Urteil vom Sozialgericht Speyer (19. Kammer) - S 19 KR 409/14

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Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2014 verurteilt, dem Kläger weiteres Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 17.02.2014 bis zum 22.04.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

3. Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von weiterem Krankengeld über den 16.02.2014 hinaus bis zum 22.04.2014.

2

Der 1951 geborene Kläger ist freiberuflicher Versicherungsmakler mit Außendiensttätigkeit. Im Rahmen seiner Tätigkeit absolviert er mitunter Autofahrten von bis zu 200 km. Er ist als hauptberuflich Selbstständiger bei der Beklagten freiwillig krankenversichert, wobei er auf Grund einer entsprechenden Wahlerklärung einen Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit hat.

3

Am 02.01.2014 erlitt der Kläger einen Vorderwandinfarkt und war in der Folgezeit arbeitsunfähig. Zunächst wurde er bis zum 16.01.2014 stationär im Krankenhaus L… behandelt. Im Anschluss führte er vom 22.01.2014 bis 12.02.2014 eine Anschluss-Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung Bund durch.

4

Mit Folgebescheinigung vom 16.01.2014 attestierte ihm sein Hausarzt Dr. W… (Facharzt für Allgemeinmedizin) zunächst Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnosen I21.0G [Akuter transmuraler Myokardinfarkt der Vorderwand] und I25.13G [Atherosklerotische Herzkrankheit, Drei-Gefäß-Erkrankung]. Auf dieser Bescheinigung gab der Arzt an, der Kläger sei voraussichtlich arbeitsunfähig bis zum 24.01.2014. Mit weiterer Folgebescheinigung vom 12.02.2014 attestierte der Arzt weitere Arbeitsunfähigkeit und gab an, der Kläger sei voraussichtlich arbeitsunfähig bis zum 16.02.2014.

5

Mit Schreiben vom 12.02.2014 informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass bei ihm Arbeitsunfähigkeit weiterhin bestehe und bat um Übersendung eines Auszahlscheines, da ein solcher nach Auskunft seines Arztes nach Ablauf des 16.02.2014 erforderlich sei. Wörtlich schrieb der Kläger: „Wie man mir dort sagte, benötige ich für die Zeit nach dem 16. Febr. einen Zahlschein. Bitte senden Sie mir diesen zu.“

6

Mit Schreiben vom 19.02.2014 übersandte die Beklagte den angeforderten Auszahlschein, der dem Kläger am Nachmittag des 21.02.2014, einem Freitag zuging. In dem Anschreiben vom 19.02.2014 heißt es u.a.:

7

„Guten Tag, Herr …,
Sie sind zurzeit krank und arbeitsunfähig. …

8

Bitte füllen Sie und Ihr behandelnder Arzt für den Nachweis Ihrer Arbeitsunfähigkeit … den beiliegenden Zahlschein aus. Wir zahlen das Krankengeld jeweils für den zurückliegenden Zeitraum bis zu dem Tag aus, an dem Ihr Arzt den Zahlschein unterschrieben hat. Bitte beachten Sie auch die Hinweise auf dem Merkblatt „Erläuterungen zum Zahlschein“.“

9

Auf der Rückseite des Zahlscheins waren die genannten „Erläuterungen“ abgedruckt. Hier wurde u.a. ausgeführt, über das Einreichen der Zahlscheine könne der Kläger steuern, in welchen Abständen er Krankengeld erhalte. So könne er z.B. zum Monatsende den Zahlschein ausstellen lassen und bekomme dann einmal monatlich Krankengeld per Überweisung. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass stets die Einhaltung der folgenden Fristen zu beachten sei: Auf dem Zahlschein gebe der Arzt an, wie lange der Kläger voraussichtlich arbeitsunfähig sei. Spätestens am letzten Tag dieses Zeitraums müsse der Arzt die weitere Arbeitsunfähigkeit auf einem neuen Zahlschein bestätigen. Nur bei einer „nahtlosen Bescheinigung“ könne lückenlos Krankengeld gezahlt werden.

10

Der Kläger ließ daraufhin den Auszahlschein am 12.03.2014 von seinem behandelnden Arzt ausfüllen, der hierin angab, es bestehe noch Arbeitsunfähigkeit. Als Diagnosen gab der Arzt wiederum I21.0G und I25.13G an. Einen weiteren Zahlschein übersandte die Beklagte dem Kläger am 07.04.2014, den der Arzt des Klägers am 05.05.2014 ausfüllte und hierbei angab, es bestehe noch Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis 30.05.2014.

11

Mit Bescheid vom 11.04.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, „nach aktueller Rechtsprechung des Bundessozialgerichts“ sei eine durchgängige Arbeitsunfähigkeit nur gegeben, wenn diese vom Arzt nahtlos bescheinigt werde. Bei einer zeitlich befristeten Feststellung der Arbeitsunfähigkeit müssten die Voraussetzungen für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt erneut vom Arzt festgestellt werden, und zwar noch während der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Eine durchgehend bescheinigte Arbeitsunfähigkeit liege beim Kläger jedoch leider nicht vor. Denn diese hätte spätestens am letzten Tag der attestierten Arbeitsunfähigkeit, d.h. am 16.02.2014, verlängert werden müssen. Daher seien die Voraussetzungen für den Bezug von Krankengeld nach dem 16.02.2014 nicht gegeben.

12

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 16.04.2014 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 08.05.2014 weiter begründete.

13

Mit Bescheid vom 23.04.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger letztlich Krankengeld für die Zeit vom 13.02.2014 bis zum 16.02.2014 in Höhe von 62,44 Euro netto kalendertäglich. Mit Schreiben vom selben Tag hörte sie den Kläger dazu an, aufgrund von Beitragsrückständen die Hälfte dieses Krankengeldes einzubehalten.

14

Am 08.05.2014 übersandte die Beklagte dem Kläger ein Schreiben mit dem Betreff „Neue Verfahrensweise zum Krankengeld“. Hierin wurde der Kläger u.a. gebeten, künftig die Erläuterungen zu beachten, die sich auf der Rückseite des Zahlscheines befänden. So müsse der Arzt unbedingt angeben, wie lange der Kläger voraussichtlich arbeitsunfähig sei. Sollte der Kläger dann über diesen Zeitraum hinaus weiter arbeitsunfähig sein, so müsse er spätestens am letzten Tag der attestierten Krankschreibung erneut beim Arzt vorstellig werden. Denn nur so sei eine nahtlose Bescheinigung gewährleistet und es bestehe ein Anspruch auf Krankengeld.

15

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 11.04.2014 zurück. Für die Zeit vom 17.02.2014 bis zum 11.03.2014 liege der Beklagten kein Nachweis der Arbeitsunfähigkeit vor. Für die am 12.03.2014 attestierte Arbeitsunfähigkeit habe der Kläger nach Ablauf von 42 Wartetagen ab dem 23.04.2014 wieder einen Anspruch auf Krankengeld.

16

Am 27.06.2014 hat der Kläger hiergegen die vorliegende Klage erhoben. Er trägt vor, aufgrund des Hinweises auf dem ihm erst neun Tage nach seiner schriftlichen Anforderung übersandten Auszahlscheines sei er davon ausgegangen, dass eine zeitnahe Vorlage nicht mehr erforderlich sei. Dem Schreiben sei in keiner Weise zu entnehmen gewesen, dass eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hätte vorgelegt werden müssen. Auch bei zahlreichen telefonischen Kontakten sei ein entsprechender Hinweis der Beklagten nicht erfolgt. Er habe daher davon ausgehen dürfen, dass die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit mit der „Bescheinigung zur Krankengeldzahlung“ erfolge. Mit einer solchen Bescheinigung werde Arbeitsunfähigkeit immer rückwirkend festgestellt, nämlich seit dem Ende des letzten Zeitraumes der Arbeitsunfähigkeit bis zum Zeitpunkt der Ausstellung. Für diesen Zeitraum sei dann auch Krankengeld zu gewähren. Jedenfalls liege aber ein Ausnahmefall vor, in dem eine unterbliebene ärztliche Feststellung rückwirkend nachgeholt werden könne. Denn er habe alles in seiner Macht stehende und ihm zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren. Letztlich sei er von der Beklagten an der ordnungsgemäßen Durchführung gehindert worden. Aufgrund der verspäteten Übersendung des Auszahlscheines habe er frühestens am 21.02.2014 (Freitag) nachmittags einen Arzt aufsuchen können. Da er aber nach Rücksprache mit der Beklagten davon ausgegangen war, dass Arbeitsunfähigkeit auch rückwirkend festgestellt werden könne, habe er bis zur Urlaubsrückkehr seines Arztes nichts weiter veranlasst und dann zeitnah den entsprechenden Zahlschein vorgelegt. Es sei daher Sache der Beklagten gewesen, ihn rechtzeitig auf die „besonderen gesetzlichen Regelungen“ und deren „gravierende Folgen“ bei Nichteinhaltung hinzuweisen.

17

Weiter macht der Kläger geltend, die Beklagte könne sich nicht jetzt auf allgemeine Grundsätze und Richtlinien berufen, die ihm in der fraglichen Zeit als Laien nicht bekannt sein konnten. Mit dem ihm erst am 21.02.2014 zusammen mit dem angeforderten Zahlschein übersandten Schreiben vom 19.02.2014, in dem ihm aufgegeben wurde, den beiliegenden Zahlschein mit dem behandelnden Arzt für den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit auszufüllen und zugleich die Zahlung von Krankengeld jeweils für den zurückliegenden Zeitraum bis zum Ausstellungstag angekündigt wurde, habe die Beklagte die Aussage des Arztes zunächst bestätigt. Vor diesem Hintergrund wäre die (aufgrund der Übersendung am 19.02.2014 ohnehin unmögliche) Ausfüllung des Zahlscheines am 16.02.2014 erkennbar ohne Sinn gewesen, da bis zum 16.02.2014 bereits eine Bescheinigung vorlag. Ein am 16.02.2014 ausgefüllter Auszahlschein hätte daher nach der Mitteilung der Beklagten gerade keine (weitere) Krankengeldzahlung ausgelöst. Durch das Anschreiben sei er von der Beklagten vielmehr ausdrücklich dazu veranlasst worden, den Zahlschein rückwirkend ausfüllen zu lassen. Bei der Ausstellung habe ihm letztlich der Arzt Dr. W… bescheinigt, dass die Arbeitsunfähigkeit nahtlos seit dem 02.01.2014 fortbestanden habe. Eine nahtlose Bescheinigung liege daher vor. Auch mit dem von der Beklagten am 07.04.2014 übersandten und von Dr. W… am 05.05.2014 ausgestellten Zahlschein („Ärztliche Bescheinigung zur Arbeitsunfähigkeit ab 02.01.2014“) sei wieder so verfahren worden. Offenbar habe die Beklagte in der hier streitigen Zeit neue Regeln zur Krankengeldzahlung aufgestellt, mit denen nun im Nachhinein versucht werde, Krankengeldansprüche zu verweigern. Dies dürfe ihm, dem diese neuen Regeln im Februar 2014 noch nicht bekannt gewesen seien, aber nicht zum Nachteil gereichen. Erst mit Schreiben vom 08.05.2014 habe die Beklagte über die „Neue Verfahrensweise zum Krankengeld“ informiert.

18

Er sei durchgehend bis zum Juli 2014 aufgrund der schweren Herzerkrankung arbeitsunfähig gewesen. Es habe bei ihm bei Zustand nach Myokardinfarkt nachweislich noch eine eingeschränkte Pumpfunktion des Herzens sowie die Gefahr lebensbedrohlicher Herz-Rhythmus-Störungen mit Bewusstlosigkeit und plötzlichem Herzstillstand bestanden. Er sei auf das Tragen eines „Defibrillators“ angewiesen gewesen. Auf ärztlichen Rat habe er sich daher geschont und habe keiner wie auch immer gearteten Tätigkeit nachgehen können. Zudem sei für ihn nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte nach Vorlage des Zahlscheines vom 12.03.2014 erneut eine Wartezeit von 42 Kalendertagen angesetzt habe.

19

Der Kläger beantragt,

20

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2014 zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld vom 17.02.2014 bis zum 22.04.2014 nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

21

Die Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Zur Begründung trägt sie vor, bei der Übersendung des Auszahlscheines am 19.02.2014 sei der Kläger auf die Wichtigkeit eines nahtlosen Nachweises der Arbeitsunfähigkeit hingewiesen worden. Zur nahtlosen Attestierung sei am 16.02.2014 kein Zahlschein der Beklagten erforderlich gewesen, sondern es habe auf dem Muster Nummer 17 bescheinigt werden können. Zu diesem Zeitpunkt sei für die Beklagte nicht ersichtlich gewesen, dass über den 16.02.2014 weiterhin Arbeitsunfähigkeit vorliegen würde und diese nicht rechtzeitig attestiert werden würde. Jedenfalls habe die Beklagte ihre Mitglieder in ihrer Mitgliederzeitschrift und in dem hkk-Magazin über die Wichtigkeit des lückenlosen Nachweises hingewiesen. Eine Spontanberatung habe zu diesem Zeitpunkt die vorliegende „nicht nahtlose Arbeitsunfähigkeit“ des Klägers nicht heilen können. Insofern weist die Beklagte auf das Urteil des BSG vom 10.05.2012 (B 1 KR 19/11 R) hin, wonach unzutreffende rechtliche Ratschläge von zur Behandlung Versicherter zugelassenen Ärzten zwar Schadensersatzansprüche gegen die Ärzte, nicht aber Krankengeldansprüche gegen Krankenkassen auslösen könnten. Hinsichtlich der erneut angesetzten Wartezeit von 42 Kalendertagen verweist die Beklagte auf das Urteil des BSG vom 12.03.2013 (B 1 KR 4/12 R). Nach dieser Rechtsprechung des BSG könne demgemäß der Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag, der dem Tag der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung folge, beginnen. Ein Ausnahmetatbestand, wonach die ärztliche Feststellung der AU ausnahmsweise rückwirkend nachgeholt werden könne, liege beim Kläger nicht vor.

24

Das Gericht hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes bei dem behandelnden Hausarzt Dr. W… vom 27.11.2014. Dieser teilte mit, es hätte weiterhin eine deutliche Einschränkung der körperlichen und geistigen Belastungsfähigkeit des Klägers und damit eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Auf Nachfrage des Gerichts teilte er mit einer weiteren Stellungnahme vom 09.12.2014 mit, am 12.02.2014 hab er den Kläger aufgrund einer anhaltenden verminderten Belastungsfähigkeit nach stattgehabtem Myocardinfarkt mit zu diesem Zeitpunkt noch hoch- bis mittelgradig eingeschränkter Pumpfunktion bis zum 16.02.2014 als arbeitsunfähig „eingestuft“. Ein Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit über den 17.02.2014 hinaus sei zu diesem Zeitpunkt der Attestierung zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher abzusehen gewesen.

25

Die Beklagte hat das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit gleichwohl bestritten. Es sei durch den „nicht nahtlosen Nachweis“ der Arbeitsunfähigkeit über den 16.02.2014 hinaus für die Beklagte nicht nachzuvollziehen, ob der Kläger seiner selbstständigen Tätigkeit in der Gänze nicht nachkommen konnte.

26

In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht den Behandler Dr. W… als Zeugen vernommen. Dieser gab an, er habe den Kläger bis zum 16.02.2014 krankgeschrieben, weil seine Praxis im Anschluss urlaubsbedingt geschlossen gewesen sei. In der Regel schreibe er Patienten, bei denen eine längere Krankheit absehbar sei, für 14 Tage krank, um sicherzustellen, dass die Patienten sich regelmäßig vorstellen. Sofern er in den ausgestellten Attesten ein voraussichtliches Ende bescheinige, wolle er damit niemals zum Ausdruck bringen, dass an diesem Tag die Arbeitsunfähigkeit ende. Zum Gesundheitszustand des Klägers in der Zeit vom 16.02.2014 bis zum 12.03.2014 gab der Arzt an, der Kläger habe an einer herabgesetzten Pumpfunktion des Herzens gelitten. Zusammen mit dem zugleich bestehenden schweren Diabetes habe er ihn für arbeitsunfähig bezogen auf seine konkrete Tätigkeit als freiberuflich Selbstständiger gehalten. Er könne nicht sicher sagen, ob der Kläger in der fraglichen Zeit eine ganz leichte Tätigkeit hätte ausüben können. Der Kläger habe in dieser Zeit wohl einen Event-Rekorder getragen. Bei der Wiedervorstellung am 12.03.2014 sei der Zustand des Klägers unverändert zu der Vorstellung im Februar gewesen. Es sei unwahrscheinlich, dass er in der Zwischenzeit vorübergehend arbeitsfähig gewesen sei. Wenn der Kläger am 16.02.2014 vorstellig geworden wäre, hätte er ihn für weitere zwei Wochen arbeitsunfähig schreiben können. Er habe allerdings das Muster 17 selbst nicht vorrätig. Jede Kasse habe insofern ihre eigenen Verfahren und Formulare, so dass er immer das Formular verwende, das der jeweilige Patient von seiner Krankenkasse vorlege.

27

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe

28

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

29

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

30

Der Kläger hat dem Grunde nach (§ 130 SGG) einen Anspruch auf Zahlung von weiterem Krankengeld für die Zeit vom 17.02.2014 bis zum 22.04.2014. Der Bescheid der Beklagten vom 11.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er war daher aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auch über die von ihr zuerkannten Zeiträume hinaus Krankengeld zu gewähren.

31

Der Anspruch auf Krankengeld ist vorliegend wirksam entstanden und war für die hier streitige Zeit auch in vollem Umfang durchsetzbar. Insbesondere endete er nicht deshalb, weil dem Kläger nicht spätestens am 16.02.2014 eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder ein Auszahlschein ausgestellt worden war.

32

Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Krankengeld ist § 44 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), wonach Versicherte Anspruch auf Krankengeld haben, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Hauptberuflich selbständig Erwerbstätige haben gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V nur dann einen Anspruch auf Krankengeld, wenn sie gegenüber der Krankenkasse erklären, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung). Da der Kläger eine solche Wahlerklärung abgegeben hat, war er im streitgegenständlichen Zeitraum mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten freiwillig versichert.

I.

33

Der Kläger war im streitigen Zeitraum wegen der anhaltend verminderten Belastungsfähigkeit nach dem im Januar 2014 erlittenen Myocardinfarkt arbeitsunfähig.

34

Der Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach dem Umfang des Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis. Arbeitsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -; alle Urteile im Folgenden zitiert nach juris).

35

Der Kläger war im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit am 02.01.2014 als freiberuflicher Versicherungsmakler im Außendienst tätig. Diese Tätigkeit konnte er in der hier streitigen Zeit ab dem 17.02.2014 ebenso wenig ausüben, wie in der von der Beklagten hinsichtlich des Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit nicht in Frage gestellten Zeit ab dem 12.03.2014.

36

Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer insbesondere aus den vom behandelnden Arzt Dr. W… erteilten Befundberichten und aus dessen Aussage in der mündlichen Verhandlung. Dieser hatte mitgeteilt, dass weiterhin eine deutliche Einschränkung der körperlichen und geistigen Belastungsfähigkeit des Klägers und damit eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit im fraglichen Zeitraum bestanden haben. Aufgrund der im Zeitpunkt der Untersuchung im Februar 2014 noch anhaltend verminderten Belastungsfähigkeit nach dem stattgehabtem Myocardinfarkt mit weiterhin hoch- bis mittelgradig eingeschränkter Pumpfunktion des Herzens ist der Arzt zur Einschätzung von Arbeitsunfähigkeit gelangt. Konkret zum Gesundheitszustand des Klägers in der Zeit vom 16.02.2014 bis zum 12.03.2014 gab der Arzt an, der Kläger habe weiterhin an einer herabgesetzten Pumpfunktion des Herzens gelitten. Zusammen mit dem zugleich bestehenden schweren Diabetes habe er ihn für arbeitsunfähig bezogen auf seine konkrete Tätigkeit als freiberuflich Selbstständiger gehalten. Bei der Wiedervorstellung am 12.03.2014 sei der Zustand des Klägers unverändert zu der Vorstellung im Februar gewesen. Eine zwischenzeitlich vorübergehend eingetretene Arbeitsfähigkeit sei unwahrscheinlich.

37

Hieraus ergibt sich für die Kammer das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers in der streitigen Zeit. Insbesondere gibt es – gerade in Ansehung des konkret vorliegenden Erkrankungsbildes – keinen Anhalt dafür, dass die auch im März 2014 noch eingeschränkte Belastungsfähigkeit zwischenzeitlich kurzfristig entfallen sein könnte. Die hieraus resultierende Arbeitsunfähigkeit in der Zeit ab dem 12.03.2014 hat die Beklagte ebenso wenig angezweifelt, wie in der Zeit vor dem 17.02.2014.

II.

38

Für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V abgegeben haben, entsteht der gesetzliche Anspruch gemäß § 46 Satz 2 SGB V in der hier maßgeblichen bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F., nunmehr Satz 3) abweichend von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an.

39

Der Anspruch auf Krankengeld ist vorliegend ab dem 43. Tag der am 02.01.2014 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit, also ab dem 13.02.2014 entstanden (vgl. § 40 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuche [SGB I] i.V.m. § 46 Satz 2 SGB V a.F.). Für die Zeit vom 13.02.2014 bis zum 16.02.2014 hat die Beklagte dem Kläger das Krankengeld letztlich auch zwei Monate später mit Bescheid vom 23.04.2014 bewilligt. Der Anspruch bestand jedoch auch über den 16.02.2014 hinaus fort, da der Kläger - wie bereits ausgeführt - auch weiterhin arbeitsunfähig war. Für die Folgezeit ab dem 23.04.2014 hat die Beklagte Krankengeld auch tatsächlich wieder gewährt.

40

Weder endete der Anspruch, weil dem Kläger nicht spätestens am 16.02.2014 eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder ein Auszahlschein ausgestellt worden war (1.), noch trat nach der Attestierung am 12.03.2014 eine weitere Karenzzeit von 42 Tagen ein (2.).

41

1. Einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bedurfte es vorliegend bereits für die Entstehung des Anspruchs nicht, da anders als nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V gemäß § 46 Satz 2 SGB V a.F. für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V abgegeben haben, der Anspruch von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an entsteht. Für diese Versicherten kommt es daher weder auf den Zeitpunkt einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an, noch bedarf es für die Entstehung des Anspruchs überhaupt einer ärztlichen Feststellung im Sinne des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V (vgl. zu der Regelung des § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V betreffend den Krankengeldanspruch bei Beziehern von Arbeitslosengeld: SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 41). Daher konnte der Anspruch des Klägers auch nicht deshalb enden, weil keine weitere (rechtzeitige bzw. „überlappende“) ärztliche Feststellung bis zum 16.02.2014 erfolgt war.

42

1.1 Der bisherigen Rechtsprechung des BSG, die bei allen Krankenversicherungsverhältnissen das „ob“ und „wann“ der Entstehung eines Krankengeldanspruchs von einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abhängig macht, ist nicht zu folgen. Nach der Rechtsprechung des bis Ende 2014 für das Krankengeldrecht zuständig gewesenen 1. Senats des BSG sollte auch bei Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V sowie bei freiwillig mit Krankengeldanspruch Versicherten im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB V neben Arbeitsunfähigkeit deren ärztliche Feststellung nach § 46 Satz 1 SGB V Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld sein (BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 32; BSG, Urteil vom 12.03.2013 – B 1 KR 4/12 R –, Rn. 10, 18 zu einer nach früherem Recht ergangenen Satzungsregelung).

43

Zu der für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V einschlägigen Regelung des § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V (früher § 158 Abs. 1 Satz 2 AFG) führte der 1. Senat des BSG aus, diese Vorschrift ordne zwar die Gewährung von Krankengeld vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an. „Mit Rücksicht auf § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V“ sei dieser Bestimmung dennoch nicht zu entnehmen, dass es - anders als bei allen anderen Krankenversicherungsverhältnissen - insoweit auf den wirklichen Beginn der Arbeitsunfähigkeit und nicht auf die ärztliche Feststellung ankommen solle (BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35; dem folgend Brandts in: KassKomm, SGB V § 47b Rn. 13, die aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V mit dem BSG den Grundsatz herausliest, es sei bei allen KV-Verhältnissen die ärztlich „festgestellte“, nicht die „wirkliche“ AU gemeint, anders dieselbe dann aber für den hier einschlägigen § 46 Satz 2 SGB V a.F.: Die Wartezeit (Karenzzeit) beginne mit dem Eintritt der AU, nicht erst mit deren Feststellung, vgl. Brandts in: KassKomm, SGB V § 46 Rn. 22, 25). Der 1. Senat des BSG hat zwar den bisher in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. normierten Karenztag bei dem Entstehen des Krankengeldanspruchs im Fall einer nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V Versicherten im Ergebnis zu Recht nicht berücksichtigt (vgl. BSG, Urteil vom 06.11.2008 – B 1 KR 37/07 R – Rn. 23). Gleichwohl hat er eine ärztliche Feststellung zur Anspruchsentstehung und (unter Berücksichtigung der eigenen „Rechtsprechung zu § 46 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V“) sogar für die Anspruchsaufrechterhaltung für erforderlich erklärt (BSG, Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 38/06 R –, Rn. 21).

44

In dieselbe Richtung weist hinsichtlich der Anspruchsentstehung die Entscheidung des BSG zu einem freiwillig mit Krankengeldanspruch Versicherten (Urteil vom 12.03.2013 – B 1 KR 4/12 R – Rn. 18, allerdings zu einer nach früherem Recht ergangenen Satzungsregelung). Aus der seinerzeit zu Grunde zu legenden Satzungsvorschrift ergab sich ein Krankengeldanspruch vom Beginn der dritten Woche (15. Tag) der Arbeitsunfähigkeit an. Der 1. Senat des BSG entschied hierzu, dass dies „im Falle des § 46 S 1 Nr 2 SGB V“ bedeutet, dass der Krankengeldanspruch ab dem 15. Tag, der dem Tag der ärztlichen AU-Feststellung folgt, beginnen konnte. Dem lag der (in dieser Entscheidung nicht näher erläuterte) Ansatz zugrunde, es gebe einen „allgemeinen gesetzlichen Entstehungszeitpunkt“ (BSG, Urteil vom 12.03.2013 – B 1 KR 4/12 R –, Rn. 10; im konkreten Fall hatte ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit zwei Tage nach dem vermeintlichen Beginn festgestellt und rückwirkend attestiert).

45

Anhand der anzuwendenden gesetzlichen Regelungen lässt sich ein solches Erfordernis der ärztlichen Feststellung für die Anspruchsentstehung „bei allen Krankenversicherungsverhältnissen“ jedoch nicht begründen (vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 44 ff.). Gemäß § 40 Abs. 1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. § 46 SGB V ist in diesem Sinne eine spezielle gesetzliche Regelung zur Entstehung von Krankengeldansprüchen. Für die Fälle von Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung regelt § 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld mit dem Beginn der jeweiligen Behandlung. Der bisherige Satz 2 der Norm (seit dem 23.07.2015 Satz 3) bestimmt für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten sowie für Versicherte, die – wie der Kläger - eine Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 SGB V abgegeben haben, dass der Anspruch von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an entsteht. Der bisherige Satz 3 (jetzt Satz 4) enthält hierzu noch eine Modifikation bei einer entsprechenden Tarifwahl (nach § 53 Abs. 6 SGB V) eines nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten. Auch § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V enthält eine spezielle Regelung, wonach für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Bezieher von Arbeitslosengeld) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt wird, der Anspruch also von diesem Tag an entsteht. Eine ärztliche Feststellung ist daher in all diesen Fällen nicht Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs.

46

Lediglich in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V wird für das Entstehen des Anspruchs eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vorausgesetzt. Bis zum 22.07.2015 enthielt die Regelung zudem einen sog. „Karenztag“, der mit der Neuregelung durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) mit Wirkung zum 23.07.2015 entfallen ist. In den von der Norm erfassten Fällen entstand der Anspruch daher erst einen Tag nach bzw. entsteht er nunmehr von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.

47

Für den Kläger als freiwillig Versicherten, der eine Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 abgegeben hat, ist § 46 Satz 2 SGB V a.F. maßgeblich, der abweichend von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V spezialgesetzlich regelt, dass der Anspruch von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an entsteht. Für die Anwendung des allgemeineren § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V verbleibt kein Raum. Da schon für das Entstehen des Anspruchs lediglich das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit und der Ablauf der Karenzzeit von 42 Tagen vorausgesetzt ist, ist kein Grund ersichtlich, warum der Anspruch – trotz fortbestehender Arbeitsunfähigkeit – mit Ablauf des 16.02.2014 hätte enden können.

48

1.2 Selbst wenn man aber mit der Rechtsprechung des BSG trotz der spezielleren Regelung des § 46 Satz 2 SGB V a.F. auch bei Versicherten, die eine Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V abgegeben haben, für die Entstehung des Anspruchs eine ärztliche Feststellung für erforderlich halten würde, wäre diese Voraussetzung im Fall des Klägers erfüllt (1.2.1). Eine „Lückenlosigkeit“ von ärztlichen Feststellungen, Bescheinigungen oder Prognosen über die Arbeitsunfähigkeit des Klägers war für die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld nicht erforderlich (1.2.2).

49

1.2.1 Zunächst befand sich der Kläger auf Grund des erlittenen Vorderwandinfarktes ab dem ersten Tag seiner Arbeitsunfähigkeit am 02.01.2014 in stationärer Krankenhausbehandlung. Am Tag seiner Entlassung am 16.01.2014 stellte sein Hausarzt Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnosen I21.0G [Akuter transmuraler Myokardinfarkt der Vorderwand] und I25.13G [Atherosklerotische Herzkrankheit, Drei-Gefäß-Erkrankung] fest und attestierte ihm diese auf einer sog. Folgebescheinigung. Eine weitere Feststellung erfolgte am 12.02.2014 durch denselben Arzt, der nochmals eine Folgebescheinigung ausstellte.

50

Die „ärztliche Feststellung“ ist als tatsächliche Wahrnehmung des Arztes das Ergebnis einer persönlichen ärztlichen Untersuchung. Der Arzt muss auf Grund seiner Befunderhebung zu der Erkenntnis gelangen, dass der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht in der Lage ist, die im Einzelfall maßgeblichen Tätigkeiten zu verrichten. Als Erkenntnisvorgang ist die ärztliche Feststellung also die Erhebung der medizinisch relevanten Tatsachen und die Beurteilung von deren Auswirkungen auf das aktuelle Leistungsvermögen des Versicherten.

51

Über diese Feststellung stellt der Arzt für Versicherte, die von ihrem Arbeitgeber Entgeltfortzahlung oder aber von der Bundesagentur für Arbeit Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen können, eine Bescheinigung im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 9 SGB V aus (vgl. § 5 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall – Entgeltfortzahlungsgesetz [EFZG]; § 5 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V [Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien], § 146 Abs. 3 SGB III). Die ärztliche Feststellung in diesem Sinne ist daher nicht mit der hierüber ausgestellten Bescheinigung, etwa der „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ oder dem Auszahlschein gleichzusetzen (zur notwendigen Differenzierung vgl. auch BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R -, Rn. 26). Ob ein Arzt Arbeitsunfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellt hat, kann erforderlichenfalls auch noch im Rahmen der gerichtlichen Beweiserhebung durch eine Befragung des Arztes ermittelt werden. Das Erfordernis eines „Attestes“ oder einer „Bescheinigung“ ist den gesetzlichen Bestimmungen zum Anspruch auf Krankengeld nicht zu entnehmen (zuletzt SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 53; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 39f.).

52

Insofern kann hier offenbleiben, ob eine ärztliche Feststellung im beschriebenen Sinne auch schon bei der stationären Aufnahme am 02.01.2014 durch einen Krankenhausarzt getroffen wurde. Der Gesundheitszustand des Klägers hätte dies ohne Zweifel gerechtfertigt, die Fragestellung, ob und gegebenenfalls welche maßgebliche Tätigkeit der soeben stationär Aufgenommene hätte ausüben können, dürfte aber nicht im Raum gestanden haben. Richtigerweise hat vorliegend die Beklagte aber die 42tägige Karenzzeit ab dem tatsächlichen Beginn der Arbeitsunfähigkeit – unabhängig von einer hierauf bezogenen ärztlichen Feststellung - angewandt.

53

1.2.2 Entgegen der Auffassung der Beklagten kann erst recht keine „Lückenlosigkeit“ von ärztlichen Feststellungen, Bescheinigungen oder Prognosen über die Arbeitsunfähigkeit des Klägers für die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld gefordert werden. Bereits für die Entstehung des Anspruchs war, wie oben ausgeführt, eine ärztliche Feststellung nicht erforderlich.

54

Selbst wenn man jedoch abweichend von der hier vertretenen Auffassung eine Feststellung nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V „bei allen“ Krankenversicherungsverhältnissen zur Entstehung des Anspruchs für erforderlich halten sollte (so BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35, vgl. oben II.1.), entfiele der einmal entstandene Anspruch nicht deshalb, weil eine „Lücke in den AU-Feststellungen“ vorliegt oder weil keine „lückenlosen“ (gemeint bislang wegen der Karenzregelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. tatsächlich „sich überschneidenden“) ärztlichen Bescheinigungen oder aber Prognosen vorliegen.

55

Der Rechtsprechung des bis Ende 2014 für das Krankengeldrecht zuständigen 1. Senats des BSG (siehe hierzu III.) kann auch in diesem Punkt nicht gefolgt werden. Nach dieser Rechtsprechung hat der Versicherte auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich „rechtzeitig vor Fristablauf“ erneut ärztlich feststellen zu lassen und seiner Krankenkasse (spätestens innerhalb einer Woche) zu melden, um das Erlöschen oder das Ruhen des Leistungsanspruches zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -; Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R-; Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 38/06 R –; Urteile vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R - und - B 1 KR 20/11 R -; Urteil vom 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R -; zuletzt noch BSG, Urteile vom 16.12.2014 – B 1 KR 25/14 R, B 1 KR 19/14 R und B 1 KR 37/14 R –).

56

Der 1. Senat des BSG nahm zur Begründung seiner Auffassung bislang auf den als „Ausschlussregelung“ bezeichneten § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. Bezug. Wie bereits unter II.1.1. erläutert, enthält § 46 SGB V jedoch lediglich eine Regelung zur Anspruchsentstehung. Erfordernisse für eine Aufrechterhaltung des Anspruchs ließen sich hieraus bislang nicht ableiten. Insbesondere waren dieser Norm keinerlei „gesetzliche Fristen“ für eine weitere ärztliche Feststellung oder für eine „erneute Vorlage“ einer „Bescheinigung“ oder gar die Notwendigkeit einer „Lückenlosigkeit“ derselben zu entnehmen. Ebenso wenig wird mit der Norm ein Ende des Anspruchs geregelt (so schon SG Trier, Urteil vom 24.04.2013 - S 5 KR 77/12-; ebenso SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 -; SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 -; SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 - S 19 KR 10/15 ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 17.07.2014 - L 16 KR 160/13 - und - L 16 KR 429/13 -; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13; SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13).

57

Sofern mit der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG eine „Lückenlosigkeit“ gefordert wird, kann sich dies allein auf die (in den regelmäßig ausgestellten Bescheinigungen neben der Mitteilung über die ärztliche Feststellung, dass Arbeitsunfähigkeit vorliege, zumeist ebenfalls enthaltene) Prognose über die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit beziehen. In der über die Arbeitsunfähigkeit ausgestellten Bescheinigung macht der Arzt – da er gem. § 73 Abs. 2 Nr. 9 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG hierzu angehalten ist – oftmals auch Angaben dazu, wie lange die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bestehen wird. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine ärztliche „Feststellung“. Im Regelfall dürfte ein Arzt nicht in der Lage sein festzustellen, bis wann eine Arbeitsunfähigkeit dauern wird. Er kann nur feststellen, „dass“ sie im Zeitpunkt der Untersuchung besteht. Die Angabe einer voraussichtlichen Dauer ist lediglich eine Prognose im Sinne einer ärztlichen Vorhersage des vermuteten Krankheitsverlaufs. Diese ärztliche Prognose ist begrifflich zwingend von der tatsächlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu unterscheiden (SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 –, Rn. 59 entgegen BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 25/14 R –, Rn. 13 mit der dort zu findenden paradoxen Formulierung, der Arzt habe sich „Gewissheit“ zu verschaffen, (…) wie lange die AU „voraussichtlich“ noch andauern wird).

58

Allein die ärztliche Prognose erstreckt sich über einen Zeitraum, sodass nur hieran anknüpfend eine „Lückenlosigkeit“ hergestellt werden könnte. Wie bereits ausgeführt, ist die ärztliche Feststellung die aktuelle, auf den Zeitpunkt der Untersuchung bezogene Tatsachenwahrnehmung. Begriffsnotwendig kann sich diese Feststellung nicht auf einen in die Zukunft gerichteten Zeitraum beziehen. Der Arzt kann nicht feststellen und sich „Gewissheit darüber verschaffen“, dass der Versicherte „voraussichtlich“ noch drei oder sechs Tage oder bis zum Ende der nächsten Woche arbeitsunfähig sein wird. Er kann im Regelfall nur eine Vermutung anstellen und eine entsprechende Prognose abgeben. Da aber eine ärztliche Prognose keine Voraussetzung für einen Krankengeldanspruch ist, kann auch nicht die „Lückenlosigkeit“ von Prognosen gefordert werden. Die Rechtsprechung, die hierauf gleichwohl abstellt, zeichnet sich dadurch aus, dass die verwendeten Begriffe „ärztliche Feststellung“, „ärztliche Bescheinigung“ und „voraussichtliche Dauer“ bzw. „Prognose hierüber“ offenbar inhaltlich nicht geklärt und in der Folge nicht sinnvoll voneinander unterschieden werden. Zudem wird es sich bei den entsprechenden Angaben hinsichtlich der „voraussichtlichen Dauer“ der Arbeitsunfähigkeit in Erkrankungsfällen, die erfahrungsgemäß eine längere Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen, selten um eine echte Prognose hinsichtlich der vermuteten Dauer handeln, als vielmehr – wie im vorliegenden Fall auch vom Arzt ausdrücklich bestätigt - um das Datum, zu dem ein erneuter Arztbesuch angestrebt werden sollte. Gerade in den Fällen, in denen ein Arzt bei einer erkennbar längerfristigen Erkrankung gleichwohl ein in näherer Zukunft liegendes Datum in die Bescheinigung einträgt, wird deutlich, dass der Arzt hiermit jedenfalls nicht ein „Ende der Arbeitsunfähigkeit“ bescheinigt. An eine derartige Erklärung unumkehrbare Rechtsfolgen zu knüpfen, verbietet sich daher.

59

1.2.3 Der materielle Anspruch besteht daher nach seiner Entstehung fort, solange insbesondere die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich andauert und die Höchstbezugsdauer nach § 48 SGB V noch nicht erreicht ist. Das Ende des einmal entstandenen Anspruchs ergibt sich weder aus einer in der „Bescheinigung" angegebenen voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit, noch aus einem möglicherweise mitgeteilten Datum des geplanten nächsten Arztbesuches. Ebenso wenig kann eine Entscheidung der Krankenkasse - durch förmlichen Bescheid oder oft nur durch später erfolgende konkludente Bewilligung durch tatsächliche Zahlung von Krankengeld für einen bestimmten Zeitabschnitt - den materiellen Anspruch zum Ende des Bewilligungszeitraums enden lassen. Sofern die Krankenkasse tatsächlich eine Entscheidung nur für einen bestimmten Zeitabschnitt getroffen haben sollte, wäre über die Folgezeit noch zu entscheiden. Das hat jedoch nicht zur Folge, dass der materielle Anspruch neu entstehen müsste (SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 -; SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 - S 19 KR 10/15 ER -; so schon SG Trier, Urteil vom 24.04.2013 - S 5 KR 77/12 - entgegen der Rechtsprechung des BSG; ebenso SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 -; SG Speyer, Urteil vom 07.04.2014 - S 19 KR 10/13 -; SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 - S 3 KR 298/12 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 17.07.2014 - L 16 KR 160/13 – und - L 16 KR 429/13 -; SG Speyer, Beschluss vom 08.09.2014 - S 19 KR 519/14 ER –; Knispel, Zur ärztlichen Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit bei abschnittsweiser Krankengeldgewährung NZS 2014, S. 561 ff.; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13; SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13).

60

Ohne dass es rechtlich darauf ankäme, kann darauf hingewiesen werden, dass sich im vorliegenden Fall ein „Endes des Bewilligungsabschnitts“ erst gut zwei Monate später durch den Bescheid vom 23.04.2014 ergab, mit dem Krankengeld letztlich bis zum 16.02.2014 bewilligt wurde.

61

2. Die Karenzzeit von 42 Tagen ist bei einem Versicherten mit einer entsprechenden Wahlerklärung nur einmal (nämlich am Beginn der Arbeitsunfähigkeit) zu berücksichtigen, wie auch die bisher in den Fällen des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. bestehende Karenzzeit von einem Tag (vgl. zum Erfordernis nur einer ersten Feststellung zuletzt LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 17.07.2014 – L 16 KR 146/14 – Rn. 22 ff., L 16 KR 429/13 – Rn. 26 ff., L 16 KR 160/13 – Rn. 25 ff., L 16 KR 208/13 – Rn. 24 ff.; SG Speyer, Beschlüsse vom 08.09.2014 – S 19 KR 519/14 ER – Rn. 31 ff. und vom 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER – Rn. 33 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 41 ff.; SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 Rn. 61; zur entgegenstehenden Rechtsprechung des 1. Senats des BSG vgl. unten III.).

62

Zwar ist nicht ersichtlich, ob Abweichendes bisher für Versicherte mit einer 42tägigen Karenzzeit vertreten wurde. Am vorliegenden Fall wird jedoch deutlich, dass das vom 1. Senat des BSG installierte Konstrukt des jeweils mit dem prognostizierten Ende der Arbeitsunfähigkeit „endenden“ und (bei rechtzeitiger Attestierung) immer wieder „neu entstehenden“ Krankengeldanspruchs scheitern muss. Folgte man der hierzu ergangenen Rechtsprechung des 1. Senates des BSG, müsste man konsequenterweise zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Versicherter mit einer 42 Tage währenden Karenzzeit immer rechtzeitig vor Ablauf des 42. Tages vor dem prognostizierten (voraussichtlichen) Ende der vom Arzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit (die von dieser Rechtsprechung mit der ärztlichen Feststellung in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V gleichgesetzt wird) eine weitere ärztliche Feststellung (gemeint: Bescheinigung) über die voraussichtlich fortbestehende Arbeitsunfähigkeit beibringen müsste. Hingegen wäre es inkonsequent, das Ende (Erlöschen, Entfallen) des Krankengeldanspruchs (mit dem Ende des Prognosezeitraumes oder mit dem hieraus bislang abgeleiteten Ende der abschnittsweisen Bewilligung) zu behaupten, um dann bei der hieraus gefolgerten Erforderlichkeit des Neu-Entstehens des Anspruchs die Karenztagregelung nicht ebenfalls erneut anzuwenden. In den Fällen, auf die § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. direkt anwendbar war, wurde dies gemäß der Rechtsprechung des 1. Senates bislang tatsächlich so gehandhabt (vgl. nur BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 19/11 R –, Rn. 22 f.; BSG, Urteile vom 16.12.2014 – B 1 KR 19/14 R und B 1 KR 37/14 R –), was zur Folge hatte, dass auch weiterhin arbeitsunfähige Pflichtversicherte, die am Tag nach dem Prognoseende den Arzt zwecks erneuter Attestierung aufsuchten, nach der Rechtsprechung des 1. Senates des BSG nicht nur unabänderlich ihren Krankengeldanspruch, sondern auch die entsprechende Mitgliedschaft verloren.

63

Wenn die Argumentation des BSG richtig wäre, der Anspruch müsse (nach Ende des Bewilligungsabschnitts oder nach dem Ende der attestierten Zeit) jeweils „neu entstehen“ und man es darüber hinaus für richtig hielte, Versicherten im Anwendungsbereich des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. bislang auch bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit jeweils einen Karenztag entgegenhalten zu können, müsste man im vorliegenden Fall der Anwendbarkeit des § 46 Satz 2 a.F. (jetzt Satz 3) zu dem offensichtlich absurden Ergebnis gelangen, dass eine jeweils 42tägige Karenzzeit in jedem einzelnen (Bewilligungs-/Attestierungs-)Abschnitt zu berücksichtigen wäre und der Versicherte Lücken im Leistungsbezug nur vermeiden könnte, wenn er sechs Wochen vor dem jeweils prognostizierten Ende auf der letzten Bescheinigung den Arzt erneut um eine „Feststellung“ für die Folgezeit im übernächsten Monat ersuchen würde.

III.

64

Der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG hinsichtlich Fortgewährung von Krankengeld nur bei Erfüllung weiterer, gesetzlich nicht geregelter Obliegenheiten des Versicherten kann nicht gefolgt werden, da diese gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung verstößt und zu unhaltbaren Ergebnissen führt.

65

Der 1. Senat des BSG hat ein Verfahren der Krankengeldbewilligung mit wiederholten Feststellungs- und Meldeobliegenheiten etabliert, aus dem in den letzten Jahren für die Versicherten die Gefahr entstanden ist, auf Grund von "Bescheinigungslücken" trotz nachweisbar bestehender Arbeitsunfähigkeit den Anspruch auf Krankengeld zu verlieren. Dabei ist die dogmatische Konstruktion der durch das BSG aufgestellten Voraussetzungen so weit vom Gesetzeswortlaut entfernt, dass eine parlamentarische Willensbildung über die hierdurch bewirkten Rechtsfolgen ausgeschlossen werden kann. Die Dogmatik des BSG hat sich vielmehr durch wiederholte Bezugnahmen auf eigene Vorentscheidungen vom Gesetz immer weiter gelöst und verselbständigt. Als Ausgangspunkt kann die im Jahr 1986 erfolgte Einordnung der bloßen Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse als konkludent verfügter und auf das Ende des ärztlichen Prognosezeitraums zeitlich befristeter Bewilligungsverwaltungsakt angesehen werden (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 – Rn. 12 ff.), weshalb folgerichtig für die Folgezeit eine neue Entscheidung der Krankenkasse verlangt wurde (BSG, Urteil vom 09.12.1986 – 8 RK 27/84 – Rn. 12). Hieraus entwickelte sich ein „Grundsatz der abschnittsweisen Krankengeldbewilligung“ (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 12; BSG, Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R – Rn. 29), der in der sich allmählich darauf einstellenden Praxis der Krankenkassen mittlerweile sogar unabhängig von der tatsächlich getroffenen Verwaltungsentscheidung für maßgeblich gehalten wird. Seit dem Jahr 2000 hat der 1. Senat des BSG erklärtermaßen über den Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V hinaus für das Vermeiden des Ruhens des Krankengeldanspruchs wiederholte Meldungen der Arbeitsunfähigkeit für erforderlich erklärt. Dieses Erfordernis habe auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug zu gelten, wenn wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit über die Weitergewährung des Krankengeldes neu zu befinden sei. Auch dann müsse der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich rechtzeitig „vor Fristablauf“ ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wolle er das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 17, möglicherweise mit Blick auf die Meldefrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V). Seit dem Jahr 2005 fügt der 1. Senat dieser Wendung noch das Erlöschen des Anspruchs hinzu (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R -, Rn. 17), so dass nunmehr unterstellt wird, es gebe auch für weitere ärztliche Feststellungen eine gesetzliche Frist. Das BSG begründete diese Auffassung zunächst mit der „Befristung“ der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit und der daher regelmäßig abschnittsweise erfolgenden Krankengeldbewilligung. Der Anspruch auf Krankengeld ende mit Ablauf des zuletzt „bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums“, wenn der Versicherte keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beibringe (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 -). Werde das Krankengeld abschnittsweise gewährt, sei das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldes für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen. Erst wenn nach gegebenenfalls vorausgegangener Krankengeldgewährung eine erneute ärztliche Bescheinigung vorgelegt werde, bestehe für die Krankenkasse überhaupt Anlass, die weiteren rechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs und damit eines „neuen Leistungsfalles“ zu prüfen (so BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R -, Rn. 31). Für die Entscheidung über die Weitergewährung des Krankengeldes hält es das BSG daher im Falle einer ärztlichen Prognose zur voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit wegen des hieraus abgeleiteten Anspruchsendes für erforderlich, dass jeweils erneut alle Voraussetzungen für die Anspruchsentstehung geschaffen werden müssen (anders allerdings BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R - im Fall einer ärztlichen Bescheinigung ohne Angabe zum voraussichtlichen Ende der Arbeitsunfähigkeit: eine ärztliche Feststellung aus vorangegangener Zeit, die den weiteren Bewilligungsabschnitt mit umfasse, könne als für § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V ausreichend angesehen werden). Im Jahr 2014 hat das BSG schließlich die bereits zuvor praktisch nicht mehr berücksichtigte Anknüpfung an eine Bewilligungsentscheidung der Krankenkasse aufgegeben und nur unmittelbar die in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes mitgeteilte Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer zur Grundlage für die zeitliche Begrenzung des Krankengeldanspruchs gemacht (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/14 R; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R).

66

Auf die mittlerweile vorliegenden Entscheidungen, die sich mit dieser Entwicklung der Rechtsprechung befassen (sehr ausführlich zuletzt SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 98 ff.; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juli 2014 – L 16 KR 160/13 – Rn. 26; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 65 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 49 ff.; vgl. auch Knispel, Zur ärztlichen Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit bei abschnittsweiser Krankengeldgewährung NZS 2014, S. 561 ff.), kann ergänzend Bezug genommen werden.

67

Auch mit den zuletzt getroffenen Entscheidungen vom 16.12.2014, mit denen der mittlerweile für das Krankengeldrecht nicht mehr zuständige 1. Senat des BSG seine bisherige Rechtsprechung noch einmal zu bekräftigen suchte (BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 31/14 R -; BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 35/14 R -; BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R), konnte der Senat den Vorwurf des fehlenden Bezuges zu einer gesetzlichen Grundlage nicht entkräften (vgl. hierzu die Entscheidungen der Kammer: SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER – Rn. 41 ff.; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 66 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 50 ff.; hierzu auch SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 126 ff.; kritisch auch Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 44 SGB V, Rn. 33 ff. und § 46 SGB V Rn. 30).

68

In besonderem Maße zurückzuweisen sind die Ausführungen des 1. Senates des BSG, es sei nicht Sache der KK, den Versicherten (…) auf die „besondere gesetzliche Regelung“ und „deren im Regelfall gravierende Folgen“ hinzuweisen; KKn seien nicht gehalten, Hinweise auf den „gesetzlich geregelten Zeitpunkt“ einer ggf erneut erforderlichen AU-Feststellung zu geben (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 19/14 R –, Rn. 17 und Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 25/14 R –, Rn. 16, sogar mit dem Hinweis auf Schadensersatzansprüche des Versicherten gegen den Arzt). Es handelt sich erkennbar um den Versuch, eine gesetzliche Regelung zu suggerieren, ohne dass kenntlich gemacht wird, auf welche konkrete Norm hier Bezug genommen werden soll. Eine gesetzliche Regelung über einen Zeitpunkt für die erneut erforderliche AU-Feststellung mit im Regelfall gravierenden Folgen gab es im SGB V bislang nicht (zu der vom 1. Senat des BSG vorgenommenen unzulässigen Analogiebildung zu Lasten der Versicherten vgl. SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER – Rn. 45 f.; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 70 f.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 51 f.; ausführlich SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 - unter Verweis auf die Bedeutung der Wortlautgrenze für die Auslegung von Gesetzestexten; zu der Neuregelung des § 46 Satz 2 SGB V mit Wirkung zum 23.07.2015 siehe unten IV.). Im Übrigen ist festzustellen, dass in diesen letzten Entscheidungen offen mit unrichtigen Behauptungen hinsichtlich eines vermeintlichen „Wortlautes“ oder Gesetzesinhalts gearbeitet wurde, ohne dass auf die Sachargumente der entgegenstehenden Kritik inhaltlich eingegangen wurde (kritisch Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 44 SGB V, Rn. 33 ff. und § 46 SGB V Rn. 30).

69

Hervorzuheben ist zudem die sich aus der fortgesetzten Rechtsprechung ergebende Diskrepanz zwischen der Unverbindlichkeit des ärztlichen Attestes hinsichtlich der hiermit zu beweisenden Inhalte und zugleich der unterstellten Unabänderlichkeit der aus der ärztlichen Prognose gefolgerten Auswirkungen. Die Rechtsprechung des 1. Senates des BSG verletzt bereits dadurch fundamentale Prinzipien des Verwaltungsverfahrensrechts, dass sie die im Verwaltungsverfahren per Verwaltungsakt getroffene Feststellung, ob ein Anspruch auf eine Leistung für einen bestimmten Zeitraum besteht, mit dem materiellen Anspruch gleichsetzt, auf den sich diese Feststellung bezieht. Der materielle Anspruch ist vom per Bescheid festgestellten Anspruch zwingend zu unterscheiden (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 –, Rn. 68). Hingegen schreibt der 1. Senat dem feststellenden Verwaltungsakt selbst materielle Wirkung auf den Anspruch zu, indem er behauptet, der Krankengeldanspruch ende mit der in der Bewilligung enthaltenen Bezugszeit (BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 30). Könnten Verwaltungsakte eine derartige Wirkung haben, wäre Rechtsschutz hiergegen unmöglich. Der Verwaltungsakt wäre hinsichtlich des hierin festgestellten Endes des Anspruchs entgegen § 62 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) i.V.m. §§ 77, 78 Abs.1 Satz 1 SGG nicht anfechtbar (vgl. schon SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 120).

70

Indem das BSG zugleich ausführt, der Anspruch ende mit Ablauf des zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums (BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 30; fortgesetzt im Urteil vom 10.05.2012 (B 1 KR 20/11 R), wird dieser Fehler sogar noch vertieft, da nicht mehr die Entscheidung der Behörde, sondern nur noch die in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthaltene „Befristung“, d.h. die vom Arzt zu ganz anderen Zwecken abgegebene Prognose über das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit den materiellen Anspruch determinieren soll (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – Rn. 20). Die Entscheidungspraxis des BSG läuft mittlerweile darauf hinaus, dass der Anspruch auf Leistungen nicht mit dem Ende des Bewilligungsabschnitts "endet", sondern dass der Arzt, der eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt, mit der Angabe eines Datums für die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit das (vorläufige) Ende des materiellen Krankengeldanspruchs auf spätestens dieses Datum festlegt. Rechtsdogmatisch nicht begründbar und rechtsstaatlich bedenklich wird hierdurch dem Arzt eine (diesem nicht bewusste und aus nichts ableitbare) Entscheidungskompetenz unterstellt, gegen deren Ausübung zudem weder dem Versicherten Rechtsmittel zuerkannt, noch dem Arzt Aufhebungsmöglichkeiten zugesprochen werden. Die Prognose des Arztes, die Arbeitsunfähigkeit dauere voraussichtlich noch bis zu dem mitgeteilten Datum, wird zur „Feststellung“ der Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Tag umgedeutet und hieran das Ende des materiellen Krankengeldanspruchs geknüpft. Der Arzt kann seine „Entscheidung“ nicht mehr abändern, der Versicherte hat keinen Rechtsbehelf hiergegen, er wird nicht einmal „gehört“, wenn das weitere Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit über jeden Zweifel erhaben ist. Es spielt zudem keine Rolle, aus welchem Grund der Arzt die Erklärung überhaupt abgegeben hat und ob er tatsächlich davon ausgegangen ist, dass die Arbeitsfähigkeit am Tag nach dem Ende des Prognosezeitraums wieder eintreten wird (vgl. hierzu SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 149).

71

Die durch die Rechtsprechung des BSG hergestellte Unumstößlichkeit dieser schriftlichen ärztlichen Erklärung zum voraussichtlichen Ende der Arbeitsunfähigkeit, die ungeachtet des tatsächlichen Erklärungswillens und ohne nachträgliche Anfechtungs- oder Korrekturmöglichkeiten erneut auch nur innerhalb einer absoluten Ausschlussfrist (wieder) hergestellt werden kann, dürfte einmalig im deutschen Rechtssystem sein. Sie steht zudem deutlich im Widerspruch zu der vom 1. Senat des BSG erkannten Unverbindlichkeit der ärztlichen Bescheinigung für Krankenkassen und Gerichte (so bereits BSG, Beschluss vom 31.03.1998 – B 1 KR 56/96 B – Rn. 5; BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 18/04 R –, Rn. 20 m.w.N.). Denn hinsichtlich der übrigen darin enthaltenen Angaben ist sie auch nach der Rechtsprechung des BSG lediglich ein Beweismittel wie jedes andere, sodass der durch sie bescheinigte Inhalt durch andere Beweismittel widerlegt werden kann (u.a. BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 18/04 R –, Rn. 20). Auch im vorliegenden Fall wollte der die Erklärung ausstellende Arzt mit dem eingetragenen Datum weder ein Ende der Arbeitsunfähigkeit „feststellen“, noch ging er ernsthaft davon aus, die Arbeitsunfähigkeit würde voraussichtlich nur noch bis zu dem angegebenen Tag fortdauern. Zweck der Eintragung war erklärtermaßen die Wiedervorstellung des Klägers vor dem Praxisurlaub, die nur deshalb unterblieb, weil der Kläger den von der Beklagten zwecks Ausstellung angeforderten Auszahlschein an diesem Tag noch nicht erhalten hatte.

72

Sofern der 1. Senat für seine Auffassung anführt, der Gesetzgeber habe auch in Kenntnis der „jahrzehntelang bestehenden, wertungskonsistenten, in sich stimmigen“ höchstrichterlichen Rechtsprechung „aus gutem Grund“ davon abgesehen, die hier betroffenen gesetzlichen Grundlagen zu ändern (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R –, Rn. 22), kann für die Richtigkeit der dort vorgenommenen Rechtsanwendung aus dem „Untätigbleiben des Gesetzgebers“ nichts geschlussfolgert werden. Auf die Ausführungen des SG Mainz im Urteil vom 31.08.2015 (S 3 KR 405/13, Rn. 140 f.) kann Bezug genommen werden. Dort wird hierzu ausgeführt:

73

„Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung verbreitete Praxis, das Festhalten an einer überkommenen Rechtsauffassung damit zu rechtfertigen, dass „der Gesetzgeber“ in Kenntnis der Rechtsprechung keine Gesetzesänderung vorgenommen habe, entbehrt einer rechtswissenschaftlichen Grundlage. Aus einer unterbliebenen Reaktion der Gesetzgebungsorgane auf eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung lässt sich seriös nichts ableiten, außer der offenkundigen Tatsache, dass der der Rechtsprechung (vorgeblich) zu Grunde liegende Normtext unverändert geblieben ist. Die Interpretation der Untätigkeit der Gesetzgebungsorgane als legitimierende Billigung der Rechtsprechung ist aus verfassungsrechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht begründbar.

74

Dies beruht zunächst darauf, dass es in der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes einen „Gesetzgeber“ nicht gibt, dessen monolithischer Wille jederzeit und zu jedem Problem unmittelbare Geltung beanspruchen könnte. Von einem „gesetzgeberischen Willen“ lässt sich nur metaphorisch sprechen und auch das nur bezogen auf das Ergebnis eines konkreten Gesetzgebungsvorgangs. Außerhalb von Gesetzgebungsvorgängen gibt es keinen „Gesetzgeber“, dessen schlichtes „Verhalten“ geltendes Recht schaffen könnte. Hieraus ergibt sich auch, dass die Geltung eines durch die Gesetzgebungsorgane gesetzten Normtextes, abgesehen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, nur durch Setzung weiterer Normtexte durch die gleichen oder durch höherrangige Gesetzgebungsorgane beseitigt werden kann. Hieran würde sich auch nichts ändern, wenn eine parlamentarische Mehrheit die Außerachtlassung des früher möglicherweise unter anderen politischen Mehrheitsverhältnissen gesetzten Normtextes durch die Rechtsprechung ausdrücklich billigen würde. Denn um einen zuvor durch die Gesetzgebungsorgane gesetzten Normtext legitimerweise außer Kraft zu setzen, bedarf es eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens. Das nach dem Grundgesetz vorgesehene Verfahren der Gesetzgebung mit Beteiligungsmöglichkeiten und Öffentlichkeit wird übergangen, wenn das Unterlassen des Gesetzgebers im Hinblick auf eine bestimmte Rechtsprechung mit deren Positivierung durch Gesetz gleichgesetzt wird.“

IV.

75

Die zum 23.07.2015 erfolgte Änderung des § 46 SGB V durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) führt weder für die Zukunft noch rückwirkend zu einer wesentlichen Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Anforderungen für den Fortbestand des einmal entstandenen Krankengeldanspruchs. Die Änderung des Satz 1 der Vorschrift führt zum Wegfall des Karenztages. Der neu eingefügte Satz 2 der Vorschrift lautet:

76

„Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.“

77

Der Regelungsbereich dieser Norm betrifft also lediglich Fälle, in denen bereits ein Ende der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Derartige Fallkonstellationen entstehen vereinzelt, wenn ein Arzt – möglicherweise „auf Anweisung des MDK“ und sogar entgegen der eigenen Einschätzung (vgl. nur SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13) - ein Ende in der ausgestellten Bescheinigung mitgeteilt hat, obwohl die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich fortbestand. Auch sind Fallkonstellationen denkbar, in denen ein Arzt tatsächlich (zutreffend oder auch nicht) von einem Ende der Arbeitsunfähigkeit ausgeht und dieses bescheinigt.

78

Auf die im Regelfall von der Rechtsprechung für die Begründung eines vermeintlichen Anspruchsendes bislang in Bezug genommene ärztliche Prognose ist die Regelung des § 46 Satz 2 SGB V aber bereits begrifflich nicht anwendbar. Die üblicherweise in den verwendeten Formularen vom Arzt bescheinigte Prognose über ein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit ist gerade kein „bescheinigtes Ende“ derselben. Die durch die Rechtsprechung des 1. Senates des BSG begründete Auffassung, wonach die in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dokumentierte Prognose das Ende auch des materiellen Krankengeldanspruchs zur Folge habe (s.o.), lässt sich daher auch nicht auf die Neufassung des § 46 Satz 2 SGB V stützen.

79

Der zwingenden Differenzierung zwischen ärztlicher Prognose und ärztlicher Bescheinigung des Endes tragen die in der als Anlage zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) mit Wirkung zum 01.01.2016 vereinbarten Muster-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Rechnung, indem nunmehr vorgesehen ist, dass der bescheinigende Arzt neben einer Erst- oder Folgebescheinigung auch eine „Endbescheinigung“ erstellen kann, in der er nicht anzugeben hat, bis wann voraussichtlich Arbeitsunfähigkeit bestehen wird, sondern wann der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit war.

80

Ungeachtet des nur eingeschränkten Anwendungsbereichs der Neuregelung im Satz 2 des § 46 SGB V kann die bisherige Rechtsprechungspraxis mit dieser Norm weder gerechtfertigt noch in der Zukunft unter Berufung hierauf fortgeführt werden. Denn ein (neuer) Beendigungstatbestand kann aus der Norm auch weiterhin nicht abgeleitet werden. Eine Regelung, die eine Beendigung des Krankengeldanspruchs durch eine ärztliche Handlung („Feststellung der Arbeitsfähigkeit“, „Bescheinigung des Endes der Arbeitsunfähigkeit“) vorsieht, findet sich im SGB V weiterhin nicht. Sie wird von der Neuregelung allenfalls stillschweigend (im Hinblick auf die als Rechtslage unterstellte Rechtsprechung des BSG, vgl. BT-Drucks. 18/4095, S. 80 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.05.2012, Az. B 1 KR 20/11 R) vorausgesetzt. § 46 Satz 2 SGB V n.F. selbst enthält keinen ausdrücklichen Beendigungstatbestand (vgl. hierzu auch SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 160). Allenfalls mittels eines Umkehrschlusses könnte aus dem Umstand, dass der Anspruch „bestehen bleibt“, wenn eine Neufeststellung „spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt“ hergeleitet werden, dass er anderenfalls eben nicht bestehen bleibt. Eine solche (indirekte) Regelungstechnik entspricht allerdings nicht den Anforderungen des rechtsstaatlichen Gebotes der Normenklarheit und Normenwahrheit, wonach gesetzliche Regelungen so gefasst sein müssen, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag. Auch bei der Gewährung von Leistungen müssen die Normen in ihrem Inhalt für die Normunterworfenen klar und nachvollziehbar sowie in ihrer Ausgestaltung widerspruchsfrei sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 – Rn. 61). Zudem wird eine derart indirekte, weil stillschweigende und nur aus dem Umkehrschluss erkennbar werdende Regelung eines Beendigungstatbestandes dem Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I nicht gerecht (vgl. schon SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 161).

81

Weiterhin ergibt sich weder aus § 46 SGB V n.F. noch aus anderen Normen des SGB V das Erfordernis einer Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit, einer ärztlichen Prognose oder gar das Erfordernis, dass ein Arzt das Ende der Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen habe. Vielmehr kann man (ebenfalls mittels Umkehrschlusses) aus § 46 Satz 2 SGB V n.F. ableiten, dass die prognostische Mitteilung des Arztes über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit gerade keine Auswirkungen auf den materiellen Krankengeldanspruch des Versicherten hat. Die Neuregelung bestätigt also keinesfalls die bisherige Rechtsprechung des BSG zur Wirkung der ärztlichen Prognose.

82

Erstmals aus der in der Neuregelung enthaltenen Formulierung „bescheinigtes Ende“ ergibt sich im Zusammenhang mit den Regelungen zum Krankengeldanspruch der Hinweis auf eine „Bescheinigung“. Wie ausgeführt, ist eine solche (anders als etwa nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG) für die Erlangung eines Krankengeldanspruchs bislang nicht Anspruchsvoraussetzung. Sollte bei der Neuregelung beabsichtigt gewesen sein, eine Bescheinigung (möglicherweise sogar mit einer absoluten Ausschlussfrist hinsichtlich des Datums der Ausstellung derselben) nunmehr zur Anspruchsvoraussetzung zu machen, wäre eine entsprechende Formulierung im Normtext möglich, aber auch erforderlich gewesen. Zudem ergibt sich aus der sprachlich möglicherweise verunglückten Konstruktion einer „weiteren Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit“ nach dem „bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit“ ein in den Gesetzgebungsmaterialien nicht diskutierter zusätzlicher Anspruch. Intendiert war vermutlich ein Normverständnis dahingehend, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich (trotz entgegenstehender „Bescheinigung“) nicht endete und daher ihr Fortbestehen ärztlich festgestellt wird. Durch die gewählte Formulierung wird aber zudem (wohl unbeabsichtigt, vgl. die Beschlussempfehlung, BT-Drucks. 18/5123, S. 121 am Ende) das Fortbestehen des Krankengeldanspruches sogar für den Fall normiert, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich (wie bescheinigt) endete und am nächsten Werktag eine neue Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird. Hierdurch wird ein durchgehender Krankengeldanspruch trotz zwischenzeitlicher Arbeitsfähigkeit über die bislang bestehenden Regelungen hinaus neu geschaffen. Dieser Effekt ist offensichtlich der (sich aus der in Bezug genommenen Rechtsprechung ergebenden) fehlenden sprachlichen Klarheit hinsichtlich der verwendeten Begriffe etwa der „Feststellung der Arbeitsunfähigkeit“ bzw. einer „Bescheinigung“ geschuldet.

83

Mit der (bei konsequenter Anwendung der vorhandenen Normen nicht erforderlichen) Neuregelung des § 46 SGB V sollte aber erkennbar der bisherigen „Praxis“ (wohl der Entscheidungspraxis des 1. Senates des BSG) punktuell gegengesteuert werden und jedenfalls für die häufigen Fälle der Attestierung am Folgetag bzw. am folgenden Montag der nach dieser Rechtsprechung eintretende Verlust nicht nur des Krankengeldanspruchs, sondern auch der entsprechenden Mitgliedschaft verhindert werden (vgl. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 18/4095, S. 80 f. ; BT-Drucks. 18/5123, S. 121 – Beschlussempfehlung). Allerdings wurde hierbei ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs die „ständige Rechtsprechung“ des BSG mit der „Rechtslage“ gleichgesetzt und ausgeführt, nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V seien die Versicherten gehalten, eine „Folgekrankheitsbescheinigung spätestens ab dem Tag vor dem Ablauf der (Erst-) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.“ Diese Obliegenheit der Versicherten sei höchstrichterlich in ständiger Rechtsprechung „bestätigt“ worden (BT-Drucks. 18/4095, S. 80 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.05.2012, Az. B 1 KR 20/11 R). Der Umstand, dass Verfasser eines Gesetzesentwurfes von einem nicht zutreffenden Inhalt bestehender gesetzlicher Regelungen ausgehen und diesen unterstellten Inhalt zur Grundlage einer Neuregelung machen, hat allerdings nicht zur Folge, dass hierdurch der unterstellte Norminhalt zum Gesetz wird. Tatsächlich existiert auch weiterhin keine gesetzliche Regelung (insbesondere nicht im SGB V), die im Zusammenhang mit der Gewährung von Krankengeld eine „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ oder gar eine „Folgekrankheitsbescheinigung“ zum Gegenstand hat. Die Pflicht, derartige Bescheinigungen „spätestens ab dem Tag vor dem Ablauf“ einer anderen Bescheinigung „vorzulegen“, wird dem Versicherten an keiner Stelle im Gesetz auferlegt.

84

Eine Billigung der „ständigen Rechtsprechung“ für alle von der Neuregelung nicht erfassten Fälle kann weder aus der Neuregelung selbst noch aus einem Untätigbleiben („Stillschweigen“) des Gesetzgebers im Übrigen abgeleitet werden. Auch eine jahrelange Rechtsprechung, die die gesetzlichen Regelungen außer Acht lässt, kann nicht dazu führen, dass diese Gesetze nicht mehr anzuwenden sind, solange sie nicht formell wirksam von den hierzu legitimierten Organen aufgehoben wurden (s.o.). Es wäre dem Gesetzgeber möglich, ein stärker formalisiertes Verfahren zur Erlangung und auch zur Aufrechterhaltung eines Krankengeldanspruches zu normieren. So könnte die Vorlage ärztlicher Bescheinigungen mit einem zu bestimmenden Mindestinhalt und in einer bestimmten Frequenz zur Voraussetzung gemacht werden, vergleichbar der Regelung des § 5 EFZG für die Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung. Für den Krankengeldanspruch gibt es eine solche gesetzliche Regelung derzeit aber nicht. Den Normbetroffenen erschließt sich derzeit bei Lektüre der maßgeblichen Vorschriften der von der Rechtsprechung des 1. Senates des BSG aufgestellte „Pflichtenkanon“ (erneute „fristgemäße“ Neufeststellung, wiederholte Meldung, „Informationsverteilungslasten“ u.ä.; vgl. nur BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R -, Rn. 28 f.) nicht. Nur bei Kenntnis der entsprechenden Urteile des BSG können Versicherte (und Krankenkassen) ahnen, welche Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung von Krankengeldansprüchen angeblich zu erfüllen sind. Bezeichnend ist insofern, dass sowohl die Entscheidungen der Krankenkassen als auch die mittlerweile flächendeckend durch diese versandten Hinweise an die Versicherten sich nicht auf Vorschriften des SGB V berufen können, sondern – wie auch im vorliegend angegriffenen Bescheid – allein der Hinweis auf die „aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts“ erfolgen kann.

85

Letztlich ist auch unter Berücksichtigung der Neufassung des § 46 Satz 2 SGB V nur in den von der Norm überhaupt erfassten (weil nicht spezialgesetzlich geregelten) Fällen des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V weiterhin lediglich eine erste ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für die Entstehung des Krankengeldanspruchs erforderlich.

V.

86

Daher ist daran festzuhalten, dass für eine Weiterbewilligung nach erneuter Prüfung zwar erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass weiterhin nachweislich Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorliegt. Zwar ist es aus Gründen der Nachweisbarkeit sinnvoll, dass der Versicherte sich immer wieder bei einem Arzt vorstellt, sodass dieser erforderlichenfalls Angaben dazu machen kann, ob und gegebenenfalls wie sich der Gesundheitszustand des Versicherten verändert hat. Denn im Zweifelsfall trifft den Versicherten die Beweislast für das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit. Das Gesetz – weder in der bisherigen noch in der Neufassung des § 46 SGB V - knüpft den Fortbestand des materiellen Anspruchs darüber hinaus aber nicht an die Erfüllung weiterer Obliegenheiten durch den Versicherten.

87

Die gesetzlich geregelte Vorgehensweise zur Durchsetzung von Mitwirkungspflichten des Versicherten (etwa bei Aufforderung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, § 62 SGB I) führt zu deutlich weniger drastischen Folgen (hierzu u.a. SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 –, Rn. 69), als die ohne einen entsprechenden vorherigen Hinweis nur auf die vom BSG selbst aufgestellten Erfordernisse gestützte – und mangels eingeräumter Nachholungsmöglichkeit endgültige - „Beendigung“ des Anspruchs auf Krankengeld bei „Bescheinigungslücken“, bei Pflichtversicherten zudem gefolgt vom Verlust der Krankengeldversicherung und von einer einsetzenden (wegen Wegfall der Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 SGB V gegebenenfalls voll beitragspflichtigen) anderweitigen Versicherungspflicht.

88

Abgesehen von der Meldefrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V und nach der Neuregelung für die Fälle des § 46 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 SGB V n.F., in denen nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit eine Neufeststellung am nächsten Werktag erfolgt - finden sich keine weiteren vom Versicherten zu beachtenden Ausschlussfristen im Gesetz. In § 44 Abs. 1 SGB V wird ein Anspruch auf Krankengeld begründet, für dessen Entstehung lediglich das Vorliegen von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, in den Fällen des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V deren ärztliche Feststellung und in den Fällen des § 46 Satz 2 SGB V a.F. bzw. nunmehr § 46 Satz 3 SGB V der Ablauf der jeweiligen Karenzzeit erforderlich ist. Aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ergibt sich das weitere Erfordernis der Meldung gegenüber der Krankenkasse, da - sofern die Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit gemeldet wird - der Anspruch trotzt Bestehens ruht, also nicht durchsetzbar ist, solange die Meldung nicht erfolgt (zum Erfordernis nur einer ersten Meldung vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 -; siehe zuletzt SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 172). Sind diese gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung und Durchsetzbarkeit des Anspruchs durch den Versicherten erfüllt, ist die Krankenkasse zur Zahlung von Krankengeld verpflichtet. Das Ende des einmal entstandenen Anspruchs kann sich dann lediglich aus dem Entfallen der Anspruchsvoraussetzungen ergeben, wenn also die Arbeitsunfähigkeit endet (§ 44 Abs. 1 SGB V), wenn die Anspruchshöchstdauer des § 48 SGB V erreicht wird, wenn das Versicherungsverhältnis nicht mehr fortbesteht oder der Versicherte in eine Versichertengruppe ohne Anspruch auf Krankengeld fällt (vgl. § 44 Abs. 2 SGB V) oder bei Ausschluss oder Wegfall des Krankengeldes nach §§ 50, 51 SGB V. An diese gesetzlichen Regelungen sind die Gerichte gebunden. Weitere, einschränkende Erfordernisse für die Entstehung oder den Fortbestand des einmal entstandenen Anspruchs aufzustellen, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage gibt, verstößt nicht nur gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Dem stehen auch die einfachgesetzlichen Regelungen des § 2 Abs. 2 SGB I und § 31 SGB I entgegen.

89

Im vorliegenden Fall hatte der freiwillig krankenversicherte Kläger auf Grund der abgegebenen Wahlerklärung und der hierdurch für den Krankheitsfall ab der siebten Woche in Aussicht gestellten wirtschaftlichen Absicherung durch Krankengeld für bis zu 78 Wochen - ebenso wie Pflichtversicherte mit Krankengeldanspruch - einen entsprechend höheren Beitrag (nach dem allgemeinen Beitragssatz) zu zahlen. Auch deshalb verbietet sich eine Verkürzung des gesetzlich eingeräumten Anspruchs mittels Anforderungen, die der Versicherte nicht aus dem Gesetz entnehmen kann, sondern die sich ihm nur bei fundierter Kenntnis der hierzu ergangenen Rechtsprechung erschließen. Ob die Krankenkasse auf diese - den Anspruch ohne gesetzliche Grundlage verkürzende - Rechtsprechung im Vorfeld hingewiesen hat, kann für die rechtmäßig zu stellenden Anforderungen keine Auswirkungen haben. Denn auch durch eine ständige Wiederholung kann eine solche Rechtsprechung nicht zu „Gesetz und Recht“ werden. Nur hieran aber sind Verwaltung und Gerichte gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gebunden.

90

Es ist daher im Fall des Klägers für den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung des Krankengeldes nach dem wirksamen Entstehen des Anspruchs am 13.02.2014 (erster Tag der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 46 Satz 2 SGB V a.F.) und der Meldung gegenüber der Beklagten ausreichend, dass die Arbeitsunfähigkeit auch über den 16.02.2014 nachweislich fortbestand. Weitere (fristgemäße) ärztliche Feststellungen und Meldungen der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse sind – unabhängig von ärztlichen Prognosen – nicht erforderlich. Der Kläger hat daher für den gesamten mit der Klage geltend gemachten Zeitraum vom 17.02.2014 bis zum 22.04.2014 einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld in gesetzlicher Höhe.

VI.

91

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

VII.

92

1. Die Kammer hat gemäß § 161 SGG i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG die Revision zugelassen, da das Urteil von Entscheidungen des BSG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Anders als die erkennende Kammer geht das BSG bei allen Krankenversicherungsverhältnissen vom Erfordernis zu einem bestimmten Zeitpunkt auch wiederholt einzuholender Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen aus. Das Urteil beruht wesentlich darauf, dass die Kammer dieser Rechtsprechung nicht folgt, da die Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht spätestens am 16.02.2014 erneut ärztlich festgestellt worden war.

93

2. Daneben war die Revision auch zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 161 SGG i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Klärungsbedürftigkeit ist im Hinblick auf die vorgebrachten Bedenken gegen die Rechtsprechung des BSG gegeben.

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