Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 1 K 1892/12
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2012 verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Klausuren 'Zivilrecht 1' und 'Verwaltungsrecht 2' neu zu bewerten und den Kläger über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch; er begehrt die Neubewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, die Wiederholung der mündlichen Prüfung sowie die erneute Entscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.
3Der am 27. August 1983 geborene Kläger absolvierte in den Jahren 2009 bis 2011 den juristischen Vorbereitungsdienst. Seine zweite juristische Staatsprüfung wurde mit Zeugnis vom 19. April 2011 mit der Note befriedigend (8,27 Punkte) für bestanden erklärt. Der Beklagte änderte im vom Kläger angestrengten Widerspruchsverfahren die Note auf befriedigend (8,35 Punkte) ab.
4Der Kläger unterzog sich daraufhin der streitgegenständlichen zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch. Die Klausuren des Klägers aus dem Juni 2011 wurden wie folgt bewertet: Zivilrecht 1: befriedigend (8 Punkte), Zivilrecht 2: ausreichend (6 Punkte), Zivilrecht 3: befriedigend (8 Punkte), Zivilrecht 4: vollbefriedigend (12 Punkte), Strafrecht 1: ausreichend (5 Punkte), Strafrecht 2: gut (13 Punkte), Öffentliches Recht 1: befriedigend (8 Punkte), Öffentliches Recht 2: vollbefriedigend (10 Punkte). Nachdem der Kläger im September 2011 ein LL.M. Studium an der Universität Chicago begonnen hatte, kehrte er kurz vor dem Termin zur mündlichen Prüfung am 20. Dezember 2011 nach Deutschland zurück. Im Rahmen der mündlichen Prüfung wurden der Vortrag mit befriedigend (8 Punkte) und das Prüfungsgespräch mit befriedigend (9 Punkte) bewertet.
5Aufgabenstellung der Klausur Zivilrecht 1 war die Fertigung eines Urteils des Landgerichts Essen. Nach dem Sachverhalt suchte die 1,56 m große Klausur-Klägerin in Essen-Borbeck einen Supermarkt der beklagten KaufMarkt GmbH auf, um dort ihre Einkäufe zu erledigen. Die Klägerin wollte unter anderem eine Suppendose erwerben, welche sich im obersten Fach eines Regals auf einer Höhe von 1,70 m befand. In den Regalen wurden die 11,5 cm hohen Dosen in Papppaletten in drei Reihen übereinander gestapelt. Der Klägerin erschien die oberste der drei übereinander stehenden Paletten leer zu sein, weshalb sie eine Dose auf der sich darunter befindenden Palette ergriff. Sie trug vor, eine zuvor nicht erkennbare Dose sei aus der oberen Palette herabgestürzt und habe sie im Gesicht getroffen. Die Beklagte bestritt dies mit Nichtwissen. Die Klägerin erlitt eine Verletzung des rechten Auges und war seitdem auf diesem nahezu blind. Sie machte gegenüber der Beklagten verschiedene Schadenspositionen in der Höhe von insgesamt 1.233,00 € sowie ein angemessenes Schmerzensgeld (mindestens 9.000,00 €) geltend. Weiterhin beantragte sie, die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, ihr sämtliche künftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis zu ersetzen. Die Beklagte war der Ansicht, dass die Klägerin sich ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen müsse, da sie habe erkennen können oder müssen, dass sich noch eine Dose auf der obersten Palette befunden habe. Das Gericht erhob Beweis über den Unfallhergang durch Vernehmung des Ehemanns der Klägerin als Zeugen.
6Die Erstkorrektorin bewertete die Leistung des Klägers mit befriedigend (8 Punkte). Sie führte unter anderem aus:
7"In den Entscheidungsgründen leitet Verf. die örtliche Zuständigkeit des Gerichts aus § 21 ZPO her, obwohl es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung der Beklagten handelt. § 32 ZPO hätte zur Anwendung kommen sollen. […]
8Dass der Feststellungsantrag lediglich wegen zukünftiger materieller Schäden zulässig sein soll, ist kaum vertretbar. […]
9Verfasser prüft sodann ein Mitverschulden der Klägerin, dass zunächst mit 20 % festgestellt wird. Dass Verf. keinen höheren Anteil annimmt, wird mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründet. Dieser Ansatz kann keinesfalls überzeugend.“
10Der Zweitkorrektor stimmte der Bewertung zu.
11Aufgabenstellung der Klausur Verwaltungsrecht 2 war die Begutachtung eines Sachverhalts aus anwaltlicher Sicht und die anschließende Fertigung eines Schriftsatzes an das Gericht. Nach dem Sachverhalt begehrt der Mandant die Zulassung zum Sommersend 2011, einem großen Volksfest in Münster. Das Fest sollte vom 23. Juni bis zum 27. Juni 2011 stattfinden. Die Stadt Münster lehnte den Antrag des Mandanten auf Zulassung zum Markt mit Bescheid vom 1. Juni 2011 ab und bevorzugte zwei Konkurrenten.
12Der Erstkorrektor bewertete die Leistung des Klägers mit vollbefriedigend (10 Punkte). Er führte unter anderem aus:
13"Im Rahmen der Zweckmäßigkeitsüberlegungen geht Verfasser nicht hinreichend differenziert auf die Aspekte der Glaubhaftmachung und Beiladung der Mitkonkurrenten ein. Das Erfordernis der Erhebung der Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides wird nicht gesehen.“
14Der Zweitkorrektor stimmte der Bewertung zu.
15Mit Schreiben vom 26. Dezember 2011 beantragte der Kläger eine schriftliche Begründung der Bewertung seiner Leistungen im Prüfungsgespräch, die ihm mit Schreiben vom 16. Januar 2012 zur Verfügung gestellt wurde. In der Begründung heißt es auszugsweise:
16"Im Zivilrecht waren beide Fälle dem aktuellen Heft 21/2011 der MDR entnommen worden. […]
17Im zweiten Fall klagte eine Zahnärztin Honorar für eine Wurzelbehandlung eines Zahnes ein, obwohl die Behandlung erfolglos und der Zahn wegen einer abgebrochenen Behandlungsnadel verloren wurde (vereinfachter Sachverhalt zu MDR 2011, 1278). Herr Piepers sollte die Gewährleistung im Dienstvertragsrecht darstellen. Es fehlte die Erwägung, dass für eine völlig unbrauchbare Leistung, die der Nichtleistung der Dienste entspricht, eine Vergütung nicht verlangt werden kann. Die Ausführungen zu einer Gewährleistung (Minderung, Nachbesserung, Schadensersatz) waren oberflächlich und zäh; es gelang dem Prüfling in keinem Abschnitt, von sich aus die Problematik auf den Punkt zu bringen. […]
18Im öffentlichen Recht ging es um die Androhung von Folter durch einen Polizisten, der vom geständigen Straftäter den Aufenthaltsort des Entführten wissen wollte (Fall Daschner/Gaefgen/von Metzler). Herr Q. prüfte § 240 StGB, wurde bereits im Rahmen der Prüfung des § 240 Abs. 2 ungenau, zum Teil diffus. Es gelang ihm nicht, seine Aussage, Beamte dürften nach der "Rechtsordnung" nicht drohen, auf eine Norm zurückzuführen. […] Herr Q. hat sich zutreffend dazu geäußert, dass nach § 9 PolG die Befragung zulässig war, die Beantwortung der Frage aber, ob sich aus § 9 Abs. 2 PolG eine Verpflichtung des Handlungsstörers zu einer Aussage über den Aufenthaltsort des Entführungsopfers ergibt, bedurfte erheblicher Hilfestellung durch den Prüfer. Zu dem im § 26 VwVfG geregelten Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr der Selbstbelastung hat er wenig sachdienliches beizutragen vermocht. Da er diese Vorschrift nicht kannte, machte er einen wenig förderlichen Exkurs in das US-amerikanische Recht; auch die praktischen Konsequenzen, die sich bei einer angenommenen Verpflichtung zur Auskunft ergeben, hatten allenfalls durchschnittliches Niveau. Negativ ins Gewicht fiel vor allem, dass der Prüfling das Spannungsverhältnis zwischen Auskunftspflicht und Selbstbelastung mit dem Wegfall der Auskunftspflicht lösen wollte, statt ein strafprozessuales Verwertungsverbot anzunehmen."
19Der Prüfungsausschuss setzte die Gesamtnote am 20. Dezember 2011 auf den aus den Einzelnoten rechnerisch ermittelten Wert „befriedigend (8,75 Punkte)“ fest. Er sah keinen Anlass für eine Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote. Das Landesjustizprüfungsamt teilte das Prüfungsergebnis dem Kläger mit Bescheid vom 22. Dezember 2011 mit.
20Mit Schriftsatz vom 31. Dezember 2011, dem Beklagten zugegangen am 3. Januar 2012, legte der Kläger Widerspruch ein.
21Im Hinblick auf die Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 trug er vor, die Herleitung des Gerichtsstands aus § 21 ZPO sei vertretbar und es hätten gute Gründe vorgelegen, nicht auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung aus § 32 ZPO einzugehen. Seine Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags zukünftiger Schmerzensgeldansprüche wichen zwar von der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsauffassung ab, seien gleichwohl aber vertretbar. Hinsichtlich der Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 2 führte er aus, seine Überlegungen, eine Verpflichtungsklage nicht zu erheben, seien zutreffend. Er habe nicht verkannt, dass eine Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft erhoben werden müsse, sondern zutreffend ausgeführt, dass eine solche Bestandskraft gar nicht drohe, da sich das Begehren des Mandanten vor Ablauf der Klagefrist erledige. Von der Erhebung einer Verpflichtungsklage habe aus anwaltlicher Sicht abgeraten werden müssen, da sie lediglich ein unnötiges Kostenrisiko verursache.
22Weiterhin rügte er mehrere Bewertungsfehler hinsichtlich des Prüfungsgesprächs.
23Der öffentlich-rechtliche Teil des Gesprächs sei nach einer Sachverhaltsschilderung mit der Frage eröffnet worden, ob der handelnde Polizeipräsident sich wegen einer Nötigung nach § 240 StGB strafbar gemacht habe. Im Rahmen der Prüfung der Rechtswidrigkeit habe er klargestellt, dass bei der Nötigung zwischen dem Eingreifen von allgemeinen Rechtfertigungsgründen einerseits und der weiterhin festzustellenden Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB andererseits zu unterscheiden sei. Der Prüfer habe ihn daraufhin gefragt, ob die Handlung des Polizeipräsidenten denn verwerflich nach § 240 Abs. 2 StGB gewesen sei. Er, der Kläger, habe dann ausgeführt, dass sich die Verwerflichkeit aus dem eingesetzten Nötigungsmittel und dem verfolgten Zweck ergeben könne. Der Prüfer sei mit der Antwort nicht zufrieden gewesen, habe einen anderen Prüfling aufgerufen und schließlich resümiert, dass eine tatbestandliche Nötigung nicht verwerflich nach § 240 Abs. 2 StGB sein könne, wenn die Handlung von einer Rechtsnorm gedeckt sei. In der schriftlichen Begründung der Prüfungskommission werde ihm daher zu Unrecht vorgeworfen, er habe seine Aussage, Beamten dürften nach der Rechtsordnung nicht drohen, nicht auf eine Norm zurückgeführt. Anschließend sei zu prüfen gewesen, ob eine Auskunftspflicht des Täters nach § 9 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW durch das Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts entfallen könne. Ihm sei die Regelung des § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG NRW nicht bekannt gewesen. Er habe erörtern sollen, ob der Konflikt zwischen Auskunftspflicht und Auskunftsverweigerungsrecht auch ohne den Wegfall der Auskunftspflicht gelöst werden könne. Er habe den Standpunkt vertreten, dass der Wortlaut des § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG eindeutig sei und daher die Norm keiner anderen Auslegung zugänglich sei. Die Prüfungskommission hätte positiv berücksichtigen müssen, dass er sich methodisch sauber am Wortlaut der Norm orientiert habe und auf dieser Basis zu der für NRW herrschenden Rechtsauffassung gekommen sei.
24Die Bewertung des zivilrechtlichen Gesprächs unterliege einem Bewertungsfehler, da die von ihm dargestellte Lösung des zweiten Falls entgegen der Kritik durch die Kommission rechtlich richtig sei. Er habe die Auffassung vertreten, bei einer nicht lege artis durchgeführten und im Ergebnis unbrauchbaren ärztlichen Heilbehandlung komme ein Wegfall der Vergütung durch Minderung nicht in Betracht, da dies im Dienstvertragsrecht nicht vorgesehen sei. Ein Wegfall der Vergütung könne nur daraus resultieren, dass dem Vergütungsanspruch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB entgegengehalten werde. Auf Nachfrage habe er präzisiert, dass es als Anwalt die Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch erklären würde. Dies entspreche der h.M. in der Literatur und der Rechtsprechung.
25Im strafrechtlichen Prüfungsgespräch habe er ausgeführt, die Frage, ob eine Schreckschusspistole eine Waffe ist, sei streitig. Er habe die Auffassung vertreten, die Waffenqualität sei abzulehnen, da eine Schreckschusspistole bei bestimmungsgemäßer Verwendung nicht der Verletzung von Menschen diene. Weiterhin habe er dargestellt, dass Fahrer, die aus einem Kraftfahrzeug ausgestiegen sind, nur in absoluten Ausnahmefällen noch taugliche Opfer eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer sein können.
26Schließlich rügte er, dass der Prüfungsausschuss nicht von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote abgewichen sei. Schon seine Leistungen während des Vorbereitungsdienstes, insbesondere die in der praktischen Ausbildung erzielten Noten, würden zeigen, dass eine Anhebung der Gesamtnote geboten gewesen wäre. Zudem sei das in der mündlichen Prüfung erzielte Ergebnis ein Ausreißer, da er dort deutlich schlechter bewertet worden sei als in früheren mündlichen Prüfungen.
27Das beklagte Prüfungsamt holte Stellungnahmen der betroffenen Prüfer ein, die an ihren Bewertungen festhielten.
28Die Erstkorrektorin der Klausur Zivilrecht 1 führte unter anderem aus:
29"Soweit sich der Widerspruch gegen die Bewertung hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Feststellungsantrages hinsichtlich zukünftiger immaterieller Schäden wendet, bleibe ich ebenfalls bei meinen Beanstandungen – die allerdings gegenüber den zuvor aufgezeigten Mängeln der Arbeit hinsichtlich der Gesamtbewertung eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt haben.
30Die Annahme des § 21 ZPO bleibt spekulativ. Zudem ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin die Beklagte unter dem Ort einer Niederlassung in Anspruch nehmen wollte. Nahe liegend war dagegen die Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO. Wenn der Widerspruchsführer darauf hinweist, dass zur Begründung des § 32 ZPO nähere Ausführungen zu dem Begehren des Klägers und zur Prüfungsbefugnis des Gerichts im Gerichtsstand des § 32 ZPO erforderlich gewesen wären, so können von einer überdurchschnittlichen Leistung solche Ausführungen erwartet werden.
31Hinsichtlich der Zulässigkeit des Feststellungsantrages bleibe ich dabei, dass Verf. eine überzeugende Begründung nicht gegeben hat. Eine Auseinandersetzung mit der herrschenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist gerade nicht erfolgt. Von einer überdurchschnittlichen Leistung wäre das zu erwarten. Der Verweis auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist keinesfalls ausreichend.“
32Der Zweitkorrektor vermerkte handschriftlich auf der Stellungnahme der Erstkorrektorin: "Ich stimme dem uneingeschränkt zu". Nach Aufforderung des Beklagten hielt die Erstkorrektorin in einer zusätzlichen Stellungnahme weiter an ihrer Bewertung fest. Der Zweitkorrektor stimmte dem erneut handschriftlich mit einem Satz zu.
33Im Hinblick auf die Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 1 führte der Erstkorrektor unter anderem aus:
34"Der Widerspruchsführer behandelt die Zweckmäßigkeitsfrage, ob der Mandant eine Verpflichtungsklage erheben sollte, zunächst systematisch zweifelhaft im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses des Eilantrages (Bl. 7). Er ist der Ansicht, dass „aus Kostengründen noch gar keine Klageschrift eingereicht werden“ soll. Zur Begründung hierfür wird weiter ausgeführt, dass „sich die Angelegenheit hier ohnehin vor Fristablauf erledigen würde“.
35Bei diesen aus anwaltlicher Perspektive unangemessen kurzen Erwägungen zur Frage der Zweckmäßigkeit einer Verpflichtungsklage wird zunächst der Sinn einer solchen Klage, nämlich die Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 1.6.2011 nicht hinreichend erörtert. Es wird dabei zum einen nicht bedacht, dass das Verwaltungsgericht die Möglichkeit hat, bis zum Ablauf des Sommersends über die Klage entscheiden zu können.
36Sollte das Verwaltungsgericht bis zum Ablauf des Sommersends nicht über die Klage entschieden haben, wäre der Klageantrag auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umzustellen, vgl. § 113 Abs.1 Satz 4 VwGO. Das besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt in der Wiederholungsgefahr und der Geltendmachung möglicher Amtshaftungsansprüche. Auch diese Klageart die dahingehenden Interessen spricht der Widerspruchsführer zu diesem Komplex in seiner Klausur nicht an."
37Der Zweitkorrektor nahm ebenfalls Stellung und stimmte der Einschätzung des Erstkorrektors zu.
38Hinsichtlich der Bewertung des Prüfungsgesprächs führte der Prüfungsausschuss in einer gemeinsamen Stellungnahme der Prüfer unter anderem aus:
39"Im Zivilrecht waren beide Fälle dem aktuellen Heft 21/2011 der MDR entnommen worden. Sie sollten aus der Sicht eines Rechtsanwalts begutachtet werden. […]
40Zutreffend erkennt der Widerspruchsführer in der Widerspruchsschrift (allerdings nicht während seiner mündlichen Prüfung), dass zur Gewährleistung im Dienstvertrag verschiedene Meinungen vertreten werden. […] Entscheidend war nicht, welche Meinung vertreten wurde, sondern dass man unterschiedliche Ansätze sieht und wie die Positionen herausgearbeitet, argumentativ hergeleitet und abgegrenzt wurden. Die rechtlichen Recherchen, die der Widerspruchsführer für seine Widerspruchsschrift angestellt hat, waren nicht Bestandteil einer Prüfungsleistung. Dabei wird nicht negativ bewertet, dass der Widerspruchsführer § 280 BGB für anwendbar erachtet. Eine überdurchschnittliche Leistung hätte eine mögliche andere Meinung und das Problem des Vorranges des besonderen Schuldrechts vor dem allgemeinen Schuldrecht herausgearbeitet. Der Widerspruchsführer blieb die Argumentation schuldig, seine Stellungnahme blieb oberflächlich, sein Verweis auf § 280 BGB undifferenziert und zu pauschal. […]
41Die Ausführungen des Widerspruchsführers im Prüfungsteil öffentliches Recht waren in weiten Teilen mängelbehaftet. […]
42Der Einstieg in die Prüfung des Falles erfolgte zwar über § 240 StGB, der Prüfer hatte aber von Anfang an klargemacht, dass er keine strafrechtliche, sondern eine öffentlich rechtliche Prüfung durchführen wollte; es sollte (deshalb) um die nach dem Polizeirecht (Gefahrenabwehr) zu beantwortende Frage gehen, ob der E. dem H. rechtmäßiger Weise Gewalt androhen durfte, um auf diese Weise den Aufenthaltsort des Entführungsopfers zu erfahren. […]
43Ein weiterer Schwerpunkt der Prüfung sollte die Beantwortung der Frage sein, ob die Regelung im § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG eine Abwägung zulässt, wenn es in einem konkreten Fall – wie hier – um das Leben eines Kindes geht. Ohne tiefergehende Argumentation hat sich der Widerspruchsführer unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift für den Wegfall der Auskunftspflicht entschieden. Von einem Kandidaten, der eine überdurchschnittliche Benotung anstrebt, hätte erwartet werden müssen, dass er auch ein anderes Ergebnis in Betracht zieht: unbeschränkte Auskunftspflicht trotz einer drohenden Selbstbezichtigung, wenn der Aussagepflichtige durch ein Verwertungsverbot von strafrechtlicher Verfolgungen geschützt wird. […]
44Mit Stellungnahme vom 4. Juni 2012 teilte der Prüfungsausschuss mit, dass nach nochmaliger Beratung auch an der Entscheidung festgehalten werde, nicht von dem rechnerisch ermittelten Wert der Gesamtnote abzuweichen.
45Mit Bescheid vom 25. Juni 2012, dem Kläger zugestellt am 28. Juni 2012, wies das beklagte Landesjustizprüfungsamt unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen der Korrektoren und des Prüfungsausschusses den Widerspruch zurück.
46Am 19. Juli 2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er nimmt im Wesentlichen auf seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren Bezug und trägt ergänzend vor: Die Bewertung der Aufsichtsarbeiten Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, der mündlichen Prüfung sowie die Abweichungsentscheidung seien rechtswidrig, da das Überdenkensverfahren fehlerhaft durchgeführt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des Bundesverwaltungsgerichts sei dieses so auszugestalten, dass sämtlichen beteiligten Prüfern die vom Prüfling geäußerten Überdenkensaspekte unabhängig voneinander zugeleitet werden. Die Prüfer müssten ihre Erwägungen zu den Überdenkensaspekten schriftlich fixieren, bevor sie sich untereinander austauschen dürften, da nur so ein ernsthaftes, unbeeinflusstes und unabhängiges Überdenken stattfinden könnte.
47Er beantragt,
48den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2012 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Klausuren 'Zivilrecht 1' und 'Verwaltungsrecht 2' neu zu bewerten sowie das Prüfungsgespräch zu wiederholen und ihn über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden,
49hilfsweise,
50den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2012 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote für seine zweite juristische Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch erneut zu entscheiden und ihn über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden.
51Der Beklagte beantragt,
52die Klage abzuweisen.
53Er verweist auf die im Widerspruchs- und Klageverfahren eingeholten Stellungnahmen der Korrektoren der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, des Prüfungsausschusses sowie auf den Vermerk zur Vorbereitung des Widerspruchsbescheides. Ergänzend trägt er zur Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 vor, dass der Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 Abs. 1 ZPO entgegen der Lösung des Klägers nicht unproblematisch eröffnet sei. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte im Sachverhalt dafür, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung der Beklagten handele. Die Erstkorrektorin habe ihrer Kritik zudem allenfalls eine untergeordnete Rolle beigemessen, sodass auch bei Ausblenden des in Rede stehenden Kritikpunktes eine andere Gesamtnote nicht vergeben worden wäre. Im Hinblick auf die Bewertung des Prüfungsgesprächs im Rahmen der mündlichen Prüfung stelle der Kläger nur dar, wie dieses aus seiner Sicht abgelaufen sei, ohne konkrete Bewertungsfehler zu rügen. Das Überdenkensverfahrens sei ordnungsgemäß abgelaufen. Die Korrektoren der Klausuren hätten selbstständige und nicht gemeinsame Stellungnahmen abgegeben. Der Prüfungsausschuss sei berechtigt und verpflichtet, eine gemeinsame Stellungnahme abzugeben.
54Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
55Entscheidungsgründe:
56Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
57Der Bescheid des Landesjustizprüfungsamtes vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO. Er hat einen Anspruch auf Neubewertung der Aufsichtsklausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, weil deren Bewertung teilweise fehlerhaft ist. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der weitergehenden Einwände gegen die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 sowie gegen das Prüfungsgespräch, ist die Klage unbegründet.
58Bei der Anfechtung von Prüfungsentscheidungen sind die Gerichte grundsätzlich zur vollständigen Nachprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verpflichtet. Lediglich bei "prüfungsspezifischen" Wertungen verbleibt der Prüfungsbehörde ein die gerichtliche Kontrolle insoweit einschränkender Entscheidungsspielraum, dessen Überprüfung darauf beschränkt ist, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob der Prüfer von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat.
59Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419.81 und 213.83 -, NJW 1991, 2005 ff.
60Zu den allgemein gültigen, aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Bewertungsgrundsätzen gehört, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Beurteilungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden. Zusätzlich ist eine Willkürkontrolle durchzuführen. Bei der Willkürkontrolle ist davon auszugehen, dass eine willkürliche Fehleinschätzung der Prüfungsleistung schon dann anzunehmen ist, wenn die Einschätzung Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss. Dabei setzt eine wirksame Kontrolle durch das Gericht allerdings voraus, dass der klagende Prüfling dem Gericht im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht "wirkungsvolle Hinweise" gibt.
61Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2004 - 6 B 25/04 -, NVwZ 2004, 1375; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2013 - 14 E 686/13 ‑, www.nrwe.de, und Urteile vom 18. April 2012 - 14 A 2687/09 - und vom 14. März 1994 - 22 A 201/93 -, beide juris.
62Dies bedeutet, dass der Prüfling seine Einwände konkret und nachvollziehbar begründen muss, um dem Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welcher Richtung der Sachverhalt für eine gerichtliche Überzeugungsbildung - notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - (weiter) aufzuklären ist.
63Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2010 - 26 K 1841/09 -, juris, m.w.N.
64Insoweit ist zu berücksichtigen, dass alle Fragen, die fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich bzw. anhand objektiver fachwissenschaftlicher Kriterien zu beantworten sind, gerichtlich voll überprüfbar sind. Um Fachfragen geht es dabei unter anderem dann, wenn bei einer Beurteilung von Prüfungsleistungen etwa die Methodik der Darstellung oder die Vertretbarkeit der Lösung des Prüflings in Rede stehen. Prüfungsspezifische Bewertungen, die nur beschränkt einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind, sind solche, die im Gesamtzusammenhang eines oder mehrerer Prüfungsverfahren getroffen werden müssen und sich deshalb nicht isoliert nachvollziehen lassen, wie etwa die Entscheidung, welche der vom Prüfer angenommenen Mängel sich überhaupt und mit welchem Gewicht in ihrer Leistungsbeurteilung niederschlagen,
65Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 6 B 55.97 -, DVBl. 1998, 404, und Urteil vom 16. April 1997 - 6 C 9.95 -, NJW 1998, 323; VG Köln, Urteil vom 2. Juni 2010 - 6 K 7330/08 -, juris.
66Hiervon ausgehend erweist sich die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 als rechtswidrig. Sie sind jeweils neu zu bewerten. Die Bewertung des Prüfungsgesprächs als Teil der mündlichen Prüfung ist hingegen rechtlich nicht zu beanstanden.
67Das Überdenkensverfahren hinsichtlich der Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 leidet an einem Verfahrensfehler. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Überdenkensverfahren aber hinsichtlich der übrigen gerügten Prüfungsteile ordnungsgemäß abgelaufen.
68Das Überdenkensverfahren besitzt im Hinblick auf die Grenzen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Prüfungsleistungen die Funktion, dem Kandidaten grundrechtsadäquaten Rechtsschutz zu gewährleisten. Dazu muss durch die Verfahrensgestaltung sichergestellt sein, dass die Kritik des Kandidaten an seiner Bewertung von den Prüfern behandelt und gewürdigt wird. Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn die Korrektoren eine gemeinsame Stellungnahme entwerfen.
69Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. April 2012 - 14 A 2687/09 -, juris, Rn. 69 ff.; BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39/12 -, NVwZ-RR 2013, 44 = juris, Rn. 5 ff.
70Diesem Maßstab wird die Durchführung des Überdenkensverfahrens für die Klausur Zivilrecht 1 nicht gerecht. Es ist nicht hinreichend erkennbar, dass der Zweitkorrektor sich mit den Einwänden und der Kritik des Klägers auseinandergesetzt hat. Der Zweitkorrektor hat sich darauf beschränkt, sich den beiden Stellungnahmen der Erstkorrektorin im Überdenkensverfahren jeweils nur mit einem Satz anzuschließen. Zwar ist bei der ursprünglichen Bewertung einer Klausur die bloße Erklärung des Einverständnisses durch den Zweitguachter mit der Bewertung des Erstgutachters nicht zu beanstanden.
71Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 1988 - 7 B 155/88, juris; BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 - 6 C 5/93 -, NVwZ-RR 1994, 582 = juris, Rn. 38; OVG NRW, Urteil vom 25. April 1997 - 22 A 4028/94 -, NWVBl. 1997, 434 = juris, Rn. 6.
72Dies gilt aber nicht mehr im Überdenkensverfahren. Der Prüfling muss im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2) substantiierte Angriffe auf die Prüferkritik vorbringen. Dies ist ihm - schon im Hinblick auf die begrenzte verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte im Prüfungsrecht - nur dann möglich, wenn die Prüfer im Überdenkensverfahren ihre - selbstständigen - Bewertungen erläutern und plausibilisieren. Nur die eigene textliche Stellungnahme eines Prüfers ermöglicht es dem Verwaltungsgericht, die ursprünglich vorgenommene Bewertung auf Fehler zu überprüfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Zweitkorrektor in der Ursprungsbewertung keine eigenen inhaltlichen Ausführungen zur Bewertung gemacht hat.
73Das Überdenkensverfahren hinsichtlich der Bewertung der Aufsichtsarbeit Verwaltungsrecht 2 ist hingegen ordnungsgemäß abgelaufen, da der Zweitkorrektor eine umfassende Stellungnahme abgegeben hat. Es ist auch unbedenklich, dass dem Zweitkorrektor bei der Verfassung seiner Stellungnahme im Überdenkensverfahren die Stellungnahme des Erstkorrektors bereits bekannt war. Mit dem Charakter des Überdenkensverfahrens sind nur gemeinsame Stellungnahmen der Korrektoren unvereinbar. Es ist hingegen nicht die Unkenntnis des Zweitgutachters von der Stellungnahme des Erstgutachters erforderlich.
74Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2013 - 14 B 1262/13 -, juris, Rn. 13.
75Soweit der Kläger eine gemeinsame Stellungnahme des Prüfungsausschusses im Überdenkungsverfahren hinsichtlich der Bewertung des Prüfungsgesprächs sowie der Nichtabweichungsentscheidung rügt, begründet dies ebenfalls keinen Verfahrensfehler. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 JAG NRW trifft der Prüfungsausschuss alle Entscheidungen über Prüfungsleistungen, insbesondere - abgesehen von der Bewertung der Aufsichtsarbeiten - die Entscheidung über das Prüfungsergebnis. Er entscheidet gemäß Satz 2 der Vorschrift mit Stimmenmehrheit. Dies verdeutlicht, dass - anders als bei den Aufsichtsarbeiten - die Bewertung durch den Prüfungsausschuss und nicht durch die Prüfer jeweils selbstständig erfolgt. Demnach ist auch im Überdenkungsverfahren eine gemeinsame Stellungnahme des Prüfungsausschusses unbedenklich.
76Die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 unterliegt materiellen Bewertungsfehlern.
77Die Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 unterliegt einem materiellen Bewertungsfehler und erweist sich auch deshalb als rechtswidrig. Sie ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
78Entgegen der Bewertung durch die Korrektoren kam der Kläger in seinem Urteilsentwurf rechtlich zutreffend zu dem Ergebnis, dass die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Essen durch § 21 Abs. 1 ZPO, dem besonderen Gerichtsstand der Niederlassung, begründet wird. Die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Essen unterliegt als fachwissenschaftliche Frage der vollständigen Kontrolle des Gerichts; die Korrektoren können sich insoweit nicht auf einen prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum berufen. Die von den Prüfern vorgenommene Kritik, an der sie auch im Widerspruchs- und Klageverfahren festhielten, verletzt anerkannte Bewertungsmaßstäbe.
79§ 21 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass wenn jemand zum Betrieb einer Fabrik, einer Handlung oder eines anderen Gewerbes eine Niederlassung hat, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, alle Klagen gegen ihn, die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gericht des Orts erhoben werden können, wo die Niederlassung sich befindet.
80Sinn und Zweck des besonderen Gerichtsstands der Niederlassung gem. § 21 Abs. 1 ZPO ist es, die Rechtsverfolgung gegen Gewerbetreibende für bestimmte vermögensrechtliche Klagen zu erleichtern. Eine Niederlassung im Sinne der Vorschrift ist jede von dem Inhaber an einem anderen Ort als dem seines (Wohn-)Sitzes für eine gewisse Dauer eingerichtete, auf seinen Namen und für seine Rechnung betriebene und in der Regel selbstständig, d.h. aus eigener Entscheidung zum Geschäftsabschluss und Handeln berechtigte Geschäftsstelle. Die Selbstständigkeit der Niederlassung kann bei Zweigbetrieben fehlen. Entscheidend ist nicht das innere Verhältnis zum Hauptunternehmen, sondern ob nach außen der Anschein einer selbstständigen Niederlassung erweckt wird.
81Vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. (2012), § 21, Rn. 6 ff.; H. Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. (2003), § 21 Rn. 11 ff.; Patzina, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. (2008), § 21 Rn. 6 ff.
82Gemessen an diesen Anforderungen und im Hinblick auf die Angaben im Klausursachverhalt ging der Kläger in seiner Lösung zutreffend davon aus, dass das Landgericht Essen nach § 21 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig sei. Er hat auf S. 17 seiner Klausurlösung feststellend subsumiert, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung handele, da "dort selbständig Geschäfte abgeschlossen und abgewickelt" werden. Dies entspricht einer lebensnahen Auslegung des Sachverhalts. Die Korrektoren haben die Lösung des Klägers hingegen als falsch bewertet. In der Randbemerkung auf S. 16 vermerkten sie zwar nur "fraglich, § 32 ZPO", was für sich genommen noch nur als Kritik an der Begründung des Klägers und nicht an dem Ergebnis verstanden werden könnte. In ihrem abschließenden Gutachten führte die Erstkorrektorin hingegen aus, dass § 32 ZPO zur Anwendung hätte kommen sollen. Dies und die im Widerspruchs- und Klageverfahren eingeholten weiteren Stellungnahmen machen deutlich, dass die Kritik der Korrektoren sich nicht nur auf die Qualität der Begründung beschränkt. Die Korrektoren und der Beklagte haben trotz mehrfacher Stellungnahme nicht begründet, warum die vom Kläger vorgenommene Subsumtion fehlerhaft ist. Insbesondere überzeugt nicht die Kritik, dass die Annahme von § 21 Abs. 1 ZPO spekulativ sei. Die Angaben im Sachverhalt weisen genug Informationen auf, damit der Kläger von der Berechtigung des Supermarktes zum selbstständigen Abschluss von Geschäften ausgehen durfte. Dies gilt umso mehr, da es nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung ausreicht, wenn der Anschein einer selbstständigen Niederlassung erweckt wird.
83Der Korrekturfehler ist auch nicht deshalb ausnahmsweise unbeachtlich, weil ein Einfluss auf die Bewertung auszuschließen ist.
84Unbeachtlich ist ein materieller Bewertungsfehler nur dann, wenn sich seine Auswirkung auf die Notengebung mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen lässt. Bei der Prüfung der Kausalität eines materiellen Bewertungsfehlers unterliegen die Gerichte denselben Beschränkungen wie bei der Überprüfung, ob ein materieller Prüfungsfehler vorliegt. In den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum der Prüfer darf die gerichtliche Kausalitätsprüfung nicht eindringen. Die Gerichte können deswegen mögliche Auswirkungen eines Prüfungsfehlers nicht in der Weise verneinen, dass sie selbst Bewertungen vornehmen, indem sie verschiedene gestellte Aufgaben untereinander oder Schwächen in der Bearbeitung oder die Bedeutung des Mangels gewichten. Lässt sich die Ursächlichkeit des Fehlers für die Notengebung nicht sicher ausschließen, kann das Gericht die Leistungsbewertung nicht ersetzen, sondern den Prüfungsbescheid lediglich aufheben.
85Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2013 - 14 E 686/13 -, juris, Rn. 13; BVerwG, Urteile vom 12. November 1997 - 6 C 11/96 -, BVerwGE 105, 328 = juris, Rn. 21 f. und vom 27. April 1999 - 2 C 30/98 -, NVwZ 2000, 921 = juris, Rn. 34.
86Eine Auswirkung des Fehlers lässt sich vorliegend nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen. Zwar hat die Erstkorrektorin in ihrer zweiten Stellungnahme im Widerspruchsverfahren ausgeführt, die Kritik an der Prüfung des § 21 ZPO hinsichtlich der Gesamtbewertung habe eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt. Dies lässt es aber nicht hinreichend erkennen, dass ein Einfluss der Kritik auf die Gesamtnote ausgeschlossen ist. Die Formulierung "allenfalls untergeordnete Rolle" lässt nicht den für die Überzeugung des Gerichts sicheren Schluss zu, dass die Kritik überhaupt keinen Einfluss auf die Notengebung hatte. Nur dies würde aber zur Unbeachtlichkeit eines materiellen Bewertungsfehlers führen. Dass die Kritik nicht völlig bedeutungslos ist, ergibt sich auch daraus, dass sie nicht nur als Randbemerkung, sondern ebenfalls im Erstvotum in der abschließenden Bewertung aufgeführt ist. Der Einfluss des Korrekturfehlers auf die Bewertung kann überdies schon deshalb nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden, da der Zweitgutachter sich zu der Bedeutung des Fehlers nicht geäußert hat. Da dieser sowohl der ursprünglichen Bewertung als auch den Stellungnahmen im Widerspruchs- und Klageverfahren der Erstkorrektorin jeweils nur mit einem Satz zustimmte, hat er nicht substantiiert dargelegt, dass auch für ihn die Kritik keinen Einfluss auf die Bewertung hatte. Dies wäre aber im Hinblick auf die Funktion des Überdenkensverfahrens, grundrechtsadäquaten Rechtsschutz zu gewährleisten, erforderlich gewesen.
87Soweit der Kläger weitere Einwände gegen die Klausur Zivilrecht 1 vorbringt, liegt ein Bewertungsfehler nicht vor.
88Entgegen der Ansicht des Klägers, ist die Kritik der Korrektoren an seinen Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht zu beanstanden. Der Kläger kam in seiner Lösung zu dem Ergebnis, dass der Antrag, die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz zukünftiger aus dem Unfall resultierender Schäden festzustellen, nur im Hinblick auf materielle Schäden und nicht hinsichtlich immaterieller Schäden begründet sei. Zur Begründung des fehlenden Feststellungsinteresses führt er lediglich aus "vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB". Die Erstkorrektorin hat dies in ihrer ursprünglichen Bewertung zutreffend als kaum vertretbar bezeichnet und in einer Randbemerkung den schlichten Verweis auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB als nicht tragfähige Begründung gekennzeichnet. Soweit die Korrektorin die Qualität der Begründung des Klägers für sein Ergebnis bemängelt, unterliegt dies bereits nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, da die Bewertung der Qualität der Argumentation des Kandidaten dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum unterfällt. Dem Kläger ist es deshalb auch verwehrt, sich auf ein Urteil des OLG Oldenburg, das seine Rechtsansicht teile, zu berufen. Denn die Kritik der Korrektorin beruht nicht maßgeblich auf dem vom Kläger vertretenen Ergebnis, sondern auf der unzureichenden Begründung seiner Auffassung. Eine ausführliche Begründung wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil das vom Kläger vertretene Ergebnis von der Rechtsprechung des BGH abweicht. Dass der BGH einen Feststellungsantrag für zukünftige immaterielle Schäden grundsätzlich als zulässig erachtet, hätte der Kläger mit den für die Klausur zugelassenen Hilfsmitteln auch erkennen können. So wird im für die Klausur zugelassenen Kommentar zum BGB ausgeführt: "Die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere immaterielle Schäden ist zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass künftige, bisher noch nicht erkannte und nicht voraussehbare Leiden auftreten."
89Vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. (2011), § 253, Rn. 25.
90Soweit der Kläger sich gegen die Kritik an der Annahme eines Mitverschuldensanteils von 20% wendet, liegt ein materieller Bewertungsfehler nicht vor. Die Kritik der Korrektorin bezieht sich auf die Begründung des Klägers. Die Bewertung der Qualität der Argumentation unterfällt dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der Korrektoren und unterliegt damit nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.
91Die Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 2 ist rechtswidrig, da sie auf einem materiellen Bewertungsfehler beruht. Sie ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
92Entgegen der Bewertung durch die Korrektoren hat der Kläger nicht übersehen, dass die Erhebung einer Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides notwendig ist. Er führte in der Klausur auf S. 6 f. unter der Überschrift "Allg. Rechtsschutzbedürfnis" aus:
93"Der Antrag nach § 123 I VwGO ist nicht fristgebunden (vgl. § 123 II S. 2 VwGO). Er ist aber nur solange zulässig wie ein Antrag in der Hauptsache noch möglich ist. […] Der Antrag kann daher noch gestellt werden. Da sich die Angelegenheit hier ohnehin vor Fristablauf erledigen würde, sollte aus Kostengründen auch gar keine Klageschrift eingereicht werden."
94Aus dieser Passage wird hinreichend deutlich, dass der Kläger die grundsätzliche Notwendigkeit der Erhebung einer Klage in der Hauptsache erkannt hat. Er ging ebenfalls rechtlich zutreffend davon aus, dass nach dem konkreten Sachverhalt die Klageerhebung aber nicht notwendig war, da die Bestandskraft des Ablehnungsbescheids erst am 1. Juli 2011, also erst nach dem Ende des Volksfestes (23. Juni bis 27. Juni 2011), zu dem der Mandant die Zulassung begehrte, eintrat. Der Kläger hat auch implizit eine Zweckmäßigkeitserwägung angestellt, da er auf das Kostenrisiko der Klageerhebung hinwies.
95Etwas anderes folgt auch nicht aus der in den ursprünglichen Voten der Korrektoren noch nicht enthaltenen und erstmals im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Kritik, dass der Kläger im Rahmen der Zweckmäßigkeitserwägungen auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage hätte eingehen müssen. Dies stellt zwar für sich eine zulässige Bewertung der Leistungen des Klägers dar, ändert aber nichts an der rechtsfehlerhaften Bewertung, der Kläger habe übersehen, dass die Erhebung einer Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides notwendig sei. Von der rechtsfehlerhaften Bewertung haben die Korrektoren keinen Abstand genommen.
96Ohne Erfolg bleiben die Einwendungen des Klägers gegen die Bewertung des Prüfungsgesprächs.
97Eine Neubewertung des Prüfungsgesprächs scheidet vorliegend von vornherein aus, da sie wegen Zeitablaufs unmöglich geworden ist. Die Neubewertung einer mündlichen Prüfung kommt nur in Betracht, wenn sie in engem zeitlichen Zusammenhang mit der fehlerhaft durchgeführten oder fehlerhaft bewerteten Prüfung erfolgt. Nur in diesem Fall sind die Prüfer in der Lage, sich den Ablauf der Prüfung und die für die Bewertung maßgebenden Gesichtspunkte - etwa unter Zuhilfenahme des Prüfungsprotokolls, handschriftlicher Notizen oder eines vom Prüfling erstellten Gedächtnisprotokolls - zu vergegenwärtigen. Ist dagegen seit der Ablegung der mündlichen Prüfung ein längerer Zeitraum verstrichen, ist eine Neubewertung nicht mehr möglich.
98Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1995 - 19 A 4947/94 -, juris, Rn. 18 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 23. Dezember 2013 - 14 B 1378/13 -, juris, Rn. 9, m.w.N.,
99So liegt der Fall hier, denn seit der mündlichen Prüfung vom 20. Dezember 2011 sind inzwischen mehr als zwei Jahre vergangen.
100Auch die Wiederholung der Prüfung scheidet aus. Die Bewertungsrügen des Klägers gegen das Prüfungsgespräch greifen nicht durch.
101Die Bewertung des zivilrechtlichen Teils des Prüfungsgesprächs ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Prüfungsausschuss nicht rechtlich zutreffende Ausführungen als falsch angesehen. Der Prüfungsausschuss kritisierte, dass der Kläger sich nicht vertieft - sondern nur oberflächlich - mit der Frage der Gewährleistung bei einem Dienstvertrag auseinandergesetzt hat. Er hat dementsprechend nicht das vom Kläger vertretene Ergebnis kritisiert, sondern die Qualität der Argumentation. Die Bewertung der Qualität der inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem Problem unterliegt dem verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbaren Beurteilungsspielraum der Prüfer, der hier nicht verletzt ist.
102Hinsichtlich des strafrechtlichen Teils des Prüfungsgesprächs ist die Rüge des Klägers schon unsubstantiiert. Er hat keine konkreten Einwendungen gegen die Bewertung geltend gemacht; wendet sich vielmehr gegen die Gewichtung der Vor- und Nachteile seiner Bewertung, die dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum unterliegt.
103Auch der öffentlich rechtliche Teil des Prüfungsgesprächs unterliegt keinem Bewertungsfehler.
104Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe rechtlich zutreffende Ausführungen zur Prüfung der Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB gemacht. Der Prüfungsausschuss wirft dem Kläger lediglich vor, seine Prüfung des § 240 Abs. 2 StGB sei ungenau, zum Teil diffus gewesen. Dies greift die fachwissenschaftliche Korrektheit der Ausführungen nicht an, sondern stellt nur eine Einschätzung der Qualität der Argumentation und inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Prüfungsfrage dar, was dem Beurteilungsspielraum der Prüfer unterfällt.
105Auch die Kritik der Kommission, es sei dem Kläger nicht gelungen, seine Aussage, Beamte dürften nach der "Rechtsordnung" nicht drohen, auf eine Norm zurückzuführen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger versucht die Prüferkritik dadurch in Zweifel zu ziehen, dass er gezielt nach der Verwerflichkeit der Tat nach § 240 Abs. 2 StGB gefragt worden sei und im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung Erlaubnisnormen nicht zu prüfen seien, er deshalb also auch nicht darauf habe eingehen müssen. Dieser Einwand schlägt nicht durch. Zum einen hat der Kläger selbst vorgetragen, er sei zum Tatbestand und zur Rechtswidrigkeit der Nötigung befragt worden. Schon daraus wird deutlich, dass für den Kläger Anlass und Möglichkeit bestanden hat, auf Erlaubnisnormen einzugehen und sich nicht auf eine Darstellung zur Verwerflichkeit zu beschränken. Zum anderen hatte der Prüfer - wie auch vom Kläger selbst vorgetragen - zu Beginn der Prüfung klargestellt, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche und keine strafrechtliche Prüfung handeln sollte und deshalb auf die Probleme des Gefahrenabwehrrechts einzugehen sei. Die Prüferkritik, dass er auf Erlaubnisnormen nicht eingegangen sei, hat der Kläger im Ergebnis mit seinem Vortrag im Widerspruchs- und Klageverfahren selbst zugestanden.
106Überdies ist zweifelhaft, ob die vom Kläger angegriffene Prüferkritik sich auf die Bewertung des Prüfungsgesprächs ausgewirkt hat. Insoweit ist fraglich, ob sich die Bewertung einer Detailfrage in einem Prüfungsteil der mündlichen Prüfung, insbesondere da es sich nach dem einvernehmlichen Vortrag des Klägers und des Beklagten nur um den Einstieg der Prüfung handelte, auf die Note das Prüfungsgesprächs (befriedigend, 8 Punkte) ausgewirkt hat.
107Die Kritik der Kommission an den Ausführungen zu § 26 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger verkennt, dass die Kommission nicht das von ihm vertretene Ergebnis, auf den Wortlaut der Norm abzustellen, kritisiert. Sie hat hingegen die inhaltliche Auseinandersetzung des Klägers mit dem aufgeworfenen Problem kritisiert, insbesondere dass er nicht andere Lösungsansätze ausreichend bedacht und diskutiert hat. Dies überschreitet nicht den den Prüfern zustehenden Beurteilungsspielraum. Soweit der Kläger verlangt, die Kommission hätte positiv berücksichtigen müssen, dass er methodisch sauber auf den Wortlaut der Norm abgestellt habe was der herrschenden Meinung zu § 26 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW entspreche, setzt er seine Bewertung seiner Leistung an die Stelle der des Prüfungsausschusses.
108Da die Bewertungsrügen gegen die Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 Erfolg haben und diese neu zu bewerten sind, kann die vom Prüfungsausschuss getroffene und vom Kläger ebenfalls angegriffene Entscheidung über die Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote nach § 56 Abs. 4 JAG NRW i.V.m. § 18 Abs. 4 JAG NRW nicht mehr gerichtlich kontrolliert werden, da sie im Falle einer Notenabänderung neu zu treffen wäre.
109Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenteilung berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren nur teilweise obsiegt. Ein Kläger ist auch dann durch ein seinem Bescheidungsantrag (äußerlich) stattgebendes Bescheidungsurteil beschwert, wenn sich - wie hier - die vom Gericht in den Entscheidungsgründen des Urteils für verbindlich erklärte Rechtsauffassung nicht mit seiner eigenen deckt. Das Begehren eines Klägers in einer auf (Neu-) Bescheidung gerichteten Klage ist nämlich darauf gerichtet, in den Entscheidungsgründen für die (Neu-) Bescheidungsverpflichtung des Beklagten seine in der Klage vorgebrachten Rechtsansichten verbindlich zu machen.
110Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Dezember 1981 - 7 C 30/38, 7 C 31/80 -, DVBl. 1982, 447 = juris, Rn. 13 f., und vom 24. September 2009 - 7 C 2/09 -, BVerwGE 135, 34 = juris, Rn. 67.
111Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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