Urteil vom Sozialgericht Münster - S 2 EG 25/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt die Gewährung von Elterngeld für den 14. Lebensmonat des Kindes K.I ...
3Der Kläger ist der Vater des am 00.00.2014 geborenen Kindes K.I ... Mutter dieses Kindes ist Frau T.-N. T.-I., die Bevollmächtigte des Klägers. Vor der Geburt des Kindes bezog der Kläger von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld. Die Mutter war vor der Geburt des Kindes neben ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin noch bei der Universität I. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden als Dozentin beschäftigt. Die Universität I. gewährte der Kindesmutter einen Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 91,80 EUR kalendertäglich bis zum 01.07.2014. Mit Wirkung zum 02.07.2014 nahm die Kindesmutter ihre Tätigkeit bei der Universität I. wieder auf. Einen Antrag auf Elterngeld stellte die Mutter des Kindes K. nicht.
4Aufgrund des Antrags vom 28.05.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 26.06.2014 Elterngeld in Höhe von 1.980,00 EUR monatlich für die Zeit vom 28.06.2014 bis zum 27.05.2015 (3. bis 13.Lebensmonat des Kindes K.). In den Gründen dieses Bescheids heißt es wie folgt: "Der Anspruch endet am 27.05.2015, weil die Voraussetzungen für die Zahlung des Elterngeldes für mehr als 12 Monate insoweit nicht vorliegen, als die Lebensmonate des Kindes, in denen Leistungen nach § 3 Abs. 1 BEEG (z.B. Mutterschaftsgeld) zustehen, als Monate gelten, für die dieser Elternteil Elterngeld bezieht (§ 4 Abs. 3 BEEG)."
5Im Februar 2015 beantragte der Kläger die Gewährung von Elterngeld für einen weiteren Lebensmonat des Kindes K ... Er machte dabei geltend, nach der Begründung im Bescheid vom 26.06.2014 sei Elterngeld für zwölf Monate bewilligt worden. Tatsächlich sei aber nur für 11 Monate diese Leistung ausgezahlt worden. Es handele sich offensichtlich um ein redaktionelles Versehen, sodass der Bescheid vom 26.06.2014 zu korrigieren sei.
6Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13.02.2015 die Rücknahme des Bescheids vom 26.06.2014 ab. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG würden Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BEEG anzurechnende Leistungen zustehen würden, als Monate gelten, für die dieser Elternteil Elterngeld beziehe. Da die Mutter des Kindes K. bis zum 01.07.2014 einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld erhalten habe, habe dies zur Folge, dass drei Monate von dem möglichen Gesamtelterngeldanspruch als verbraucht zu betrachten seien.
7Der Kläger erhob gegen den Bescheid vom 13.02.2015 Widerspruch. Zur Begründung seines Widerspruchs führte er aus, das Bundessozialgericht habe im Urteil vom 26.05.2011, Az.: B 10 EG 11/10 R festgestellt, dass Grundvoraussetzung für den Eintritt der Fiktion von Bezugsmonaten nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG sei, dass in den betreffenden Lebensmonaten diejenige Person, der die anzurechnende Leistung zustehe, nach objektiven Gegebenheiten die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 BEEG erfülle, also zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne dieser Vorschrift gehöre. Da die Mutter des Kindes K. während des Anspruchszeitraums einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, zähle sie nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten, da sie am 02.07.2014 ihre vollschichtige Tätigkeit als Dozentin an der Universität I. wieder aufgenommen habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2015 wurde der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.
8Der Kläger hat am 09.11.2015 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, er habe aufgrund des von ihm genannten Urteils einen Anspruch auf Zahlung von Elterngeld für einen weiteren Lebensmonat seines Sohnes. Die Fiktion von Bezugsmonaten trete nicht ein. Das Elterngeld diene dazu, den Eltern die Betreuung eines neugeborenen Kindes zu ermöglichen, ohne große Verdiensteinbußen hinnehmen zu müssen. Dieses Ziel werde bei der derzeitigen Handhabung durch die Beklagte allenfalls dann erreicht, wenn es sich um eine klassische Haushaltsführungsehe handele, bei der die Kindesmutter die Kinder erziehe und der Vater einer Erwerbstätigkeit nachgehe. In der umgekehrten Konstellation werde die Kindesmutter unzulässig benachteiligt. Zum einen müsse die Kindesmutter durch die zwanghafte Aufbürdung eines Mutterschutzes und dem damit verbundenen Bezug des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld bereits eine erhebliche finanzielle Einbuße während des nicht verzichtbaren Mutterschutzes hinnehmen. Außerdem verliere der Kindesvater in dieser Konstellation den Anspruch auf Elterngeld für den ganzen Monat. Diese Handhabung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG und verletze den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
9Der Kläger beantragt,
10den Bescheid vom 13.02.2015 in der Fassung des Widerspruchs- bescheids vom 08.10.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für einen weiteren Monat (14. Lebensmonat des Kindes K.) Elterngeld in Höhe von 1.980,00 EUR zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung ihres Antrags trägt sie vor, aufgrund der gesetzlichen Neuregelung, die für Geburten ab dem 01.01.2013 maßgeblich sei, könne das vom Kläger genannte Urteil des Bundessozialgerichts keine Anwendung mehr finden. Der Gesetzgeber habe im Hinblick auf die Ausführungen des Bundessozialgerichts eine Gesetzesänderung vorgenommen. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nicht gegeben.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Münster S 2 EG 0/15 ER verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2016 gewesen.
15Entscheidungsgründe:
16Die statthafte, form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die mit der Klage angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Elterngeld für einen weiteren Lebensmonat des Kindes Jakob abgelehnt.
17Da das Kind K. am 00.00.2014 geboren ist, findet § 4 BEEG in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.09.2012 (BGBl. I S. 1878) Anwendung. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BEEG haben die Eltern insgesamt Anspruch auf zwölf Monatsbeträge. Sie haben nach Satz 3 dieser Bestimmung Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt. Ein Elternteil kann mindestens für zwei und höchstens für zwölf Monate Elterngeld beziehen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG). Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Abs.1 oder 3 BEEG anzurechnende Leistungen zustehen, gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG als Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht.
18Der Kläger kann den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Elterngeld für den 14. Lebensmonat des Kindes K. nicht auf die Regelungen im Bescheid vom 26.06.2014 stützen. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte dem Kläger Elterngeld für die Zeit vom 28.06.2014 bis 27.05.2014 bewilligt. Dieser Zeitraum umfasst elf Lebensmonate des Kindes. Unerheblich ist, dass in den Gründen des Bescheids vom 26.06.2014 fälschlicherweise von zwölf Monaten die Rede ist. Damit wird nämlich ein Anspruch auf Elterngeld für den 14. Lebensmonat des Kindes K. und für insgesamt zwölf Lebensmonate nicht begründet. Entscheidend ist vielmehr die im Tenor des Bewilligungsbescheids getroffene Regelung. Diese sieht eine Leistungsgewährung für einen Zeitraum von elf Monaten vor. Eine fehlerhafte Begründung führt zu keiner Änderung der Regelungen im Tenor eines Bescheids.
19Dem Kläger kann daher nur dann Elterngeld für einen weiteren Lebensmonat gewährt werden, wenn sich ein entsprechender Anspruch aus den maßgeblichen Regelungen des BEEG ableiten lässt. Dies ist jedoch nicht der Fall, da von den insgesamt 14 Kalendermonaten drei Kalendermonate durch die Gewährung des Zuschusses des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld für die Mutter des Kindes als verbraucht gelten und daher mit der Bewilligung von Elterngeld für elf Lebensmonate des Kindes zugunsten des Klägers der Elterngeldanspruch in vollem Umfang erfüllt ist.
20Die Mutter des Kindes K. hat bis zum 01.07.2014 und damit für einen Teil des dritten Lebensmonats des Kindes Jakob einen Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld erhalten. Der dritte Lebensmonat des Kindes des Klägers begann am 28.06.2014. Dass durch die Gewährung der Leistung des Arbeitgebers der dritte Lebensmonat als verbraucht gilt, ergibt sich aus der Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG in der Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldbezugs. § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG hatte bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs den folgenden Wortlaut: "Lebensmonate des Kindes, in denen nach § 3 Abs. 1 oder 3 anzurechnende Leistungen zustehen, gelten als Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht." Die Änderung des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG durch das Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs diente der Klarstellung, dass – entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 26.05.2011, Az.: B 10 EG 11/10 R – Lebensmonate des Kindes, in denen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BEEG anzurechnende Einnahmen zustehen, auch dann als Bezugsmonate gelten, wenn die Elterngeld beantragende Person in diesen Monaten die Voraussetzungen des § 1 BEEG nicht erfüllt (BT-Drucks. 17/9841 S. 29). Die gesetzliche Neuregelung führt dazu, dass im Falle der Gewährung anzurechnender Leistungen nach § 3 Abs. 1 oder 3 BEEG für wenige Tage oder nur für einen Tag des dritten Lebensmonats des Kindes der gesamte dritte Lebensmonat als für die Elterngeldgewährung verbraucht gilt, auch wenn die Mutter für diesen Monat wegen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit von regelmäßig mehr als 30 Wochenstunden gar keinen Anspruch auf Elterngeld für diesen Zeitraum hat. Da der Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld zu den anrechenbaren Leistungen i. S. d. § 3 Abs.1 Nr. 1 BEEG zählt und da die Mutter des Kindes für mehrere Tage des dritten Lebensmonats des Kindes K. diese Leistung erhalten hat, gilt der dritte Lebensmonat als für die Elterngeldgewährung verbraucht. Damit stehen für eine Elterngeldgewährung zugunsten des Klägers nur noch elf Lebensmonate zur Verfügung. Für diesen Zeitraum hat die Beklagte mit Bescheid vom 26.06.2014 Elterngeld gewährt. Damit ist der Elterngeldanspruch des Klägers erfüllt worden.
21Die Kammer hat keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG. Ein Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG statuierten allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht gegeben. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit jedoch nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt dieses Grundrecht vielmehr nur dann, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.04.2011, Az.: 1 BvR 1811/08). § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG regelt einheitlich die Auswirkungen der Gewährung der nach § 3 Abs. 1 oder 3 BEEG anzurechnenden Leistungen auf den Elterngeldanspruch. Die Regelung erfasst damit sämtliche Anspruchsberechtigte, bei denen ein Elternteil im dritten Lebensmonat anzurechnende Leistungen bezieht. Insoweit liegt bezüglich dieses Personenkreises keine Ungleichbehandlung vor.
22Die maßgebliche Regelung führt auch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Zwar garantiert diese Bestimmung als Abwehrrecht die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden. Deshalb hat der Staat die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer jeweiligen eigenständigen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu respektieren. Demgemäß dürfen die Eltern ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen planen und verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Elternteilen in wechselnder Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll. Neben der Pflicht, die von den Eltern im Dienste des Kindeswohls getroffenen Entscheidungen anzuerkennen und daran keine benachteiligenden Rechtsfolgen zu knüpfen, ergibt sich aus der Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 1 GG die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern. Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass es den Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise auf eine Erwerbstätigkeit zu Gunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch die Familientätigkeit und die Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden. Dabei ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass der Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit bei der Abgrenzung der begünstigten Personengruppen grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Weit ist insbesondere der Gestaltungsspielraum auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Familienförderung (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.04.2011, Az.: 1 BvR 1811/08). Mit den Regelungen in § 4 Abs.3 Satz 2 BEEG hat der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nach Auffassung der Kammer nicht überschritten. Bei der Leistung in Form des Elterngelds handelt es sich nämlich um eine Art der Familienförderung, zu der der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet ist. Dies hat zur Folge, dass der Gesetzgeber auch nicht gehalten war, Regelungen in das Gesetz aufzunehmen, die sicherstellen, dass das Elterngeld in der für den Empfänger jeweils günstigsten Form berechnet wird. Bereits mit der Einführung von Elterngeld und Elternzeit wird die Möglichkeit der Eigenbetreuung von Kindern in beachtlichem Umfang gefördert. Es ist sichergestellt, dass ein vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit abhängiges Elterngeld zumindest in Höhe des Sockelbetrags gezahlt wird (BSG, Urteil vom 26.03.2014, Az.: B 10 EG 4/13 R). Dies schließt einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG aus.
23Auch das Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) wird durch die maßgebliche Regelung nicht verletzt. Dieser Verfassungsgrundsatz darf nicht dahingehend ausgelegt werden, dass mit seiner Hilfe jede Einzelregelung modifiziert werden müsste, deren Anwendung sich im konkreten Fall nachteilig oder als Härte auswirken kann (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17.07.1984, Az. 1 BvL 24/83). Zu einer Härtefallregelung wäre der Gesetzgeber allenfalls dann verpflichtet, wenn die maßgebliche Regelung bei einem größeren Personenkreis zu Härten führen könnte. Der dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Sachverhalt ist jedoch bezogen auf die Gesamtzahl der Elterngeldempfänger als Einzelfall zu werten.
24Weiterhin liegt auch kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bindet alle staatliche Gewalt, sofern sie subjektive Rechte des Bürgers beeinträchtigt. Voraussetzung für die Anwendung ist eine konkret betroffene Rechtsposition (Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 12. Auflage, Art. 20 Rdnr. 81). Das Elterngeld ist dem Bereich der gewährenden Staatstätigkeit zuzuordnen. Eine aus der Verfassung abzuleitende Verpflichtung zur Gewährung des Elterngelds besteht nicht. Die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes erfolgt durch das Kindergeld bzw. die in § 32 Abs. 6 EStG geregelten Kinderfreibeträge. Die Behebung von Notlagen erfolgt durch andere Sicherungssysteme (BSG, Urteil vom 17.02.2011, Az.: B 10 EG 17/09 R). Im Bereich der Familienförderung steht dem Gesetzgeber hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Gesetzgeber ist dabei nicht verpflichtet, die gerechteste und zweckmäßigste Lösung zu treffen (BVerfG, Beschluss vom 09.11.2011, Az.: 1 BvR 1853/11). Im Hinblick auf diesen weiten Gestaltungsspielraum stellt die Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG keinen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dar, auch wenn die Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall zu ungünstigen Folgen für den Elterngeldberechtigten führen kann.
25Da die maßgeblichen Regelungen des BEEG mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar sind, bestand für die Kammer keine Notwendigkeit, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG vorzulegen.
26Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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Referenzen
- 10 EG 17/09 1x (nicht zugeordnet)
- 2 EG 0/15 1x (nicht zugeordnet)
- 10 EG 11/10 2x (nicht zugeordnet)
- 1 BvL 24/83 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 183 1x
- BEEG § 4 Art und Dauer des Bezugs 15x
- Nichtannahmebeschluss vom Bundesverfassungsgericht (1. Senat 2. Kammer) - 1 BvR 1811/08 2x
- BEEG § 3 Anrechnung von anderen Einnahmen 7x
- EStG § 32 Kinder, Freibeträge für Kinder 1x
- SGG § 193 1x
- 1 BvR 1853/11 1x (nicht zugeordnet)
- BEEG § 1 Berechtigte 2x
- 10 EG 4/13 1x (nicht zugeordnet)