt, dass in Folge von Freibetrags- und Ausnahmeregelungen bei der Berücksichtigung von Einkommen und Schonvermögensregelungen auch Personen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen und vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II betroffen sein können, deren Existenzsicherung nicht akut gefährdet ist, bei denen der Leistungsausschluss also nicht mit einer individuellen Grundrechtsverletzung einhergeht. Denn der Leistungsausschluss betrifft jedenfalls auch Personen, die ihr materielles Existenzminimum nicht aus eigener Kraft sichern können und deshalb im verfassungsrechtlichen Sinne hilfebedürftig sind . Dies beruht erstens darauf, dass dem Leistungsausschluss zwar die Annahme zu Grunde liegen könnte, dass hiervon betroffene Personen ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beseitigen können, die Regelung selbst einen solchen Umstand aber in keiner Weise zur Voraussetzung für ihr Eingreifen macht. Zweitens würde auch im Falle der Bestätigung dieser Annahme nicht die aktuelle Hilfebedürftigkeit beseitigt, sondern allenfalls zukünftig Hilfebedürftigkeit vermieden, und auch dies nur im Falle der tatsächlichen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit des Betroffenen.
- 241
Irrelevant ist auch der Umstand, dass vom Leistungsausschluss durch Einbeziehung von nach § 58 SGB III förderungsfähigen Ausbildungen auch Personen erfasst sind, die sich zumindest zeitweise im Ausland aufhalten und in dieser Zeit die (verfassungsrechtliche) Anspruchsvoraussetzung des tatsächlichen Aufenthalts im Inland nicht erfüllen (s.o. unter I.7.2). In vielen Fällen dürften die betroffenen Personen bereits mangels gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben.
- 242
4. Für den vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II betroffenen Personenkreis fehlt es bereits an einem formell-gesetzlichen Anspruch auf Leistungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (s.o. unter I.9.2). In Folge dessen ist § 7 Abs. 5 SGB II verfassungswidrig.
- 243
4.1 Nach der die zweite Vorlagefrage betreffenden Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II besteht kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die hierfür vorgesehenen Ausnahmeregelungen sind für einen erheblichen Teil des betroffenen Personenkreises nicht einschlägig.
- 244
4.1.1 Die obligatorischen Ausnahmereglungen des § 7 Abs. 6 SGB II gelten nur für die dort aufgeführten Lebenssituationen.
- 245
4.1.2 Die Leistungen nach § 27 Abs. 2 SGB II decken nur Mehrbedarfe, nicht jedoch den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Sie sind daher evident nicht dazu geeignet, das Existenzminimum zu gewährleisten. Leistungen nach § 27 Abs. 3 SGB II sind lediglich ergänzend zu Leistungen nach dem BAföG oder nach dem SGB III zu erbringen. Die Personen, die von den Leistungsausschlusstatbeständen des BAföG oder des SGB III betroffen sind, profitieren hiervon nicht.
- 246
4.1.3 Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist auch nicht deshalb gewahrt, weil das Gesetz in § 27 Abs. 4 SGB II die Möglichkeit vorsieht, dass bei Vorliegen einer besonderen Härte Leistungen als Darlehen für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erbracht werden können.
- 247
Die nach 27 Abs. 4 SGB II bestehende Möglichkeit, in besonderen Härtefällen Darlehen für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erhalten, stattet den betroffenen Personenkreis nicht mit dem verfassungsrechtlich geforderten formell-gesetzlichen Anspruch aus, weil der zuständigen Behörde ein Ermessen nicht nur über Art und Höhe, sondern auch über das „Ob“ der Leistung eingeräumt wird (s.o. unter I.9.2 und unter I.9.3).
- 248
Auf Grund der Verwendung des (besonders) unbestimmten Rechtsbegriffs der „besondere(n) Härte“ (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 28/07 R – Rn. 20 ff.; BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 67/08 R – Rn. 17 ff.; BSG, Beschluss vom 23.08.2012 – B 4 AS 32/12 B – Rn. 20) als Leistungsvoraussetzung und der Einräumung von Ermessen ist diese Vorschrift zudem wegen ihrer nicht ausreichenden Bestimmtheit zur verfassungskonformen Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ungeeignet (s.o. unter I.9.3). Auf Grund der Verwendung des Begriffspaares „besondere Härte“ lässt sich keine hinreichend sichere Verbindung zwischen einer gesetzgeberischen Entscheidung zur Einräumung eines Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zur Umsetzung in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis ziehen. Es zeigt sich gerade in der Verwendung dieser Begriffe, dass eine flächendeckende Gewährleistung des Existenzminimums für den betroffenen Personenkreis nicht Ziel der Regelung ist.
- 249
4.2 Kompensationsmöglichkeiten in anderen Leistungssystemen bestehen nicht.
- 250
a) Auf Leistungen nach dem SGB XII kann bereits deshalb nicht zurückgegriffen werden, weil der betroffene Personenkreis – anders als im Falle des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II – nicht im Sinne des § 21 Satz 1 SGB XII dem Grunde nach von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II betrifft nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne der §§ 19 ff. SGB II (exklusive Mehrbedarfe und ggf. Beiträge). Für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem 1. Abschnitt des 3. Kapitels gilt der Leistungsausschluss nicht (so auch Wolff-Dellen in Löns/Herold-Tews, § 7 Rn. 54, 3. Auflage 2011). Die vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II betroffenen Personen sind demnach dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II und in Folge dessen gemäß § 21 Satz 1 SGB XII von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII ausgeschlossen.
- 251
Im Übrigen ist für die Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ein gleichgerichteter Ausschlusstatbestand enthalten. Ein wesentlicher Unterschied zum SGB II besteht hier nur insofern, als gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in besonderen Härtefällen Leistungen auch als Beihilfe und nicht nur als Darlehen erbracht werden können.
- 252
b) Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem BAföG und Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe dem SGB III erhalten nur diejenigen Personen, die eine förderungsfähige Ausbildung absolvieren und keinen individuellen Ausschlusstatbestand erfüllen (s.o. unter 2.1). In Fällen des Anspruchsausschlusses wegen bereits abgeschlossener Erstausbildung (§ 57 Abs. 2 SGB III) oder der vorzeitigen Lösung eines vorangegangenen Ausbildungsverhältnisses (§ 57 Abs. 3 SGB III) besteht nur unter weiteren Voraussetzungen die Möglichkeit, Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe im Ermessenswege zu erbringen.
- 253
5. Die durch den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II unterbliebene Grundrechtsverwirklichung und die somit verfassungsrechtlich defizitäre Gestaltung einfachen Rechts, kann nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden.
- 254
5.1 Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums darf nicht eingeschränkt werden, denn es gewährleistet gerade das Mindestmaß dessen, was jeder Mensch beanspruchen kann. Das Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 133). Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – Rn. 137). Die Unverfügbarkeit resultiert aus der Fundierung des Grundrechts in der Menschenwürdegarantie (zum Ganzen s.o. unter I.6). Der Mensch kann seinen Achtungsanspruch nach Art. 1 Abs. 1 GG nicht verwirken, auch nicht durch selbst zu verantwortende Handlungen oder Unterlassungen, so dass jeder mögliche sachliche Anknüpfungspunkt für eine gesetzliche Einschränkung hieraus resultierender Ansprüche entfällt.
- 255
a) Gesetzliche Leistungsausschlüsse dem Grunde nach – wie in § 7 Abs. 5 SGB II geregelt – bei Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen für das Grundrecht erfüllen, sind deshalb per se verfassungswidrig und einer Rechtfertigung von vornherein nicht zugänglich. Dementsprechend kann eine derartige Einschränkung auch nicht auf Zumutbarkeitserwägungen oder Verhältnismäßigkeitsprüfungen gleich welcher Art gestützt werden. Eine Einschränkungsbefugnis im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG besteht nicht.
- 256
Hieraus folgt, dass das einfache Recht Leistungsausschlüsse nur in Fällen vorsehen darf, in denen mindestens eine der (neben dem Menschsein) zwei Anspruchsvoraussetzungen für das Grundrecht nicht vorliegt, also kein Aufenthalt im Inland gegeben ist (s.o. unter I.7.2) und/oder keine Hilfebedürftigkeit im verfassungsrechtlichen Sinne vorliegt (s.o. unter I.7.3). Leistungseinschränkungen sind bei Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzungen nur zulässig, soweit auf der zweiten Ebene der Grundrechtskonkretisierung, der gesetzlichen Fixierung des konkreten Leistungsanspruchs, im Vergleich zu den gesetzlich ausformulierten Mindestanforderungen ein quantitativer oder qualitativer Spielraum besteht, der eine tragfähig begründbare Differenzierung erlaubt.
- 257
Auf der ersten Ebene der Grundrechtskonkretisierung kommt eine Differenzierung nur auf Grund abweichender Bedarfslagen in Betracht (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – Rn. 73; s.o. unter I.9.4). Das hiernach bestimmte Existenzminimum muss jedoch auch dann durch staatliche Sozialleistungen gewährleistet werden, wenn bestehende Selbsthilfemöglichkeiten (z.B. Aufnahme einer Erwerbstätigkeit) tatsächlich nicht genutzt werden, gleich aus welchem Grund.
- 258
b) Bei dem vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II betroffenen Personenkreis können alle Anspruchsvoraussetzungen für das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gegeben sein. Sie halten sich – definitionsgemäß, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II – im Inland auf und sind im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II hilfebedürftig, was Fälle der Hilfebedürftigkeit im verfassungsrechtlichen Sinne (s.o. unter I.7.3) notwendig einschließt. Die Regelung ist daher – unabhängig davon, dass in Einzelfällen eine individuelle Grundrechtsverletzung auch fehlen kann – verfassungswidrig.
- 259
5.2 Der zur Rechtfertigung des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 5 SGB II regelmäßig angeführte Zweck, eine (verdeckte) Ausbildungsförderung durch Leistungen nach dem SGB II zu verhindern, insbesondere unter Umgehung der dortigen Anspruchsvoraussetzungen und der unter Umständen niedrigeren Leistungshöhe (BSG, Urteil vom 19.08.2010 – B 14 AS 24/09 R – Rn. 15; BSG, Urteil vom 22.08.2012 – B 14 AS 197/11 R – Rn. 13; BSG, Urteil vom 17.02.2015 – B 14 AS 25/14 R – Rn. 21; BSG, Urteil vom 17.02.2016 – B 4 AS 2/15 R – Rn. 23; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.02.2010 – L 1 SO 84/09 – Rn- 38; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.06.2013 – L 2 AS 1518/12 – Rn. 26) ist nicht geeignet, den Leistungsausschluss zu legitimieren. Die hierin zum Ausdruck kommenden bildungspolitischen Zielsetzungen mögen als solche legitim sein und zu hochschul- oder berufsbildungsrechtlichen Maßnahmen berechtigen, sie stehen aber nicht in einem inhaltlich-argumentativen Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die Ausbildungsförderungssysteme des SGB III und des BAföG sind nicht so ausgestaltet, dass sie allen hilfebedürftigen Auszubildenden einen Leistungsanspruch zur Verfügung stellten, der zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs geeignet wäre.
- 260
Es ist kein verfassungsrechtliches Argument ersichtlich, weshalb bestimmten Personen allein auf Grund dessen, dass sie eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren, kein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zustehen sollte, gilt dies doch im Übrigen für alle hilfebedürftigen Menschen, die sich tatsächlich im Inland aufhalten (s.o. unter I.7). Das immer wieder vorgebrachte Argument, keine zweite Ebene der Ausbildungsförderung durch Fürsorgeleistungen schaffen zu wollen, lenkt den Blick auf die von den betroffenen Personen ausgeübten Aktivitäten und vernachlässigt deren sonstige Lebensumstände. Hierzu trägt die missverständliche Rede vom „ausbildungsgeprägten Bedarf“ (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.07.1994 – 5 B 25/94 – Rn. 5 f. m.w.N.) bei, der auch den allgemeinen Lebensunterhalt umfassen soll, obwohl dieser tatsächlich im Wesentlichen nicht wegen der Ausbildung, sondern auf Grund fundamentaler menschlicher Bedürfnisse gedeckt werden muss. Die durch das Existenzsicherungsgrundrecht zu sichernden grundlegenden Bedürfnisse des Menschen bestehen unabhängig davon, welchen Aktivitäten die betroffene Person konkret nachgeht.
- 261
Hinter den Rechtfertigungsversuchen mag die Befürchtung stehen, dass ein Leben am materiellen Existenzminimum, aber mit vergleichsweise breitem Zugang zu Bildung und sozialer Teilhabe, wie es dem Hochschulstudium zugeschrieben wird, für so viele Menschen attraktiv sein könnte, dass sich hieraus entweder ein Ressourcenverteilungsproblem insbesondere an Hochschulen ergeben oder Anreize zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an Stelle des Studiums oder an Stelle einer nicht bedarfsdeckenden Ausbildung zu gering werden könnten. Unabhängig von der Plausibilität solcher Erwägungen wären hierin zum Ausdruck kommende staatliche oder kollektive Interessen aber von vornherein nicht dazu geeignet, Einschränkungen des unverfügbaren individuellen Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu rechtfertigen.
- 262
5.3 Das Argument, dass es den vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II Betroffenen regelmäßig zumutbar sei, ihre Ausbildung oder ihr Studium abzubrechen, um den Leistungsausschlussgrund zu beseitigen, taugt zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bereits deshalb nicht, weil das Grundrecht nicht unter einer Einschränkungsbefugnis steht.
- 263
Der Ausbildungsabbruch stellt keine Selbsthilfemöglichkeit dar, so dass es auf dessen Zumutbarkeit nicht ankommt. Durch den Abbruch der Ausbildung oder des Studiums wird die Hilfebedürftigkeit weder beseitigt noch verringert. Gerade die in Folge des Abbruchs bei Wegfall des Ausschlusstatbestands zu erbringende existenzsichernde Sozialleistung belegt nicht den Wegfall der Hilfebedürftigkeit, sondern ist die leistungsrechtliche Konsequenz ihres Fortbestehens.
- 264
Der Ausbildungsabbruch kann im Einzelfall sogar zu einer Vergrößerung der Hilfebedürftigkeit führen, wenn beispielsweise eine nicht bedarfsdeckende, aber bedarfsmindernde Ausbildungsvergütung gezahlt wird oder eine nicht bedarfsdeckend vergütete Nebentätigkeit rechtlich oder tatsächlich mit dem Studierendenstatus verknüpft ist.
- 265
Durch den Ausbildungsabbruch selbst erschließen sich den betroffenen Personen auch nicht notwendigerweise andere Selbsthilfeoptionen, beispielsweise durch Arbeitsangebote. Derartige Selbsthilfeoptionen sind zudem nicht zwangsläufig mit einem Abbruch der Ausbildung oder des Studiums verbunden (z.B. bei Nebentätigkeiten). Ob die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit neben der Ausbildung oder an Stelle der Ausbildung möglich und zumutbar ist, um die Hilfebedürftigkeit zu beseitigen oder zu verringern, ist eine hiervon zu unterscheidende Frage, die nach der aktuellen Gesetzeslage im Zusammenhang mit der Verhängung von Sanktionen relevant werden könnte (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Allein die für sich genommen plausible Annahme, dass die Durchführung einer Ausbildung oder eines Studiums im Einzelfall ein psychologisches Hindernis für die Aufnahme einer bedürftigkeitsverringernden Erwerbstätigkeit sein kann, ist nicht dazu geeignet, eine Rechtfertigung dafür zu bieten, allen abstrakt sich in einer solchen Situation befindlichen Personen keine existenzsichernden Leistungen zu gewähren.
- 266
Demzufolge ist auch der Hinweis des BVerfG auf die in § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II geregelte Obliegenheit für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einzusetzen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08.10.2014 – 1 BvR 886/11 – Rn. 13), nicht zur Rechtfertigung des Leistungsausschlusses geeignet.
- 267
5.4 Die in den Nichtannahmebeschlüssen des BVerfG vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11) und vom 08.10.2014 (1 BvR 886/11) weiter geäußerte Auffassung, der Leistungsausschluss von Auszubildenden in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. verletze das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht, da existenzielle Bedarfe, soweit sie durch die Ausbildung entstünden, vorrangig durch Leistungen nach dem BAföG beziehungsweise nach dem SGB III gedeckt würden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08.10.2014 - 1 BvR 886/11 - Rn. 13), obwohl diese Leistungssysteme bedarfsunabhängige Ausschlussgründe vorsehen, stellt daher einen nicht ohne Weiteres nachvollziehbaren Bruch mit der zuerst im Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u.a.) entwickelten Dogmatik dar. Es lässt sich den Entscheidungsbegründungen nicht entnehmen, inwiefern die zur Voraussetzung der Gewährung existenzsichernder Leistungen gemachte Verhaltenserwartung des Abbruchs der Ausbildung oder des Studiums mit der behaupteten Unverfügbarkeit des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sein könnte. Es ist auch auf Grund dieser Beschlüsse des BVerfG nicht ersichtlich, weshalb allein der Umstand, dass eine Person eine abstrakt förderungsfähige, aber konkret nicht geförderte Ausbildung durchführt, die Vorenthaltung von Leistungen zur Gewährung des Existenzminimums rechtfertigen können sollte.
- 268
Soweit das BVerfG darauf abstellt, § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. konkretisiere den Nachrang gegenüber vorrangigen besonderen Sozialleistungssystemen zur Sicherung des Lebensunterhalts und der Gesetzgeber gehe im Rahmen seines Gestaltungsspielraums in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass das menschenwürdige Existenzminimum, soweit eine durch die Ausbildung bedingte Bedarfslage entstanden sei, vorrangig durch Leistungen nach dem BAföG beziehungsweise dem SGB III zu decken sei (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 03.09.2014 – 1 BvR 1768/11 – Rn. 22), vermag dies nicht zu überzeugen. Unter einer nachrangigen Leistung ist eine Leistung zu verstehen, die nur dann zum Zuge kommt, wenn eine vorrangige Leistung nicht greift (vgl. § 104 SGB X und § 2 Abs. 1 SGB XII; zum Begriff und zur Wiederherstellung des Nachrangs in SGB XII und SGB II vgl. Kunkel in Klinger/Kunkel/Pattar/Peters, Existenzsicherungsrecht, 3. Auflage 2012, S. 91 ff., und Pattar in Klinger/Kunkel/Pattar/Peters, Existenzsicherungsrecht, 3. Auflage 2012, S. 263 ff.). In § 7 Abs. 5 SGB II ist hingegen geregelt, dass eine Leistung unabhängig davon nicht erbracht wird, ob eine anderweitige Leistungspflicht tatsächlich besteht. Deshalb geht auch das Argument des 4. Senats des BSG fehl, es sollten nicht mehrere Träger zur Deckung ein und desselben Bedarfes zuständig sein (BSG, Urteil vom 02.04.2014 – B 4 AS 26/13 – Rn. 18).
- 269
In diesem Sinne nachrangig sind die Leistungen nach dem SGB II hingegen beispielsweise im Verhältnis zu Leistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG), nicht jedoch im Verhältnis zu Leistungen nach dem BAföG (vgl. Thie in: LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, § 7 Rn. 112).
- 270
Warum es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, dass der Gesetzgeber von der – für bestimmte Fallgruppen offensichtlich unzutreffenden – Annahme ausgehe, dass das menschenwürdige Existenzminimum vorrangig durch Leistungen nach dem BAföG bzw. nach dem SGB III zu decken sei, erörtert das BVerfG nicht näher.
- 271
Mit dem Verweis auf eine denkbare Verletzung der teilhaberechtlichen Dimension des Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 03.09.2014 – 1 BvR 1768/11 – Rn. 23 f.BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08.10.2014 – 1 BvR 886/11 – Rn. 14) lässt sich weder die fehlende Existenzsicherung rechtfertigen, noch eine Beschränkung der verfassungsrechtlichen Prüfung auf die jeweiligen Ausschlussvorschriften im BAföG bzw. im SGB III begründen. Es ist kein rechtssystematischer Grund dafür ersichtlich, warum eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bei Auszubildenden und Studierenden allein in Folge der Wirkung von Ausschlussvorschriften im BAföG oder im SGB III eintreten können sollte und nicht gleichfalls durch Ausschlussvorschriften im SGB II oder im SGB XII. Der Ausschluss von Leistungen wegen der Durchführung einer abstrakt förderungsfähigen Ausbildung im SGB II (oder im SGB XII) steht normhierarchisch auf einer Ebene mit dem Ausschluss von Leistungen beispielsweise wegen der Überschreitung der Altersgrenze im BAföG. Beide führen gleichermaßen dazu, dass zur Existenzsicherung grundsätzlich geeignete Leistungen nicht gewährt werden. Ein logisches Rangverhältnis zwischen beiden die Verfassung (möglicherweise) verletzenden Vorschriften besteht nicht, so dass kein Grund dafür erkennbar ist, nur eine von beiden Ausschlussvorschriften unter dem Blickwinkel des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums einer verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen. Dies gilt unabhängig davon, dass der Verfassungsverstoß durch verschiedene gesetzgeberische Maßnahmen beseitigt werden könnte (s.o. unter I.10).
- 272
5.5 Auch das Argument, dass, wenn jemand eine Ausbildung betreibt, obwohl er die Anspruchsvoraussetzungen des zur Förderung einer Ausbildung vorgesehenen Sozialleistungssystems nicht erfüllt, es sich um eine vom Auszubildenden selbst zu verantwortende Entscheidung handele, die nicht die Konsequenz haben könne, den Gesetzgeber zu verpflichten, auch während dieser Ausbildung Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts nach einem System (SGB II) zu gewähren (BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 28/06 R – Rn. 29), ist zur Rechtfertigung des Leistungsausschlusses nicht geeignet.
- 273
In diesem Argument kommt der Sache nach nichts Anderes zum Ausdruck, als die unzutreffende Vorstellung, dass der verfassungsrechtliche Anspruch Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums einschränkbar („verfügbar“) sei. Denn erst hierdurch würde die Möglichkeit eröffnet, bestimmte Verhaltensweisen von Betroffenen, die nicht unmittelbar ihre Bedürftigkeit oder deren Überwindung betreffen, zum Gegenstand von Ausschlussregelungen zu machen. Eine derartige Einschränkung ist mit der aus der Menschenwürdegarantie abgeleiteten Annahme der Unverfügbarkeit des Grundrechts nicht vereinbar. Würde die zitierte Auffassung des BSG zutreffen, könnten Leistungsausschlüsse an jegliches unerwünschte Verhalten des Betroffenen anknüpfen, sofern hierin eine „selbst zu verantwortende Entscheidung“ erblickt werden kann und mit dem Ausschluss irgendwelche politischen Zwecke verfolgt werden. Dabei ist die Aufnahme oder Fortführung einer Ausbildung oder eines Studiums für sich genommen nicht einmal eine besonders verwerfliche oder vorwerfbare Handlung. Der hieraus resultierende Leistungsausschluss steht vielmehr sogar in einem gesetzlichen Zielkonflikt mit der sanktionsbewehrten Obliegenheit der Leistungsberechtigten, eine zumutbare Ausbildung aufzunehmen oder fortzuführen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II).
- 274
Bei einer Verallgemeinerung der genannten Auffassung würden die Grundrechtsträger exakt zu jener Verhandlungsmasse der Staats- und Gemeinschaftszwecke, die die Fundierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im Art. 1 Abs. 1 GG eigentlich verhindern soll (s.o. unter I.5.2).
- 275
6. Aus dem Umstand, dass der Leistungsausschluss an den Tatbestand nach anderen Leistungssystemen förderungsfähiger Ausbildungen anknüpft, folgt im Übrigen nicht, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Ausschlussregelungen nur in den dortigen Systemen zu prüfen wäre. Die dortigen Ausschlussgründe stehen nicht in einem bestimmten Rangverhältnis zum Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 5 SGB II (s.o. unter I.10 und unter II.5.4).
III.
- 276
Die Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II ist zur Überzeugung der Kammer auf Grund des Verstoßes gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verfassungswidrig. Auf die Gültigkeit des § 7 Abs. 5 SGB II kommt es im vorliegenden Verfahren an (s.o. unter A.IV). Das Gericht hat das Verfahren daher nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG über die Gültigkeit der Vorschrift einzuholen.
C.
- 277
Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar.
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