Beschluss vom Verwaltungsgericht Aachen - 10 L 600/21
Tenor
I. Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet,
1. innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses an sie - unter Hinzuziehung eines Notars oder eines Vertreters des Allgemeinen Studierendenausschusses der Antragsgegnerin - ein Losverfahren durchzuführen und unter den Antragstellerinnen und Antragstellern der Verfahren
eine Rangfolge zu ermitteln und die Antragstellerin von dem Ergebnis unverzüglich über ihre Prozessbevollmächtigten formlos zu unterrichten,
2. die Antragstellerin vorläufig zum Studium der Humanmedizin im 1. Fachsemester nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2021/2022 zuzulassen, sofern bei dieser Verlosung auf sie der Rangplatz 1 bis 6 entfällt,
3. die Antragstellerin vorläufig in das 1. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2021/2022 zu immatrikulieren, sofern sie innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Zulassung durch Zustellung gegen Empfangsbekenntnis ihrer Prozessbevollmächtigten unter gleichzeitiger Abgabe einer Versicherung an Eides Statt, dass sie an keiner anderen Hochschule im Bundesgebiet vorläufig oder endgültig zum Studium der Humanmedizin zugelassen ist, die Immatrikulation bei der Antragsgegnerin beantragt und keine Einschreibungshindernisse bestehen,
4. die Antragstellerin für den Fall, dass bei der Verlosung auf sie der Rangplatz 1 bis 6 nicht entfällt, entsprechend ihrem Rang unverzüglich nachrücken zu lassen, sofern eine/einer der zuzulassenden Antragstellerinnen/Antragsteller nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Zulassung durch Zustellung mit Postzustellungsurkunde bzw. durch Zustellung gegen Empfangsbekenntnis des bevollmächtigten Rechtsanwalts unter gleichzeitiger Abgabe einer Versicherung an Eides Statt, dass sie/er an keiner anderen Hochschule im Bundesgebiet vorläufig oder endgültig zum Studium der Humanmedizin zugelassen ist, die Immatrikulation bei der Antragsgegnerin beantragt oder Einschreibungshindernisse bestehen,
5. dem Gericht nach Abschluss des nach Maßgabe der Ziffern 1. bis 4. durchgeführten Los- bzw. Nachrückverfahrens eine Protokollabschrift über den Verlauf der Verlosung, die Liste mit den jeweils aus-gelosten Rangplätzen sowie eine Liste der letztlich eingeschriebenen Antragstellerinnen und Antragsteller zu übersenden.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
II. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2A. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung, mit der die Antragstellerin die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im 1. Fachsemester (hilfsweise beschränkt auf einen vorklinischen Ausbildungsabschnitt) des Modellstudiengangs Medizin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2021/2022 bei der Antragsgegnerin anstrebt, ist (nur) im tenorierten Umfang begründet.
3Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl das streitige Rechtsverhältnis und der sich aus diesem ergebende und einer (vorläufigen) Regelung bedürfende Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) besteht, wobei die dem Anordnungsanspruch und -grund zugrunde liegenden Tatsachen glaubhaft zu machen sind (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache vorweg, ist dem Antrag nur dann stattzugeben, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.
4Ausgehend hiervon hat die Antragstellerin zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, d. h. die Dringlichkeit des Begehrens, bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wenigstens vorläufig zum nächstmöglichen Termin im 1. Fachsemesters des Modellstudiengangs Humanmedizin an der RWTH Aachen nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2021/2022 zugelassen zu werden. Denn für die Gewährung von Eilrechtsschutz für die vorläufige Zulassung zum Studium besteht grundsätzlich ein Anordnungsgrund, wenn - wie hier - mit dem Abschluss eines Hauptsacheverfahrens regelmäßig erst nach längerer Prozessdauer zu rechnen ist. Die unwiederbringlich verlorene Studienzeit durch eine rechtsfehlerhaft verweigerte Zulassung stellt schon für sich genommen einen nicht hinnehmbaren Nachteil dar.
5Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. März 2013 - 13 C 91/12 -, juris, Rn. 12, und vom 4. März 2014 - 13 B 200/14 -, juris, Rn. 11.
6Einen Anordnungsanspruch hat die Antragstellerin jedoch lediglich hinsichtlich einer Teilnahme an einem Losverfahren betreffend sechs weitere außerkapazitäre Studienplätze glaubhaft gemacht, nicht aber hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Zulassung zum begehrten Studiengang.
7I. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf die mit ihrem Hauptantrag geltend gemachte Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität.
8Die Zahl der Studienplätze hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein‑Westfalen (MKW) durch Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen im ersten Fachsemester für das Wintersemester 2021/2022 vom 23. Juni 2021 (GV. NRW. S. 850) i. d. F. der Änderungsverordnung vom 19. November 2021 (GV. NRW. S. 1222) auf 282 festgesetzt.
9Nach Mitteilung der Antragsgegnerin sind für das 1. Fachsemester im Studiengang Humanmedizin 283 Studierende eingeschrieben, davon eine Beurlaubte (Stand: 5. Januar 2022). Die festgesetzten Studienplätze sind damit besetzt. Die der Festsetzung zugrunde liegende Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin ist aber fehlerhaft. Es bestehen außerhalb der festgesetzten Kapazität sechs weitere Studienplätze.
101. Grundsätzlich ist für die Ermittlung der Zahl der im zentralen Vergabeverfahren zu vergebenden Studienplätze auf die Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen (Kapazitätsverordnung ‑ KapVO NRW ‑) in der Neufassung vom 25. August 1994 (GV. NRW. S. 732), zuletzt geändert durch Verordnung vom 25. August 2021 (GV. NRW. S. 1036), zurückzugreifen. Dies gilt betreffend den streitgegenständlichen Modellstudiengang Humanmedizin aus nachfolgenden Gründen jedoch nicht ohne Einschränkung.
11a. Die Antragsgegnerin bietet seit dem Wintersemester 2003/2004 einen Modellstudiengang Humanmedizin an. Aufbau und Struktur dieses Modellstudiengangs weichen vom Regelstudiengang Humanmedizin ab. Nach der Beschreibung in der von der Antragsgegnerin vorgelegten alternativen Kapazitätsberechnung „Modellstudiengang Humanmedizin, Studienjahr 2021/22“ ist das Studium im Aachener Modellstudiengang in vier Studienabschnitte unterteilt. Nach der Homogenisierung des Wissensstands der Studierenden im ersten Studienabschnitt folgen ab dem dritten Semester im zweiten Studienabschnitt erste klinische Inhalte. Der dritte Abschnitt ist ganz den klinischen Inhalten gewidmet, wobei Blockpraktika das Grundgerüst dieses Studienteils bilden. Der vierte Studienabschnitt umfasst wie im Regelstudiengang an anderen Universitäten das Praktische Jahr. Grundlegendes Ziel bei der Einführung des Modellstudiengangs Medizin war die Verbesserung des Praxisbezugs. Aachen zählt damit zu den Studienorten, bei denen schon ab dem ersten Semester praxisbezogene Inhalte gelehrt werden. Schon zu Beginn des Studiums im Modellstudiengang werden im dreiwöchigen Einführungsblock praktische Fertigkeiten vermittelt. Der Modellstudiengang zeichnet sich auch dadurch aus, dass die Studierenden ab dem dritten Semester im Rahmen der Untersuchungskurse und im achten oder neunten Semester im Rahmen der klinischen Blockpraktika und damit früher als im Regelstudiengang Patientenkontakt haben. Weiterhin können Studierende im Rahmen der Qualifikationsprofile umfangreichere, vor allem praktische Aktivitäten (z. B. im Labor oder auf den Stationen) entfalten oder wissenschaftlich arbeiten. Damit sieht der Modellstudiengang insbesondere - anders als der Regelstudiengang - keine Trennung mehr in „Vorklinik“ und „Klinik“ vor, sondern vielmehr eine Verzahnung beider Bereiche im Sinne eines - integrierten - Modellstudiengangs.
12Vgl. hierzu auch OVG NRW, u. a. Beschlüsse vom 28. Mai 2004 - 13 C 20/04 -, juris, Rn. 9, und vom 21. April 2016 - 13 B 114/16 -, juris, Rn. 17, 50.
13b. Die KapVO NRW enthält jedoch keine Vorschriften darüber, wie in einem Modellstudiengang Humanmedizin die Studienplatzkapazität berechnet wird. In ihr finden sich lediglich Bestimmungen für den Regelstudiengang Humanmedizin. Hierbei wird der Studiengang gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 KapVO NRW für Berechnungszwecke in einen vorklinischen und einen klinischen Teil untergliedert, wobei der vorklinische Teil den Studienabschnitt bis zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 (BGBl. I S. 2405 - ÄApprO -), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 22. September 2021 (BGBl. I S. 4335), und der klinische Teil den Studienabschnitt zwischen dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung und dem Beginn des Praktischen Jahres nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ÄAppO umfasst. Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 KapVO NRW sind dann zur Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität für den Studiengang Medizin die Lehreinheiten Vorklinische Medizin - umfassend das 1. bis 4. Fachsemester -, Klinisch-theoretische Medizin und Klinisch-praktische Medizin zu bilden. Das Berechnungsergebnis für den klinischen Teil des Studiengangs Medizin ist dabei gemäß § 17 Abs. 1 KapVO NRW anhand der patientenbezogenen Einflussfaktoren zu überprüfen. Das MKW hat durch Verordnung vom 18. August 2021 (GV. NRW. S. 1036), in Kraft getreten am 28. August 2021, in die KapVO NRW die Vorschrift des § 17a neu eingefügt und eine Vorgabe für die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität in humanmedizinischen Modellstudiengängen (neu) formuliert. Hierdurch ist (allein) für den klinischen Abschnitt von Modellstudiengängen eine Neuregelung getroffen worden, die deren Besonderheiten Rechnung tragen soll (dazu unter lit. e).
14c. Solange der Modellstudiengang sich in der Zeit bis zum Wintersemester 2013/14 noch im ursprünglich geplanten Erprobungsstadium befand, wurde die Kapazitätsfeststellung basierend auf §§ 1 Abs. 2 Satz 1, 21 KapVO NRW durchgeführt. Hiernach können bei der Erprobung neuer Studiengänge und -methoden die Zulassungszahlen abweichend von den Bestimmungen des Zweiten Abschnitts der KapVO NRW festgesetzt werden. Dabei war es nach der Rechtsprechung des OVG NRW, der die Kammer gefolgt ist, nicht zu beanstanden, dass die Berechnung der Ausbildungskapazität für die Dauer des befristet laufenden Modellstudiengangs nach den Berechnungsmodalitäten eines (fiktiven) Regelstudiengangs erfolgte, d. h. unter Berücksichtigung der normativ vorgegebenen Ausbildungsanforderungen und des Curricularnormwerts und -eigenanteils eines mit der Vorklinik beginnenden Regelstudiums.
15Vgl. OVG NRW, u. a. Beschlüsse vom 28. Mai 2004 - 13 C 20/04 -, juris, Rn. 10 ff., und vom 18. April 2016 - 13 B 115/16, juris, Rn. 6; VG Aachen, Beschluss vom 28. Januar 2004 - 9 L 820/03.NC -, S. 4 ff. des Beschlussabdrucks (nicht veröffentlicht).
16d. Nach dem Ablauf des Erprobungszeitraums lässt sich die jährliche Ausbildungskapazität des integrierten Modellstudiengangs Medizin nicht mehr anhand der KapVO NRW herleiten. Es ist nunmehr rechtlich geboten, die wahre Kapazität dieses Studiengangs zu ermitteln.
17Vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 22. September 2020 - 36/20.VB-2 u. a. -, juris, Rn. 20; OVG NRW, u. a. Beschlüsse vom 3. Juli 2015 - 13 B 113/15 -, juris, Rn. 4 ff., 32, und zuletzt vom 21. April 2021 - 13 B 214/21 u. a. -, S. 3 des Beschlussabdrucks (nicht veröffentlicht).
18Den geltenden Bestimmungen ist (weiterhin) nicht zu entnehmen, wie die Ausbildungskapazität in einem integrierten Modellstudiengang Medizin zu ermitteln ist. Die Ausbildungskapazität war in den vergangenen Studienjahren in Ermangelung einer den Verhältnissen des Modellstudiengangs Rechnung tragenden landesrechtlichen Grundlage zur Kapazitätsberechnung in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Rechtsprechung des OVG NRW, der die Kammer gefolgt ist, auch nach Ablauf des Erprobungszeitraums vielmehr zunächst weiterhin fiktiv nach den Vorgaben der KapVO NRW zu berechnen.
19Vgl. OVG NRW, u. a. Beschlüsse vom 3. Juli 2015 - 13 B 113/15 -, juris, Rn. 41, und vom 21. April 2021 - 13 B 214/21 u. a. -, S. 3 des Beschlussabdrucks (nicht veröffentlicht); VG Aachen, u. a. Beschlüsse vom 8. Juni 2020 - 10 L 269/20 -, juris, Rn. 10, und vom 19. Januar 2021 - 10 L 746/20 -, juris, Rn. 7, jeweils m. w. N.
20Denn es ist grundsätzlich Sache des Gesetz- und Verordnungsgebers, eine Berechnungsmethode zur Ermittlung der Ausbildungskapazität normativ festzulegen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an die Beschränkung des aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip abgeleiteten Rechts jedes hochschulreifen Bürgers auf Zulassung zu einem Hochschulstudium seiner Wahl zu stellen sind, genügt. Er muss, auch unter Beachtung des Kapazitätserschöpfungsgebots, einen Rechtsrahmen für Studiengänge schaffen, die in den bisherigen Regelungen nicht abgebildet sind. Dazu gehören nachvollziehbare und überprüfbare Kriterien und Regeln für die Ermittlung der Zahl der im Modellstudiengang zuzulassenden Studienbewerber. Geboten ist deshalb eine Regelung, nach der die Zulassungszahl ausgehend von dem integrierten Konzept des Modellstudiengangs festzusetzen ist. Dieser verfassungsrechtlichen Verpflichtung wird der nordrhein-westfälische Gesetz- und Verordnungsgeber weiterhin nicht gerecht, weil nunmehr bereits seit Jahren und trotz wiederholter Beanstandungen durch das OVG NRW und inzwischen auch durch den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen jegliche Regelung für die Berechnung der Studienanfängerzahl in (integrierten) Modellstudiengängen für die Zeit nach Ablauf der Erprobung des neuen Studiengangs fehlt.
21Vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 22. September 2020 - 36/20.VB-2 u. a. -, juris, Rn. 20 („Das jahrelange Untätigbleiben des Verordnungsgebers ist rechtswidrig“).
22e. § 17 KapVO NRW reicht als normierter kapazitätsbestimmender Faktor insoweit nicht aus, um die Zahl der zu vergebenden Studienplätze zu ermitteln, selbst wenn man davon ausgeht, im Modellstudiengang sei die patientenbezogene Aufnahmekapazität der limitierende Faktor. Die Vorschrift regelt nur die Überprüfung der Kapazität aufgrund der personellen Ausstattung für den klinischen Teil des Regelstudiengangs und bildet zudem die Realitäten des Modellstudiengangs nicht ab. Eine entsprechende Anwendung als Ausweg aus der fehlenden Normierung des Modellstudiengangs in der KapVO NRW scheidet deshalb aus.
23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. April 2016 - 13 B 114/16 -, juris, Rn. 33 ff., m. w. N.
24Eine etwaige Anpassung des § 17 KapVO NRW an die Anforderungen der medizinischen Ausbildung im Modellstudiengang obliegt dem Normgeber, dem insoweit eine Einschätzungsprärogative zukommt.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. April 2016 - 13 B 114/16 -, juris, Rn. 35.
26Die von der Stiftung für Hochschulzulassung eingesetzte Arbeitsgruppe zur Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität in den Modellstudiengängen der Humanmedizin (Arbeitsgruppe) hat nicht zu einer solchen Regelung geführt. Sie hat am 27. März 2021 ihren Endbericht veröffentlicht, dessen Grundlage eine vom Bamberger Centrum für empirische Studien (BACES) im Auftrag der Arbeitsgruppe durchgeführte Neuerhebung der patientenbestimmten Parameter der Kapazitätsermittlung an sechs Standorten von humanmedizinischen Modellstudiengängen im Bundesgebiet war (RWTH Aachen, Charité-Universitätsmedizin Berlin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Universität zu Köln sowie Universität Hannover). In ihrem Endbericht schlägt die Arbeitsgruppe aufgrund der ermittelten Ergebnisse im Wesentlichen vor, bei der Berechnung der patientenbezogenen Kapazität künftig einen stationären Faktor von 16,22 % der vollstationären tagesbelegten Betten zu berücksichtigen. Letztere sollen dabei nicht mehr nach der sogenannten Mitternachtszählung, sondern aus den Abrechnungsdaten ermittelt werden und künftig auch Privatpatienten sowie ausländische Patienten einbeziehen. Die Arbeitsgruppe spricht sich zudem für eine künftige kapazitätsrechtliche Berücksichtigung der teilstationären Patienten in einem gesonderten Rechenschritt aus. Insofern schlägt sie einen Anrechnungsfaktor von 5,86 % der teilstationären tagesbelegten Betten vor. Im ambulanten Bereich ergibt sich aus dem Vorschlag der Arbeitsgruppe eine neue Berechnungsweise analog zu den Formeln für den stationären und den teilstationären Bereich in Höhe von 6,23 % der täglichen ambulanten Kontakte/Besuche. Empfehlungen hinsichtlich der Art der künftigen Einbeziehung der außeruniversitären Kapazitäten enthält der Endbericht nicht.
27Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17. Dezember 2021 - 2 NB 3/21 -, juris, Rn. 10.
28Das MKW hat unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Arbeitsgruppe durch Verordnung vom 18. August 2021 (GV. NRW. S. 1036), in Kraft getreten am 28. August 2021, in die KapVO NRW § 17a neu eingefügt und eine Vorgabe für die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität in humanmedizinischen Modellstudiengängen (neu) formuliert. Die Berechnungsvorgabe für die medizinischen Regelstudiengänge in § 17 Abs. 1 KapVO NRW blieb von der Neuregelung unberührt. Hierdurch hat das Ministerium aber allein für den klinischen Abschnitt von - zudem nicht integrierten - Modellstudiengängen eine Neuregelung gefunden, die deren Besonderheiten Rechnung tragen soll. Die auf dieser Grundlage durch die Antragsgegnerin erstellte und mit dem Kapazitätsbericht vorgelegte Berechnung der jährlichen patientenbezogenen Aufnahmekapazität für das Studienjahr 2021/2022 hat im Übrigen ohnehin lediglich - bereits schwundbereinigt - 233 Studienplätze ergeben.
29Für integrierte Modellstudiengänge wie den bei der Antragsgegnerin geführten, für die es gerade an einer Trennung von Vorklinik und Klinik fehlt, bleibt es dabei, dass eine Regelung, die die Kapazitätsberechnung in derartigen Modellstudiengängen auf eine rechtliche Grundlage stellt, nach wie vor fehlt.
30f. Daraus folgt aber weder, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sämtliche Anträge von rechtsschutzsuchenden Studienbewerbern von vornherein erfolglos wären, noch führt das Fehlen einer normativen Berechnungsmethode für den Modellstudiengang dazu, dass im Wege eines pauschalen Sicherheitszuschlags (etwa 15 %) mehr Plätze als festgesetzt zu vergeben oder sämtliche Studienbewerber bis zu einer sog. Grenze der Funktionsunfähigkeit der Hochschule nach Maßgabe der tatsächlichen Verhältnisse aufzunehmen wären. Diese Verfahrensweisen würden dem bei der Kapazitätsberechnung zu berücksichtigenden Spannungsfeld aus verfassungs- und einfachrechtlich geschützten Rechten der Studienbewerber, der (schon) Studierenden, der Hochschulen sowie der Hochschullehrer nicht gerecht. Die Studienbewerber haben deshalb auch bei Fehlen einer normativen Berechnungsgrundlage lediglich einen Anspruch auf eine erschöpfende Nutzung freigebliebener Kapazitäten. In dieser Situation verbleibt den Fachgerichten - auch um dem Gebot effektiven Rechtsschutzes zu genügen - allein die Möglichkeit, die Studienplatzkapazität in möglichst genauer Annäherung an die tatsächliche Kapazitätsgrenze zu bestimmen und damit die Frage zu beantworten, ob ein Zulassungsanspruch besteht.
31Vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 22. September 2020 - 36/20.VB-2 u. a. -, juris, Rn. 26, der u. a. ausführt, dass es keine von der Kapazitätserschöpfung zu unterscheidende, eigenständige „Grenze der Funktionsfähigkeit der Hochschule“ gibt, vgl. Rn. 23.
32Solange andere plausible Rechenmodelle nicht zu höheren Kapazitäten führen, war die Aufnahmekapazität nach der Rechtsprechung des OVG NRW, der die Kammer gefolgt ist, vielmehr weiterhin (fiktiv) nach den Vorgaben der Kapazitätsverordnung zum früheren Regelstudiengang zu berechnen, was nach allen bisherigen Erkenntnissen als studienbewerberfreundlich angesehen wurde.
33Vgl. OVG NRW, u. a. Beschlüsse vom 3. Juli 2015 - 13 B 113/15 -, juris, Rn. 41, vom 27. Februar 2020 - 13 B 89/20 u. a. -, S. 3 des Beschlussabdrucks (nicht veröffentlicht), und vom 21. April 2021 - 13 B 214/21 u. a. -, S. 3 des Beschlussabdrucks (nicht veröffentlicht); VG Aachen, u. a. Beschluss vom 8. Juni 2020 - 10 L 269/20 -, juris, Rn. 13, m. w. N.; i. Erg. ausdrücklich bestätigt durch VerfGH NRW, Beschluss vom 22. September 2020 - 36/20.VB-2 u. a. -, juris, Rn. 27 ff., 29.
34Daran hält die Kammer auch in Ansehung der fortdauernden gesetz- und verordnungsgeberischen Untätigkeit weiter fest. Denn ein geeignetes und plausibles Rechenmodell, das zu höheren Kapazitäten führt, steht auch zum Wintersemester 2021/2022 nicht zur Verfügung. Auch liegen keine belastbaren Erkenntnisse dafür vor, dass die fiktive Berechnung nach den Vorgaben der Kapazitätsverordnung die wahre Ausbildungskapazität der Antragsgegnerin erkennbar verfehlt.
35aa. Um ein geeignetes plausibles Rechenmodell, das zu höheren Kapazitäten führt, handelt es sich nicht bei der von der Antragsgegnerin (auch) zum Studienjahr 2021/2022 vorgelegten alternativen Kapazitätsberechnung, mit der der Versuch unternommen werden soll, den Besonderheiten des Modellstudiengangs durch eine weitgehend losgelöst von den Regelungen der KapVO NRW erfolgende Ermittlung der tatsächlichen Kapazität des Studiengangs Rechnung zu tragen. Dabei hat die Antragsgegnerin die Kapazität auf der Grundlage aller Veranstaltungen des Modellstudiengangs über alle Fachsemester berechnet, soweit sie die vorklinischen Fächer betreffen und von vorklinischen Lehrkräften erbracht worden sind, und hierbei auf die Personalkapazitäten in den im Regelstudium zur Vorklinik gehörenden Fächern abgestellt. Diese nur auf die Personalkapazitäten als begrenzenden Faktor abstellende Bemessung der Studienplatzkapazität im Modellstudiengang hat ebenfalls zu 282 Plätzen geführt.
36Wenn man für diese Berechnung, anders als dies die Antragsgegnerin getan hat, richtigerweise nicht 15 Semesterwochen, sondern nur 14 zugrunde legte,
37vgl. hierzu Saarl. OVG, Beschluss vom 1. August 2007 - 3 B 53/07.NC u. a. -, juris, Rn. 112; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17. Januar 2012 - NC 9 S 2775/12 -, juris, Rn. 24 f.; Sächs. OVG, Beschluss vom 16. April 2020 - 2 B 56/20.NC -, juris, Rn. 6 ff.,
38ergäbe sich - im Ergebnis kapazitätsungünstig - ein höherer Eigenanteil der Vorklinik, der nicht zwingend mit Blick auf den verbindlich einzuhaltenden Curricularnormwert (CNW) von 8,2 anteilig zu kürzen wäre (vgl. hierzu im Einzelnen 2. a. cc.).
39Diese Berechnungsmethode ist aber ohnehin bereits deshalb Zweifeln ausgesetzt, weil sie, auch wenn sie den Studiengang in seiner Gesamtheit betrachtet, weiterhin im herkömmlichen Sinn zwischen einer vorklinischen und einer klinischen Lehreinheit unterscheidet und lediglich die vorklinische Kapazität berechnet hat, obwohl der Modellstudiengang gerade Vorklinik und Klinik verzahnt und es keine entsprechenden Ausbildungsabschnitte mehr gibt. Außerdem ergeben sich Bedenken daraus, dass für die Modellrechnung auf der Basis der Studienordnung bzw. des Studienplans eine neue Curricularwertberechnung vorgenommen wurde, die insgesamt zu einer erheblichen Überschreitung des verbindlichen CNW von 8,2 führt.
40Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. April 2016 - 13 C 6/16 -, juris, Rn. 45 ff., 47, vom 21. April 2016 - 13 B 114/16 -, juris, Rn. 45 ff., 47, und vom 21. April 2021 - 13 B 214/21 u. a. -, S. 3 f. des Beschlussabdrucks (nicht veröffentlicht).
41bb. Auch eine denkbare Berechnung auf der Grundlage des gesamten Lehrangebots der Lehreinheiten Vorklinische Medizin und Klinisch-praktische Medizin unter Berücksichtigung des normativ verbindlich festgelegten Höchst-CNW der KapVO NRW von 8,2 führt zwar zu höheren Kapazitäten, stellt aber kein geeignetes und plausibles Rechenmodell dar. Ausweislich der Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin für das Studienjahr 2021/2022 beträgt das bereinigte jährliche Lehrangebot der Lehreinheit Klinisch-praktische Medizin 4.670,20 Semesterwochenstunden (SWS). Hinzuzurechnen wäre das bereinigte jährliche Lehrangebot der Lehreinheit Vorklinische Medizin, das für das Studienjahr 2021/2022 insgesamt 557,86 SWS beträgt (vgl. im Einzelnen die Ausführungen unter 2.). Das Gesamtlehrangebot beträgt damit 5.228,06 SWS. Bei einem zulässigen Gesamt-CNW von 8,2 ergäben sich aufgerundet 638 Studienplätze, was bei dem ermittelten Schwundfaktor von 0,98 schwundbereinigt zu einer jährlichen Studienanfängerzahl von 651 Studierenden führte. Dass die sich so ergebende Vervielfachung (um den Faktor 2,26) der Zulassungszahl, die sich aufgrund einer Berechnung anhand der KapVO NRW für einen - fiktiven - Regelstudiengang mit 288 ergibt (vgl. im Einzelnen die Ausführungen unter 2.) und die im Wesentlichen noch der Zulassungszahl der letzten Jahre entspricht (256 bis 261 bis zum Wintersemester 2010/2011 und - aufgrund der Auswirkungen der Hochschulpakte II und III - 281 bis 284 ab dem Wintersemester 2011/2012; die geringfügigen Differenzen waren unterschiedlichen Schwundausgleichsfaktoren geschuldet), die tatsächliche Aufnahmekapazität des Modellstudiengangs zutreffend oder jedenfalls in möglichst genauer Annäherung beschreibt, hält die Kammer für ausgeschlossen. Dagegen spricht bereits, dass eine solche Berechnung allein auf der Grundlage des gesamten Lehrangebots der Lehreinheiten Vorklinische Medizin und Klinisch-praktische Medizin unter Berücksichtigung des Gesamt-CNW von 8,2 die patientenbezogenen Einflussfaktoren, die in klinischen Ausbildungsabschnitten aber erheblich limitierend wirken, vollständig unberücksichtigt ließe. Wie groß die limitierende Wirkung der patientenbezogenen Einflussfaktoren nach Maßgabe der hierfür geschaffenen Norm des § 17a KapVO NRW ist, zeigt deren Berücksichtigung in der Berechnung der klinischen Aufnahmekapazität durch die Antragsgegnerin. Diese führt zu - schwundbereinigt - lediglich 233 Studienplätzen.
42cc. Folgerichtig hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in den Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffend die Zuteilung von Studienplätzen im Modellstudiengang Humanmedizin an der RWTH Aachen in seiner Entscheidung vom 22. September 2020 auch ausgeführt:
43„ Dass die Gerichte die Kapazitäten zu gering bemessen und damit den Teilhabeanspruch der Beschwerdeführer in verfassungsrechtlich relevanter Weise verkürzt hätten, kann nicht festgestellt werden. Insbesondere ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sie die gebotene Annäherung an den Umfang der Ausbildungskapazitäten im Ausgangsverfahren unter Rückgriff auf die Bestimmungen für den Regelstudiengang Medizin vorgenommen haben.
44Soweit es um die normativen Wertungen des Verordnungsgebers im Hinblick auf die ordnungsgemäße Durchführung eines Studiums geht, sind die Bestimmungen zum Regelstudiengang Medizin immer noch als am sachnächsten zu betrachten. Dies folgt bereits daraus, dass sowohl im Regel- als auch im Modellstudiengang die in der Ärztlichen Approbationsordnung festgelegten Ausbildungsinhalte vermittelt werden. Dass die den Regelstudiengang betreffenden Regelungen selbst den Anforderungen aus dem Kapazitätsausschöpfungsgebot nicht entsprächen, ist nicht erkennbar und machen die Beschwerdeführer auch nicht geltend.
45Zudem führt das Abstellen auf den vorklinischen Teil des Regelstudiums als fiktive Berechnungsgrundlage im Ergebnis jedenfalls dazu, dass der Teilhabeanspruch der Beschwerdeführer nicht zu eng bestimmt worden ist. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Kapazitäten im Ausbildungsabschnitt der Klinik im Regelstudiengang insbesondere durch die Zahl der zur Verfügung stehenden Patienten beschränkt ist (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 4 Kapazitätsverordnung 1994). Wenn nunmehr im Modell-Studiengang, der sich dadurch auszeichnet, dass sehr viel früher Elemente der vorklinischen und der klinischen Ausbildung verzahnt sind, die Ausbildungskapazität nur anhand der Faktoren bestimmt wird, die für die Ausbildungskapazität in einem vorklinischen Abschnitt maßgeblich sind, führt dies bei realistischer Betrachtung eher zu großzügigeren und für die Bewerber günstigeren Zahlen.“
46Vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 22. September 2020 - 36/20.VB-2 u. a. -, juris, Rn. 27 ff.
472. Die hiernach für den Modellstudiengang Humanmedizin nach der derzeit geltenden KapVO NRW - für ein „fiktives“ Regelstudium - zu berechnende Ausbildungskapazität ermittelt sich dem Grunde nach aus einer nach den Bestimmungen des Zweiten Abschnitts der KapVO NRW vorzunehmenden Gegenüberstellung von Lehrangebot (dazu a.) und Lehrnachfrage (dazu b.) und einer abschließenden Überprüfung des Berechnungsergebnisses nach den Bestimmungen des Dritten Abschnitts der KapVO NRW (dazu c.). Das hier streitgegenständliche 1. Fachsemester ist dabei im Rahmen des - fiktiven - Regelstudiengangs der Lehreinheit „Vorklinische Medizin“ zugeordnet (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 3 KapVO NRW).
48a. Das in Deputatstunden (DS) gemessene Lehrangebot einer Lehreinheit errechnet sich aus dem Lehrdeputat der verfügbaren Stellen (§§ 8, 9 KapVO NRW) und dem durch Lehrauftragsstunden zusätzlich zur Verfügung stehenden Deputat (§ 10 KapVO NRW) abzüglich der Dienstleistungen, die die Lehreinheit für die ihr nicht zugeordneten Studiengänge zu erbringen hat (§ 11 KapVO NRW).
49aa. Das in DS gemessene unbereinigte Lehrangebot einer Lehreinheit ist gemäß § 9 Abs. 1 und 2 KapVO NRW grundsätzlich anhand der für die verschiedenen Stellengruppen jeweils geltenden Regellehrverpflichtungen zu ermitteln, wie sie sich aus der Verordnung über die Lehrverpflichtung an Universitäten und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung - LVV NRW -) vom 24. Juni 2009 (GV. NRW. S. 409), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. November 2021 (GV. NRW. S. 1222), ergibt.
50Bei der Ermittlung der zur Verfügung stehenden Kapazität ist im Ausgangspunkt zu beachten, dass die KapVO NRW auf der Lehrangebotsseite durch das sogenannte Stellenprinzip geprägt ist. Danach ist für die einzelne Stelle die abstrakt festgelegte Regellehrverpflichtung der Stellengruppe, der die einzelne Stelle angehört, anzurechnen. Die Stelle geht grundsätzlich unabhängig von ihrer Besetzung mit dem sogenannten Stellendeputat in die Lehrangebotsberechnung ein, selbst wenn sie vakant ist. Die abstrakt an die Lehrpersonalstellen anknüpfende Berechnungsmethode der KapVO NRW führt zu einem Ausgleich der beteiligten Interessen, nämlich einerseits der Studienbewerber an einer praktikablen Bestimmung der Ausbildungskapazität und einer relativ stabilen Zahl von Studienplätzen, andererseits der Hochschule an einer ihrem Lehrpotential entsprechenden Studierendenzahl. Vom nach dem Stellenprinzip maßgeblichen Regellehrdeputat kann nur abgewichen werden, wenn die Hochschule die Stelle bewusst dauerhaft mit einer Lehrperson besetzt, die individuell eine höhere Lehrverpflichtung als die der Stelle hat, und dadurch der Stelle faktisch einen anderen dauerhaften, deputatmäßig höherwertigen Amtsinhalt vermittelt.
51Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Juli 2013 - 13 C 50/13 -, juris, Rn. 15, und vom 12. Februar 2016 - 13 C 21/15 -, juris, Rn. 7.
52Bei der Berechnung des unbereinigten Lehrdeputats ist die Antragsgegnerin zum Berechnungsstichtag 15. September 2021 von 50,00 Personalstellen der Lehreinheit Vorklinik ausgegangen und hat diese der vom MKW übernommenen Kapazitätsberechnung (vgl. § 4 KapVO NRW) zugrunde gelegt. In den Vorjahren wurden im Stellenplan 6 Wissenschaftliche Angestellte mit befristeten Arbeitsverträgen auf der Grundlage des Hochschulpakts angesetzt. Dies beruhte auf den Sondervereinbarungen des zuständigen Ministeriums und der RWTH Aachen vom 5. Mai 2011 zum Hochschulpakt II (2011-2015) und zuletzt vom 4. November 2015 zum Hochschulpakt III (2016-2020) bezüglich des Studiengangs Humanmedizin, wonach sich die Antragsgegnerin verpflichtet hat, jährlich 25 Studierende im ersten Hochschulsemester zusätzlich im Vergleich zur Bezugszahl des Jahres 2005 aufzunehmen und dazu insgesamt 6 Stellen für Wissenschaftliche Angestellte in die Kapazitätsberechnung einzustellen, die für die Dauer der Laufzeit der Hochschulpakte II und III befristet sind. Auf der Grundlage des ab dem 1. Januar 2021 gültigen und auf unbestimmte Zeit geschlossenen „Sonder-Hochschulvertrags zum Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ zwischen der Antragsgegnerin und dem zuständigen Ministerium werden zur Aufrechterhaltung der im Rahmen des Hochschulpakts zur Verfügung gestellten Studienanfängerplätze im Studiengang Humanmedizin auch weiterhin 6 Stellen für Wissenschaftliche Angestellte ausgewiesen. Beanstandungen ergeben sich hieraus nicht. Die 50 im Stellenplan verbuchten Stellen verteilen sich wie folgt:
53Stellengruppe Stellen Regeldeputat DS
54W3 Universitätsprofessor 4 9 36
55W2 Universitätsprofessor 6 9 54
56A 15-13 Akademischer Rat
57mit ständigen Lehraufgaben 1 9 9
58A 15-13 Akademischer Rat
59ohne ständige Lehraufgaben 2 5 10
60A 14 Akademischer Oberrat
61auf Zeit 4 7 28
62A 13 Akademischer Rat
63auf Zeit 13 4 52
64TV-L Wissenschaftlicher Angestellter
65(befristet) 13 4 52
66TV-L Wissenschaftlicher Angestellter
67(unbefristet) 7 8 56
68Summe 50 297
69Danach beträgt das Lehrangebot in der Lehreinheit Vorklinische Medizin der RWTH Aachen nach der Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin insgesamt 297 DS.
70Die im Stellenplan berücksichtigten Regellehrdeputate entsprechen - mit Ausnahme der für die beiden Stellen für Akademische Räte ohne ständige Lehraufgaben angesetzten Deputate von 5 DS (dazu im Folgenden) - den Vorgaben der LVV NRW und begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Einwände sind insoweit nicht substantiiert erhoben. Fehler sind bei der von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung nicht festzustellen. Ob hinsichtlich der befristet beschäftigten wissenschaftlichen Angestellten die rechtlichen Vorgaben des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz - WissZeitVG -) eingehalten und die Befristungsabreden wirksam sind, ist im Kapazitätsrechtsstreit regelmäßig nicht zu prüfen.
71Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Februar 2016 - 13 C 21/15 -, juris, Rn. 9, vom 11. Juli 2016 - 13 C 30/16-, juris, Rn. 10 ff., und vom 17. März 2017 - 13 C 20/16 -, juris, Rn. 3 ff.
72Auch verpflichten weder das (abstrakte) Stellenprinzip noch das Kapazitätserschöpfungsgebot die Hochschule zu dem Nachweis, dass sich ein bestimmter Stelleninhaber im Einzelfall tatsächlich (noch) in der Weiterbildung befindet und deshalb die Befristung des Arbeitsvertrages gerechtfertigt ist. Mit Blick auf das Stellenprinzip kommt den Befristungen von Arbeitsverträgen nach dem WissZeitVG vielmehr allein arbeitsrechtliche, nicht aber kapazitätsrechtliche Bedeutung zu.
73Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Februar 2016 - 13 C 21/15 -, juris, Rn. 3, vom 11. Juli 2016 - 13 C 30/16 -, juris, Rn. 7, und vom 17. März 2017 - 13 C 20/16 -, juris, Rn. 6.
74Kapazitätsrechtlich zu beanstanden ist jedoch das angesetzte Lehrdeputat für die beiden Stellen für Akademische Räte ohne ständige Lehraufgaben. Insoweit wären richtigerweise jeweils 8 DS anzusetzen gewesen. Einer sich hieraus ergebenden Erhöhung des unbereinigten Lehrdeputats steht eine von der Antragsgegnerin (erst) im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erklärte Verrechnung mit vakanten Stellen(anteilen) nicht entgegen.
75(1) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 11 LVV NRW in der bis zum 30. November 2021 gültigen Fassung vom 8. September 2021 (GV. NRW. S. 1100 - LVV NRW a. F. -), die in den hier maßgeblichen Regelungen der vorherigen Fassung vom 1. Juli 2016 (GV. NRW. S. 526) entsprach, haben Akademische Rätinnen und Räte, Akademische Oberrätinnen und Oberräte und Akademische Direktorinnen und Direktoren in der Besoldungsgruppe A, denen mindestens zu drei Vierteln der regelmäßigen Arbeitszeit Dienstaufgaben ohne Lehrverpflichtung obliegen, eine reduzierte Lehrverpflichtung von 5 DS. Für teilzeitbeschäftigte Lehrende gilt gemäß § 3 Abs. 5 LVV NRW a. F. eine entsprechend geringere Lehrverpflichtung. In allen anderen Fällen besteht für die vorgenannten Stellengruppen nach § 3 Abs. 1 Nr. 10 LVV NRW a. F. eine Lehrverpflichtung von grundsätzlich 9 DS.
76Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 LVV NRW a. F. hat die Dekanin oder der Dekan studienjährlich zu überprüfen, ob und aus welchen Gründen u. a. von der höheren Lehrverpflichtung gemäß Nr. 10 abgewichen wurde. Dies ist nach Satz 2 der Vorschrift aktenkundig zu machen.
77Nach der Rechtsprechung des OVG NRW, der die Kammer folgt, ist die studienjährliche Überprüfung nach § 3 Abs. 3 LVV NRW a. F. vor Beginn des Berechnungszeitraums vorzunehmen, damit sie ihre Funktion mit Blick auf das Kapazitätserschöpfungsgebot erfüllen kann. Diese Überprüfung erfordert im Übrigen planerische, haushaltsspezifische und wissenschaftsbezogene Wertungen, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch das Gericht nicht ersetzt werden können.
78Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. September 2021 - 13 C 30/21 -, juris, Rn. 5 ff., und vom 1. Februar 2022 - 13 B 1856/21 -, S. 3 des Beschlussabdrucks (nicht veröffentlicht).
79Durch die zum 1. Dezember 2021 In Kraft getretene Vierte Verordnung zur Änderung der Lehrverpflichtungsverordnung vom 17. November 2021 (GV. NRW. S. 1222) sind die Absätze 1 und 3 des § 3 LVV NRW geändert worden. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 11 LVV NRW in der nunmehr gültigen Fassung haben Akademische Rätinnen und Räte, Akademische Oberrätinnen und Oberräte und Akademische Direktorinnen und Direktoren in der Besoldungsgruppe A, die mindestens zu drei Vierteln der regelmäßigen Arbeitszeit Dienstaufgaben ohne Lehraufgaben wahrnehmen, eine Lehrverpflichtung von 5 DS, während gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 10 LVV NRW Akademische Rätinnen und Räte, Akademische Oberrätinnen und Oberräte und Akademische Direktorinnen und Direktoren in der Besoldungsgruppe A, die zu weniger als drei Vierteln der regelmäßigen Arbeitszeit Dienstaufgaben ohne Lehraufgaben wahrnehmen, eine Lehrverpflichtung von 9 DS haben. Die in Abs. 3 geregelte Überprüfungspflicht ist auf die Stellen der Nrn. 12 und 16 des Absatzes 1 beschränkt worden, die studienjährliche Überprüfungspflicht für die hier relevante Abweichung vom Regellehrdeputat gemäß Nr. 10 damit entfallen.
80Vorliegend kann die Kammer mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen lassen, welche Fassung der LVV NRW hier maßgeblich ist, wenngleich Vieles dafür spricht, dass mit Blick auf den Berechnungsstichtag zum 15. September 2021 nachträgliche Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen regelmäßig auf die für den Berechnungszeitraum nach § 5 Abs. 1 KapVO NRW zu ermittelnde jährliche Aufnahmekapazität keinen Einfluss mehr haben können und deshalb die Altfassung vorliegend noch Anwendung findet. Dies muss die Kammer nicht entscheiden, weil sich die Änderung des § 3 LVV NRW hier nicht auswirkt. Zum einen hat sich an der grundsätzlichen Rechtfertigungsbedürftigkeit eines Lehrdeputats von nur 5 DS für Stellen Akademischer Räte, Oberräte und Direktoren durch die Ersetzung des Verbs „obliegen“ in § 3 Abs. 1 Nr. 11 LVV a. F. durch das Verb „wahrnehmen“ in der Neufassung nichts geändert.
81Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Januar 2022 - 15 Nc 62/11 -, juris, Rn. 51.
82Zum anderen wirkt sich der durch die Neufassung zusätzlich geregelte Wegfall der studienjährlichen Überprüfungs- und Dokumentationspflicht hier nicht aus. Denn vorliegend fehlt es völlig an einer sachlichen Rechtfertigung für die Minderung des Regellehrdeputats. Darauf, dass auch eine Überprüfung der Abweichung durch das Dekanat nicht aktenkundig gemacht worden (und offenbar auch gar nicht erfolgt) ist, kommt es daher nicht an.
83Grundsätzlich liegt es im Organisationsermessen der Universität, ob und in welchem Umfang sie den Inhabern der in § 3 Abs. 1 Nr. 10 und 11 LVV NRW genannten Stellen Dienstaufgaben ohne Lehrverpflichtung zuweist. Das aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitete Kapazitätserschöpfungsgebot verpflichtet die Universität dabei nicht, stets die kapazitätsgünstigere Alternative zu wählen. Jedoch sind in die Abwägung neben organisatorischen, planerischen, haushaltsspezifischen und wissenschaftsbezogenen Aspekten auch die Belange der Studienbewerber einzubeziehen. Die Abwägungsentscheidung ist gerichtlich nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob es an einem sachlichen Grund für die Deputatsreduzierung fehlt.
84Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Mai 2021 - 13 C 5/21 u. a. -, juris, Rn. 5 ff., und vom 30. September 2021 - 13 C 30/21 -, juris, Rn. 19.
85Bei der Reduzierung der Regellehrverpflichtung von Lehrpersonen aufgrund der Wahrnehmung bzw. der Obliegenheit besonderer Dienstaufgaben nach § 3 Abs. 1 Nr. 11 LVV NRW wird das (abstrakte) Stellenprinzip durchbrochen, denn die Ermäßigung des auf eine volle Stelle bezogenen Lehrdeputats von 9 auf 5 DS ist nur gerechtfertigt, wenn eine einzelfallbezogene Betrachtung der den in § 3 Abs. 1 Nr. 11 LVV NRW benannten Personen zugewiesenen Aufgaben eine solche rechtfertigt. Ist dies nicht der Fall, bleibt es bei dem Grundsatz, dass sich das auf die Stelle entfallende Lehrdeputat - abstrakt - nach § 3 Abs. 1 Nr. 10 LVV NRW bestimmt und mit 9 DS anzusetzen ist.
86Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Mai 2021 - 13 C 5/21 u. a. -, juris, Rn. 11, und vom 30. September 2021 - 13 C 30/21 -, juris, Rn. 10.
87Dieses Regel- und Ausnahmeverhältnis von § 3 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 11 LVV NRW wird durch den Klammerzusatz in § 3 Abs. 1 Nr. 10 LVV NRW („soweit nicht Nummer 11“) und die Formulierung in § 3 Abs. 3 LVV NRW („abgewichen“) verdeutlicht. Die in § 3 Abs. 1 Nr. 11 LVV NRW benannten Lehrenden unterscheiden sich von denen nach § 3 Abs. 1 Nr. 10 LVV NRW nur dadurch, dass ihnen „mindestens zu drei Vierteln der regelmäßigen Arbeitszeit Dienstaufgaben ohne Lehrverpflichtung obliegen“ bzw. sie diese - nach der Neufassung - „wahrnehmen“. Erst und nur dann ist ausnahmsweise eine Reduzierung der in § 3 Abs. 1 Nr. 10 LVV NRW vorgesehenen Lehrverpflichtung gerechtfertigt. Im Übrigen verbleibt es beim abstrakten Stellenprinzip, welches insbesondere unberücksichtigt lässt, ob die Stelle besetzt ist oder nicht. Bei § 3 Abs. 1 Nr. 11 LVV NRW handelt es sich daher auch nicht etwa um eine eigene Stellengruppe mit einem aufgrund des Stellenzuschnitts niedrigeren Deputat, weshalb für diese Stellen ein festes Stellendeputat von 5 DS anzusetzen wäre. Es handelt sich vielmehr um eine einheitliche Stellengruppe mit einem Regellehrdeputat von 9 DS.
88Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2021 - 13 C 30/21 -, juris, Rn. 11 ff., 23.
89Ausgehend hiervon sind die im Stellenplan ausgewiesenen und auf § 3 Abs. 1 Nr. 11 LVV NRW gestützten Deputatsreduzierungen für die beiden Stellen „A 15 - 13 Akademischer Rat ohne ständige Lehraufgaben“ (umschrieben werden hiermit offenkundig Akademische Räte mit der Wahrnehmung bzw. der Obliegenheit von Dienstaufgaben ohne Lehrverpflichtung mindestens zu drei Vierteln der regelmäßigen Arbeitszeit) für das Wintersemester 2020/2021 nicht anzuerkennen.
90Es ist weder aktenkundig noch durch die Antragsgegnerin dargelegt, aus welchen in der Person der Inhaber der beiden Stellen liegenden Gründen von einer höheren Lehrverpflichtung abgewichen worden ist. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass die Antragsgegnerin bislang davon ausgegangen ist, bei den „Ratsstellen mit ständigen Lehraufgaben“ und den „Ratsstellen ohne ständige Lehraufgaben“ handele es sich um unterschiedliche Stellenkategorien mit unterschiedlichen Lehrdeputaten, weshalb nach dem Stellenprinzip im Ergebnis unerheblich sei, ob die jeweiligen Stelleninhaber tatsächlich überwiegend Dienstaufgaben ohne Lehrverpflichtung übernähmen. Diese Auffassung, die im Übrigen ohnehin schon im Widerspruch zu der in § 3 Abs. 3 LVV NRW a. F. geregelten studienjährlichen Überprüfungspflicht stand, ist nach der Rechtsprechung des OVG NRW, der die Kammer folgt, nicht mehr haltbar. Erforderlich ist vielmehr im Einzelfall eine Rechtfertigung für die Abweichung vom Regellehrdeputat. Daran fehlt es hier.
91(2) Das Regellehrdeputat ist hier aber nach § 3 Abs. 4 Satz 4 LVV NRW, der durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Lehrverpflichtungsverordnung vom 17. November 2021 nicht verändert worden ist, auf 8 DS reduziert. Nach dieser Vorschrift ist die Lehrverpflichtung von Angestellten jeweils um eine Lehrveranstaltungsstunde niedriger festzusetzen, wenn sie aufgrund vertraglicher Vereinbarung die gleichen Dienstaufgaben wahrnehmen wie die in Absatz 1 Nummern 5 und 7, 9 bis 12 sowie 16 und 17 genannten Beamtinnen und Beamten, es sei denn, mit ihnen ist die entsprechende Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften über die Arbeitszeit vereinbart.
92Die beiden hier relevanten Stellen i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 10 bzw. 11 LVV NRW sind mit zwei auf Dauer beschäftigten Angestellten besetzt. Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Antragsgegnerin, an denen zu zweifeln auch die Kammer keine Veranlassung hat, ist mit ihnen keine Vereinbarung zur entsprechenden Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften über die Arbeitszeit getroffen. Mithin ist das Regellehrdeputat um eine Lehrveranstaltungsstunde niedriger festzusetzen, also auf 8 DS.
93Dem steht das Stellenprinzip nicht entgegen. Denn anders als etwa bei einer vertraglich vereinbarten niedrigeren Lehrverpflichtung, die nach dem Stellenprinzip unerheblich wäre und dem Ansatz des auf die besetzte Stelle abstrakt entfallenden Regellehrdeputats nicht entgegenstünde, ergibt sich das verminderte Regellehrdeputat hier unmittelbar aus der LVV NRW selbst. Dieses ist abstrakt, also ohne Berücksichtigung einer etwaigen Vakanz oder einer im Einzelfall geringeren Lehrverpflichtung, in die Stellenberechnung einzustellen.
94(3) Für das vorliegende Verfahren folgt aus diesen Erwägungen, dass für beide Stellen (nur) § 3 Abs. 1 Nr. 10 LVV NRW zur Anwendung kommt und in die Kapazitätsberechnung weitere 6 DS (2 x 3 DS) einzustellen sind.
95Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Verrechnung mit unbesetzten Stellenanteilen steht dem nicht entgegen.
96Die Antragsgegnerin beruft sich insoweit auf eine gefestigte Rechtsprechung des OVG NRW, nach der dann, wenn eine Lehreinheit über eine vakante Lehrpersonalstelle mit einem Stellendeputat verfügt, das der individuellen Lehrverpflichtung einer nicht stellenkonform verwendeten Lehrperson entspricht, und diese Lehrperson auf dieser vakanten Stelle geführt werden kann, die individuelle Lehrverpflichtung dieser Person auf jene Stelle angerechnet werden kann. Ebenso kann die „überschießende” individuelle Lehrverpflichtung einer nicht stellenkonform verwendeten Lehrperson zur Abdeckung von unterbesetzten anderen Stellen verwendet werden.
97Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Februar 1999 - 13 C 3/99 -, S. 5 ff. (nicht veröffentlicht), vom 27. April 2009 - 13 C 10/09 -, juris, Rn. 13, vom 17. März 2011 - 13 C 26/11 -, juris, Rn. 6, vom 17. Oktober 2011 - 13 C 66/11 -, juris, Rn. 21, vom 12. Juni 2012 - 13 B 376/12 -, juris, Rn. 14, vom 31. Juli 2012 - 13 B 589/12 -, juris, Rn. 5, vom 11. Juli 2016 - 13 B 375/16 -, juris, Rn. 9, vom 11. Juli 2016 - 13 C 30/16 -, juris, Rn. 4, und vom 23. Mai 2017 - 13 C 10/17 -, juris, Rn. 13.
98Denn durch die Verrechnung von zusätzlichen Deputatstunden mit den Deputaten von vakanten Stellen wird nicht etwa das Stellenprinzip ausgehebelt, sondern lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass solche Lehrleistungen keinen Stelleninhaber entlasten und der Lehreinheit nicht zusätzlich zum abstrakten Lehrangebot zur Verfügung stehen.
99Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 31. Juli 2012 - 13 B 589/12 -, juris, Rn. 5, vom 11. Juli 2016 - 13 B 375/16 -, juris, Rn. 10, vom 11. Juli 2016 - 13 C 30/16 -, juris, Rn. 6, und vom 23. Mai 2017 - 13 C 10/17 -, juris, Rn. 13.
100Das OVG NRW hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1999 zur Begründung dieser Rechtsprechung - in dem Fall eines bereits seit mehr als fünf Jahren beschäftigten befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiters - Folgendes ausgeführt:
101„ Das rechtfertigt sich aus folgenden Erwägungen: Zum gesetzlichen Auftrag der Hochschule zählt u.a., mit dem ihr zur Verfügung stehenden Lehrpotential eine den jeweiligen fachlichen Ausbildungsanforderungen - beispielsweise der im Curricularnormwert 2,17 für die vorklinische Medizin verkörperten Ausbildungsanforderungen der Approbationsordnung für Ärzte - genügende Lehre bereitzustellen. Ausbildung von Studenten kann aber nicht durch die abstrakte Stelle und das auf sie entfallende Stellendeputat, sondern nur durch Lehrkräfte erfolgen, die diese Stelle besetzen. Die Hochschule muß daher darauf bedacht sein, das durch die Stellen vorgegebene abstrakte Lehrangebot auch durch auf diesen Stellen geführte Lehrkräfte mit dem Amtsinhalt der jeweiligen Stelle entsprechender individueller Lehrverpflichtung abzudecken. Bei erkennbarer Diskrepanz zwischen dem aus den Stellen folgenden abstrakten Lehrangebot und dem aus den individuellen Lehrverpflichtungen der Stelleninhaber folgenden realen Lehrangebot ist die Ausführung des o.a. Auftrages der Hochschule gefährdet und kann eine den Mindestanforderungen genügende Ausbildung der Studenten nur durch über die Verpflichtung hinausgehende Lehrleistungen der Lehrkräfte oder auf Kosten von Wissenschaft und Forschung der Hochschule sichergestellt werden. Eine solche Diskrepanz würde noch verschärft durch deputatmäßige Höherbewertung einer Stelle wegen ihrer Besetzung mit einer Lehrperson mit - latent - höherwertiger individueller Lehrverpflichtung bei gleichzeitiger stellendeputatmäßiger Berücksichtigung einer vakanten oder unterbesetzten anderweitigen Stelle der Lehreinheit. Eine die beteiligten Interessen in vertretbarer Weise berücksichtigende Balance zwischen dem für die Zahl der Lehre nachfragenden Studenten maßgeblichen abstrakten stellenabhängigen Lehrangebot und dem realen individuellen Lehrangebot wird indes auf die oben aufgezeigte Weise erzielt. Der Senat sieht keine rechtlichen Hindernisse, eine nicht stellenkonform geführte Lehrkraft bei Vakanz einer lehrdeputatmäßig entsprechenden anderweitigen Stelle der Lehreinheit kapazitätsrechtlich auf dieser Stelle zu führen. Die der Lehreinheit einer Hochschule - hier vorklinische Medizin - zugewiesenen Stellen sind haushaltsrechtlich nicht an ein Institut gebunden und könnten mit Einverständnis aller Beteiligten intern vorübergehend für die Zeit ihrer Unbesetzbarkeit oder bis zu ihrer Wiederbesetzung in ein anderes Institut verlagert, d.h. gleichsam zur anderweitigen Besetzung für ein bis zwei Studienjahre ausgeliehen werden. Dann aber muß es zulässig sein, kapazitätsrechtlich eine in eine höherwertige individuelle Lehrverpflichtung hineingewachsene Lehrperson vorübergehend auf einer vakanten anderweitig geeigneten Stelle innerhalb der Lehreinheit zu führen und im Ergebnis die individuelle höherwertige Lehrverpflichtung auf die Vakanz anzurechnen.
102Vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 16. Oktober 1986 - 13 A 2816/85 -.”
103Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 1999 - 13 C 3/99 -, S. 6 f. (nicht veröffentlicht).
104Diese Rechtsprechung bezieht sich allein auf zusätzliche Deputatstunden, die aus einer höherwertigen individuellen Lehrverpflichtung einer Lehrperson resultieren. Sie ist auf den vorliegenden Fall, in dem die Regellehrverpflichtung, die der besetzten Stelle abstrakt zugeordnet ist, fehlerhaft mit einem zu geringen Deputat in den Stellenplan eingestellt worden ist, nicht übertragbar.
105Offenkundig zugeschnitten und in den Folgejahren vom OVG NRW auch entsprechend fortgeführt ist seine Rechtsprechung vor allem auf die Stellengruppe der befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter, die ebenso wie die unbefristeten wissenschaftlichen Mitarbeiter eine eigene Stellengruppe bilden. Gerade im Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeiter kann es vorkommen, dass eine Stelle - nicht stellenkonform - mit jemandem besetzt ist, der individuell eine höhere Lehrverpflichtung hat, etwa weil der Vertrag inzwischen unbefristet und er in eine höhere individuelle Lehrverpflichtung „hineingewachsen” ist, oder eine Lehrperson die Stelle besetzt, die vertraglich zu einer höheren Lehrleistung verpflichtet ist. Wie bereits ausgeführt verpflichten weder das Stellenprinzip des § 8 Abs. 1 KapVO NRW noch das Kapazitätserschöpfungsgebot die Hochschule zum Nachweis, ob sich bestimmte Stelleninhaber im Einzelfall tatsächlich (noch) in der Weiterbildung befinden und deshalb die Befristung des Arbeitsvertrages gerechtfertigt ist. Die für den Regelfall erfolgte Widmung der befristet zu besetzenden Stellen der wissenschaftlichen Mitarbeiter zur wissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung stellt ein Kriterium dar, das einen Bezug zum Umfang der Lehrverpflichtungen aufweist, da ihr nur Rechnung getragen werden kann, wenn dem Stelleninhaber neben seiner Verpflichtung zur Erbringung wissenschaftlicher Dienstleistungen auch eine angemessene Zeit zur eigenständigen wissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung zur Verfügung gestellt wird. Diese Zweckbestimmung der Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter rechtfertigt danach die Bildung einer eigenen Stellengruppe. Insoweit ist von einer typisierenden Betrachtung auszugehen, sodass es auf eine ins Einzelne gehende Feststellung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die jeweiligen Stelleninhaber tatsächlich eigene Fort- und Weiterbildung betreiben, grundsätzlich nicht ankommt.
106Vgl. OVG NRW, u. a. Beschlüsse vom 11. Juli 2016 - 13 B 375/16 -, juris, Rn. 3, und vom 11. Juli 2016 - 13 C 30/16 -, juris, Rn. 9, jeweils m. w. N.
107Das ist nach dem abstrakten Stellenprinzip ebenso unbeachtlich wie eine Vakanz der Stelle, es sei denn, die Hochschule setzt bewusst dauerhaft auf einer solchen Stelle jemandem mit einem individuell höheren Lehrdeputat ein und vermittelt dadurch der Stelle faktisch einen anderen, dauerhaften, deputatmäßig höherwertigen Amtsinhalt. Dann, aber auch nur dann wandelt sich diese Stelle um und ist das höhere Deputat zu berücksichtigen.
108Vgl. OVG NRW, u. a. Beschlüsse vom 8. Juli 2013 - 13 C 50/13 -, juris, Rn. 15, vom 12. Februar 2016 - 13 C 21/15 -, juris, Rn. 7, vom 11. Juli 2016 - 13 B 375/16 -, juris, Rn. 3, und vom 11. Juli 2016 - 13 C 30/16 -, juris, Rn. 9; anders wohl VG Minden, Beschlüsse vom 19. Dezember 2017 - 10 Nc 8/17 -, juris, Rn. 21 ff., und vom 13. Dezember 2018 - 10 Nc 3/18 -, juris, Rn. 21 ff., das in diesen Fällen die Lehrverpflichtung als „überschießend” und damit „verrechnungsfähig” ansieht, vgl. jeweils Rn. 23.
109Von diesem Ausnahmefall abgesehen handelt es sich bei der individuell höherwertigen Lehrverpflichtung einer nicht stellenkonform verwendeten Lehrperson daher um zusätzliche und damit „überschießende” Lehrleistung, die mit Vakanzen verrechnet werden kann. Gleiches gilt für individuell überschießende Lehrverpflichtungen aufgrund Dienstrechts oder Arbeitsvertrags.
110Hier ist die in Rede stehende Lehrleistung aber nicht in diesem Sinne „überschießend” und „zusätzlich”. Vielmehr sind die beiden relevanten Stellen fehlerhaft im Stellenplan nicht mit 8 DS angesetzt worden, sondern ohne aktenkundige (oder jedenfalls sonst nachvollziehbare) Rechtfertigung lediglich mit dem nur im begründeten Ausnahmefall einschlägigen abweichenden Deputat von 5 DS. Die Lehrverpflichtung, die diesen Stellen im Stellenplan zugeordnet ist, entspricht damit - und insoweit anders als in den Fällen, in denen nach der Rechtsprechung des OVG NRW eine Verrechnung mit vakanten Stellen in Frage kommt - nicht der abstrakt einzustellenden Regellehrverpflichtung nach der LVV NRW. Eine Verrechnung mit vakanten Stellen kommt bei dieser Sachlage nicht in Betracht.
111bb. Eine Erhöhung des Lehrangebots aufgrund § 10 KapVO NRW (Lehrauftragsstunden) wurde vom MKW mangels entsprechender Meldungen nicht vorgenommen. Dies ist nicht zu beanstanden. Eine weitere Erhöhung kommt auch nicht mit Blick auf die Berücksichtigung der Lehre von Drittmittelbediensteten und durch Einsatz von Lehrpersonen aus der Klinik in Betracht.
112Vgl. dazu OVG NRW, u. a. Beschluss vom 21. Juni 2012 - 13 C 21/12 u. a. -, juris, Rn. 6 ff., m. w. N.
113cc. Von dem Lehrangebot von damit insgesamt 303 DS ist entsprechend § 11 KapVO NRW der sog. Dienstleistungsexport, den die Lehreinheit Vorklinische Medizin hier für die Zahnmedizin erbringt, in Abzug zu bringen. Der in die Kapazitätsberechnung eingestellte Anteil am CNW des nicht zugeordneten Studiengangs Zahnmedizin, der von der Lehreinheit Vorklinische Medizin erbracht wird, in Höhe von 0,83 ist nicht zu beanstanden.
114Vgl. zu den vorhergehenden Berechnungszeiträumen etwa VG Aachen, Beschlüsse vom 22. Dezember 2017 - 9 Nc 4/17 -, juris, Rn. 23, vom 4. Februar 2019 - 9 L 1696/18 -, juris, Rn. 34, und vom 8. Juni 2020 - 10 L 269/20 -, juris, Rn. 23.
115Die Antragsgegnerin ist bei der Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität des Studiengangs Zahnmedizin zutreffend von dem in der Anlage 2 zur KapVO NRW aufgeführten CNW für Zahnmedizin von 8,86 ausgegangen. Dieser - durch Rechtsverordnung festgelegte - im Vergleich zum vorherigen Studienjahr höhere CNW ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KapVO NRW von der Antragsgegnerin zum Stichtag anzuwenden. Anhaltspunkte dafür, dass die Festlegung des CNW durch den Verordnungsgeber, dem insoweit ein weites Gestaltungsermessen zusteht,
116vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18. September 1981 - 7 N 1.79 -, juris, Rn. 53 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 27. Februar 2008 - 13 C 5/08 -, juris, Rn. 15 f.,
117unter keinen sachlichen Gesichtspunkten mehr haltbar, d. h. willkürlich ist, bestehen nicht. Vielmehr ist nachvollziehbar, dass sich auf Grund der neuen Approbationsordnung für Zahnärzte und Zahnärztinnen ein zusätzlicher Lehrbedarf für die Ausbildung der Studierenden ergeben hat und dieser daher auch zu einer Erhöhung des CNW geführt hat.
118Dass die Ableitung des Curriculareigenanteils und der Curricularfremdanteile fehlerhaft ist, ist nicht erkennbar. Den Hochschulen steht auch bei der Bestimmung der Curricularanteile ein Gestaltungsspielraum zu (dazu näher unter b.). Dafür, dass die Antragsgegnerin die Curricularanteile zu Lasten der Studienbewerber missbräuchlich oder willkürlich bestimmt hat, fehlt es an Anhaltspunkten. Insoweit führt auch der Umstand, dass bei der Berechnung der Curricularanteile systemwidrig mit 15 statt mit 14 Semesterwochen gerechnet worden ist, nicht zu einer Änderung der Curricularanteile. Denn eine Berücksichtigung von 14 Semesterwochen bei der Berechnung würde zwar zu einer Überschreitung des CNW führen, der nach der KapVO NRW bei der Kapazitätsberechnung zwingend einzuhalten ist. Eine Verpflichtung, die Gewährleistung des CNW durch anteilige Kürzung sowohl des Eigen- als auch des Fremdanteils am jeweiligen Curricularwert sicherzustellen, besteht jedoch nicht. Im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums steht es der Hochschule vielmehr frei, die Einhaltung des CNW auch auf andere Weise zu gewährleisten, sofern dies nicht missbräuchlich oder willkürlich ist, etwa um die Zulassungszahl möglichst klein zu halten.
119Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juli 2019 - 13 C 37/19 -, juris, Rn. 7 f.
120Anhaltspunkte für eine missbräuchliche oder willkürliche Handhabung durch die Antragsgegnerin bestehen nicht.
121Insbesondere steht auch die in der Berechnung der curricularen Anteile für den Studiengang Zahnmedizin angesetzte Gruppengröße für Vorlesungen von g = 180 mit der Rechtsprechung des OVG NRW in Einklang.
122Vgl. dazu OVG NRW, u. a. Beschlüsse vom 28. Mai 2004 - 13 C 20/04 -, juris, Rn. 30, vom 8. Juli 2013 - 13 C 50/13 -, juris, Rn. 32 f., und vom 31. Mai 2016 - 13 C 22/16 -, juris, Rn. 13, jeweils m. w. N.
123Ein Widerspruch ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass in der von der Antragsgegnerin vorgelegten Alternativberechnung für den Studiengang Humanmedizin für Vorlesungen eine Gruppengröße von 276 angenommen worden ist und die Gruppengrößen daher unter Zugrundelegung der Alternativberechnung im importierenden Studiengang und im exportierenden voneinander abweichen. Denn die Alternativberechnung ist gerade nicht auf der Grundlage der KapVO NRW erstellt worden und liegt der Kapazitätsfestsetzung tatsächlich auch nicht zugrunde, sondern dient - wie zuvor bereits aufgezeigt - allein dem Zweck eines modellhaften Vergleichs. Bei der von der Antragsgegnerin nachgereichten und auf der Grundlage der KapVO NRW erstellten Ermittlung der Curricularwerte der Vorklinik wurde für Vorlesungen, ebenso wie bei der Berechnung für den Studiengang Zahnmedizin, als Gruppengröße g = 180 gewählt. Fehler ergeben sich mithin hieraus nicht.
124Für die Berechnung des Dienstleistungsexports ist die Antragsgegnerin schließlich zu Recht auch von der zum Stichtag 15. September 2021 zugrunde gelegten Zahl von 58 Studienanfängern (ohne Schwundausgleich) ausgegangen. Dies hat die Kammer in ihren Beschlüssen betreffend die Zulassungsverfahren zum 1. Fachsemester im Studiengang Zahnmedizin für das Studienjahr 2021/2022 im Einzelnen begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwiesen.
125Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 18. Februar 2022 - 10 L 592/21 -, S. 3 ff., 5 f., 11 f. des Beschlussabdrucks (zur Veröffentlichung in juris vorgesehen).
126Ausgehend von einer für die Lehreinheit Zahnmedizin für den Berechnungsstichtag angesetzten Kapazität von 58 Studierenden jährlich (ohne Schwundausgleich) ergibt sich damit ein im Ergebnis nicht zu beanstandender Dienstleistungsexport von 0,83 x 29 = 24,07 DS.
127Hieraus folgt ein bereinigtes jährliches Lehrangebot von ([303 DS - 24,07 DS = 278,93 DS] x 2 =) 557,86 DS.
128b. Dieses bereinigte jährliche Lehrangebot ist der Lehrnachfrage gegenüberzustellen.
129Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KapVO NRW bestimmt der CNW den in Deputatstunden gemessenen Aufwand aller beteiligten Lehreinheiten, der für die Ausbildung eines Studierenden im jeweiligen Studiengang erforderlich ist. Bei der Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität sind die in Anlage 2 zur KapVO NRW aufgeführten CNW anzuwenden (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KapVO). Der für die Berechnung der Lehrnachfrage damit maßgebliche CNW für die Lehreinheit Vorklinische Medizin beträgt gemäß der Anlage 2 zu § 13 KapVO NRW 2,42.
130Nach § 13 Abs. 4 Satz 1 KapVO NRW wird zur Ermittlung der Lehrnachfrage in den einzelnen Lehreinheiten der CNW auf die am Lehrangebot für den Studiengang beteiligten Lehreinheiten aufgeteilt (Bildung von Curricularanteilen), wobei nach Satz 2 der Vorschrift die Angaben für die beteiligten Lehreinheiten aufeinander abzustimmen sind. Die CNW sind nach Anlage 1 zur KapVO NRW als Curricularanteile auf die Lehreinheiten so aufzuteilen und darzustellen, dass die Summe der Curricularanteile eines Studiengangs in den an der Ausbildung beteiligten Lehreinheiten den CNW ergibt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 KapVO NRW haben die Hochschulen die Aufteilung des CNW in ihrem Bericht mit den Kapazitätsberechnungen gegenüber dem Ministerium zu begründen. Bindende gesetzliche Vorgaben dazu, wie der CNW auf die beteiligten Lehreinheiten aufzuteilen ist, fehlen. Insbesondere enthält die KapVO NRW keine Vorschriften darüber, wie der für die Kapazitätsberechnung allein maßgebliche Curriculareigenanteil (CAp) inhaltlich bestimmt wird. Sie sieht lediglich in Anlage 3 ausdrücklich die Möglichkeit vor, den Unterricht in bestimmten Fächern von anderen Lehreinheiten als Dienstleistung erbringen zu lassen, und gewährt damit ausdrücklich einen Spielraum für die Aufteilung des CNW. Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 5 des Staatsvertrags über die Hochschulzulassung vom 4. April 2019 sind die Hochschulen im Rahmen des CNW bei der Gestaltung von Lehre und Studium frei. Ihnen steht auch bei der Bestimmung des CAp ein Gestaltungsspielraum zu, den sie im Rahmen ihrer Lehrfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG auszufüllen haben. Dabei ist der Teilhabeanspruch der Studienbewerber aus Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Der Gestaltungsspielraum wird überschritten, wenn der Eigenanteil missbräuchlich oder willkürlich bestimmt wird, etwa ein der Kapazitätsberechnung zugrunde gelegter quantifizierter Studienplan manipuliert wird, um die Zulassungszahl möglichst klein zu halten.
131Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. September 2013 - 13 C 52/13 u. a. -, juris, Rn. 4 ff., vom 19. Dezember 2013 - 13 C 107/13 u. a. -, juris, Rn. 22 ff., vom 12. Februar 2016 - 13 C 21/15 -, juris, Rn. 17, und vom 10. Januar 2018 - 13 C 43/17 -, juris, Rn. 14 ff.
132Für eine solche Überschreitung des Gestaltungsspielraums fehlen hier aber hinreichende Anhaltspunkte. Die Antragsgegnerin hat den CNW von 2,42 in Fremdanteile von 0,44 (0,02 für die Klinisch-theoretische Medizin und je 0,14 für Physik, Chemie und Biologie) und einen Eigenanteil von 1,98 aufgeteilt. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
133Eine nachvollziehbare Ermittlung der Curricularanteile ergibt sich allerdings nicht aus der erst im gerichtlichen Verfahren durch die Antragsgegnerin nachgereichten Berechnung (Stand: 12. Januar 2022), die der Rekonstruktion der Bestimmung des CAp von 1,98 dienen sollte. Diese Berechnung fußt auf der Studienordnung der Antragsgegnerin für den Studiengang Medizin mit dem Abschluss Ärztliche Prüfung vom 10. März 1986. Dies ist zwar die letzte Studienordnung für den Regelstudiengang Humanmedizin der Antragsgegnerin; die Studienordnung vom 9. September 2003 ist für den Modellstudiengang ergangen. In der für den alten Regelstudiengang rekonstruierten Berechnung unberücksichtigt blieben damit naturgemäß aber die Änderungen, die sich aus der Neufassung der ÄApprO zum 1. Oktober 2003 für die erforderlichen Lehrveranstaltungen während des ersten Studienabschnitts (Vorklinik) des Regelstudiengangs ergeben haben. Nach Anlage 1 der neugefassten ÄApprO sind für den ersten Studienabschnitt im Regelstudiengang 630 Stunden (= 45 SWS) für Praktische Übungen, Kurse und Seminare vorgeschrieben. Darüber hinaus sind nach § 2 Abs. 2 Satz 5 ÄAppO Seminare im Umfang von mindestens 98 Stunden (= 7 SWS) als integrierte Veranstaltungen vorzusehen sowie weitere Seminare mit klinischem Bezug im Umfang von mindestens 56 Stunden (= 4 SWS). Insgesamt sind also für den ersten Studienabschnitt 56 SWS für Praktische Übungen, Kurse und Seminare anzusetzen. Des Weiteren waren in die Berechnung des Curricularanteils zum 1. Oktober 2003 auch die Vorlesungen der Naturwissenschaften - im Gegensatz zur früheren Berechnung - mit einbezogen, was letztlich zum durch den zuständigen Unterausschuss der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) neu ermittelten - und gegenüber dem seit dem Berechnungszeitraum 1990/1991 geltenden CNW von 2,17 - erhöhten Wert von 2,42 für die vorklinische Medizin geführt hat.
134Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 28. Januar 2004 - 9 L 820/03.NC -, S. 5 f. (nicht veröffentlicht); vgl. zum früheren CNW etwa OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 1999 - 13 C 3/99 -, S. 6 (nicht veröffentlicht); VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. Januar 2002 - 15 Nc 72/01 -, juris, Rn. 61 ff.
135Auf rechnerische Unstimmigkeiten oder Ungenauigkeiten der von der Antragsgegnerin nachgereichten Rekonstruktion der Berechnung des CAp von 1,98 (so ist etwa die Addition der für die Anatomie-Veranstaltungen eingestellten Curricularanteile rechnerisch fehlerhaft) kommt es daher schon nicht an. Die für den alten Regelstudiengang ursprünglich vorgenommene Berechnung des CAp liegt nicht mehr vor und kann seitens der Antragsgegnerin offenbar auch nicht mehr (zutreffend) rekonstruiert werden. Der CAp von 1,98 ist nach den Erkenntnismöglichkeiten dieses Eilverfahrens zur Überzeugung der Kammer gleichwohl plausibel und nicht willkürlich festgesetzt. Die Antragsgegnerin hat in den gerichtlichen Verfahren betreffend die Zulassung zum Studium im 1. Fachsemester des neuen Modellstudiengangs Humanmedizin im Wintersemester 2003/2004 unter Vorlage der für diesen Modellstudiengang Medizin ergangenen Studienordnung vom 9. September 2003 Berechnungen der Curricularanteile für die Lehreinheit Vorklinische Medizin vorgelegt. Diese Berechnungen bezogen sich zum einen auf die Ermittlung des CNW für den (insoweit fiktiven) Fall, dass an der RWTH Aachen ein Regelstudiengang nach der Neufassung der ÄAppO eingerichtet worden wäre, und zum anderen auf die an der RWTH Aachen gegebene „Ausbildungswirklichkeit“, nämlich den Modellstudiengang Medizin.
136Was die Berechnung des Regelstudiengangs nach der Neufassung der ÄAppO anbetrifft, kam diese zu einem Curricularanteil der Vorklinik (Eigenanteil) von 2,13 und zu einem Dienstleistungsimport aus den Lehreinheiten Klinisch-theoretische Medizin (Übungen medizinische Terminologie) sowie Chemie, Biologie und Physik in Höhe von 0,44, so dass sich ein Curricularwert für die Vorklinik von 2,57 ergeben hätte. In der Berechnung hat die Antragsgegnerin damals darauf verwiesen, dass das tatsächliche Aachener vorklinische Lehrangebot nach dieser Berechnung zwar über dem von der ZVS empfohlenen Wert für den vorklinischen Unterricht liege, die Aachener Vorklinik aber damit einverstanden sei, dass ihr Eigenanteil nur so weit anerkannt werde, dass der von der ZVS empfohlene Wert von 2,42 nicht überschritten werde. Dies sei der in der Berechnung des Ministeriums angenommene Eigenanteil für die Vorklinik von 1,98.
137Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 28. Januar 2004 - 9 L 820/03.NC -, S. 6 f. (nicht veröffentlicht).
138Dieses Vorgehen ist nicht willkürlich. Überschreitet nämlich der Curricularwert, den die Hochschule anhand eines quantifizierten Studienplans auf der Grundlage der Studienordnung berechnet hat, den nach Maßgabe der KapVO zwingend zugrunde zu legenden CNW, ist es grundsätzlich Sache der Hochschule und gegebenenfalls nachfolgend des Ministeriums, unter Abwägung des Teilhabeanspruchs der Bewerber aus Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG sowie der Lehrfreiheit der Hochschule aus Art. 5 Abs. 3 GG die Beachtung des CNW zu gewährleisten. Zwar ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Hochschule im Falle der Überschreitung des CNW sowohl den Eigen- als auch den Fremdanteil anteilig kürzt („Stauchung“) und - im Falle zulassungsbeschränkter Studiengänge - das Ministerium entsprechende Zulassungszahlen festsetzt. Eine Verpflichtung, die Gewährleistung des CNW durch anteilige Kürzung sowohl des Eigen- als auch des Fremdanteils am jeweiligen Curricularwert sicherzustellen, besteht hingegen nicht. Im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums steht es der Hochschule vielmehr frei, die Einhaltung des CNW - so wie hier - auch auf andere Weise zu gewährleisten.
139Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. September 2013 - 13 C 52/13 u. a. -, juris, Rn. 14 ff., vom 10. Januar 2018 - 13 C 43/17 -, juris, Rn. 18, und vom 5. Juli 2019 - 13 C 37/19 -, juris, Rn. 7 f., jeweils m. w. N.
140Nach der von der Antragsgegnerin in den damaligen Verfahren vorgelegten und auf den Modellstudiengang bezogenen - alternativen - Berechnung für den Eigenanteil der vorklinischen Fächer, die aufgrund der Neuordnung in dem Modellstudiengang vom 1. bis zum 10. Fachsemester zu durchlaufen sind, ergaben sich eine rechnerische Lehrleistung der vorklinischen Fächer von (gerundet) 2,16 und ein Curricularanteil der Importe aus der mathematischen-naturwissenschaftlichen Fakultät von 0,37, so dass sich - ebenso - rechnerisch ein erhöhter Curricularwert für die vorklinische Medizin von 2,53 ergeben hätte.
141Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 28. Januar 2004 - 9 L 820/03.NC -, S. 7 (nicht veröffentlicht).
142Im Ergebnis wurde der CAp von 1,98 somit aus dem Abzug der gesicherten Fremdanteile in Höhe 0,44 vom CNW von 2,42 ermittelt (nach der alternativen Berechnung hätte sich insoweit - kapazitätsungünstig - ein CAp von 2,05 ergeben [2,42 abzgl. 0,37]). Das ist, wie bereits ausgeführt, vom Gestaltungsspielraum der Hochschule bzw. des Ministeriums zur Gewährleistung der Einhaltung des normativ verbindlichen CNW getragen und nicht willkürlich. Die Antragsgegnerin hat damals wie heute hierzu vorgetragen, mit der Einführung des Modellstudiengangs im Jahr 2003 sei mit dem MKW vereinbart worden, dass die Kapazität in der Humanmedizin durch die Einführung des neuen Studiengangs nicht reduziert werden solle. Bedingung hierfür sei die Fortschreibung des alten CNW gewesen, der für die Vorklinik vor der Einführung des Modellstudiengangs bereits bei 1,98 - bei einem CNW von damals 2,17 - gelegen hatte. Aus diesem Grund sei die Kapazitätsberechnung für die Humanmedizin mit dem fortgeschriebenen Wert von 1,98 für die Vorklinik erfolgt.
143Das OVG NRW hat den so ermittelten bzw. bestimmten CAp von 1,98 seitdem nicht beanstandet und unter Hinweis darauf, dass die Ausbildung im Modellstudiengang erkennbar intensiver und bei Anlegung der Formel v x f : g höherwertiger ist, wiederholt als kapazitätsfreundlich angesehen. Insbesondere bestand kein Anlass, die Richtigkeit der Ermittlung der (als „gesichert“ bzw. „eindeutig“ bewerteten) Fremdanteile von 0,44 anzuzweifeln.
144Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 31. März 2004 - 13 C 20/04 -, juris, Rn. 4 ff., vom 31. März 2004 - 13 C 89/04 -, juris, Rn. 7 und 13, vom 28. Mai 2004 - 13 C 20/04 -, juris, Rn. 13, vom 17. April 2012 - 13 C 2/12 -, juris, Rn. 5, vom 12. März 2013 - 13 B 78/13 u. a. -, juris, Rn. 3 ff., 13, vom 12. März 2013 - 13 C 3/13 -, juris, Rn. 2 ff., und vom 1. August 2013 - 13 B 714/13 u. a., S. 4 ff., 6 des Beschlussabdrucks (nicht veröffentlicht).
145Mit Blick hierauf wird nicht dargetan, dass die Antragsgegnerin bei der ausgehend von einem verbindlichen CNW von 2,42 und gesicherten Fremdanteilen von 0,44 vorgenommenen Festlegung des kapazitätsbestimmenden curricularen Eigenanteils der Vorklinik auf den Wert von 1,98 willkürlich oder missbräuchlich gehandelt hätte.
146Das bereinigte jährliche Lehrangebot von 557,86 DS ist nach Formel 5 der Anlage 1 zur KapVO NRW durch den gewichteten Curricularanteil zu dividieren. Bei einer Anteilquote von 1 ergibt sich ein gewichteter Curricularanteil von 1,98. Danach beträgt die jährliche Aufnahmekapazität gerundet 282 Studienanfänger (557,86 : 1,98 = 281,747475).
147c. Die Antragsgegnerin hat eine Erhöhung dieser Studienanfängerzahl nach §§ 14 Abs. 3 Nr. 3, 16 KapVO NRW (Schwundquote) vorgenommen. Danach soll die Studienanfängerzahl erhöht werden, wenn zu erwarten ist, dass wegen Aufgabe des Studiums oder Fachwechsels oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studentinnen und Studenten in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge und das Personal hierdurch eine Entlastung von Lehraufgaben erfährt (Schwundquote).
148Nach der aufgrund der Studierendenstatistik der Antragsgegnerin vorgenommenen Berechnung war ein Schwund zu verzeichnen. Die errechnete Schwundquote ist nicht zu beanstanden. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Berechnung auf Grundlage der von der Antragsgegnerin vorgelegten Tabellen methodisch und/oder rechnerisch fehlerhaft sein könnte, liegen nicht vor. Die Antragsgegnerin stützt ihre Berechnung, die sie zutreffend nach dem sog. „Hamburger Modell“ vornehmen konnte, auf fünf aufeinanderfolgende Stichprobensemester (Wintersemester 2018/2019 bis Wintersemester 2020/2021) unter Berücksichtigung von vier der Regelstudienzeit in der Vorklinik des Regelstudiengangs entsprechenden Fachsemestern. Dass dies eine zu schmale Tatsachenbasis darstellt, ist nicht ersichtlich. Auch die Einbeziehung der Sommersemester ist nicht zu beanstanden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Schwundverhalten der Studierenden maßgeblich davon abhängt, ob der Studiengang jährlich oder halbjährlich angeboten wird.
149Vgl. OVG NRW, u. a. Beschlüsse vom 29. April 2010 - 13 C 235/10 -, juris, Rn. 14, vom 25. Mai 2011 - 13 C 33/11 u. a. -, juris, Rn. 19, vom 5. Februar 2013 - 13 B 1446/12 -, juris, Rn. 6 ff., vom 8. Juli 2013 - 13 C 50/13 -, juris, Rn. 35, und vom 4. November 2013 - 13 A 455/13 -, juris, Rn. 8.
150Ausgehend hiervon hat die Antragsgegnerin für das 1. Fachsemester unter Zugrundelegung der Zahl der Studierenden nach Beendigung des Zulassungsverfahrens einen Schwundausgleichsfaktor von 0,98 ermittelt. Hieraus ergibt sich bei einer rechnerisch ermittelten Zulassungszahl von 282 für das Wintersemester 2021/2022 im Ergebnis eine Studienanfängerzahl von gerundet 288 (282 : 0,98 = 287,76).
1513. Die so ermittelte Zulassungszahl ist durch die vorgenommenen 282 Einschreibungen (ohne Beurlaubte) nicht erreicht.
152Die Kammer geht insoweit auf der Grundlage der Mitteilung der Antragsgegnerin (Stand: 5. Januar 2022) davon aus, dass unter den 282 eingeschriebenen Studierenden Beurlaubte nicht enthalten sind und sich weder durch eine fehlerhafte Berücksichtigung von eingeschriebenen Beurlaubten noch infolge einer Nachbesetzung eines freien Studienplatzes unter Umgehung der gerichtlichen Antragstellerinnen und Antragsteller ein weiterer Studienplatz ergibt. Soweit sich aus vorangegangenen Mitteilungen (Stand: 21. Oktober 2021 und 15. November 2021) noch ergab, dass unter den 282 eingeschriebenen Studierenden eine/r beurlaubt war, hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2021 klargestellt und durch Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung der stellvertretenden Leiterin der Abteilung 1.2 (Studentische Angelegenheiten, Einschreibungsangelegenheiten) der Antragsgegnerin vom gleichen Tag glaubhaft gemacht, dass die festgesetzten 282 Studienplätze im Vergabeverfahren der Stiftung für Hochschulzulassung solange vergeben worden sind, bis die Kapazität von 282 erreicht wurde. Zum Ende des Vergabeverfahrens lag der dienstlichen Erklärung zufolge die Zahl der eingeschriebenen Studierenden bei 282 zuzüglich einer beurlaubten Person. Die Kammer hat keine Veranlassung, diese Erklärung anzuzweifeln. Damit sind 282 Studienplätze durch eingeschriebene Studierende (ohne Beurlaubte) besetzt. Sechs weitere außerkapazitäre Studienplätze sind mithin noch zu vergeben.
153Die Antragstellerin hat jedoch keinen Anspruch auf eine vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im 1. Fachsemester, weil die Zahl der aufgedeckten außerkapazitären Studienplätze hinter der Zahl der Antragstellerinnen und Antragsteller der insgesamt noch anhängigen 30 gerichtlichen Eilverfahren zurückbleibt und sie mit diesen um einen der zu vergebenden Studienplätze konkurriert. Sie hat aber einen Anspruch auf Teilnahme an einer Verlosung der festgestellten außerkapazitären Studienplätze. Denn aus Gründen effektiven Rechtsschutzes hält die Kammer es für geboten, die aufgedeckten sechs Studienplätze unter den Antragstellerinnen und Antragstellern der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch anhängigen gerichtlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu verlosen. Hieran nimmt die Antragstellerin teil; insoweit hat ihr Antrag daher Erfolg.
154Vgl. hierzu u. a. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Mai 2021 - 13 C 5/21 u. a. -, juris, Rn. 21, und vom 19. Mai 2020 - 13 C 66/19 -, juris, Rn. 27 ff.; vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 7 C 17.89 -, juris, Rn. 17, m. w. N.
155II. Soweit der Antrag - nach seiner Begründung jedenfalls hilfsweise - auf eine vorläufige Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität gerichtet ist, bleibt er ohne Erfolg. Dies folgt bereits daraus, dass nach dem Inhalt der Akten der insoweit ergangene Ablehnungsbescheid der Stiftung für Hochschulzulassung vom 8. September 2021 bestandskräftig geworden sein dürfte. Etwaige Fehler des Vergabeverfahrens sind im Übrigen ohnehin nicht aufgezeigt.
156III. Der weiter hilfsweise beantragten vorläufigen Zulassung jedenfalls für einen vorklinischen Ausbildungsabschnitt steht bereits entgegen, dass es in dem von der Antragsgegnerin angebotenen Modellstudiengang Humanmedizin - abweichend vom Regelstudiengang - einen solchen Ausbildungsabschnitt gerade nicht gibt.
157Vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 18. November 2020 - 2 NB 247/20 -, juris, Rn. 14 f.; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 3. November 2017 - OVG 5 NC 20/17 -, juris, Rn. 15.
158B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kostenaufhebung trägt einerseits dem Umstand Rechnung, dass die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin fehlerhaft war und weitere Studienplätze (vorläufig) vergeben werden können, berücksichtigt aber andererseits, dass dies bei Anordnung eines Losverfahrens nicht jeder Antragstellerin/jedem Antragsteller zum Erfolg verhilft. Die Kammer hält eine Kostenaufhebung daher mit Blick darauf, dass insgesamt 30 Antragstellerinnen und Antragsteller erfolgreich (lediglich) ihre Teilnahme am Losverfahren erstritten haben, vorliegend für sachgerecht. Gegenüber einer Kostenaufhebung wies eine ebenfalls in Betracht zu ziehende Kostenverteilung anhand der Loschance den Nachteil auf, dass der damit ausschlaggebende Faktor, wie viele andere Studienplatzbewerber ebenfalls einen Antrag beim Verwaltungsgericht stellen, regelmäßig weder beeinfluss- noch vorhersehbar ist. Die Kostenverteilung hinge damit im Ergebnis vom Zufall ab, was nicht sachgerecht wäre.
159Vgl. hierzu Sächs. OVG, Beschluss vom 16. Juli 2010 - NC 2 B 42/09 -, juris, Rn. 47.
160C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und berücksichtigt, dass die begehrte Entscheidung die Hauptsache vorwegnimmt.
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- 10 L 657/21 1x (nicht zugeordnet)
- 13 C 3/99 3x (nicht zugeordnet)
- 10 Nc 3/18 1x (nicht zugeordnet)
- 13 C 235/10 1x (nicht zugeordnet)
- 10 Nc 8/17 1x (nicht zugeordnet)
- 13 B 376/12 1x (nicht zugeordnet)
- 13 B 114/16 4x (nicht zugeordnet)
- 10 L 647/21 1x (nicht zugeordnet)
- 15 Nc 72/01 1x (nicht zugeordnet)
- 10 L 581/21 1x (nicht zugeordnet)
- 10 L 644/21 1x (nicht zugeordnet)
- § 17 KapVO 2x (nicht zugeordnet)
- 9 L 820/03 4x (nicht zugeordnet)
- 10 L 653/21 1x (nicht zugeordnet)
- 13 B 115/16 1x (nicht zugeordnet)
- § 10 KapVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 LVV 2x (nicht zugeordnet)
- 13 B 78/13 1x (nicht zugeordnet)
- 13 C 37/19 2x (nicht zugeordnet)
- 13 C 21/15 5x (nicht zugeordnet)
- 13 B 1856/21 1x (nicht zugeordnet)
- 10 L 585/21 1x (nicht zugeordnet)
- 13 C 52/13 2x (nicht zugeordnet)
- 10 L 584/21 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 Nr. 11 LVV 8x (nicht zugeordnet)
- § 17a KapVO 1x (nicht zugeordnet)
- 10 L 642/21 1x (nicht zugeordnet)
- 10 L 649/21 1x (nicht zugeordnet)
- § 17 Abs. 1 KapVO 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 1 Abs. 2 Satz 1, 21 KapVO 2x (nicht zugeordnet)
- 13 C 5/21 3x (nicht zugeordnet)
- 9 S 2775/12 1x (nicht zugeordnet)
- 10 L 605/21 1x (nicht zugeordnet)
- 13 C 10/09 1x (nicht zugeordnet)
- 10 L 583/21 1x (nicht zugeordnet)
- 10 L 656/21 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 4 Satz 4 LVV 1x (nicht zugeordnet)
- 13 C 26/11 1x (nicht zugeordnet)
- 2 NB 3/21 1x (nicht zugeordnet)
- § 11 KapVO 2x (nicht zugeordnet)
- 10 L 746/20 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 3 LVV 3x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 und 2 KapVO 1x (nicht zugeordnet)
- 10 Nc 3/21 1x (nicht zugeordnet)
- 15 Nc 62/11 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 B 42/09 1x
- 13 C 89/04 1x (nicht zugeordnet)
- 13 C 20/16 2x (nicht zugeordnet)
- 13 A 455/13 1x (nicht zugeordnet)