Beschluss vom Verwaltungsgericht Aachen - 7 L 582/16.A
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfah¬rens, in dem Ge¬richtskosten nicht erhoben wer¬den.2. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
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G r ü n d e :
2I.
3Der am 00.00.1997 geborene Antragsteller besitzt die senegalesische Staatsangehörigkeit und gehört dem Volk der Mandinka an. Er reiste am 22.04.2014 auf dem Landweg nach Deutschland ein und beantragte am 04.07.2014 Asyl.
4Bei seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 16.04.2015 gab er an, körperlich und geistig gesund zu sein und der Anhörung folgen zu können. Sein Vater sei verstorben. Die Mutter lebe im Senegal. Den Aufenthaltsort seiner verheirateten Schwester kenne er nicht. Er habe fünf Jahre lang eine Koranschule besucht und seinen Lebensunterhalt durch Betteln bestritten. Im Oktober 2012 sei er nach Mauretanien gegangen und von dort weiter nach Marokko. Er habe dort ca.7 Monate lang teilweise gearbeitet oder gebettelt und sei dann nach Spanien weiter gereist. In Spanien habe er sich ca. ein Jahr lang bis zum Frühjahr 2014 aufgehalten. Er habe in sein Heimatland aus Angst verlassen, weil sein Vater von Rebellen umgebracht worden sei, evtl. weil er sie verraten habe. Er habe den verbrannten Leichnam des Vaters gesehen. In der Heimat hätten seine Mutter und er betteln müssen; in Marokko sei das Leben auch nicht leichter gewesen. In seiner Heimatregion würden gelegentlich Jugendliche von Rebellen zwangsrekrutiert oder getötet. Er habe Angst, dass ihm das gleiche geschehe wie seinem Vater. Wegen Albträumen deshalb könne er nicht richtig schlafen. Er habe in Deutschland gute Erfahrungen gemacht und erstmals eine Schule besuchen können. Ferner berief sich der damalige Vormund des Antragstellers auf ein Attest der Uniklinik S. B. , Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters vom 09.04.2015 worin u.a. eine posttraumatische Belastungsstörung, schwere depressive Episode, Dysthymia und Sichelzellenanämie als Diagnosen angegeben sind. In der Klinik hatte ihn sein Vormund vorgestellt, weil er an erheblichen Einschlaf- und Durchschlafproblemen gelitten habe und häufig traurig sei; der Vater sei im Jahre 2006 von Rebellen ermordet und verbrannt worden. Er habe mehrfach von Alpträumen berichtet; sei traurig und habe manchmal lebensmüde Gedanken oder Wutausbrüche. Er habe in Afrika schon jemanden mit einem Messer verletzt. Wenn er hier die Polizei sehe, habe er belastende Erinnerungen an den Aufenthalt in Marokko.
5Das Bundesamtes lehnte den Asylantrag und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mit Bescheid vom 04.07.2016 als offensichtlich unbegründet ab. Auch der Antrag auf subsidiären Schutz wurde abgelehnt. Ferner wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen. Dem Antragsteller wurde unter Fristsetzung die Abschiebung in den Senegal angedroht.
6Der Antragsteller hat am 12.07.2016 ein Klage unter dem Aktenzeichen - 7 K 1588/16.A - beim Verwaltungsgericht B. erhoben und parallel hierzu den vorliegenden Eilantrag gestellt.
7Er trägt vor, er habe als - damals - unbegleiteter Minderjähriger einen Asylantrag gestellt und damit einer besonders vulnerablen Gruppe angehört. Schon deshalb könne der Antrag nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden. Er stamme aus Casamance. Bis heute dauere ein bewaffneter Konflikt an, der immer wieder aufflamme. Der senegalesische Staat habe diesen innerstaatlichen Konflikt nicht im Griff. Der Report von amnesty international - Senegal 2016 - und ein Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe (Stand 2006/2007) belegten einen Konflikt in Casamance. Noch im Jahre 2015 habe es bewaffnete Auseinandersetzungen im Bezirk Oussouye und in der Region Sedhiou gegeben. Ein Mann sei nahe dem Nationalpark Basse-Casamance durch eine Landmine getötet worden.
8Sichelzellenanämie sei im Senegal nicht behandelbar. Zudem könne er sich im Falle einer Rückkehr in den Senegal keine medizinische Behandlung leisten. Er leide auch an einer PTBS. Es hätten aber nicht kurzfristig vor Bescheiderstellung aktuelle Belege besorgt werden können. Sein Hausarzt habe am 06.06.2016 die Erkrankung bestätigt. Notfallbehandlungsscheine seien in der Folgezeit nicht akzeptiert worden. Am 06.06.2016 habe er Blut erbrochen und das Fasten während des Ramadan unterbrechen müssen. Es bestünde Retraumatisierungsgefahr im Falle einer Rückführung. In seinem Heimatland verfüge er über kein soziales Netzwerk; seit der Ausreise fehle auch der Kontakt zu seiner Mutter.
9In einem aktuellen Attest vom 11.07.2016 wird seitens des Hausarztes von Übelkeit, Erbrechen und z.T. Bluterbrechen berichtet; ferner werden Bauchschmerzen, Durchfall, Schlafstörungen und Kopfschmerzen sowie depressive Phasen erwähnt. Zur Verlaufskontrolle der Sichelzellenanämie wäre eine Kontrolle der Laborwerte sinnvoll. Die im Jahre 2015 bei der S. B. diagnostizierte PTBS mache weitere psychotherapeutische Behandlungen notwendig. Es werde zudem von einer Abschiebung des Antragstellers dringend abgeraten, da eine Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes drohe. Die Psychotherapie habe nur teilweise erfolgen können; der Gesundheitszustand habe sich kaum verbessert.
10Der Antragsteller beantragt im vorliegenden Verfahren sinngemäß,
11die aufschiebende Wirkung der Klage - 7 K 1588/16.A - gegen die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid vom 04.07.2016 anzuordnen und ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren.
12II.
13Der Prozesskostenhilfeantrag (Ziffer 2. Beschlusses) war aus den nachfolgenden Gründen mangels Erfolgsaussichten des Antragsbegehrens abzulehnen (vgl. § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO).
14Der Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist zwar zulässig, aber unbegründet. Denn es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Der Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 29a Abs. 2 AsylG in Verbindung mit Anlage II zum AsylG. Nach § 29a Abs. 1 Satz 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die vom Ausländer vorgetragenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Zur Ausräumung der Vermutung ist nur ein Vorbringen zugelassen, das die Furcht vor politischer Verfolgung auf ein individuelles Verfolgungsschicksal des Antragstellers gründet.
15Nach diesen Kriterien ist es dem Antragsteller nicht ansatzweise gelungen, glaubhaft zu machen, dass er sein Land aus Furcht vor politischer Verfolgung verlassen hat. Er macht seinen Angaben gegenüber dem Bundesamt zufolge keine individuelle politische Verfolgung geltend. Im Wesentlichen soll das Schicksal des 2006 von Rebellen getöteten Vaters, die Auseinandersetzungen in der Region Casamance und die allgemein schwierige wirtschaftliche Lage ihn zur Ausreise motiviert haben. Daneben macht er allgemeine Ängste vor Zwangsrekrutierung oder Nachstellungen seitens der Rebellen geltend. Diese Angaben sind nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung aufgrund des individuellen Schicksals des Antragstellers zu widerlegen.
16Selbst wenn man die Angaben des Antragstellers als wahr unterstellen würde, wäre hierdurch nicht schon die Annahme einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure gerechtfertigt. Zudem wäre der Antragsteller auf ausreichenden internen Schutz im Senegal verwiesen, der im Fall einer Rückkehr zur Verfügung stünde. Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der senegalesische Staat willens und in der Lage ist, von Rebellen verfolgte Staatsangehörige zu schützen. Jedenfalls finden sich innerhalb der Großstädte des Landes ausreichende Ausweichmöglichkeiten.
17Vgl. so auch: VG München, Beschluss vom 25.05.2016 - M 4 S 16.31049, juris, Rn. 29.
18Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland vom 21.11.2015 - Stand August 2015 -, S. 12, wonach Auseinandersetzungen in der Casamance im Jahre 2011 Fluchtbewegungen auslösten und Zivilisten sowohl in Nachbarstaaten als auch befriedete Regionen im nördlichen Senegal flohen. Casamance-Flüchtlinge seien staatlicherseits nicht behelligt worden. Der Konflikt in Casamance flamme zwar immer wieder auf und führe zu Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten. Die Übergänge zwischen politischen und kriminellen Motiven seien aber fließend. Die Regierung unternehme auch Anstrengungen zu Minenräumungen in dem Gebiet. Im Frühjahr 2014 habe ein Führer der MFDCD einen einseitigen Waffenstillstand verkündet. Seitens der Regierung seien internationale Vermittlungen zur Befriedung angestoßen worden. Die Regierung bekunde den politischen Willen, kulturelle, ethnische und religiöse Besonderheiten der Casamance zu respektieren.
19Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen dem Antragsteller subsidiärer Schutz gem. § 4 AsylG zuerkannt werden könnte. Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsstaat ernsthafter Schaden droht (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Ein ernsthafter Schaden würde drohen bei der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschlicher bzw. erniedrigender Behandlung (Nr. 2) oder einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
20Stichhaltige Gründe dafür, dass dem Antragsteller im Senegal ein solcher Schaden droht, bestehen nach gegenwärtiger Auskunftslage nicht. Auch fehlt es derzeit an ausreichenden Anhaltspunkten für einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt. Soweit in der Vergangenheit bei den gelegentlich aufflammenden Kampfhandlungen in der Region Casamance Zivilpersonen ums Leben kamen, wurde die maßgebliche Gefahrenschwelle (Gefährdung praktisch jedes Zivilisten aufgrund bloßer Anwesenheit) durch die dortigen Unruhen nicht einmal annähernd erreicht. Zudem ist es seit der Lösung der Minenräumungsfälle in der Region Casamance Ende des Jahres 2012 dort nicht mehr zu größeren Zwischenfällen gekommen.
21Vgl. AA, Bericht vom 21.11.2015, a.a.O. S. 12;
22VG Regensburg, Beschluss vom 15.10.2014 - RN S 14.30683 -, juris, Rn. 46 ff.;
23VG Regensburg, Urteil vom 24.07.2015 - RN 5 K 14.30820 -, juris, S. 5 f. des Urteilsabdrucks;
24VG Regensburg, Beschluss vom 10.02.2016 - RN 5 S 16.30160 -, juris, S. 9 f. des Entscheidungsabdrucks mit ausführlichen Ausführungen zu den Auseinandersetzungen in der Region Casamance;
25VG Regensburg, Beschluss vom 14.06.2016 - RN S 16.30716 -, juris, Rn. 39 unter Hinweis auf die früheren Entscheidungen.
26Das Gericht hat auch keine ernstlichen Zweifel an der Feststellung des Bundesamtes, dass Gründe für die Zuerkennung nationalen Schutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Hinsichtlich § 60 Abs. 5 AufenthG ergeben sich aus der derzeitigen Menschenrechtssituation im Senegal keine Anhaltspunkte, die Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG rechtfertigen könnten.
27Es liegt auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die allgemein sehr schwierigen Lebensbedingungen im Senegal,
28vgl. die ausführlichen Angaben im angefochtenen Bescheid zur wirtschaftlichen Lage der Menschen im Senegal (S. 5),
29sowie: AA, Bericht vom 21.11.2015, a.a.O., S. 15, wonach ca. 50 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsschwelle lebt,
30rechtfertigen nicht die Annahme, der Antragsteller wäre im Falle einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt. Als junger arbeitsfähiger Mann müsste er vielmehr in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt - wie auch in der Vergangenheit - weitgehend eigenständig sicher zu stellen. Der Antragsteller hat in der mündlichen Anhörung beim Bundesamt eingeräumt, die Lebensverhältnisse während seiner Flucht seien z.B. in Marokko nicht einfacher gewesen, als vor seiner Ausreise aus dem Senegal. Dennoch gelang es ihm selbst in dem ihm unbekannten Land durch teilweise Arbeitstätigkeit oder Betteln, längere Zeit auch eigenständig zu Recht zu kommen und die Weiterreise nach Europa zu bewerkstelligen. Eine drohende Lebensgefahr ist nach der Auskunftslage nicht erkennbar.
31Auch die vom Antragsteller geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen rechtfertigen keine für ihn günstigere Entscheidung. Eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (in der ab dem 17.03.2016 geltenden Fassung) liegt "aus gesundheitlichen Gründen) nach Satz 2 der Bestimmung nur vor "bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden" Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Dementsprechend hatte die Rechtsprechung zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der zuvor geltenden Fassung die Annahme einer erheblichen Gefahr nur dann bejaht, wenn sich der Gesundheitszustand des betreffenden Ausländers infolge unzureichender Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, weil dort keine adäquate Behandlung möglich ist oder der Betroffene mangels ausreichender finanzieller Mittel keine solche Behandlung erlangen könnte. Konkret ist eine solche Gefahr, wenn der Betroffene alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in diese Lage geriete,
32vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Juli 1999 – 9 C 2.99 – und vom 25. November 1997 – 9 C 58.96 -; OVG NRW, Urteil vom 30. Dezember 2004 – 13 A 1250/04.A -, juris.
33Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs kann für den Antragsteller eine derartige Gefahrenlage nicht festgestellt werden.
34Bezüglich der von ihm angegebenen Sichelzellenanämie lässt sich den eingereichten Attesten nicht entnehmen, dass für den 18-jährigen Antragsteller derzeit eine akuter Behandlungsbedarf aufgrund einer besonders schweren Form der Erkrankung vorliegt. Anders als in der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des VG Hamburg, Urteil vom 28.11.2006 - 4 A 8/03 - betreffend eine schwer erkrankte Frau aus Nigeria bei der eine jahrelange Dauertherapie aufgrund zahlreicher Schmerzkrisen erfolgte, fehlen derartige Angaben im Vortrag des Antragstellers, auch wenn seitens des Hausarztes laut Attest vom 11.07.2016 nach einem teilweisen Bluterbrechen Verlaufskontrollen von Laborwerten für sinnvoll erachtet werden. Hieraus lassen sich bislang keine lebensbedrohlichen Risiken im Falle einer Rückkehr erschließen. Unabhängig ist darauf hinzuweisen, dass es nur bei der homozygoten Form zu schmerzhaften, zum Teil lebensbedrohlichen Durchblutungsstörungen kommen kann, die u.a. zu venösen Thrombosen führen können. Heterozygot Betroffene (Genotyp Aa), sind hingegen sogar aufgrund mutierter Hämoglobin-Gene vor schweren Malariaverlaufsformen geschützt. Vor diesem Hintergrund verfügt nahezu ein Drittel der Bevölkerung heterozygot über das Merkmal. Diejenigen Betroffenen, die an Sichelzellenanämie leiden (Genotyp aa), können allerdings vorzeitig (an Sichelzellenanämie) versterben. Die Sichelzellenanämie geht insbesondere einher mit einer erhöhten Kindersterblichkeit (bis zum Alter von 5 Jahren). Einer Studie aus dem Jahre 2000 betreffend Sichelzellenanämie im Senegal zu Folge, waren bei ca. 300 untersuchten Fällen von Patienten im Alter zwischen fünf Monaten und 22 Jahren Komplikationen eher selten (zwischen 0,4 % und 9 % betreffend unterschiedlicher Komplikationen). In Fällen von Schmerzattacken wurden in 74 % der Fälle weniger als drei Vorfälle im Jahr erfasst.
35Vgl. Sichelzellenanämie - Wikipedia; SFH, Länderanalyse vom 23.04.2014 Togo: Behandlung einer Sichelzellenanämie und Genua Vara; roteskreuz.at … "molekulare-medizin-sichelzellenanaemie" vom 30.11.2011 bezüglich Todesfällen bei Sichelzellenpatienten bei potenziell lebenbedrohlichen vaso-okklusiven Komplikationen; ncbi.nlm.nih.gov/pubmed vom 07.01.2000 "Sickel cell disease in children in Dakar, Senegal".
36Soweit der Antragsteller eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und andere psychische Beschwerden unter Vorlage hausärztlicher Atteste und einem Schreiben des Leitenden Psychologen an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Uniklinik S. B. , Dr. phil. T. vom 09.04.2015 geltend macht, ist darauf zu verweisen, dass die hausärztlichen Bescheinigungen nicht eine fachärztliche Einschätzung ersetzen können. Das von Herrn T. als leitendem Psychologen erstellte Attest wäre zudem bereits aufgrund der Erstellung vor mehr als einem Jahr nicht mehr aussagekräftig. Abgesehen hiervon fehlt es inhaltlich an der nötigen Substanz für ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot.
37Wenn auch keine Pflicht zur Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 ZPO besteht und auch eine Beweisführungspflicht regelmäßig zu verneinen ist, ist dennoch in der Regel zu fordern, dass das vorgelegte fachärztliche Attest gewissen Mindestanforderungen genügt,
38vgl. OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 – 3 A 352/09 -, juris.
39Im Hinblick auf die Unschärfen des Krankheitsbildes einer PTBS oder anderer psychischer Erkrankungen sowie vielfältiger Symptome muss sich aus der fachärztlichen Stellungnahme nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Hierzu gehören Angaben darüber, seit wann und wie häufig der Patient in ärztlicher Behandlung war und ob die geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Das Attest sollte auch Aufschluss über Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Sofern das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt wird und die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise vorgetragen werden, ist in der Regel eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist,
40vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8.07 -, juris.
41Daneben kommt es für die Diagnose schwer fassbarer Krankheitsbilder – wie der PTBS -, die sich einer Erhebung äußerlich objektiver Befundtatsachen häufig entziehen und auf innerpsychischen Vorgängen beruhen, entscheidend auf die Glaubhaftigkeit und Schlüssigkeit der dem psychischen Erleben zu Grunde liegenden äußeren Tatsachen an. Die von dem Asylbewerber abgegebenen Erklärungen über traumatisierende Erlebnisse im Heimatland können daher nicht unbesehen und ohne weitere Überprüfung sowie unter Verzicht auf eine eigenständige Exploration zur Grundlage einer ärztlichen Stellungnahme herangezogen werden. Sachverständigenbescheinigungen, die unkritisch und ohne die nötige Distanz allein auf den vorgetragenen Angaben beruhen, begründen daher keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Annahme, der betreffende Asylbewerber leide an einer PTBS.
42Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. Januar 2011 – 8 K 3233/08 -, und Beschluss vom 4. Februar 2010 - A 11 S 331/07 -; vgl. zur Übertragbarkeit dieser Grundsätze prinzipiell auch für andere psychische Erkrankungen: VG Minden, Urteil vom 19. Juni 2012 – 10 K 2927/10.A -, sämtlich in juris.
43Daran gemessen fehlt es vorliegend an einem Attest, das den obergerichtlich aufgestellten Mindestanforderungen genügt. Zunächst ist das aus April 2014 stammende Attest nicht mehr hinreichend aktuell. Die Angaben des Antragstellers werden ohne sie zu hinterfragen, als gegeben dargestellt. Sie sind zudem sehr vage geschildert und enthalten kaum Details betreffend konkreter traumatischer Erlebnisse, die Auslöser der Alpträume des Antragstellers sein sollen. Auch lässt sich nicht klar zuordnen, ob es um traumatische Erlebnisse im Senegal (wie die vom Antragsteller angeblich im Alter von ca. 11 Jahren erlebte Tötung seines Vaters im Jahre 2006) oder durch Behandlung seitens der Polizei in Marokko nach der Landesflucht geht. Zudem erschließt sich nicht aus welchem Grund eine Retraumatisierung im gesamten Herkunftsstaat Senegal drohen soll. Abgesehen hiervon werden die Angaben des Antragstellers unkritisch übernommen, obwohl fraglich bleiben müsste, wie der Antragsteller trotz seiner angeblichen gesundheitlichen Probleme, die Reise nach Marokko, den dortigen Aufenthalt und die Weiterfahrt nach Europa auf sich allein gestellt bewerkstelligen konnte. Schließlich beruhen die Angaben von Dr. T. - soweit erkennbar - nicht auf einer Behandlung und Exploration über einen längeren Zeitraum, sondern auf nur einem Vorsprachetermin am 16.03.2015 und einem Befundbesprechungstermin am 07.04.2015. Die bloße Aufzählung diverser Krankheitssymptome und ungeprüfte Übernahme diverser Schilderungen des Antragstellers vermag angesichts der vagen und detailarmen Angaben des Antragstellers betreffend Traumata, die Einschätzung es liege eine PTBS nebst Rückkehrrisiken vor, nicht zu rechtfertigen. Nach Überzeugung des Gerichts fehlen substantiierte Anhaltspunkte für das Vorliegen einer PTBS. Im Übrigen habe der Antragsteller ausweislich des Attests vom 09.04.2015 von Dr. T. lediglich gelegentlich lebensmüde Gedanken geäußert. Bei einer derartigen Sachlage ist die Annahme einer psychischen Krankheit, mit deren wesentlichen Verschlimmerung im Zielland der Abschiebung zu rechnen wäre, nicht gerechtfertigt. Unabhängig hiervon ist auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid zu verweisen, wonach im Senegal (in Dakar) Standardmedikamente erhältlich sind und kein Anspruch entsprechend hochwertigerem westlichen Standard besteht.
44Die nach Maßgabe der §§ 34, 36 AsylG und § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden, da der Antragsteller nicht als asylberechtigt anerkannt ist, ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird und er auch keinen Aufenthaltstitel besitzt. Die Ausreisefrist von einer Woche entspricht der Vorgaben aus § 36 Abs. 1 AsylG.
45Die ausgesprochenen Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise und 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind, soweit dies überhaupt im vorliegenden gerichtlichen Eilverfahren überprüft werden kann, nicht zu beanstanden. Die gewählten Fristen liegen unterhalb der Höchstfristen. Im Falle der Frist nach einer Abschiebung wird der bis zu fünf Jahren reichende Rahmen aus § 11 AufenthG bei weitem nicht ausgeschöpft.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG.
47Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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