Urteil vom Sozialgericht Speyer (19. Kammer) - S 19 KR 160/15
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 verurteilt, der Klägerin weiteres Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von weiterem Krankengeld für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014.
- 2
Die 1980 geborene Klägerin war zuletzt als Altenpflegerin tätig. Aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs wurde das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.06.2013 beendet. Seither war die Klägerin arbeitslos und bei der Beklagten wegen des Bezuges von Leistungen nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) pflichtversichert.
- 3
Die Klägerin erlitt am 26.07.2013 eine vordere Kreuzbandruptur am rechten Knie und wurde hierdurch arbeitsunfähig. Der Orthopäde Dr. Sch… stellte ihr am selben Tag eine Erstbescheinigung über diese Arbeitsunfähigkeit mit der Diagnose M23.5G [Chronische Instabilität des Kniegelenkes] aus und gab in der Bescheinigung zugleich an, die Klägerin sei voraussichtlich bis einschließlich 15.09.2013 arbeitsunfähig. Bis zum 04.08.2013 erhielt die Klägerin Leistungsfortzahlung von der Bundesagentur für Arbeit.
- 4
Am 15.08.2013 erfolgte im Universitätsklinikum M… arthroskopisch eine vordere Kreuzbandplastik mit Semitendinosus-Sehne am rechten Knie. Nachdem Komplikationen im Heilungsverlauf auftraten, erfolgte am 20.08.2014 eine weitere Arthroskopie wegen eines sog. Zyklops (Vernarbung im Bereich des Bandersatzes) sowie zur Endobuttonentfernung und Teilsynovektomie in den St.-Vincentius-Kliniken K….
- 5
Mit Bescheid vom 23.01.2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin Krankengeld ab dem 05.08.2013. Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid lautete:
- 6
„Sehr geehrte Frau Sch…,
aufgrund Ihrer Arbeitsunfähigkeit erhalten Sie ab dem 05.08.2013 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 30,61 Euro. Nach Abzug der Beiträge verbleibt ein Auszahlbetrag von kalendertäglich 30,48 Euro.
- 7
Das Krankengeld wird in Höhe des bisher von der Agentur für Arbeit gewährten Leistungssatzes gezahlt. Für die erste Zahlung benötigen wir die beiliegende Erklärung für den Bezug von Geldleistungen ausgefüllt und unterschrieben zurück. Den Zahlschein lassen Sie bitte einmal monatlich von Ihrem Arzt ausfüllen und senden ihn anschließend an uns zurück. Sobald uns der Zahlschein vorliegt, überweisen wir das Krankengeld auf Ihr Konto und senden Ihnen unaufgefordert einen neuen zu. Bitte beachten Sie, dass die Auszahlung des Krankengeldes grundsätzlich einmal monatlich erfolgt. Eine Auszahlung für einen kürzeren Zeitraum können wir nur vornehmen, wenn Ihre Arbeitsunfähigkeit endet.“
- 8
Am 06.02.2014 zahlte die Beklagte das Krankengeld für die Zeit ab dem 05.08.2013 bis einschließlich 31.01.2014 nach. In der Folgezeit zahlte sie das weitere Krankengeld dann – unabhängig von der im aktuellen Auszahlschein enthaltenen Mitteilung über die voraussichtliche weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit - jeweils bis zum Tag der jeweiligen Ausstellung des letzten Auszahlscheines.
- 9
Am 05.03.2014 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid. Dieser lautete:
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„Sehr geehrte Frau Sch…,
aufgrund Ihrer Arbeitsunfähigkeit erhalten Sie ab dem 05.08.2013 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 30,61 Euro. Nach Abzug der Beiträge verbleibt ein Auszahlbetrag von kalendertäglich 30,61 Euro.
- 11
Das Krankengeld wird in Höhe des bisher von der Agentur für Arbeit gewährten Leistungssatzes gezahlt.
- 12
Das Krankengeld wird jeweils nur für die ärztlich attestierte voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit bewilligt. Bei jeder Auszahlung sind die Leistungsvoraussetzungen neu zu prüfen. Hierzu übersenden Sie uns bitte den von Ihrem Arzt ausgefüllten Zahlschein. Sobald uns Ihr Zahlschein vorliegt, überweisen wir bei Vorliegen der Voraussetzungen das Krankengeld auf Ihr Konto und senden Ihnen unaufgefordert einen neuen zu.“
- 13
Die Ärzte Dr. Sch… und Dr. W… bescheinigten in der Folgezeit zunächst lückenlos auf Auszahlscheinen die weitere Arbeitsunfähigkeit der Klägerin. Darüber hinaus erteilte Dr. Sch… auf Veranlassung der Beklagten wiederholt Arztauskünfte. Zudem wurde auch der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz (MDK) wiederholt in die Bewertung der Arbeitsunfähigkeit eingeschaltet und bestätigte in einem Gutachten vom 20.06.2014, dass die Klägerin weder für die frühere Tätigkeit noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig sei. In einem weiteren Gutachten vom 26.09.2014 erläuterte der Arzt im MDK M… die eingetretenen Komplikationen und teilte mit, eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit sei nicht festzustellen. Nach jetzt erfolgter erfolgreicher Entfernung des Narbengewebes sei ein normaler postoperativer Heilungsverlauf zu erwarten. Die vollständige Wiederherstellung des erwerblichen Leistungsvermögens sei unter geeigneter Heilmitteltherapie innerhalb eines postoperativen Zeitraums von etwa drei bis vier Monaten, also bis ca. Ende November 2014 zu erwarten.
- 14
In einer Arztanfrage vom 13.10.2014 teilte Dr. Sch… nochmals mit, weitere Arbeitsunfähigkeit bestehe bis ca. Ende November 2014. In einen am 06.11.2014 ausgestellten Zahlschein trug er ein, die Klägerin sei voraussichtlich arbeitsunfähig bis einschließlich 20.11.2014 und in einem weiteren, allerdings erst am 25.11.014 ausgestellten Auszahlschein gab er eine voraussichtlich noch bis zum 09.12.2014 bestehende Arbeitsunfähigkeit an. In einer letzten Stellungnahme gab zudem der Arzt im MDK H… am 15.12.2014 an: „Zufriedenstellender Heilverlauf, Muskelaufbau derzeit, Kontrolle Ende Dezember, Rückinfo zu 31.12.14“. Dem behandelnden Arzt teilte der MDK-Arzt am selben Tag mit, die sozialmedizinischen Voraussetzungen für Arbeitsunfähigkeit lägen ab dem 31.12.2014 nicht mehr vor. Die Versicherte könne sich ab Januar 2015 wieder der Vermittlung einer leidensgerechten Tätigkeit zur Verfügung stellen.
- 15
Mit Bescheid vom 24.11.2014 informierte die Beklagte die Klägerin zunächst über das Ende der Bezugsdauer (78 Wochen) am 22.01.2015.
- 16
Mit hier angefochtenem Bescheid vom 17.12.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Anspruch auf Krankengeld ende trotz der weiter bestehenden Arbeitsunfähigkeit am 20.11.2014. Der Krankengeldanspruch entstehe am Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Da Krankengeld abschnittsweise für die Zeit der jeweils attestierten Arbeitsunfähigkeit gewährt werde, gelte „dieser Grundsatz“ nicht nur bei der erstmaligen Feststellung, sondern auch bei jeder weiteren ärztlichen Feststellung mittels Folgebescheinigung oder Zahlschein. Der fortlaufende Krankengeldanspruch setze somit voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit von dem behandelnden Arzt lückenlos, also spätestens am letzten Tag der zuletzt bescheinigten AU, weiter festgestellt werde. Erfolge dies nicht, ende die Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch. Das Bundessozialgericht (BSG) habe diesen „Grundsatz“ in fortlaufender Rechtsprechung mehrfach bestätigt. Aufgrund der bis zum 20.11.2014 lückenlos nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit sei die Mitgliedschaft bis zu diesem Zeitpunkt erhalten geblieben. Erst am 25.11.2014 und damit nicht innerhalb der bislang nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit sei die weitere Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe aber keine Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch mehr bestanden, so dass ein weiterer Krankengeldanspruch entfalle.
- 17
Mit weiterem Bescheid, ebenfalls vom 17.12.2014, teilte die Beklagte der Klägerin der Vollständigkeit halber mit, dass nach Mitteilung des MDK ab dem 01.01.2015 wieder Arbeitsfähigkeit bestehe. Krankengeld könne somit nur bis zum 31.12.2014 gezahlt werden.
- 18
Mit Schreiben vom 05.01.2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen den erstgenannten Bescheid vom 17.12.2014 ein, wobei sie sich zur Begründung darauf berief, durchgehend erkrankt zu sein. Auf das weitere Schreiben vom 17.12.2014 nahm sie hierbei Bezug, wonach Arbeitsunfähigkeit bis 01.01.2014 bestehe.
- 19
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin sinngemäß zurück. Nach „ständiger Rechtsprechung des BSG“ sei es die Verpflichtung der Versicherten, für eine rechtzeitige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu sorgen. Um den Krankengeldanspruch und damit die versicherungspflichtige Mitgliedschaft aufrecht zu erhalten, hätte die Klägerin daher spätestens am letzten (Werk-/Arbeits-)Tag des bisherigen „Krankschreibungszeitraums“ einen Arzt zur weiteren Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aufsuchen müssen. Das BSG habe diesen „Grundsatz“ in seinem aktuellen Urteil vom 04.03.2014 ausdrücklich bestätigt. Nach gesicherter Rechtsprechung des BSG gehe die verspätete Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit nur dann nicht zu Lasten des Versicherten, wenn dieser aufgrund von Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen sei, eine rechtzeitige Verlängerung der bisherigen Arbeitsunfähigkeit zu erlangen.
- 20
Am 24.03.2015 hat die Klägerin hiergegen die vorliegende Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, es könne nicht auf eine formalistische Betrachtungsweise ankommen, sondern nur darauf, ob sie tatsächlich durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Dass dies der Fall gewesen sei, könne durch den behandelnden Arzt bestätigt werden.
- 21
Die Klägerin beantragt,
- 22
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014 zu zahlen.
- 23
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 25
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die angefochtene Entscheidung und führt weiter aus, bei Krankengeldbewilligungen handele es sich nicht um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, da die Gewährung von Krankengeld nicht unbefristet, sondern lediglich abschnittsweise erfolge. Das BSG habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass in der abschnittsweisen Zahlung des Krankengeldes jeweils die Entscheidung der Krankenkasse zu sehen sei, dass dem Versicherten ein Krankengeldanspruch für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit zustehe. Mit der Zahlung bis zum 20.11.2014 liege daher ein Verwaltungsakt über die zeitlich befristete Bewilligung des Krankengeldes vor. Die Beklagte verweist auf ein Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 16.10.2014 (- L 5 KR 157/14 -), zu dem derzeit die Revision vor dem BSG (B 3 KR 22/15 R) anhängig ist. Im dort streitgegenständlichen Fall hatte sich die Klägerin zwar am letzten Tag des attestierten Zeitraums persönlich beim Arzt vorgestellt, das LSG befand jedoch, der Arzt habe eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht „nach außen dokumentiert“.
- 26
Die Beklagte hat das Versicherungsverhältnis ab dem 21.11.2014 als freiwillige Versicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V fortgeführt und am 25.04.2015 die Beitragsrückstände betreffend die hier streitige Zeit angemahnt sowie das Ruhen der Leistungen angedroht. Ab dem 01.01.2015 hat die Klägerin sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet und erhielt von dort Leistungen.
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Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
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Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
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Die Klägerin hat dem Grunde nach (§ 130 SGG) einen Anspruch auf Zahlung von weiterem Krankengeld für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014. Der Bescheid der Beklagten vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er war daher aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auch über den bewilligten Zeitraum hinaus Krankengeld bis zum 31.12.2014 zu gewähren.
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Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) pflichtversichert. Die Versicherungspflicht ergab sich aus dem bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestehenden Bezug von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III). Nach dem Ende der Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit blieb dieses Versicherungsverhältnis auf Grund des tatsächlichen Bezuges von Krankengeld bzw. durch den Anspruch auf Krankengeld gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auch in der hier streitigen Zeit erhalten.
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Die Klägerin kann die Zahlung von Krankengeld für die streitige Zeit schon auf Grund der mit Bescheid vom 23.01.2014 verfügten Dauerbewilligung beanspruchen. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte der Klägerin Krankengeld für die Zeit ab dem 05.08.2013 in Höhe von 30,61 Euro (brutto) kalendertäglich bewilligt. Diese unbefristete Dauerbewilligung ist bestandskräftig geworden und daher zwischen den Beteiligten bindend (I.). Sie wurde für die hier streitige Zeit weder zurückgenommen noch aufgehoben (II.). Die Bewilligungsentscheidung war bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zudem rechtmäßig. Eine wesentliche Änderung ist in der hier streitigen Zeit nicht eingetreten, da die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig erkrankt war. Auf ärztliche Feststellungen oder Prognosemitteilungen kam es hingegen nicht an (III.). Der anderslautenden Rechtsprechung des BSG ist nicht zu folgen (IV.). Durch die Neuregelung des § 46 Satz 2 SGB V mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) mit Wirkung zum 23.07.2015 hat sich diesbezüglich weder für die Zukunft noch für die Vergangenheit Wesentliches geändert (V.).
I.
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Der Bescheid vom 23.01.2014 enthält die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit ab dem 05.08.2013. Da die Bewilligung nicht nur für eine zurückliegende, zum Zeitpunkt der Entscheidung abgeschlossene Zeitspanne erfolgte, ist sie ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Ein solcher liegt vor, wenn die Regelungswirkungen des Verwaltungsaktes nach dem zu Grunde liegenden materiellen Recht über die punktuelle Gestaltung eines Rechtsverhältnisses hinausreichen. Dauerverwaltungsakte zeichnen sich durch Zukunftsgerichtetheit aus, wobei eine Begrenzung der Laufzeit unschädlich ist (Schütze in: v. Wulffen/Schütze, SGB X § 45 Rn. 62-74, beck-online). Ein Dauerverwaltungsakt liegt also vor, wenn der Verwaltungsakt sich nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot erschöpft oder einmalig die Sach- und Rechtslage gestaltet, sondern zukunftsorientiert über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus rechtliche Wirkung erzielt (Heße in: BeckOK SozR, SGB X § 48 Rn. 8, beck-online; vgl. auch Brandenburg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 48 SGB X, Rn. 51). Die Bewilligung von Krankengeld stellt in diesem Sinne dann einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, wenn Krankengeld für eine bestimmte oder auch unbestimmte Zeit in der Zukunft gewährt wird (vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 –, Rn. 83; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 –, Rn. 67, alle Entscheidungen im Folgenden zitiert nach juris). Eine Bewilligung für einen im Entscheidungszeitpunkt abgelaufenen Zeitraum ist hingegen kein Dauerverwaltungsakt.
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Demgemäß liegt mit dem Bescheid vom 23.01.2014 ein die Klägerin begünstigender Dauerverwaltungsakt vor, der die Gewährung von Krankengeld auch für die Folgezeit regelt. Eine Befristung der bewilligten Leistung enthält der Bescheid nicht. Diese Bewilligung der Zahlung von Krankengeld in Höhe von 30,61 Euro (brutto) kalendertäglich ist bestandskräftig geworden und daher zwischen den Beteiligten bindend, § 77 SGG.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten wird weder „grundsätzlich“, noch wurde vorliegend eine „abschnittsweise Bewilligung“ vorgenommen. Die Bewilligung von Krankengeld nur für einen bestimmten Zeitabschnitt könnte im Einzelfall nur angenommen werden, wenn in der konkreten Bewilligungsentscheidung eine entsprechende Befristung der Leistung auch tatsächlich erfolgt wäre. Die Zulässigkeit einer solchen Befristung wäre in diesem Fall an § 32 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zu messen, da die Gewährung von Krankengeld nicht im Ermessen der Krankenkasse steht. Vorliegend enthält der insofern rechtlich nicht zu beanstandende und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid vom 23.01.2014 (zu Recht) keine Befristung. Da ein förmlicher Bewilligungsbescheid vorliegt, sind in die einzelnen Auszahlungen durch die Beklagte keine weiteren (konkludenten) Entscheidungen hineinzudeuten.
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Soweit das BSG seit dem Urteil vom 16.09.1986 (- 3 RK 37/85 -) in der Auszahlung des Krankengeldes zugleich eine konkludente Bewilligungsentscheidung der Krankenkasse erkannt hat, erfolgte hierdurch zunächst die Abkehr vom zuvor angenommenen „Schalterakt“. Dem ist für die häufig vorliegenden Fallgestaltungen zuzustimmen, in denen die Krankenkasse keine förmliche Verwaltungsentscheidung erlassen hat, da spätestens in der für den Versicherten erkennbaren Auszahlung von Krankengeld zugleich auch dessen Bewilligung zum Ausdruck kommt. Die Auszahlung erfüllt die Voraussetzungen für einen Verwaltungsakt nach § 31 Satz 1 SGB X. Es liegt eine Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zu Grunde, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Mit der Überweisung des Krankengeldes an den Versicherten erfolgt eine ausreichende Bekanntgabe dieser Entscheidung (§ 37 SGB X). Der Verwaltungsakt wird auf andere Weise - durch konkludentes Handeln - erlassen (§ 33 Abs. 2 SGB X; BSG, Urteil vom 16.09.1986 - 3 RK 37/85 -, Rn. 15).
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Sofern allerdings das BSG in diesem Urteil die Annahme des Berufungsgerichtes nicht nachvollziehen kann, mit der Krankengeldüberweisung sei ein Verwaltungsakt mit dem Verfügungssatz erlassen worden, es werde bis auf weiteres Krankengeld gewährt, sondern stattdessen annimmt, es sei noch zu klären, mit welchem Inhalt der leistungsgewährende Verwaltungsakt erlassen wurde, legt es den Grundstein für die in den letzten Jahren immer weiter sich von den gesetzlichen Regelungen entfernende obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. hierzu ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 99 ff.).
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Das BSG behauptet im Ausgangspunkt, es seien Krankengeldbewilligungen mit verschiedenen Inhalten denkbar, um dann zu konstatieren (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 16):
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„In der Regel gewährt die Krankenkasse Krankengeld für einen bestimmten (Abrechnungs-) Zeitraum. Bei einer Krankengeldgewährung wegen Arbeitsunfähigkeit wird in der Krankengeldbewilligung auch die Entscheidung gesehen werden können, daß dem Versicherten ein Krankengeldanspruch für die laufende Zeit der vom Kassenarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit zusteht. Der Kassenarzt schreibt den Versicherten für eine bestimmte Zeit arbeitsunfähig. Gewährt die Krankenkasse aufgrund einer solchen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Krankengeld, so kann der Versicherte davon ausgehen, daß er für diese Zeit einen Anspruch auf Krankengeld hat. Soweit die Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht anerkennen will, muß sie das dem Versicherten gegenüber zum Ausdruck bringen. Mit der Krankengeldbewilligung wird demnach auch über das - vorläufige - Ende der Krankengeldbezugszeit entschieden. Wenn der Versicherte keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beibringt, endet der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit; eines Entziehungsbescheides nach § 48 SGB X bedarf es dann nicht“.
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Von dieser Annahme ausgehend, hält es das BSG für möglich, den (über die schlichte Bewilligung hinausgehenden) Inhalt der konkludenten Krankengeldbewilligung durch Auslegung zu ermitteln. Der Inhalt lasse sich in der Regel unter Berücksichtigung aller Umstände hinreichend genau bestimmen. Soweit die Auslegung (Erforschung des objektiven Erklärungswillens) noch Unklarheiten bestehen lasse, gehe das grundsätzlich zu Lasten der Kasse (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 18). Soweit der Kläger aufgrund der Umstände von einer Krankengeldbewilligung (auch) wegen Arbeitsunfähigkeit habe ausgehen dürfen, komme es vor allem darauf an, für welche Zeit Arbeitsunfähigkeit „ärztlich bescheinigt“ und von der Beklagten „anerkannt“ gewesen sei bzw. der Kläger den Umständen nach „von einer Anerkennung durch die Beklagte ausgehen“ durfte (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 19; im konkreten Fall erfolgte bezeichnenderweise eine Zurückverweisung, da das BSG den weiteren „Inhalt“ des leistungsgewährenden Verwaltungsaktes letztlich nicht feststellen konnte).
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Bereits diese Überlegungen des BSG lassen jegliche Zuordnung der verwendeten, eher untechnischen Kriterien und behaupteten maßgeblichen Anforderungen zu den einschlägigen gesetzlichen Regelungen zum Krankengeld im SGB V vermissen. Weder wird begründet, warum es für die Krankengeldbewilligung auf die Zeit der „vom Kassenarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit“, die „Arbeitsunfähigschreibung“ für eine bestimmte Zeit, noch warum es überhaupt auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ankommen kann. Ohne dass nach den Vorschriften des SGB V eine Bescheinigung und eine ärztliche Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Krankengeld sind, behauptet das BSG schon in diesem Urteil, der Anspruch auf Krankengeld ende „mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit“ (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 19). Völlig ungeprüft bleibt in dieser und in späteren Entscheidung des BSG (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R –, Rn. 12; Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R –, Rn. 15; Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 29; Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R –, Rn. 13f.; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R –, Rn. 10; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R –, Rn. 15, hier insbesondere Rn. 24) die Frage, ob und unter welchen Maßgaben eine Krankenkasse überhaupt berechtigt wäre, die Gewährung von Krankengeld, auf das bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch besteht (§ 38 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB I), mit einer Nebenbestimmung im Sinne einer Befristung zu verbinden (§ 32 Abs. 1 SGB X).
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Das Vorliegen einer zeitlich befristeten Bewilligung von Krankengeld wird in den Entscheidungen des 1. Senates des BSG kurzerhand unterstellt, wobei sich die Befristung nur mittelbar aus dem ärztlichen Prognosezeitraum ergeben soll (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R –, Rn. 15; BSG, Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 29; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R –, Rn. 10; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R –, Rn. 24; vgl. auch Dreher, jurisPR-SozR 3/2015 Anm. 2: „nach und nach entstehende zeitlich begrenzte Ansprüche als Teile eines einheitlichen, aber „gestückelten“ Anspruchs). Selbst in einem Fall, in dem der Arzt kein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit, sondern lediglich mitgeteilt hatte, der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig; der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar, ist der 1. Senat des BSG von „Bewilligungsabschnitten“ ausgegangen, ohne die Anwendbarkeit des § 48 SGB X in Betracht zu ziehen (BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R –, Rn. 13f.). Woraus sich in diesem Fall das Ende des unterstellten Bewilligungsabschnitts hätte ergeben können, wird im Sachverhalt nicht mitgeteilt. Zwar führt der 1. Senat des BSG in der Entscheidung aus dem Jahr 2005 noch aus, eine Bewilligung von Krankengeld sei auch auf Dauer (auf unbestimmte Zeit bzw. bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer) denkbar, derartige Fälle kämen in der Praxis indessen nur ausnahmsweise und nur in atypischen Konstellationen vor (BSG, Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 30). Im selben Absatz folgt hierzu dann gleichwohl die Mitteilung, nur eine Einstellung der Krankengeldzahlung vor Ablauf des vom Arzt festgestellten "Endzeitpunktes" der Arbeitsunfähigkeit setze die Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach Maßgabe des § 48 SGB X voraus (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R -, Rn. 30 unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 13.07.2004 - B 1 KR 39/02 R -). Eine Bezugnahme auf die im Einzelfall tatsächlich getroffene Bewilligungsentscheidung bzw. die Auslegung von deren vermeintlichem Inhalt erfolgen nicht.
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Richtigerweise ist bei der Auslegung einer (nur) konkludenten Bewilligungsentscheidung davon auszugehen, dass die Behörde – sofern möglich - eine rechtlich zulässige Entscheidung getroffen hat. In eine durch schlichtes Verwaltungshandeln zum Ausdruck kommende Entscheidung mehr hineinzulesen als die Bewilligung der Leistung, insbesondere Nebenbestimmungen wie eine Befristung oder eine auflösende Bedingung zu konstruieren, die zum einen in einem förmlichen Verwaltungsakt wegen der rechtlichen Konsequenz einer Beendigung der Wirksamkeit durch Erledigung des Verwaltungsaktes – ohne klarstellenden „actus contrarius“ – so bestimmt wie möglich, verständlich und widerspruchsfrei verfügt sein müssten (vgl. Korte, Nebenbestimmungen zu begünstigenden Verwaltungsakten nach dem SGB X – Zulässigkeit und Reichweite, NZS 2014, 853, beck-online; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 32 SGB X, Rn. 13 m.w.N.) und zum anderen bei einer gebundenen Entscheidung nur ausnahmsweise zulässig sind und ihrerseits eine Ermessensbetätigung der Behörde erfordern, verbietet sich. Wenn also ein Versicherter bei der Krankenkasse Krankengeld beantragt hat, eine förmliche Entscheidung hierüber zwar nicht ergeht, er aber nach einiger Zeit eine erste Zahlung erhält, kann der Versicherte dem zunächst entnehmen, dass er tatsächlich einen bestimmten Betrag erhalten hat, möglicherweise anhand des Überweisungsträgers auch noch, für welchen Zeitraum die Zahlung erfolgt. Als zu Grunde liegende Entscheidung der Krankenkasse kann er dieser Auszahlung zugleich entnehmen, dass die Krankenkasse seinen Anspruch auf Krankengeld offenbar bejaht hat. Hierin liegt die Bewilligung von Krankengeld. Eine Befristung liegt hierin nicht. Erst recht trifft in den hier bekannten Fällen die Annahme nicht zu, die Krankenkasse würde für die „attestierte“ Zeit eine abschnittsweise Zahlung vornehmen, die dann als eine befristete Bewilligung gedeutet werden könnte. Tatsächlich erfolgt die Auszahlung des Krankengeldes – wie auch im vorliegenden Fall – regelmäßig nur für die Zeit bis zur Ausstellung eines weiteren Auszahlscheines. Die in den Auszahlscheinen jeweils mitgeteilte voraussichtliche Dauer der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit („Zeit der vom Kassenarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit“, vgl. BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 16) wirkt sich auf die durch Auszahlung konkludent erfolgende Bewilligung nicht aus.
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Entgegen der den Entscheidungen des BSG (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 16ff.; Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R –, Rn. 12; Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R –, Rn. 15; Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 29; Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R –, Rn. 13f.; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R –, Rn. 10; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R –, Rn. 15, hier insbesondere Rn. 24) zu Grunde liegenden, aber nicht erkennbar überprüften und begründeten Annahme ist eine Befristung der Bewilligung von Krankengeld nach Maßgabe der anzuwendenden gesetzlichen Regelungen nicht zulässig. Denn gemäß § 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Die Gewährung von Krankengeld steht bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 44 ff. SGB V nicht im Ermessen der Krankenkasse, ist also eine gebundene Entscheidung. Eine der beiden Alternativen des § 32 Abs. 1 SGB X (Ermächtigung oder Sicherstellungsfunktion) müsste daher erfüllt sein, damit eine Nebenbestimmung zur Krankengeldbewilligung zulässig wäre. In den einschlägigen Vorschriften des SGB V findet sich, anders als in anderen Leistungsgesetzen, die laufende Geldleistungen vorsehen (vgl. etwa § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, 102 Abs. 2 bis 4 SGB VI, § 41 Abs. 1 Sätze 4 und 5 SGB II), keine (bereichsspezifische) Rechtsvorschrift im Sinne des § 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X, die eine Befristung zulässt. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB V enthält keine gesetzlich vorgesehene Befristungsmöglichkeit im Sinne des § 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X, sondern beschreibt die mögliche Leistungshöchstdauer. Ein Hinweis hierauf ist daher ebenfalls keine Befristung der Leistung, sondern hat lediglich deklaratorische Wirkung.
- 45
Ob darüber hinaus Nebenbestimmungen denkbar sind, die im Sinne des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden, ist zumindest zweifelhaft. Sofern etwa eine Befristung schon dann für zulässig gehalten wird, wenn „aufgrund der Eigenart des Verwaltungsaktes typischerweise damit zu rechnen“ sei, dass dessen Voraussetzungen nach einer gewissen Zeit wieder entfallen können, oder wenn im konkreten Einzelfall „greifbare Anhaltspunkte befürchten lassen, dass die Voraussetzungen möglicherweise wieder wegfallen“ können (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.04.2015 – L 7 SO 43/14 –, Rn. 35, mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 28.09.2005 - B 6 KA 60/03 R - Rn. 25), ist hierin die Umgehung des Verfahrens nach § 48 SGB X offenkundig angelegt. § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X räumt die Möglichkeit einer Nebenbestimmung ausdrücklich nur ein, wenn diese sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt „werden“, nicht auch dafür, dass diese erfüllt „bleiben“ (vgl. Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, K § 32 Rn. 38). Der vom 6. Senat des BSG beschriebene „typische Anwendungsfall“ des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X in Form der Bewilligung einer Rente verbunden mit der Auflage, eine Lebensbescheinigung vorzulegen oder die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu melden (als obiter dictum in BSG, Urteil vom 31.10.2001 – B 6 KA 16/00 R –, Rn. 19) überzeugt nicht, da eine Rentengewährung wohl ausscheiden muss, wenn unbekannt ist, ob der Berechtigte noch lebt, wohingegen die Meldung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gerade nicht sicherstellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Rentengewährung erfüllt werden, sondern nur die rechtzeitige Überprüfung und gegebenenfalls Änderung der Entscheidung ermöglichen soll. Die Annahme des BSG, ein Verwaltungsakt dürfe in Ansehung des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X auch schon vor Eintritt der gesetzlichen Voraussetzungen der in ihm getroffenen Regelung mit einer Nebenbestimmung ergehen, wenn eine abschließende Entscheidung dem Grunde nach noch nicht möglich ist, wobei durch Nebenbestimmungen sichergestellt werde, dass diese Regelung nur bei Eintritt dieser Voraussetzungen wirksam werde oder wirksam bleibe (BSG, Urteil vom 02.11.2012 – B 4 KG 2/11 R –, Rn. 13, 16 [sog. Vorwegzahlung] wegen ausgemachter Regelungslücke hinsichtlich einer vorläufigen Leistungsgewährung), ist nicht verallgemeinerungsfähig (gegen eine „erweiternde Auslegung“ des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X daher auch BSG, Urteil vom 02.04.2014 - B 6 KA 15/13 R -, Rn. 19 ff. m.w.N. zum Meinungsstand).
- 46
Im Fall einer Krankengeldbewilligung kann jedenfalls eine Befristung erkennbar nicht der Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch (Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit) dienen. Ziel und Zweck der Befristung wäre hier allein die Vermeidung des nach § 48 SGB X vorgesehenen Verfahrens der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung bei Änderung der Verhältnisse. Eine Überprüfung hinsichtlich des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen und erforderlichenfalls Korrektur der Entscheidung ist auch in diesem gesetzlich vorgesehenen Verfahren möglich und muss daher nicht durch eine Befristung sichergestellt werden.
- 47
Im vorliegenden Fall ist keine Befristung verfügt worden. Auf konkludent ergangene Entscheidungen ist nicht abzustellen, da die Beklagte tatsächlich in Form eines schriftlichen Verwaltungsaktes über den Anspruch entschieden hat. Es liegt hier mit dem Bescheid vom 23.01.2014 eine förmliche Verwaltungsentscheidung vor, so dass kein Bedürfnis besteht, in tatsächliche Handlungen der Beklagten mehr hineinzulesen, als den Vollzug der getroffenen Entscheidung in Form der abschnittsweisen Erfüllung des Krankengeldanspruchs. Wenn einem Versicherten etwa eine Rente gewährt wird, liegt in der monatlichen Zahlung, unabhängig davon, ob es sich um eine befristet gewährte Rente (§ 102 SGB VI) handelt oder nicht, lediglich die monatliche Erfüllung des aus der zu Grunde liegenden Bewilligungsentscheidung entspringenden und monatlich fällig werdenden Zahlungsanspruchs (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, vgl. auch § 337 Abs. 2 SGB III für die Auszahlung von Arbeitslosengeld I). Ebenso wird eine Krankenkasse, die dem Versicherten Krankengeld bewilligt hat, in der Regel die entsprechende Leistungspflicht durch abschnittsweise Auszahlungen erfüllen. Selbst wenn Krankengeld typischerweise nur eine vorübergehende krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Ausübung der Beschäftigung absichern soll, handelt es sich gleichwohl um eine Leistung, die für eine gewisse Dauer laufend zu gewähren ist. Das Krankengeld wird für Kalendertage gezahlt; ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit dreißig Tagen anzusetzen, § 47 Abs. 1 Satz 6 und 7 SGB V. Die Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes wird in § 47 Abs. 3 SGB V in Bezug genommen. Sobald beim Versicherten wieder Arbeitsfähigkeit eintritt und dieser das auch erkennen kann und muss, sollte die Krankenkasse die Bewilligungsentscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Versicherte von der Änderung der Verhältnisse Kenntnis nehmen muss, aufheben. Spätestens, wenn dem Versicherten die Anhörung (§ 24 Abs. 1 SGB X) zu der beabsichtigten Aufhebung der Krankengeldbewilligung zugeht, erlangt dieser die notwendige Kenntnis und kann sich auf die Rechtsfolgen einstellen.
- 48
Vorliegend hat die Beklagte daher richtigerweise eine Dauerbewilligung von Krankengeld mit Bescheid vom 23.01.2014 ab dem 05.08.2013 in Höhe von kalendertäglich 30,61 Euro brutto verfügt. Zugleich hat sie die Klägerin darüber informiert, dass die Auszahlung des Krankengeldes grundsätzlich einmal monatlich erfolge. Eine Auszahlung für einen kürzeren Zeitraum könne nur vorgenommen werden, wenn die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ende. Die Aufforderung an die Klägerin, den Zahlschein einmal monatlich vom Arzt ausfüllen zu lassen und zurückzusenden, enthält erkennbar keine Befristung der bewilligten Leistung. Auch wurde hiermit keine Bedingung (unselbstständige Nebenbestimmung) oder Auflage (selbstständige Nebenbestimmung) für die Zahlung aufgestellt (vgl. § 32 SGB X). Der Bescheid enthält keine Aussage dazu, ob und gegebenenfalls welche Folge es hätte haben können, wenn die Klägerin nicht monatlich einen Zahlschein hätte ausfüllen lassen, so dass es sich um nicht mehr als einen Hinweis handeln konnte. Jedenfalls ist die Klägerin der als Bitte formulierten Aufforderung nachgekommen, da sie in der hier streitigen Zeit im November 2014 sogar zwei Zahlscheine durch ihren Arzt ausstellen lies.
- 49
Diese Bewilligungsentscheidung vom 23.01.2014 ist zwischen den Beteiligten bindend geworden, § 77 SGG.
II.
- 50
Die unangefochtene Bewilligungsentscheidung war auch in der hier streitigen Zeit noch zwischen den Beteiligten bindend, da sie weder rechtmäßig zurückgenommen noch aufgehoben wurde.
- 51
1. Der Bescheid vom 05.03.2014 enthält selbst nur die Rücknahme der zuvor verfügten Beitragsbelastung und im Ergebnis die Erhöhung des Auszahlungsbetrages um 13 Cent pro Tag. Der neu hinzugefügte Zusatz dazu, wie das Krankengeld bewilligt wird, ist erkennbar keine Entscheidung im Einzelfall, sondern nur ein Hinweis auf die vermeintliche Bewilligungspraxis. Bei Erläuterungen oder Hinweisen einer erlassenden Behörde handelt es sich nicht um Nebenbestimmungen, weil ein entsprechender Regelungswille aus der im Zweifelsfall maßgeblichen Sicht des Empfängers nicht erkennbar wird (vgl. Korte, NZS 2014, 853, beck-online). Weder die bloße Wiedergabe der einschlägigen Rechtsgrundlagen noch der Hinweis auf eine ständige Rechtsprechung oder die eigene (möglicherweise rechtswidrige) Bewilligungspraxis im Allgemeinen enthalten Regelungen des konkreten Einzelfalles. Sollte mit dem Hinweis auf die Bewilligungspraxis eine Befristung auf die jeweils attestierte Dauer der Arbeitsunfähigkeit beabsichtigt gewesen sein, hätte dies ausdrücklich verfügt werden müssen und wäre gegebenenfalls nach § 32 Abs. 1 SGB X gleichwohl nicht zulässig gewesen. Zudem wäre eine solche Nebenbestimmung „nachgeschoben“ und damit bei der gebundenen Entscheidung über die Krankengeldgewährung schon (ohne Aufhebung der zuvor unbefristet erteilten Bewilligungsentscheidung vom 24.01.2014) unzulässig.
- 52
2. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 17.12.2014 wurde die Dauerbewilligung jedenfalls nicht ausdrücklich aufgehoben. Die Beklagte teilte mit diesem Bescheid nur die von ihr vertretene Rechtsansicht mit, dass der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld trotz der weiter bestehenden Arbeitsunfähigkeit am 20.11.2014 geendet habe. Die Beklagte ging – entsprechend dieser auf die obergerichtliche Rechtsprechung gestützten Auffassung – erkennbar davon aus, dass es einer Aufhebungsentscheidung vorliegend gerade nicht bedurfte. Da ein entsprechender Regelungswille daher nicht unterstellt werden kann, kann der Bescheid vom 17.12.2014 auch nicht als Aufhebungsentscheidung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ausgelegt werden. Ob eine solche „stillschweigende“ Aufhebung überhaupt wirksam sein könnte, kann daher offengelassen werden.
- 53
Selbst wenn dem Bescheid vom 17.12.2014 der Regelungsgehalt einer Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X unterstellt werden könnte, fehlte es an den Voraussetzungen für eine rückwirkend (ab dem 21.11.2014) erfolgende Aufhebung der Dauerbewilligung vom 23.01.2014 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Selbst für die Zeit ab Zugang der (unterstellt) aufhebenden Entscheidung vom 17.12.2014 lagen die Voraussetzungen für eine Aufhebung noch nicht vor, da eine für den Krankengeldanspruch wesentliche Änderung der Sachlage in der Zeit vor dem 01.01.2015 nicht eingetreten war. Der Klägerin stand zu dieser Zeit der Anspruch auf Krankengeld weiterhin zu (dazu unter III.).
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Eine vorsorgliche Aufhebung der Dauerbewilligung für die Zeit des Eintritts einer wesentlichen Änderung ist unzulässig, wurde in dem hier angefochtenen Bescheid vom 17.12.2014 aber auch erkennbar nicht verfügt.
- 55
3. Welchen Regelungsgehalt der weitere Bescheid vom 17.12.2014 haben konnte, mit dem die Beklagte der Klägerin – im Widerspruch zum hier angefochtenen Bescheid vom selben Tag - mitteilte, dass nach Mitteilung des MDK ab dem 01.01.2015 wieder Arbeitsfähigkeit bestehe und Krankengeld somit nur bis 31.12.2014 gezahlt werden könne, kann hier offenbleiben, da die Klägerin Krankengeld nur bis zu dem genannten Datum beansprucht. Sofern hierin nicht eine Aufhebungsentscheidung im Sinne des § 48 SGB X gesehen werden kann, wäre eine solche ab diesem Zeitpunkt jedenfalls auch nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X möglich gewesen.
III.
- 56
Selbst wenn man annehmen wollte, die Aufhebung einer Dauerbewilligung könne (ohne dass dies zum Ausdruck kommt) auch konkludent erfolgen, wäre eine (dem Bescheid vom 17.12.2014 unterstellte) rückwirkende Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig gewesen. Denn die Klägerin hatte bis zum 31.12.2014 einen Anspruch auf Krankengeld. Der Anspruch war am 26.07.2013 wirksam entstanden (1.), hat während der Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit bis zum 04.08.2013 geruht und bestand anschließend bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 31.12.2014 fort (2.). Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ist in der hier streitigen Zeit nicht eingetreten.
- 57
Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Krankengeld ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach Versicherte, sofern sie nicht zu den in § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten, vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossenen Versichertengruppen gehören, Anspruch auf Krankengeld haben, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Gemäß § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V wird bei Beziehern von Arbeitslosengeld (Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt.
- 58
1. Die Klägerin war im gesamten streitigen Zeitraum wegen der Folgen der am 26.07.2013 erlittenen Kreuzbandruptur am rechten Knie arbeitsunfähig.
- 59
Der Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach dem Umfang des Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis. Arbeitsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -; alle Urteile im Folgenden zitiert nach juris). Bei einem gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherten Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III liegt Arbeitsunfähigkeit in diesem Sinne vor, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, selbst körperlich leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den er sich zuvor zwecks Erlangung des Arbeitslosengeld-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat. Das Krankengeld stellt sich in einem solchen Fall nicht als Ersatz für den Ausfall des auf Grund einer Beschäftigung bezogenen Arbeitsentgelts dar, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit (BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 21/05 R - und Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R -). Maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser sind daher im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind (vgl. § 140 SGB III). Dies sind auch alle körperlich leichten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
- 60
Die Klägerin bezog im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit Arbeitslosengeld nach den Vorschriften des SGB III. Die auch über den 20.11.2014 noch fortbestehende Arbeitsunfähigkeit hat die Beklagte ausdrücklich anerkannt. Auch der behandelnde Arzt Dr. Sch… und der Arzt im MDK Dr. H… haben diese bestätigt.
- 61
Der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld ist bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 26.07.2013 entstanden (vgl. § 40 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuche [SGB I] i.V.m. § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V) und ruhte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V zunächst bis zum 04.08.2013, da die Klägerin noch Leistungsfortzahlung von der Bundesagentur für Arbeit erhielt. Für die Folgezeit hat die Beklagte der Klägerin Krankengeld lediglich bis zum 20.11.2014 gezahlt. Der Anspruch bestand jedoch auch über diesen Zeitpunkt hinaus bis zum Ende des mit der Klage geltend gemachten Zeitraums fort.
- 62
Einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bedurfte es vorliegend für die Entstehung des Anspruchs nicht, da anders als nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V gemäß § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V bei Beziehern von Arbeitslosengeld (Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt wird. Weder kommt es auf den Zeitpunkt einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (Winkler, info also 2000, 11, 15; Bohlken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 47b SGB V, Rn. 35; Tischler in: BeckOK, Stand: 01.09.2015, SGB V § 47b Rn. 5; Kruse in: LPK-SGB V, 4. Auflage 2012, § 47b Rn. 2), noch bedarf es für die Entstehung des Anspruchs überhaupt einer ärztlichen Feststellung im Sinne des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V (vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 44 ff.; so auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.07.2014 – L 16 KR 146/14 –, Rn. 37 und – L 16 KR 160/13 –, Rn. 40).
- 63
Der anderslautenden Rechtsprechung des BSG ist nicht zu folgen. Nach der Rechtsprechung des bis Ende 2014 für das Krankengeldrecht zuständig gewesenen 1. Senats des BSG sollte auch bei Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V neben Arbeitsunfähigkeit deren ärztliche Feststellung nach § 46 Satz 1 SGB V Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld sein (BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 32). § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V (früher § 158 Abs. 1 Satz 2 AFG) ordne zwar die Gewährung von Krankengeld vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an. „Mit Rücksicht auf § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V“ sei dieser Bestimmung dennoch nicht zu entnehmen, dass es - anders als bei allen anderen Krankenversicherungsverhältnissen - insoweit auf den wirklichen Beginn der Arbeitsunfähigkeit und nicht auf die ärztliche Feststellung ankommen soll (BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35; dem folgend Brandts in: KassKomm, SGB V § 47b Rn. 13, die aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V mit dem BSG den Grundsatz herausliest, es sei bei allen KV-Verhältnissen die ärztlich „festgestellte“, nicht die „wirkliche“ AU gemeint, anders dieselbe dann aber für § 46 Satz 2 SGB V a.F.: Die Wartezeit (Karenzzeit) beginnt mit dem Eintritt der AU, nicht erst mit deren Feststellung, vgl. Brandts in: KassKomm, SGB V § 46 Rn. 22, 25). Der 1. Senat des BSG hat zwar den in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V (in der bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung) normierten Karenztag bei dem Entstehen des Krankengeldanspruchs in einem solchen Fall zu Recht nicht berücksichtigt (vgl. BSG, Urteil vom 06.11.2008 – B 1 KR 37/07 R –, Rn. 23). Gleichwohl hat er eine ärztliche Feststellung zur Anspruchsentstehung und (unter Berücksichtigung der eigenen „Rechtsprechung zu § 46 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V“) sogar für die Anspruchsaufrechterhaltung für erforderlich erklärt (BSG, Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 38/06 R –, Rn. 21).
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Anhand der anzuwendenden gesetzlichen Regelungen lässt sich ein solches Erfordernis nicht begründen (vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 44 ff.). Gemäß § 40 Abs. 1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. § 46 SGB V ist in diesem Sinne eine spezielle gesetzliche Regelung zur Entstehung von Krankengeldansprüchen. Für die Fälle von Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung regelt § 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld mit dem Beginn der jeweiligen Behandlung. Der bisherige Satz 2 der Norm (seit dem 23.07.2015 Satz 3) bestimmt für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten sowie für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V abgegeben haben, dass der Anspruch von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an entsteht. Der bisherige Satz 3 (jetzt Satz 4) enthält hierzu noch eine Modifikation bei einer entsprechenden Tarifwahl (nach § 53 Abs. 6 SGB V) eines nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten. Auch § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V enthält eine spezielle Regelung, wonach für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Bezieher von Arbeitslosengeld) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt wird, der Anspruch also von diesem Tag an entsteht. Eine ärztliche Feststellung ist daher in all diesen Fällen nicht Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs.
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Lediglich in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V wird für das Entstehen des Anspruchs eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vorausgesetzt. Bis zum 22.07.2015 enthielt die Regelung zudem einen sog. „Karenztag“, der mit der Neuregelung durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) mit Wirkung zum 23.07.2015 entfallen ist. In den von der Norm erfassten Fällen entstand der Anspruch daher erst einen Tag nach bzw. entsteht er nunmehr von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.
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Wiederum abweichend hiervon enthält aber § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V eine weitere Spezialregelung, wonach für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Bezieher von Arbeitslosengeld) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt wird, der Anspruch also von diesem Tag an entsteht. Eine ärztliche Feststellung wird in dieser Norm nicht zum Erfordernis der Anspruchsentstehung gemacht.
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Das Erfordernis einer ärztlichen Feststellung kann auch nicht „mit Rücksicht auf § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V“ in die Regelung des § 47b SGB V hineingelesen werden. Die Gesetzesentwicklung steht der Annahme entgegen, aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V ergebe sich ein Grundsatz, wonach bei allen KV-Verhältnissen die ärztlich „festgestellte“, nicht die „wirkliche“ AU gemeint sei (so aber Brandts in: KassKomm, SGB V § 47b Rn. 13 unter Berufung auf BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35). Die Vorgängerregelung des § 46 SGB V war § 182 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Bis zum Jahr 1961 stellte diese Vorschrift auf den „Eintritt der Arbeitsunfähigkeit“ ab. Erst mit Änderung des § 182 Abs. 3 RVO durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12.07.1961 wurden die Worte "Eintritt der Arbeitsunfähigkeit" durch "ärztliche Feststellung" ersetzt und die Anzahl der Karenztage von zuvor drei auf nunmehr einen Tag reduziert. Vor dieser Gesetzesänderung war daher Anknüpfungspunkt für den Krankengeldanspruch stets der tatsächliche Beginn der Arbeitsunfähigkeit und nicht eine ärztliche Feststellung derselben.
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Selbst wenn man aber mit der Rechtsprechung des BSG trotz der spezielleren Regelung des § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V auch bei Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Arbeitslosengeldbezieher) für die Entstehung des Anspruchs eine ärztliche Feststellung für erforderlich halten würde, wäre diese Voraussetzung im Fall der Klägerin erfüllt. Tatsächlich hat der behandelnde Arzt Dr. Sch… die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 26.07.2013 und in der Folgezeit wiederholt ärztlich festgestellt.
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Die „ärztliche Feststellung“ ist als tatsächliche Wahrnehmung des Arztes das Ergebnis einer persönlichen ärztlichen Untersuchung. Der Arzt muss auf Grund seiner Befunderhebung zu der Erkenntnis gelangen, dass der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht in der Lage ist, die im Einzelfall maßgeblichen Tätigkeiten zu verrichten. Als Erkenntnisvorgang ist die ärztliche Feststellung also die Erhebung der medizinisch relevanten Tatsachen und die Beurteilung von deren Auswirkungen auf das aktuelle Leistungsvermögen des Versicherten.
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Über diese Feststellung stellt der Arzt für Versicherte, die von ihrem Arbeitgeber Entgeltfortzahlung oder aber von der Bundesagentur für Arbeit Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen können, eine Bescheinigung im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 9 SGB V aus (vgl. § 5 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall – Entgeltfortzahlungsgesetz [EFZG]; § 5 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V [Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien], § 146 Abs. 3 SGB III). Die ärztliche Feststellung in diesem Sinne ist daher nicht mit der hierüber ausgestellten Bescheinigung, etwa der „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ oder dem Auszahlschein gleichzusetzen (zur notwendigen Differenzierung vgl. auch BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R -, Rn. 26). Ob ein Arzt Arbeitsunfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellt hat, kann erforderlichenfalls auch noch im Rahmen der gerichtlichen Beweiserhebung durch eine Befragung des Arztes ermittelt werden. Das Erfordernis eines „Attestes“ oder einer „Bescheinigung“ ist den gesetzlichen Bestimmungen zum Anspruch auf Krankengeld nicht zu entnehmen (zuletzt SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 53; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 39f.).
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Sofern die Beklagte sich auf ein Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 16.10.2014 beruft, zu dem derzeit die Revision vor dem BSG (B 3 KR 22/15 R) anhängig ist, vermag die Kammer der dort vertretenen Auffassung nicht zu folgen. Das LSG Rheinland-Pfalz teilt in diesem Urteil mit, der Senat habe sich der Rechtsprechung des BSG angeschlossen, wonach „die Ausschlussregelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V“ strikt zu handhaben sei (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.10.2014 – L 5 KR 157/14 –, Rn. 14). Im zugrundeliegenden Fall hatte sich die dortige Klägerin zwar am letzten Tag des attestierten Zeitraums persönlich beim Arzt vorgestellt, dieser habe jedoch (so das LSG) eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht „nach außen dokumentiert“. Es könne dahinstehen, ob die Angabe der Arbeitsunfähigkeit in den Krankenunterlagen des Arztes ausreichen würde, da der Arzt ausweislich des „von der Klägerin vorgelegten Ausdrucks“ des Krankenblatts lediglich eine Diagnose gestellt habe. Eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit lasse sich hieraus gerade nicht entnehmen (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.10.2014 – L 5 KR 157/14 –, Rn. 16). Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hatte der Arzt allerdings in einer vom Sozialgericht eingeholten Auskunft angegeben, die Klägerin sei bei der persönlichen Vorstellung arbeitsunfähig gewesen. Er habe die Arbeitsunfähigkeit diesem Tag auch festgestellt, aber nicht schriftlich bescheinigt, da die Anschlussbescheinigung am nächsten Tag durch einen anderen Arzt habe erfolgen sollen. Warum diese vom Arzt ausdrücklich bestätigte ärztliche Feststellung nicht ausreichen sollte, wird in der zitierten Entscheidung nicht begründet, sondern lediglich auf die am Folgetag (und damit vermeintlich zu spät) getätigte Attestierung abgestellt. Eine Definition des zur Klageabweisung angewandten Kriteriums „nach außen dokumentiert“ und eine Verortung desselben in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen enthält die Urteilsbegründung ebenfalls nicht, so dass auch nicht erkennbar wird, warum die Mitteilung des Arztes im Befundbericht gegenüber dem Sozialgericht nicht als hinreichende „Dokumentation“ angesehen wurde bzw. warum weitere Ermittlungen durch das LSG zu diesem für maßgeblich gehaltenen Umstand unterblieben sind. Die Behauptung, dass die Voraussetzung nur durch ein an diesem fraglichen Tag ausgestelltes Schriftstück zu erfüllen gewesen wäre, ist dem Urteil nicht zu entnehmen, so dass sich der Rahmen der rechtlichen Prüfung nicht erschließt.
- 72
2. Der Anspruch ist vorliegend auch nicht deshalb entfallen, weil nicht „lückenlos“ ärztliche Feststellungen, Bescheinigungen oder Prognosen über die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin vorliegen.
- 73
Bereits für die Entstehung des Anspruchs war, wie oben ausgeführt, eine ärztliche Feststellung nicht erforderlich. Selbst wenn man jedoch abweichend von der hier vertretenen Auffassung eine Feststellung nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V „bei allen“ Krankenversicherungsverhältnissen zur Entstehung des Anspruchs für erforderlich hält (so BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35, vgl. oben), entfiele der einmal entstandene Anspruch nicht deshalb, weil eine „Lücke in den AU-Feststellungen“ vorliegt oder weil keine „lückenlosen“ (gemeint bislang in Fällen der Karenzregelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. tatsächlich sogar sich überschneidenden) ärztlichen Bescheinigungen oder aber Prognosen vorliegen.
- 74
Der Rechtsprechung des bis Ende 2014 für das Krankengeldrecht zuständigen 1. Senats des BSG (siehe hierzu IV.) kann auch in diesem Punkt nicht gefolgt werden. Nach dieser Rechtsprechung hat der Versicherte auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich „rechtzeitig vor Fristablauf“ erneut ärztlich feststellen zu lassen und seiner Krankenkasse (spätestens innerhalb einer Woche) zu melden, um das Erlöschen oder das Ruhen des Leistungsanspruches zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -; Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R-; Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 38/06 R –; Urteile vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R - und - B 1 KR 20/11 R -; Urteil vom 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R -; zuletzt noch BSG, Urteile vom 16.12.2014 – B 1 KR 25/14 R, B 1 KR 19/14 R und B 1 KR 37/14 R –).
- 75
Der 1. Senat des BSG nahm zur Begründung seiner Auffassung bislang auf den als „Ausschlussregelung“ bezeichneten § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. Bezug. Wie bereits unter III.1. erläutert, enthält § 46 SGB V jedoch lediglich eine Regelung zur Anspruchsentstehung. Erfordernisse für eine Aufrechterhaltung des Anspruchs ließen sich hieraus bislang nicht ableiten. Insbesondere waren dieser Norm keinerlei „gesetzliche Fristen“ für eine weitere ärztliche Feststellung oder für eine „erneute Vorlage“ einer „Bescheinigung“ oder gar die Notwendigkeit einer „Lückenlosigkeit“ derselben zu entnehmen. Ebenso wenig wird mit der Norm ein Ende des Anspruchs geregelt (so schon SG Trier, Urteil vom 24.04.2013 - S 5 KR 77/12-; ebenso SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 -; SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 -; SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 - S 19 KR 10/15 ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 17.07.2014 - L 16 KR 160/13 - und - L 16 KR 429/13 -; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13; SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13).
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Sofern mit der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG eine „Lückenlosigkeit“ gefordert wird, kann sich dies allein auf die (in den regelmäßig ausgestellten Bescheinigungen neben der Mitteilung über die ärztliche Feststellung, dass Arbeitsunfähigkeit vorliege, zumeist ebenfalls enthaltene) Prognose über die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit beziehen. In der über die Arbeitsunfähigkeit ausgestellten Bescheinigung macht der Arzt – da er gem. § 73 Abs. 2 Nr. 9 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG hierzu angehalten ist – oftmals auch Angaben dazu, wie lange die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bestehen wird. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine ärztliche „Feststellung“. Im Regelfall dürfte ein Arzt nicht in der Lage sein festzustellen, bis wann eine Arbeitsunfähigkeit dauern wird. Er kann nur feststellen, „dass“ sie im Zeitpunkt der Untersuchung besteht. Die Angabe einer voraussichtlichen Dauer ist lediglich eine Prognose im Sinne einer ärztlichen Vorhersage des vermuteten Krankheitsverlaufs. Diese ärztliche Prognose ist begrifflich zwingend von der tatsächlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu unterscheiden (SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 –, Rn. 59 entgegen BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 25/14 R –, Rn. 13 mit der dort zu findenden paradoxen Formulierung, der Arzt habe sich „Gewissheit“ zu verschaffen, (…) wie lange die AU „voraussichtlich“ noch andauern wird).
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Allein die ärztliche Prognose erstreckt sich über einen Zeitraum, sodass nur hieran anknüpfend eine „Lückenlosigkeit“ hergestellt werden könnte. Wie bereits ausgeführt, ist die ärztliche Feststellung die aktuelle, auf den Zeitpunkt der Untersuchung bezogene Tatsachenwahrnehmung. Begriffsnotwendig kann sich diese Feststellung nicht auf einen in die Zukunft gerichteten Zeitraum beziehen. Der Arzt kann nicht feststellen und sich „Gewissheit darüber verschaffen“, dass der Versicherte „voraussichtlich“ noch drei oder sechs Tage oder bis zum Ende der nächsten Woche arbeitsunfähig sein wird. Er kann im Regelfall nur eine Vermutung anstellen und eine entsprechende Prognose abgeben. Da aber eine ärztliche Prognose keine Voraussetzung für einen Krankengeldanspruch ist, kann auch nicht die „Lückenlosigkeit“ von Prognosen gefordert werden. Die Rechtsprechung, die hierauf gleichwohl abstellt, zeichnet sich dadurch aus, dass die verwendeten Begriffe „ärztliche Feststellung“, „ärztliche Bescheinigung“ und „voraussichtliche Dauer“ bzw. „Prognose hierüber“ offenbar inhaltlich nicht geklärt und in der Folge nicht sinnvoll voneinander unterschieden werden. Zudem wird es sich bei den entsprechenden Angaben hinsichtlich der „voraussichtlichen Dauer“ der Arbeitsunfähigkeit in Erkrankungsfällen, die erfahrungsgemäß eine längere Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen, selten um eine echte Prognose hinsichtlich der vermuteten Dauer handeln, als vielmehr um das Datum, zu dem ein erneuter Arztbesuch angestrebt werden sollte. Gerade in den Fällen, in denen ein Arzt bei einer erkennbar längerfristigen Erkrankung gleichwohl ein in näherer Zukunft liegendes Datum in die Bescheinigung einträgt, wird deutlich, dass der Arzt hiermit jedenfalls nicht ein „Ende der Arbeitsunfähigkeit“ bescheinigt. An eine derartige Erklärung unumkehrbare Rechtsfolgen zu knüpfen, verbietet sich daher.
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Der materielle Anspruch besteht daher nach seiner Entstehung fort, solange insbesondere die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich andauert und die Höchstbezugsdauer nach § 48 SGB V noch nicht erreicht ist. Das Ende des einmal entstandenen Anspruchs ergibt sich weder aus einer in der „Bescheinigung" angegebenen voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit, noch aus einem möglicherweise mitgeteilten Datum des geplanten nächsten Arztbesuches. Ebenso wenig kann eine Entscheidung der Krankenkasse den materiellen Anspruch zum Ende eines „Bewilligungszeitraums“, also durch eine Befristung der Bewilligung (zur Unzulässigkeit der Befristung siehe oben) enden lassen. Sofern die Krankenkasse tatsächlich eine bestandskräftige Entscheidung nur für einen bestimmten Zeitabschnitt getroffen haben sollte, wäre über die Folgezeit noch zu entscheiden. Dies hätte jedoch gleichwohl nicht zur Folge, dass der materielle Anspruch neu entstehen müsste (SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 -; SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 - S 19 KR 10/15 ER -; so schon SG Trier, Urteil vom 24.04.2013 - S 5 KR 77/12 - entgegen der Rechtsprechung des BSG; ebenso SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 -; SG Speyer, Urteil vom 07.04.2014 - S 19 KR 10/13 -; SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 - S 3 KR 298/12 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 17.07.2014 - L 16 KR 160/13 - und - L 16 KR 429/13 -; SG Speyer, Beschluss vom 08.09.2014 - S 19 KR 519/14 ER -; Knispel, Zur ärztlichen Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit bei abschnittsweiser Krankengeldgewährung NZS 2014, S. 561 ff.; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 - S 19 KR 959/13 -; SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 - S 3 KR 405/13 -).
- 79
Sofern die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 26.02.2015 sogar annimmt, die Klägerin habe spätestens am letzten (Werk-/Arbeits-)Tag des bisherigen „Krankschreibungszeitraums“ einen Arzt zur weiteren Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aufsuchen müssen, übersieht sie zudem, dass gemäß § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V die Karenztagregelung für die Klägerin als Bezieherin von Arbeitslosengeld (Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) nicht einschlägig ist.
- 80
Selbst wenn man aber bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG die lückenlose Attestierung als Anspruchsvoraussetzung annehmen wollte, hätte die Klägerin diese Anforderung erfüllt. Denn bereits in der Arztanfrage vom 13.10.2014 hatte der Behandler Dr. Sch… eine weitere Arbeitsunfähigkeit „bis ca. Ende November 2014“ vorhergesagt. Auch im MDK-Gutachten vom 26.09.2014 war bereits eine Prognose für Ende November abgegeben worden. Der am 25.11.2014 ausgestellte weitere Zahlschein erging daher entgegen der Ansicht der Beklagten innerhalb der „bislang nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit“ (gemeint prognostizierte und entsprechend bescheinigte voraussichtlich Dauer). Die im Zahlschein vom 06.11.2014 mitgeteilte Prognose voraussichtlich bis 20.11.2014 konnte – ungeachtet der rechtlichen Qualifikation dieser ärztlichen Äußerungen – die anderen ärztlichen Aussagen nicht zurücknehmen oder aufheben. Ein „Grundsatz“, dass im Zweifel die kürzeste ärztliche Prognose maßgeblich ist, wurde bislang nicht aufgestellt und dürfte auch nicht zu begründen sein.
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Ohne dass es nach der hier vertretenen Auffassung rechtlich darauf ankäme, ist noch darauf hinzuweisen, dass vorliegend auch keine „bewilligungsabschnittsweise“ Zahlung erfolgte, da die Beklagte weder eine - mit dem Bescheid vom 23.01.2014 angekündigte - monatliche Auszahlung des Krankengeldes noch eine Zahlung jeweils für den attestierten Zeitraum veranlasste, sondern offensichtlich allein das Ausstellungsdatum der Auszahlscheine maßgeblich für die Zahlungsabschnitte war.
IV.
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Der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG hinsichtlich Fortgewährung von Krankengeld nur bei Erfüllung weiterer, gesetzlich nicht geregelter Obliegenheiten des Versicherten kann nicht gefolgt werden, da diese gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung verstößt und zu unhaltbaren Ergebnissen führt.
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Der 1. Senat des BSG hat ein Verfahren der Krankengeldbewilligung mit wiederholten Feststellungs- und Meldeobliegenheiten etabliert, aus dem in den letzten Jahren für die Versicherten die Gefahr entstanden ist, auf Grund von "Bescheinigungslücken" trotz nachweisbar bestehender Arbeitsunfähigkeit den Anspruch auf Krankengeld zu verlieren. Dabei ist die dogmatische Konstruktion der durch das BSG aufgestellten Voraussetzungen so weit vom Gesetzeswortlaut entfernt, dass eine parlamentarische Willensbildung über die hierdurch bewirkten Rechtsfolgen ausgeschlossen werden kann. Die Dogmatik des BSG hat sich vielmehr durch wiederholte Bezugnahmen auf eigene Vorentscheidungen vom Gesetz immer weiter gelöst und verselbstständigt. Als Ausgangspunkt kann die in der bereits erwähnten Entscheidung aus dem Jahr 1986 erfolgte Einordnung der bloßen Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse als konkludent verfügter und auf das Ende des ärztlichen Prognosezeitraums zeitlich befristeter Bewilligungsverwaltungsakt angesehen werden (BSG, Urteil vom 16.09.1986 - 3 RK 37/85 - Rn. 12ff., allerdings ohne Verwendung des Rechtsbegriffs „Befristung“, stattdessen mit Formulierungen wie: der Anspruch „endet“ mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit, „der Anspruch fällt weg“, Entscheidung über „das - vorläufige - Ende“ der Krankengeldbezugszeit), weshalb folgerichtig für die Folgezeit eine neue bewilligende Entscheidung der Krankenkasse verlangt wurde (BSG, Urteil vom 09.12.1986 - 8 RK 27/84 - Rn. 12). Hieraus entwickelte sich ein „Grundsatz der abschnittsweisen Krankengeldbewilligung“ (BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R – Rn. 12; BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R - Rn. 29), der in der sich allmählich darauf einstellenden Praxis der Krankenkassen - wie auch im vorliegenden Fall - mittlerweile sogar unabhängig von der tatsächlich getroffenen Verwaltungsentscheidung für maßgeblich gehalten wird. Seit dem Jahr 2000 hat der 1. Senat des BSG erklärtermaßen über den Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V hinaus für das Vermeiden des Ruhens des Krankengeldanspruchs wiederholte Meldungen der Arbeitsunfähigkeit für erforderlich erklärt. Dieses Erfordernis habe auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug zu gelten, wenn wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit über die Weitergewährung des Krankengeldes neu zu befinden sei. Auch dann müsse der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich rechtzeitig „vor Fristablauf“ ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wolle er das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 17, möglicherweise mit Blick auf die Meldefrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V). Seit dem Jahr 2005 fügte der 1. Senat dieser Wendung noch das Erlöschen des Anspruchs hinzu (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R -, Rn. 17), so dass nunmehr unterstellt wird, es gebe auch für weitere ärztliche Feststellungen eine gesetzliche Frist. Das BSG begründete diese Auffassung zunächst mit der „Befristung“ der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit und der daher regelmäßig angenommenen abschnittsweise erfolgenden Krankengeldbewilligung. Der Anspruch auf Krankengeld ende mit Ablauf des zuletzt „bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums“, wenn der Versicherte keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beibringe (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 -). Werde das Krankengeld abschnittsweise gewährt, sei das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldes für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen. Erst wenn nach gegebenenfalls vorausgegangener Krankengeldgewährung eine erneute ärztliche Bescheinigung vorgelegt werde, bestehe für die Krankenkasse überhaupt Anlass, die weiteren rechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs und damit eines „neuen Leistungsfalles“ zu prüfen (so BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R -, Rn. 31). Für die Entscheidung über die Weitergewährung des Krankengeldes hält es das BSG daher im Falle einer ärztlichen Prognose zur voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit wegen des hieraus abgeleiteten Anspruchsendes für erforderlich, dass jeweils erneut alle Voraussetzungen für die Anspruchsentstehung geschaffen werden müssen (anders allerdings BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R - im Fall einer ärztlichen Bescheinigung ohne Angabe zum voraussichtlichen Ende der Arbeitsunfähigkeit: eine ärztliche Feststellung aus vorangegangener Zeit, die den weiteren Bewilligungsabschnitt mit umfasse, könne als für § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V ausreichend angesehen werden). Im Jahr 2014 hat das BSG schließlich die bereits zuvor praktisch nicht mehr berücksichtigte Anknüpfung an eine Bewilligungsentscheidung der Krankenkasse aufgegeben und nur unmittelbar die in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes mitgeteilte Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer zur Grundlage für die zeitliche Begrenzung des Krankengeldanspruchs gemacht (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/14 R; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R; vgl. ergänzend zur Entwicklung dieser Rechtsprechung sehr ausführlich zuletzt SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 98 ff.; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juli 2014 – L 16 KR 160/13 – Rn. 26; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 65 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 49 ff.; vgl. auch Knispel, Zur ärztlichen Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit bei abschnittsweiser Krankengeldgewährung NZS 2014, S. 561 ff.).
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Auch mit den zuletzt getroffenen Entscheidungen vom 16.12.2014, mit denen der mittlerweile für das Krankengeldrecht nicht mehr zuständige 1. Senat des BSG seine bisherige Rechtsprechung noch einmal zu bekräftigen suchte (BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 31/14 R -; BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 35/14 R -; BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R), konnte der Senat den Vorwurf des fehlenden Bezuges zu einer gesetzlichen Grundlage nicht entkräften (vgl. hierzu die Entscheidungen der Kammer: SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER – Rn. 41 ff.; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 66 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 50 ff.; hierzu auch SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 126 ff.; kritisch auch Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 44 SGB V, Rn. 33 ff. und § 46 SGB V Rn. 30).
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In besonderem Maße zurückzuweisen sind die Ausführungen des 1. Senates des BSG, es sei nicht Sache der KK, den Versicherten (…) auf die „besondere gesetzliche Regelung“ und „deren im Regelfall gravierende Folgen“ hinzuweisen; KKn seien nicht gehalten, Hinweise auf den „gesetzlich geregelten Zeitpunkt“ einer ggf erneut erforderlichen AU-Feststellung zu geben (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 19/14 R –, Rn. 17 und Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 25/14 R –, Rn. 16, sogar mit dem Hinweis auf Schadensersatzansprüche des Versicherten gegen den Arzt). Es handelt sich erkennbar um den Versuch, eine gesetzliche Regelung zu suggerieren, ohne dass kenntlich gemacht wird, auf welche konkrete Norm hier Bezug genommen werden soll. Eine gesetzliche Regelung über einen Zeitpunkt für die erneut erforderliche AU-Feststellung mit im Regelfall gravierenden Folgen gab es im SGB V bislang nicht (zu der vom 1. Senat des BSG vorgenommenen unzulässigen Analogiebildung zu Lasten der Versicherten vgl. SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER – Rn. 45 f.; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 70 f.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 51 f.; ausführlich SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 - unter Verweis auf die Bedeutung der Wortlautgrenze für die Auslegung von Gesetzestexten; zu der Neuregelung des § 46 Satz 2 SGB V mit Wirkung zum 23.07.2015 siehe unten V.). Im Übrigen ist festzustellen, dass in diesen letzten Entscheidungen offen mit unrichtigen Behauptungen hinsichtlich eines vermeintlichen „Wortlautes“ oder Gesetzesinhalts gearbeitet wurde, ohne dass auf die Sachargumente der entgegenstehenden Kritik inhaltlich eingegangen wurde (kritisch Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 44 SGB V, Rn. 33 ff. und § 46 SGB V Rn. 30).
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Hervorzuheben ist zudem die sich aus der fortgesetzten Rechtsprechung ergebende Diskrepanz zwischen der Unverbindlichkeit des ärztlichen Attestes hinsichtlich der hiermit zu beweisenden Inhalte und zugleich der unterstellten Unabänderlichkeit der aus der ärztlichen Prognose gefolgerten Auswirkungen. Die Rechtsprechung des 1. Senates des BSG verletzt bereits dadurch fundamentale Prinzipien des Verwaltungsverfahrensrechts, dass sie die im Verwaltungsverfahren per Verwaltungsakt getroffene Feststellung, ob ein Anspruch auf eine Leistung für einen bestimmten Zeitraum besteht, mit dem materiellen Anspruch gleichsetzt, auf den sich diese Feststellung bezieht. Der materielle Anspruch ist vom per Bescheid festgestellten Anspruch zwingend zu unterscheiden (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 –, Rn. 68). Hingegen schreibt der 1. Senat dem feststellenden Verwaltungsakt selbst materielle Wirkung auf den Anspruch zu, indem er behauptet, der Krankengeldanspruch ende mit der in der Bewilligung enthaltenen Bezugszeit (BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 30). Könnten Verwaltungsakte eine derartige Wirkung haben, wäre Rechtsschutz hiergegen unmöglich. Der Verwaltungsakt wäre hinsichtlich des hierin festgestellten Endes des Anspruchs entgegen § 62 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) i.V.m. §§ 77, 78 Abs.1 Satz 1 SGG nicht anfechtbar (vgl. schon SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 120).
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Indem das BSG zugleich ausführt, der Anspruch ende mit Ablauf des zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums (BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 30; fortgesetzt im Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R -), wird dieser Fehler sogar noch vertieft, da nicht mehr die Entscheidung der Behörde, sondern nur noch die in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthaltene „Befristung“, d.h. die vom Arzt zu ganz anderen Zwecken abgegebene Prognose über das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit den materiellen Anspruch determinieren soll (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – Rn. 20). Die Entscheidungspraxis des BSG läuft mittlerweile darauf hinaus, dass der Anspruch auf Leistungen nicht mit dem Ende des Bewilligungsabschnitts "endet", sondern dass der Arzt, der eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt, mit der Angabe eines Datums für die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit das (vorläufige) Ende des materiellen Krankengeldanspruchs auf spätestens dieses Datum festlegt. Rechtsdogmatisch nicht begründbar und rechtsstaatlich bedenklich wird hierdurch dem Arzt eine (diesem nicht bewusste und aus nichts ableitbare) Entscheidungskompetenz unterstellt, gegen deren Ausübung zudem weder dem Versicherten Rechtsmittel zuerkannt, noch dem Arzt Aufhebungsmöglichkeiten zugesprochen werden. Die Prognose des Arztes, die Arbeitsunfähigkeit dauere voraussichtlich noch bis zu dem mitgeteilten Datum, wird zur „Feststellung“ der Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Tag umgedeutet und hieran das Ende des materiellen Krankengeldanspruchs geknüpft. Der Versicherte wird nicht einmal „gehört“, wenn das weitere Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit über jeden Zweifel erhaben ist. Es spielt zudem keine Rolle, aus welchem Grund der Arzt die Erklärung überhaupt abgegeben hat und ob er tatsächlich davon ausgegangen ist, dass die Arbeitsfähigkeit am Tag nach dem Ende des Prognosezeitraums wieder eintreten wird (vgl. hierzu SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 149).
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Die durch die Rechtsprechung des BSG hergestellte Unumstößlichkeit dieser schriftlichen ärztlichen Erklärung zum voraussichtlichen Ende der Arbeitsunfähigkeit, die ungeachtet des tatsächlichen Erklärungswillens und ohne nachträgliche Anfechtungs- oder Korrekturmöglichkeiten auch nur innerhalb einer absoluten Ausschlussfrist (wieder) hergestellt werden kann, dürfte einmalig im deutschen Rechtssystem sein. Sie steht zudem deutlich im Widerspruch zu der vom 1. Senat des BSG erkannten Unverbindlichkeit der ärztlichen Bescheinigung für Krankenkassen und Gerichte (so bereits BSG, Beschluss vom 31.03.1998 – B 1 KR 56/96 B – Rn. 5; BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 18/04 R –, Rn. 20 m.w.N.). Denn hinsichtlich der übrigen darin enthaltenen Angaben ist sie auch nach der Rechtsprechung des BSG lediglich ein Beweismittel wie jedes andere, sodass der durch sie bescheinigte Inhalt durch andere Beweismittel widerlegt werden kann (u.a. BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 18/04 R –, Rn. 20).
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Sofern der 1. Senat für seine Auffassung anführt, der Gesetzgeber habe auch in Kenntnis der „jahrzehntelang bestehenden, wertungskonsistenten, in sich stimmigen“ höchstrichterlichen Rechtsprechung „aus gutem Grund“ davon abgesehen, die hier betroffenen gesetzlichen Grundlagen zu ändern (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R –, Rn. 22), kann für die Richtigkeit der dort vorgenommenen Rechtsanwendung aus dem „Untätigbleiben des Gesetzgebers“ nichts geschlussfolgert werden. Auf die Ausführungen des SG Mainz im Urteil vom 31.08.2015 (S 3 KR 405/13, Rn. 140 f.) kann Bezug genommen werden. Dort wird hierzu ausgeführt:
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„Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung verbreitete Praxis, das Festhalten an einer überkommenen Rechtsauffassung damit zu rechtfertigen, dass „der Gesetzgeber“ in Kenntnis der Rechtsprechung keine Gesetzesänderung vorgenommen habe, entbehrt einer rechtswissenschaftlichen Grundlage. Aus einer unterbliebenen Reaktion der Gesetzgebungsorgane auf eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung lässt sich seriös nichts ableiten, außer der offenkundigen Tatsache, dass der der Rechtsprechung (vorgeblich) zu Grunde liegende Normtext unverändert geblieben ist. Die Interpretation der Untätigkeit der Gesetzgebungsorgane als legitimierende Billigung der Rechtsprechung ist aus verfassungsrechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht begründbar.
- 91
Dies beruht zunächst darauf, dass es in der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes einen „Gesetzgeber“ nicht gibt, dessen monolithischer Wille jederzeit und zu jedem Problem unmittelbare Geltung beanspruchen könnte. Von einem „gesetzgeberischen Willen“ lässt sich nur metaphorisch sprechen und auch das nur bezogen auf das Ergebnis eines konkreten Gesetzgebungsvorgangs. Außerhalb von Gesetzgebungsvorgängen gibt es keinen „Gesetzgeber“, dessen schlichtes „Verhalten“ geltendes Recht schaffen könnte. Hieraus ergibt sich auch, dass die Geltung eines durch die Gesetzgebungsorgane gesetzten Normtextes, abgesehen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, nur durch Setzung weiterer Normtexte durch die gleichen oder durch höherrangige Gesetzgebungsorgane beseitigt werden kann. Hieran würde sich auch nichts ändern, wenn eine parlamentarische Mehrheit die Außerachtlassung des früher möglicherweise unter anderen politischen Mehrheitsverhältnissen gesetzten Normtextes durch die Rechtsprechung ausdrücklich billigen würde. Denn um einen zuvor durch die Gesetzgebungsorgane gesetzten Normtext legitimerweise außer Kraft zu setzen, bedarf es eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens. Das nach dem Grundgesetz vorgesehene Verfahren der Gesetzgebung mit Beteiligungsmöglichkeiten und Öffentlichkeit wird übergangen, wenn das Unterlassen des Gesetzgebers im Hinblick auf eine bestimmte Rechtsprechung mit deren Positivierung durch Gesetz gleichgesetzt wird.“
V.
- 92
Die zum 23.07.2015 erfolgte Änderung des § 46 SGB V durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) führt weder für die Zukunft noch rückwirkend zu einer wesentlichen Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Anforderungen für den Fortbestand des einmal entstandenen Krankengeldanspruchs. Die Änderung des Satz 1 der Vorschrift führt zum Wegfall des Karenztages. Der neu eingefügte Satz 2 der Vorschrift lautet:
- 93
„Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.“
- 94
Der Regelungsbereich dieser Norm betrifft also lediglich Fälle, in denen bereits ein Ende der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Derartige Fallkonstellationen entstehen vereinzelt, wenn ein Arzt – möglicherweise „auf Anweisung des MDK“ und sogar entgegen der eigenen Einschätzung (vgl. nur SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13) - ein Ende in der ausgestellten Bescheinigung mitgeteilt hat, obwohl die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich fortbestand. Auch sind Fallkonstellationen denkbar, in denen ein Arzt tatsächlich (zutreffend oder auch nicht) von einem Ende der Arbeitsunfähigkeit ausgeht und dieses bescheinigt.
- 95
Auf die im Regelfall von der Rechtsprechung für die Begründung eines vermeintlichen Anspruchsendes bislang in Bezug genommene ärztliche Prognose ist die Regelung des § 46 Satz 2 SGB V aber bereits begrifflich nicht anwendbar. Die üblicherweise in den verwendeten Formularen vom Arzt bescheinigte Prognose über ein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit ist gerade kein „bescheinigtes Ende“ derselben. Die durch die Rechtsprechung des 1. Senates des BSG begründete Auffassung, wonach die in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dokumentierte Prognose das Ende auch des materiellen Krankengeldanspruchs zur Folge habe (s.o.), lässt sich daher auch nicht auf die Neufassung des § 46 Satz 2 SGB V stützen.
- 96
Der zwingenden Differenzierung zwischen ärztlicher Prognose und ärztlicher Bescheinigung des Endes tragen die in der als Anlage zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) mit Wirkung zum 01.01.2016 vereinbarten Muster-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Rechnung, indem nunmehr vorgesehen ist, dass der bescheinigende Arzt neben einer Erst- oder Folgebescheinigung auch eine „Endbescheinigung“ erstellen kann, in der er nicht anzugeben hat, bis wann voraussichtlich Arbeitsunfähigkeit bestehen wird, sondern wann der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit war.
- 97
Ungeachtet des nur eingeschränkten Anwendungsbereichs der Neuregelung im Satz 2 des § 46 SGB V kann die bisherige Rechtsprechungspraxis mit dieser Norm weder gerechtfertigt noch in der Zukunft unter Berufung hierauf fortgeführt werden. Denn ein (neuer) Beendigungstatbestand kann aus der Norm auch weiterhin nicht abgeleitet werden. Eine Regelung, die eine Beendigung des Krankengeldanspruchs durch eine ärztliche Handlung („Feststellung der Arbeitsfähigkeit“, „Bescheinigung des Endes der Arbeitsunfähigkeit“) vorsieht, findet sich im SGB V weiterhin nicht. Sie wird von der Neuregelung allenfalls stillschweigend (im Hinblick auf die als Rechtslage unterstellte Rechtsprechung des BSG, vgl. BT-Drucks. 18/4095, S. 80 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.05.2012, Az. B 1 KR 20/11 R) vorausgesetzt. § 46 Satz 2 SGB V n.F. selbst enthält keinen ausdrücklichen Beendigungstatbestand (vgl. hierzu auch SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 160). Allenfalls mittels eines Umkehrschlusses könnte aus dem Umstand, dass der Anspruch „bestehen bleibt“, wenn eine Neufeststellung „spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt“ hergeleitet werden, dass er anderenfalls eben nicht bestehen bleibt. Eine solche (indirekte) Regelungstechnik entspricht allerdings nicht den Anforderungen des rechtsstaatlichen Gebotes der Normenklarheit und Normenwahrheit, wonach gesetzliche Regelungen so gefasst sein müssen, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag. Auch bei der Gewährung von Leistungen müssen die Normen in ihrem Inhalt für die Normunterworfenen klar und nachvollziehbar sowie in ihrer Ausgestaltung widerspruchsfrei sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 – Rn. 61). Zudem wird eine derart indirekte, weil stillschweigende und nur aus dem Umkehrschluss erkennbar werdende Regelung eines Beendigungstatbestandes dem Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I nicht gerecht (vgl. schon SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 161).
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Weiterhin ergibt sich weder aus § 46 SGB V n.F. noch aus anderen Normen des SGB V das Erfordernis einer Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit, einer ärztlichen Prognose oder gar das Erfordernis, dass ein Arzt das Ende der Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen habe. Vielmehr kann man (ebenfalls mittels Umkehrschlusses) aus § 46 Satz 2 SGB V n.F. ableiten, dass die prognostische Mitteilung des Arztes über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit gerade keine Auswirkungen auf den materiellen Krankengeldanspruch des Versicherten hat. Die Neuregelung bestätigt also keinesfalls die bisherige Rechtsprechung des BSG zur Wirkung der ärztlichen Prognose.
- 99
Erstmals aus der in der Neuregelung enthaltenen Formulierung „bescheinigtes Ende“ ergibt sich im Zusammenhang mit den Regelungen zum Krankengeldanspruch der Hinweis auf eine „Bescheinigung“. Wie ausgeführt, ist eine solche (anders als etwa nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG) für die Erlangung eines Krankengeldanspruchs bislang nicht Anspruchsvoraussetzung. Sollte bei der Neuregelung beabsichtigt gewesen sein, eine Bescheinigung (möglicherweise sogar mit einer absoluten Ausschlussfrist hinsichtlich des Datums der Ausstellung derselben) nunmehr zur Anspruchsvoraussetzung zu machen, wäre eine entsprechende Formulierung im Normtext möglich, aber auch erforderlich gewesen. Zudem ergibt sich aus der sprachlich möglicherweise verunglückten Konstruktion einer „weiteren Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit“ nach dem „bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit“ ein in den Gesetzgebungsmaterialien nicht diskutierter zusätzlicher Anspruch. Intendiert war vermutlich ein Normverständnis dahingehend, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich (trotz entgegenstehender „Bescheinigung“) nicht endete und daher ihr Fortbestehen ärztlich festgestellt wird. Durch die gewählte Formulierung wird aber zudem (wohl unbeabsichtigt, vgl. die Beschlussempfehlung, BT-Drucks. 18/5123, S. 121 am Ende) das Fortbestehen des Krankengeldanspruches sogar für den Fall normiert, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich (wie bescheinigt) endete und am nächsten Werktag eine neue Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird. Hierdurch wird ein durchgehender Krankengeldanspruch trotz zwischenzeitlicher Arbeitsfähigkeit über die bislang bestehenden Regelungen hinaus neu geschaffen. Dieser Effekt ist offensichtlich der (sich aus der in Bezug genommenen Rechtsprechung ergebenden) fehlenden sprachlichen Klarheit hinsichtlich der verwendeten Begriffe etwa der „Feststellung der Arbeitsunfähigkeit“ bzw. einer „Bescheinigung“ geschuldet.
- 100
Mit der (bei konsequenter Anwendung der vorhandenen Normen nicht erforderlichen) Neuregelung des § 46 SGB V sollte aber erkennbar der bisherigen „Praxis“ (wohl der Entscheidungspraxis des 1. Senates des BSG) punktuell gegengesteuert werden und jedenfalls für die häufigen Fälle der Attestierung am Folgetag bzw. am folgenden Montag der nach dieser Rechtsprechung eintretende Verlust nicht nur des Krankengeldanspruchs, sondern auch der entsprechenden Mitgliedschaft verhindert werden (vgl. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 18/4095, S. 80 f. ; BT-Drucks. 18/5123, S. 121 – Beschlussempfehlung). Allerdings wurde hierbei ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs die „ständige Rechtsprechung“ des BSG mit der „Rechtslage“ gleichgesetzt und ausgeführt, nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V seien die Versicherten gehalten, eine „Folgekrankheitsbescheinigung spätestens ab dem Tag vor dem Ablauf der (Erst-) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.“ Diese Obliegenheit der Versicherten sei höchstrichterlich in ständiger Rechtsprechung „bestätigt“ worden (BT-Drucks. 18/4095, S. 80 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.05.2012, Az. B 1 KR 20/11 R). Der Umstand, dass Verfasser eines Gesetzesentwurfes von einem nicht zutreffenden Inhalt bestehender gesetzlicher Regelungen ausgehen und diesen unterstellten Inhalt zur Grundlage einer Neuregelung machen, hat allerdings nicht zur Folge, dass hierdurch der unterstellte Norminhalt zum Gesetz wird. Tatsächlich existiert auch weiterhin keine gesetzliche Regelung (insbesondere nicht im SGB V), die im Zusammenhang mit der Gewährung von Krankengeld eine „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ oder gar eine „Folgekrankheitsbescheinigung“ zum Gegenstand hat. Die Pflicht, derartige Bescheinigungen „spätestens ab dem Tag vor dem Ablauf“ einer anderen Bescheinigung „vorzulegen“, wird dem Versicherten an keiner Stelle im Gesetz auferlegt.
- 101
Eine Billigung der „ständigen Rechtsprechung“ für alle von der Neuregelung nicht erfassten Fälle kann weder aus der Neuregelung selbst noch aus einem Untätigbleiben („Stillschweigen“) des Gesetzgebers im Übrigen abgeleitet werden. Auch eine jahrelange Rechtsprechung, die die gesetzlichen Regelungen außer Acht lässt, kann nicht dazu führen, dass diese Gesetze nicht mehr anzuwenden sind, solange sie nicht formell wirksam von den hierzu legitimierten Organen aufgehoben wurden (s.o.). Es wäre dem Gesetzgeber möglich, ein stärker formalisiertes Verfahren zur Erlangung und auch zur Aufrechterhaltung eines Krankengeldanspruches zu normieren. So könnte die Vorlage ärztlicher Bescheinigungen mit einem zu bestimmenden Mindestinhalt und in einer bestimmten Frequenz zur Voraussetzung gemacht werden, vergleichbar der Regelung des § 5 EFZG für die Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung. Für den Krankengeldanspruch gibt es eine solche gesetzliche Regelung derzeit aber nicht. Den Normbetroffenen erschließt sich derzeit bei Lektüre der maßgeblichen Vorschriften der von der Rechtsprechung des 1. Senates des BSG aufgestellte „Pflichtenkanon“ (erneute „fristgemäße“ Neufeststellung, wiederholte Meldung, „Informationsverteilungslasten“ u.ä.; vgl. nur BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R -, Rn. 28 f.) nicht. Nur bei Kenntnis der entsprechenden Urteile des BSG können Versicherte (und Krankenkassen) ahnen, welche Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung von Krankengeldansprüchen angeblich derzeit zu erfüllen sind. Bezeichnend ist insofern, dass sowohl die Entscheidungen der Krankenkassen als auch die mittlerweile flächendeckend durch diese versandten Hinweise an die Versicherten sich nicht auf Vorschriften des SGB V berufen können, sondern – wie auch im vorliegend angegriffenen Bescheid – allein der Hinweis auf die „aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts“ erfolgen kann.
- 102
Letztlich ist auch unter Berücksichtigung der Neufassung des § 46 Satz 2 SGB V nur in den von der Norm überhaupt erfassten (weil nicht spezialgesetzlich geregelten) Fällen des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V weiterhin lediglich eine erste ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für die Entstehung des Krankengeldanspruchs erforderlich.
VI.
- 103
Abgesehen von der Meldefrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V und nach der Neuregelung für die Fälle des § 46 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 SGB V n.F., in denen nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit eine Neufeststellung am nächsten Werktag erfolgt - finden sich keine weiteren vom Versicherten zu beachtenden Ausschlussfristen im Gesetz. In § 44 Abs. 1 SGB V wird ein Anspruch auf Krankengeld begründet, für dessen Entstehung lediglich das Vorliegen von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, in den Fällen des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V deren ärztliche Feststellung und in den Fällen des § 46 Satz 2 SGB V a.F. bzw. nunmehr § 46 Satz 3 SGB V der Ablauf der jeweiligen Karenzzeit erforderlich ist. Aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ergibt sich das weitere Erfordernis der Meldung gegenüber der Krankenkasse, da - sofern die Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit gemeldet wird - der Anspruch trotzt Bestehens ruht, also nicht durchsetzbar ist, solange die Meldung nicht erfolgt (zum Erfordernis nur einer ersten Meldung vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 -; siehe zuletzt SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 172). Sind diese gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung und Durchsetzbarkeit des Anspruchs durch den Versicherten erfüllt, ist die Krankenkasse zur Zahlung von Krankengeld verpflichtet. Das Ende des einmal entstandenen materiellen Anspruchs kann sich dann lediglich aus dem Entfallen der Anspruchsvoraussetzungen ergeben, wenn also die Arbeitsunfähigkeit endet (§ 44 Abs. 1 SGB V), wenn die Anspruchshöchstdauer des § 48 SGB V erreicht wird, wenn das Versicherungsverhältnis nicht mehr fortbesteht oder der Versicherte in eine Versichertengruppe ohne Anspruch auf Krankengeld fällt (vgl. § 44 Abs. 2 SGB V) oder bei Ausschluss oder Wegfall des Krankengeldes nach §§ 50, 51 SGB V. An diese gesetzlichen Regelungen sind die Gerichte gebunden. Weitere, einschränkende Erfordernisse für die Entstehung oder den Fortbestand des einmal entstandenen Anspruchs aufzustellen, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage gibt, verstößt nicht nur gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Dem stehen auch die einfachgesetzlichen Regelungen des § 2 Abs. 2 SGB I und § 31 SGB I entgegen.
- 104
Solange die genannten Voraussetzungen fortbestehen, fehlt es für eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X am Eintritt einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen. Das Vorliegen von lückenlosen oder sogar sich überschneidenden ärztlichen Prognosen hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer ist für den Krankengeldanspruch nicht von Bedeutung, so dass sich hieraus auch keine „wesentliche“ Änderung ergeben kann.
- 105
Daher war die Beklagte zur Zahlung von Krankengeld für die geltend gemachte Zeit zu verurteilen.
- 106
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG.
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