Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 6 K 746/16
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsschuldner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Mit Bescheid vom 24. März 2014 wurde die Klägerin zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung zugelassen.
3Den schriftlichen Prüfungsteil bestand die Klägerin im ersten Versuch (April 2014) nicht. Dies wurde von der Beklagten mit bestandskräftigem Bescheid vom 9. Mai 2014 festgestellt.
4Den mündlich-praktischen Teil bestand die Klägerin am 3./4. Juni 2014 mit der Note „ausreichend“.
5Im Oktober 2014 fand der 1. Wiederholungsversuch im schriftlichen Teil statt. Auch diesen bestand die Kläger nicht, was von der Beklagten mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. November 2014 festgestellt wurde.
6Der 2. Wiederholungsversuch fand im April 2015 statt. Die Klägerin beantwortete lediglich 48,7 % der gestellten Prüfungsfragen richtig und unterschritt damit die durchschnittliche Prüfungsleistung um 29,1 %. Darauf stellte der Beklagte mit Bescheid vom 11. Mai 2015 das endgültige Nichtbestehen des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung fest.
7Hiergegen legte die Klägerin am 2. Juni 2015 Widerspruch ein. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Akteneinsicht hinsichtlich der beim Beigeladenen zur Erstellung und Auswahl der konkreten Prüfungsfragen geführten Verwaltungsvorgänge. Zudem wurde um Stellungnahme betreffend die Besetzung der medizinischen Sachverständigenkommission und die Auswahl/Erstellung der konkreten Prüfungsfragen gebeten. Die Richtigkeit einzelner Prüfungsfragen wurde - und wird - von der Klägerin nicht angegriffen.
8Die Beklagte kam dem Begehren der Klägerin nicht nach und verwies darauf, die Berufung der Sachverständigen durch die Beigeladene sei mit der Bestellung von Prüfern für einen konkreten Prüfungstermin nicht vergleichbar. Es obliege ausschließlich der Beigeladenen, die Multiple Choice (MC) - Fragen zu generieren und hierfür Sachverständige zu bestellen.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
10Bereits am 7. April 2016 hatte die Klägerin Klage erhoben. Sie wiederholt den Antrag auf Akteneinsicht und die Fragestellungen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor:
11Es bestehe ein Anspruch auf Mitteilung der Personen, die die Fragen für die konkrete Prüfung ausgewählt und erstellt hätten. Nur so könne die notwendige Qualifikation der Prüfer festgestellt werden. Die Beigeladene benenne aber nach wie vor nicht die konkreten Personen bzw. Prüfer, sondern belasse es bei einer allgemeinen Darstellung des Verfahrens ohne Bezug zu der konkreten, hier streitigen schriftlichen Prüfung. Dieses Verhalten lasse nur den Schluss zu, dass die Beigeladene nicht in der Lage sei, die Personen konkret zu benennen, welche die Fragen für die Prüfung vom April 2015 erstellt bzw. ausgewählt hätten. Der Klägerin gehe es nur um die Überprüfung der Einhaltung der zur Erstellung bzw. Auswahl der Prüfungsfragen aufgestellten Regeln. Solange eine solche Überprüfung mangels Mitwirkung der Beklagten- bzw. Beigeladenenseite nicht möglich sei, sei von einem fehlerhaften Prüfungsverfahren auszugehen.
12Nach Vorlage des Protokolls über die Sitzung der Kontroll-Kommission am 20. Mai 2014 sowie der Bestellungsurkunden für die an dieser Sitzung teilnehmenden Sachverständigen trägt die Klägerin ergänzend vor, eine ordnungsgemäße Bestellung der Sachverständigen sei nach wie vor nicht nachgewiesen. Zudem hätten unzulässigerweise Mitarbeiter des beigeladenen Instituts an der Sitzung der Kontroll-Kommission teilgenommen.
13Die Klägerin beantragt,
14den Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2015 über das endgültige Nichtbestehen des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung und deren Widerspruchsbescheid vom 11. April 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie zu einem weiteren Wiederholungsversuch im schriftlichen Prüfungsteil des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung zuzulassen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Die von der Klägerin begehrten Auskünfte seien nicht der Prüfungsakte zu entnehmen, so dass insoweit auf die Ausführungen der Beigeladenen verwiesen werde. Im Übrigen handele es sich bei der Erstellung und Auswahl der Prüfungsfragen um eine interne Tätigkeit des beigeladenen Instituts. Dies sei nicht mit einer Prüfertätigkeit vergleichbar.
18Der Beigeladene beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Der Beigeladene stellt im Einzelnen das Verfahren zur Erstellung und Auswahl der Prüfungsfragen in einer sog. Fragenrevisions- und einer Kontroll-Kommission dar. In der Fragenrevisionskommission arbeite man mit ca. 80 Hochschullehrern als Sachverständige zusammen. Diese würden Prüfungsfragen im MC-Format bzw. Fallstudien mit anschließenden Prüfungsfragen einreichen. Bei einem einstimmigen positiven Votum der Sitzungskommission würden diese in den Fragenpool des Fachbereichs Medizin aufgenommen. Einsatz in einer Prüfung finde eine Aufgabe erst dann, wenn die Lösung der Aufgabe mit verschiedenen Lehrbüchern nachvollzogen werden könne. Vor Einsatz eines Examens werde dieses dann noch einer sog. Kontroll-Kommission vorgelegt. Dieses Gremium bestehe aktuell aus ca. 40 Sachverständigen. Die Examenserstellung erfolge insgesamt ausschließlich mit berufenen Sachverständigen. Einen Autor bzw. einen Verfasser einer Prüfungsfrage gebe es nicht, da die Prüfungsfragen in Gremien bearbeitet, modifiziert und sodann in den Fragenpool aufgenommen würden. Die Bezugsgröße für eine Prüfungsfrage sei daher nicht eine konkrete Person, sondern es seien immer die beiden vorgenannten Gremien.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte und die von dem Beigeladenen vorgelegten Unterlagen verwiesen.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Klage ist nicht begründet.
24Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2015 über das endgültige Nichtbestehen des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung und deren Widerspruchsbescheid vom 11. April 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25Die Bewertung des 2. Wiederholungsversuchs der Klägerin im schriftlichen Prüfungsteil des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung im April 2015 mit der Note „nicht ausreichend“ (5) ist nicht zu beanstanden, so dass auch die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens nach § 21 Abs. 2 der Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO 2002) zu Recht erfolgt ist.
26Eine materielle Fehlerhaftigkeit einzelner Fragen aus den zu bearbeitenden Multiple Choice - Fragebögen ist von Klägerseite weder vorgetragen noch sonst erkennbar.
27Das beim beigeladenen Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen durchgeführte Verfahren zur Erstellung und Auswahl der Prüfungsfragen für den schriftlichen Prüfungsteil ist verfahrensfehlerfrei erfolgt, so dass dahingestellt bleiben kann, ob sich ein Prüfungskandidat insoweit überhaupt auf einen etwaigen Verfahrensfehler berufen kann.
28Nach § 14 Abs. 3 Satz 2 ÄApprO 2002 sollen sich die nach Landesrecht zuständigen Stellen bei der Festlegung der Prüfungsaufgaben nach Maßgabe einer Vereinbarung der Länder einer Einrichtung bedienen, die die Aufgabe hat, Prüfungsaufgaben für Prüfungen im Rahmen der ärztlichen Ausbildung sowie eine Übersicht von Gegenständen, auf die sich die schriftlichen Prüfungen beziehen können, herzustellen. Bei der vorgenannten Vereinbarung handelt es sich um das Abkommen der Bundesländer über die Errichtung und Finanzierung des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) vom 14. Oktober 1970 (im Folgenden: Abkommen).
29Nach Art. 8 Abs. 2 des Abkommens werden die unter fachlicher Verantwortung des Instituts ausgewählten oder erstellten Prüfungsfragen eines jeden Prüfungstermins rechtzeitig vor der jeweiligen Prüfung von Sachverständigen auf Einhaltung der rechtlichen Anforderungen hin kontrolliert (Kontroll-Kommission). Zudem bedient sich das Institut zur Erstellung der Prüfungsaufgaben verschiedener Sachverständigen-Kommissionen.
30Die Einzelheiten regelt dann wiederum die gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 und Art. 8 Abs. 3 des Abkommens erlassene Richtlinie für die Kommissionen und Beiräte beim IMPP (im Folgenden: Richtlinie). Dort ist in § 6 Abs. 1 („Einrichtung und Aufgaben von Kontroll-Kommissionen“) geregelt, dass die nach § 5 Abs. 3 (von den Sachverständigen-Kommissionen) verabschiedeten und unter fachlicher Verantwortung des IMPP für einen bestimmten Prüfungstermin ausgewählten Prüfungsfragen/Fallstudien mit den dazugehörigen Antwortmöglichkeiten und Prüfungsaufgaben zur freien Bearbeitung gemäß Art. 8 Abs. 2 des Abkommens rechtzeitig vor dem Prüfungstermin von Sachverständigen auf Einhaltung der rechtlichen Anforderungen hin zu kontrollieren sind.
31Nach den vorgenannten Regelungen - und den Erläuterungen der Beigeladenenseite zur Arbeit der Kontroll-Kommission in der mündlichen Verhandlung - entscheidet letztlich die Kontroll-Kommission darüber, ob die zuvor durch die Sachverständigen-Kommissionen erarbeiteten und ausgewählten Prüfungsfragen tatsächlich Gegenstand eines konkreten Prüfungstermins oder ggfs. umformuliert bzw. eliminiert werden. Sie trägt die Letztverantwortung dafür, dass die Aufgaben insbesondere den Anforderungen des § 14 Abs. 2 ÄApprO 2002 entsprechen, also auf die für den Arzt allgemein erforderlichen Kenntnisse abgestellt sind und zuverlässige Prüfungsergebnisse ermöglichen. Damit nimmt die Kontroll-Kommission aber eine typische Prüfertätigkeit wahr. Dem steht nicht entgegen, dass die Leistungsbewertung bei herkömmlichen schriftlichen Prüfungen nach Anfertigung der Prüfungsarbeit erfolgt und auch ein Prüfer die Leistungsbewertung vornehmen kann, der die Prüfungsaufgabe nicht erarbeitet hat. Die Besonderheit des Antwort-Wahl-Verfahrens liegt nämlich gerade darin, dass nach Abschluss der Prüfung nur noch eine rein computergestützte, rechnerische Auswertung zur Feststellung der Zahl der richtigen Antworten erfolgt, die keinen Raum für eine wertende Beurteilung der Prüfungsleistung lässt. Bei dieser Prüfungsart ist die eigentliche Prüfertätigkeit vorverlagert; sie besteht in der Auswahl des Prüfungsstoffes, der Ausarbeitung der Fragen und der Festlegung von Antwortmöglichkeiten. Prüfer ist hier derjenige, der die Antwort-Wahl-Aufgaben letztverantwortlich festlegt.
32Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 10. Oktober 2002 - 4 BS 328/02 -, NVwZ-RR 2003, 853-855, juris Rn. 8.
33Die vorgenannten Ausführungen zur Prüfertätigkeit der Kontroll-Kommission sind nach Auffassung der Kammer aber nicht auf die Sachverständigen-Kommissionen zu übertragen. Diese erarbeiten und verabschieden zwar im Vorfeld der Entscheidung der Kontroll-Kommission die Prüfungsfragen. Dies erfolgt allerdings unter der fachlichen Verantwortung des IMPP (vgl. Art. 8 Abs. 2 des Abkommens sowie §§ 5 und 6 der Richtlinie). Zudem verbleibt die Letztentscheidung über die Zulassung von Prüfungsfragen zu einem konkreten Prüfungstermin (allein) bei der Kontroll-Kommission. Damit legt aber auch nur die Kontroll-Kommission - vergleichbar einem Prüfer - abschließend den Prüfungsstoff fest. Demgegenüber übernehmen die Sachverständigen-Kommissionen für das IMPP die für die Kontroll-Kommission letztlich unverbindliche Erstellung und Auswahl der Prüfungsfragen, was nach der klaren Regelung zur Letztverantwortlichkeit der Kontroll-Kommission in Art. 8 Abs. 2 des Abkommens noch nicht der eigentlichen Prüfertätigkeit zugeordnet werden kann.
34Ob vor diesem Hintergrund ein Prüfungskandidat einen verfahrensrechtlichen Anspruch darauf hat, dass das in §§ 6 und 7 der Richtlinie geregelte Verfahren zur Besetzung und Tätigkeit der Kontroll-Kommission eingehalten wird, kann hier dahingestellt bleiben, weil jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Entscheidung der Kontroll-Kommission zu den Prüfungsaufgaben für April 2015 vorliegen.
35Das beigeladene IMPP hat in der mündlichen Verhandlung insbesondere durch Vorlage der Bestellungsurkunden (Anlagen zur Niederschrift) für die „externen Teilnehmer“ der Sitzung der Kontroll-Kommission am 20. Mai 2014 dargelegt, dass es sich um nach § 7 der Richtlinie berufene Mitglieder der Kontroll-Kommission handelte. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Auswahl und Bestellung dieser Personen nicht den Anforderungen des § 7 Abs. 1 der Richtlinie entsprach, also nicht aufgrund eines Vorschlags einer der dort genannten Institutionen erfolgte, liegen nicht vor. Im Übrigen dürfte es sich bei der Bestellung durch das Institut als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Abkommens) um einen Verwaltungsakt handeln. Da die Bestellungen vorliegend sämtlich im Jahr 2009 erfolgt sind, steht deren Bestandskraft außer Zweifel.
36Soweit die Klägerin geltend macht, die lt. Protokoll erfolgte Teilnahme von Mitarbeitern des IMPP an der Sitzung der Kontroll-Kommission führe zur Fehlerhaftigkeit der Entscheidung der Kommission, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr ist in § 12 Abs. 2 der Richtlinie ausdrücklich geregelt, dass an den Sitzungen der Kommissionen (weitere) Mitarbeiter des IMPP teilnehmen können. Dadurch ergibt sich auch nicht zwangsläufig, dass diese Mitarbeiter an der (abschließenden), den berufenen Mitgliedern der Kontroll-Kommission vorbehaltenen Entscheidung mitwirken. Das beigeladene IMPP hat hierzu nämlich in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt, die IMPP-Mitarbeiter würden lediglich zum einen die Sitzung der Kontroll-Kommission protokollieren und stünden zum andern für Fragen der Kommissionsmitglieder - etwa zur Genese einzelner Prüfungsfragen - zur Verfügung, an der abschließenden Auswahl der Fragen würden sie aber nicht mitwirken. Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben hat das Gericht nicht.
37Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung.
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Referenzen
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 154 1x
- § 14 Abs. 3 Satz 2 ÄApprO 1x (nicht zugeordnet)
- 4 BS 328/02 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x