Urteil vom Sozialgericht Neubrandenburg (14. Kammer) - S 14 AS 549/13

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand

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Die Kläger begehren Leistungen nach dem SGB II. Es handelt sich um polnische Staatsbürger, die in Polen arbeiten und in Deutschland leben. Der Kläger zu 1) ist selbstständiger Taxifahrer. Das Unternehmen ruhte seit dem 01.10.2010 (Bl. 31 d. LA). Ab dem 01.05.2011 hat er es wieder aufgenommen (Bl. 116 d. LA). Die Klägerin arbeitet jedenfalls als Aushilfe auf einem Markt. Im Leistungsantrag wurden 50,- € monatlich als Einkommen angegeben.

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Mit Antrag vom 28.04.2011 beantragten die Kläger vom Beklagten die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 03.05.2011 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen ab. Hiergegen erhoben die Kläger erfolglos Widerspruch. Vornehmlich stellte der Beklagte auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab. Er führte aber auch aus, dass von fehlender Hilfebedürftigkeit wegen ungeklärter Einkommensverhältnisse auszugehen sei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 14.03.2013, Bl. 4 – 11 d. A. verwiesen.

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Die Kläger haben keinen Sachantrag gestellt und die Klage nicht begründet.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Gericht hat mit Verfügung vom 13.09.2013 den Klägern nach § 106a Abs. 2 SGG aufgegeben, ihre Einkommensverhältnisse für den Leistungszeitraum darzulegen (Bl. 20 d.A.) und einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19.11.2013 bestimmt. Die Kläger haben am 28.10.2013 erfolglos die Verlängerung der gesetzten Frist bis zum 20.11.2013 beantragt (Bl. 40 d.A.). Am 18.11.2011 haben die Kläger erfolglos die Verlegung des Termins beantragt (Bl. 41, 42 d.A.). Am Tag der mündlichen Verhandlung hat die Klägerseite um Aufhebung des anberaumten Termins wegen einer Erkrankung der Prozessbevollmächtigten „gebeten“ (Bl. 45 d.A.). Das Gericht hat den Termin nicht verlegt. Die persönlich geladenen Kläger sind zum Termin nicht erschienen.

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Das Gericht hat zu den Einkommensverhältnissen Beweis durch Vernehmung des Zeugen M. erhoben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2013 verwiesen.

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Im Übrigen wird zum Sach- und Streitstand auf den Akteninhalt, den Inhalt der Akte S 14 AS 550/13 und die Akten des Beklagten verwiesen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht den Verhandlungstermin durchführen durfte und nicht vertagen musste. Gemäß § 110 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben werden. Dadurch soll den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte im Prozess ermöglicht werden. Dies schließt das Recht eines Beteiligten ein, sich durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Vertretung in der mündlichen Verhandlung infolge einer kurzfristigen, überraschenden Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ist daher in der Regel ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung. Allerdings obliegt es dem Prozessbevollmächtigten in einem solchen Fall, die Hinderungsgründe, auf die er sich berufen will, möglichst noch vor dem Termin schlüssig und substantiiert darzulegen, so dass das Gericht in die Lage versetzt wird, das Vorliegen eines erheblichen Grundes zu beurteilen und gegebenenfalls eine (weitere) Glaubhaftmachung gemäß § 227 Abs. 2 ZPO zu verlangen. Deshalb müssen, wenn der Antrag auf Terminsverlegung mit einer plötzlichen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten begründet wird, dem Gericht regelmäßig nähere Angaben zu Art und Schwere der Krankheit gemacht und diese etwa durch Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft gemacht werden (OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. April 2011 – 11 LA 57/11 –, juris). Wird eine Terminverlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht bzw. das Entscheidungsgremium ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit besteht. Dies erfordert, dass das Gericht bzw. das Gremium aus der Bescheinigung Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen und so die Frage der Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann. Gerade bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit. Im Falle eines erst kurz vor dem Termin gestellten Verlegungsantrags ist das Gericht bzw. das Gremium weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern, noch, selbst Nachforschungen anzustellen z.B. durch Nachfrage bei dem Betroffenen und/oder bei dem Arzt, der die Bescheinigung ausstellte (BSG, Beschluss vom 13. Oktober 2010 – B 6 KA 2/10 B –, juris).

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Eine unverschuldete Verhinderung der Prozessbevollmächtigten war nach diesen Maßstäben nicht ausreichend dargelegt. Das eingereichte ärztliche Attest (Bl. 46 d.A.) gibt über die Art und Schwere der Erkrankung nicht nachvollziehbar Aufschluss. Verhandlungsunfähigkeit kann auch nicht unkritisch unterstellt werden. Nur die Prozessbevollmächtigte der Kläger ist dem Vorsitzenden durch relativ häufige kurzfristige Verlegungsbegehren aufgrund von Erkrankungen eines Beteiligten oder ihr selbst bekannt (W. u.A. Az.: 14 AS 1726/11 Termin vom 30.10.2013, S. Az.: 14 AS 940/11 und R. u.A. Az.: 14 AS 1072/12 Termin vom 18.09.2013). Dass es sich nicht um Einzelfälle handelt, ist gerichtsbekannt. Beim Vorgänger Richter Schütz und anderen Kollegen ist dies ebenfalls nicht nur ausnahmsweise vorgekommen. Hinzu kam, dass die Kläger die mündliche Verhandlung anscheinend nicht genügend vorbereitet hatten – dies zeigen die fehlende Klagebegründung sowie die Anträge auf Bl. 40 und 41 d.A. Mit einer Verlegung wegen Krankheit hätten die Kläger erreicht, was sie zuvor erfolglos vergeblich versucht hatten: Zeit schinden. Es hätte somit erst Recht einer eingehenden Darlegung der Schwere und Art der Krankheit bedurft. Die Prozessbevollmächtigte weiß, dass diese Kammer strenge Maßstäbe anlegt, die im Übrigen nicht überzogen sind (vgl. BFH, Beschluss vom 26. Oktober 2012 – III S 37/10 (PKH) –, juris: Vorlage eines amtsärztlichen Attestes kann verlangt werden). Ferner ist es nicht mehr unverschuldet, wenn bei wiederholter Krankheit keine organisatorischen Maßnahmen getroffen werden, um dem abzuhelfen. Grundsätzlich ist dann zu erwägen, Termine durch einen Unterbevollmächtigten wahrnehmen zu lassen. Dies ist jedenfalls dann zumutbar, wenn der Hauptbevollmächtigte weder Widerspruch noch die Klage begründet hat. Ist der Termin von der Klägerseite ohnehin nicht vorbereitet, kann dieser auch ohne Weiteres von einem Unterbevollmächtigten wahrgenommen werden.

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Das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten, die ungenügende Entschuldigung, geht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zu Lasten der Kläger.

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Diese trifft darüber hinaus ein eigenes Verschulden. Trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens sind die Kläger im Termin nicht erschienen. Die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten ist schwerlich ein erheblicher Grund für eine Vertagung oder eine Verlegung, wenn die Kläger nicht bereit sind, das ihrerseits mögliche zu tun, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. BFH, Beschluss vom 10. Juli 2012 – IX B 179/11 –, juris). Im Sozialgerichtsprozess ist die Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben. Zur Frage, ob man einer Schwarzarbeit nachgeht oder nicht (vgl. unten), hätten sich die Kläger auch ohne rechtliche Vertretung äußern können.

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Streitgegenständlich sind neben den angegriffenen Bescheiden Leistungen nach dem SGB II vom 01.04.2011 bis zum 20.10.2011. Für diesen Zeitraum traf der Beklagte eine Entscheidung im Widerspruchsverfahren (vgl. Bl. 6 / Seite 3 des Widerspruchsbescheids, 4. Absatz). Die Kläger haben diesen Bescheid als Anlage zur Klage zur Akte gereicht und keinen abweichenden Sachantrag gestellt.

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Der Bescheid und der Widerspruchsbescheid verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Der Beklagte hat Leistungen nach dem SGB II zu Recht verweigert.

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Leistungen nach dem SGB II können von vornherein nur gewährt werden, wenn die Voraussetzungen nach den §§ 7 und 9 SGB II vorliegen. Das Gericht konnte aber nicht feststellen, dass die Kläger nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II hilfebedürftig sind. Die Kläger gehören zu einer Bedarfsgemeinschaft. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Das Einkommen der Kläger konnte das Gericht hier nicht feststellen. Entsprechend den Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 14.03.2013 auf Seite 7, 4. Absatz war das Einkommen der Kläger ungeklärt. Trotz Aufforderung durch das Gericht haben die Kläger hierzu nicht vorgetragen, Urkunden vorgelegt oder Beweise angeboten. Insbesondere haben sie nicht Stellung genommen, ob die Klägerin Einkommen aus Schwarzarbeit erzielt hat, so wie dies aus dem Vermerk des Beklagten auf Bl. 160 d. LA hervorgeht. Auch aus der Aussage des Zeugen M. ergeben sich keine Tatsachen, die eine Bestimmung des Einkommens der Kläger zulassen. Die Angaben der Kläger im Leistungsantrag vom 28.04.2011 (Bl. 29, 33) und auf Bl. 116 bis 118 d. LA konnten nicht einfach übernommen werden.

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Allein schon deshalb war die Klage abzuweisen.

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Darüber hinaus steht aufgrund der Aussage des Zeugen fest, dass die Klägerin einer Vollzeitarbeit nachging und Einkommen in unbekannter Höhe hieraus nicht angegeben hat. Die Aussage des Zeugen war glaubhaft. Sie passt auch gut zum Inhalt der anonymen Anzeige auf Bl. 192 d. LA. Der Zeuge selbst machte einen glaubwürdigen Eindruck.

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Die Berufung war nicht zuzulassen. Sie ist ohnehin zulässig.

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