Beschluss vom Verwaltungsgericht Ansbach - AN 3 S 22.01183

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung oberirdischer Brunnenstationen über den Trinkwasserbrunnen WF 12, WF 13 und WF 14 auf dem Grundstück S* … straße, FlNr. …, Gemarkung … Der Antragsteller ist Eigentümer des Waldgrundstücks FlNr. …, Gemarkung … Das Grundstück liegt unmittelbar an der S* … straße und grenzt nordöstlich an das Waldgrundstück FlNr. …, Gemarkung …, auf dem durch den Beigeladenen die Errichtung oberirdischer Brunnenstationen geplant ist, an.

Der Beigeladene betreibt zur Trinkwasserversorgung der Stadt … und des Ortsteils … mehrere Tief- und Flachbrunnen im Wasserschutzgebiet … Aufgrund des baulichen Zustands der 1969 errichteten Flachbrunnen WF 02, WF 03, und WF 04 sollen diese zurückgebaut und drei neue Flachbrunnen errichtet werden. Mit Schreiben vom 14. September 2021, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 17. September 2021, legte der Beigeladene einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung der oberirdischen Brunnenstationen über den Brunnen WF 12, WF 13 und WF 14 vor. Dem beigefügten Erläuterungsbericht ist zu entnehmen, dass für den Neubau der Brunnen eine vorübergehende Baufläche von ca. 400 qm pro Brunnen vom Baumbestand befreit werden soll und nach Beendigung des Rückbaus der drei alten Brunnen diese Standorte vornehmlich über Naturverjüngung, soweit notwendig auch über Ersatzpflanzungen, dem Wald zugeführt werden sollten. Auswirkungen auf das Grundwasser seien durch die geplanten Arbeiten nicht zu erwarten. Eine ursprünglich geplante Zuwegung für die neu zu errichtenden Brunnen wurde im weiteren Verfahren nicht mehr verfolgt. Der Antragsteller hatte in den Bauantragsunterlagen seine Nachbarzustimmung verweigert.

Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … (AELF) stellte in einer Stellungnahme vom 11. Oktober 2021 fest, dass es durch den Brunnenbau auf 400 qm Wald zu einer Nutzungsänderung und dem dauerhaften Verlust der Waldeigenschaft komme, was einer erlaubnispflichtigen Rodung entspreche. Einer Rodung könne aus forstlicher Sicht nur unter Auflagen zugestimmt werden.

Das Stadtplanungsamt des Antragsgegners stimmte dem Bau der oberirdischen Brunnenstationen zu und führte aus, dass das Grundstück im wirksamen Flächennutzungsplan mit integriertem Landschaftsplan der Stadt … als Fläche für Wald dargestellt sei. Ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan bestehe nicht. Der fragliche Bereich sei darüber hinaus in der rechtskräftigen Landschaftsschutzverordnung als Landschaftsschutzgebiet festgesetzt und befinde sich im Schutzgebiet für Grund- und Quellwassergewinnung (Fassungsbereich 1) der Wasserfassung des Zweckverbandes zur Wasserversorgung … Mit Bescheid vom 4. April 2022 erteilte die Antragsgegnerin die Baugenehmigung für die Errichtung der oberirdischen Brunnenstationen. Unter der Überschrift „Auflagen und Hinweise“ wurde der Erläuterungsbericht des Zweckverbandes vom 14. September 2021 zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht. Hinsichtlich des Brunnenbaus wurde darauf hingewiesen, dass es durch den Brunnenbau auf 400 qm Wald zu einer Nutzungsänderung und dem dauerhaften Verlust der Waldeigenschaft komme. Dies entspreche einer Rodung und bedürfe gemäß Art. 9 Abs. 2 BayWaldG der Erlaubnis. Im Verfahren seien die Vorgaben des Art. 9 Abs. 4 bis 7 BayWaldG sinngemäß zu beachten. Der Rodung könne aus forstlicher Sicht gemäß Art. 9 Abs. 5 BayWaldG nur unter Auflagen zugestimmt werden: Die Baumaßnahmen seien auf das notwendigste Maß zu beschränken; Durchführung einer flächengleichen Ersatzaufforstung auf den Flächen der drei alten Brunnen WF02 bis WF04 unmittelbar nach deren Rückbau auf der FlNr. … Gemeinde …, Gemarkung …; der Nachweis über die Ersatzaufforstung sei dem AELF … innerhalb von 3 Jahren anzuzeigen.

Eine Ausfertigung der Baugenehmigung wurde dem Antragsteller mittels Postzustellungsurkunde am 8. April 2022 zugestellt.

Mit Schreiben vom 21. April 2022, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen am 25. April 2022, erhob der Antragsteller Klage gegen die Baugenehmigung der Stadt … und beantragt gleichzeitig,

die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

Zur Begründung trug er vor, dass durch die bauliche Maßnahme die Wasserversorgung seines Baumbestandes auf dem Grundstück … gestört oder zumindestens stark beeinträchtigt werde, so dass es zum Absterben seines Waldes komme. Darüber hinaus erfolge durch den Bau ein erheblicher Eingriff in die Natur, da 400 qm Wald gerodet werden müssten. Die im Wald lebenden Wildtiere würden aus allen umliegenden Waldgrundstücken vertrieben. Dies habe einen stark negativen Einfluss auf sein Waldgrundstück.

Die Antragsgegnerin führte mit Schreiben vom 12. Mai 2022 aus, dass unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange sowie der Aufnahme von Auflagen die Baugenehmigung zu erteilen gewesen sei. Die Bedenken des Antragstellers könnten nicht bestätigt werden. Die Rodung dürfe gemäß Art. 9 Abs. 5 BayWaldG nur unter Auflagen durchgeführt werden. Das Anlegen des Weges werde nicht mehr beabsichtigt und sei nicht Bestandteil der Baugenehmigung. Der Bau der oberirdischen Brunnenstationen diene dem Zweck einer optimalen Trinkwasserversorgung. Eine dadurch eintretende Beeinträchtigung der Wasserversorgung des Waldes des Antragstellers sei nicht ersichtlich.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2022 wurde der Zweckverband zur Wasserversorgung … notwendig zum Verfahren beigeladen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 18. Mai 2022 wurde der Beigeladene auf die Regelung des § 55d VwGO hingewiesen. Daraufhin übermittelte der Beigeladene über das besondere Behördenpostfach der Stadt … ein Schreiben unter dem Briefkopf des Zweckverbandes zur Wasserversorgung … vom 24. Mai 2022, unterzeichnet durch zwei Beschäftigte des Zweckverbandes zur Wasserversorgung … Der Beigeladene führte aus, dass die drei neuen Brunnenstationen als Abschlussbauwerk für die bereits errichteten Brunnen WF 12 bis WF 14 errichtet würden. Diese Brunnen seien Ersatzbrunnen für die Brunnen WF 02 bis WF 04, die auf dem gleichen Flurstück lägen und zwischenzeitlich qualifiziert zurückgebaut seien. Die Brunnen WF 02 bis WF 04 seien im Jahr 1964 errichtet worden. Die Entnahme von Grundwasser sei mit wasserrechtlichen Bescheiden vom 9. Oktober 1969 und 9. Oktober 1997 bewilligt worden. Die aktuelle Bewilligung sei bis 31. Dezember 2027 befristet. Aufgrund von Alterserscheinungen sei mit dem Wasserwirtschaftsamt … die Errichtung von drei Ersatzbrunnen bei vollständigem Rückbau der Altbrunnen abgestimmt worden. Mit Bescheid vom 9. November 2021 sei Einverständnis mit dem Neubau der drei Brunnen unter Bezug auf den Bescheid zum Rückbau der Brunnen gleichen Datums erteilt worden. Die Tiefbauarbeiten zur Errichtung der neuen Brunnen WF 12 bis WF 14 seien im Zeitraum Januar bis April 2022 fertiggestellt worden. Derzeit würden die ersten Entnahmevorgänge durchgeführt. Für die ordnungsgemäße Funktion der Brunnen zur Einspeisung in das Trinkwassernetz seien noch die Brunnenstationen als Abschlussbauwerke zu errichten.

Es sei nicht geplant, die bisher bewilligte Entnahmemenge zu erhöhen, es sollten nur die durch den Rückbau der Altbrunnen fehlenden Mengen ersetzt werden. Zudem befänden sich die Brunnen etwas weiter südwestlich der Altstandorte, so dass für das im Osten und im Zustrom des Flurstücks … der Gemarkung … gelegene Flurstück … durch die Grundwasserförderung keine weiteren Beeinträchtigungen zu erwarten seien. Durch die Brunnenstationen ergebe sich keine Änderung der Gesamtwaldfläche auf dem Flurstück … der Gemarkung … Die Brunnenstationen der neuen Brunnen hätten den gleichen Platzbedarf wie die ursprünglichen unterirdischen Brunnenschächte, die ebenfalls baumfrei hätten gehalten werden müssen. Die Altbrunnen seien komplett zurückgebaut, so dass die Flächen wieder einer forstwirtschaftlichen Nutzung zugeführt würden. Damit sei kein Abwandern von Wildtieren zu befürchten. Zudem seien die Fassungsbereiche, und damit auch das Flurstück …, dem geltenden Regelwerk konform lückenlos eingezäunt, so dass lediglich vereinzelte Tiere sich im Fassungsbereich aufhielten.

Der Beigeladene beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2022 zeigten sich die Bevollmächtigten des Antragstellers an.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 5. Juli 2022 wurde der Beigeladene erneut auf das Erfordernis einer Übermittlung nach § 55a VwGO hingewiesen.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers begründete den Antrag mit Schreiben vom 20. Juli 2022. Durch die Inbetriebnahme der geplanten Brunnenanlage sei eine nicht unwesentliche Beeinträchtigung der Wasserversorgung des Baumbestandes auf dem Nachbargrundstück des Antragstellers im Vergleich zum vorherigen Zustand zu befürchten, ebenso wie eine Gefährdung der beabsichtigten Nutzung als Waldgrundstück. Eine entsprechende Nutzung sei gerade im Regionalplan und Waldfunktionsplan vorgesehen und habe Bedeutung für den regionalen Klimaschutz. Die Eingriffe seien nicht gerechtfertigt. Die Erforderlichkeit werde mangels Begründung bestritten. Nicht ersichtlich sei, weshalb es zu einem vollständigen Rückbau bestehender Brunnenanlagen und vollständiger Errichtung neuer Brunnenanlage kommen müsse. Hierdurch würden offenkundig eine Gefährdung des klägerischen Grundstücks in Kauf genommen und naturschutzrechtliche Belange über Maßen verletzt. Die gewählte Vorgehensweise, vermutlich aus rein finanziellen Aspekten heraus, sei besonders fraglich. Bereits durch die Neuerrichtung selbst sei eine umfangreiche Entnahme von Wasser zu erwarten, weswegen das Grundstück des Klägers nur noch mit weniger Grundwasser versorgt werden könne.

Es sei zu befürchten, dass im Zuge der streitgegenständlichen Baugenehmigung die drohenden naturschutzrechtlichen Eingriffe in unzutreffendem Maße berücksichtigt worden seien. Im Erläuterungsbericht der Beigeladenen werde unmissverständlich dargelegt, dass für den Neubau der Brunnen „eine vorübergehende Baufläche von ca. 400 qm pro Brunnen vom Baumbestand befreit werden“ müsse. Im Verfahren sei jedoch ausschließlich die Rodungsfläche für einen Brunnen, also 400 qm, in die Abwägung einbezogen worden.

Der Beigeladene nahm mit Schriftsatz vom 9. August 2022, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach auf dem Postweg eingegangen am 15. August 2022, erneut Stellung. Die im Juni 2022 durchgeführten Leistungstests ergäben, dass die Absenkung noch geringer ausfalle als in den Brunnen bisher gemessen. Es sei keine Beeinträchtigung des Baumbestandes auf dem Grundstück des Antragstellers zu befürchten. Die Grundwasserentnahme erfolge seit 1969 auf Basis der gültigen wasserrechtlichen Bescheide des Landratsamtes … Der Neubau der Brunnen führe nicht zu einer Veränderung der Entnahmemenge. Die neuen Brunnen lägen zehn bis 15 m südlich der zurückgebauten Altbrunnen, so dass sich die Entfernung zum Grundstück des Antragstellers erhöht habe. Damit sei mit einer etwas geringeren Absenkung an dieser Stelle zu rechnen.

Durch die Brunnenstationen ergebe sich keine Veränderung der Gesamtwaldfläche, da auch bereits für die alten Brunnenschächte eine vergleichbare Fläche habe freigehalten werden müssen.

Im Übrigen diene die Grundwasserentnahme nicht finanziellen Interessen, sondern der öffentlichen Daseinsversorgung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag, der als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid auszulegen ist, ist unbegründet.

1. Nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, soweit der Klage - wie im vorliegenden Fall - aufgrund § 80 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 212a BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt. Hierbei trifft das Gericht eine originäre Ermessensentscheidung, welche sich in erster Linie an den Erfolgsaussichten der Hauptsache (BayVGH, B. v. 26.4.2021 - 15 CS 21.1081 - juris Rn. 22) orientiert. Dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes entspricht es, dass diese Prüfung grundsätzlich nur summarisch erfolgt, da für eine Beweisaufnahme grundsätzlich bei diesen Verfahren kein Raum bleibt. Bei offenen Erfolgsaussichten wird die Ermessensentscheidung anhand einer Interessenabwägung getroffen (BayVGH a.a.O.).

2. Die Anfechtungsklage hat nach summarischer Prüfung wohl keine Aussicht auf Erfolg, da die angegriffene Baugenehmigung rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Einem Kläger kommt im Rahmen einer Drittanfechtungsklage gegen eine an einen Dritten gerichtete Baugenehmigung kein Vollüberprüfungsanspruch zu. Vielmehr kann der Kläger als Nachbar nur solche Rechtsverletzungen ins Feld führen, die auf Normen beruhen, die in qualifizierter und individualisierter Weise gerade auch dem Schutz des Klägers dienen (BayVGH, B. v. 26.5.2020 - 15 ZB 19.2231 - juris Rn. 8). Ein unmittelbarer Rückgriff auf Art. 14 Abs. 1 GG zur Begründung des Nachbarrechtsschutzes kommt dabei grundsätzlich nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber in Ausfüllung seines legislatorischen Gestaltungsspielraums aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nachbarliche Abwehrrechte verfassungskonform ausgestaltet hat und unter Einschluss der Grundsätze des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme ein geschlossenes System des nachbarlichen Drittschutzes bereitstellt (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.2021 - 15 CS 21.1081 - juris Rn. 23 m.w.N.).

Soweit ein Vorhaben im Außenbereich in Streit steht, sind solche drittschützenden Belange regelmäßig nur aus dem Gebot der Rücksichtnahme, wie es sich etwa in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB manifestiert, ableitbar (BayVGH, B. v. 23.12.2016 - 9 CS 16.1672 - juris Rn. 13). Es betrifft jedoch auch Fälle, in denen nicht schädliche Umwelteinwirkungen, sondern sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen (BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris Rn. 11). Ein allgemeiner Schutzanspruch des Nachbarn auf die Bewahrung des Außenbereichs und damit ein Abwehranspruch gegen Vorhaben, die im Außenbereich objektiv nicht genehmigungsfähig sind, besteht - unabhängig davon, ob das Grundstück des Nachbarn im Außenbereich oder Innenbereich liegt - nicht (BayVGH, B.v. 23.1.2018 - 15 CS 17.2575 - juris Rn. 20 m.w.N.).

Das genehmigte Vorhaben, ein der öffentlichen Versorgung mit Trinkwasser dienende bauliche Anlage im Außenbereich (§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB), erweist sich aller Voraussicht nach dem Antragsteller gegenüber nicht als rücksichtslos.

Das Maß der gebotenen Rücksichtnahme hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. etwa BVerwG, U.v. 18.11.2004, a.a.O.).

Soweit sich der Antragsteller auf Veränderungen der Grundwasserversorgung seines Waldgrundstücks mit der Folge des Absterbens des Baumbestandes beruft, fehlt es bei summarischer Prüfung an einer Rücksichtslosigkeit des Vorhabens. Der Antragsteller hat seine Bedenken insoweit nicht ausreichend plausibilisiert und glaubhaft gemacht. Vielmehr handelt es sich um eine reine Mutmaßung ohne jegliche Beweiskraft.

Der Beigeladene hat auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … bisher drei Trinkwasserbrunnen (WF 02 bis WF 04) betrieben, die durch die neu errichteten drei Brunnen (WF 12 bis WF 14) ersetzt wurden. Die Grundwasserentnahme ist seit 1969 mittels unterschiedlicher wasserrechtlichen Bewilligungen/Erlaubnisse genehmigt.

Befürchtet ein Nachbar Beeinträchtigung in seiner Belange durch eine wasserrechtliche Erlaubnis, ist er nicht nur befugt, diese vor den Verwaltungsgerichten anzufechten, sondern auch - will er sein Interesse wahren - darauf angewiesen, seine Rechte im Verfahren geltend zu machen (VG Ansbach, U.v. 12.9.2006 - AN 9 K 06.01146 - juris Rn. 50 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 3.7.1987 - 4 C 41/86 - juris Rn. 17). Hat der Antragsteller eine entsprechende Geltendmachung versäumt, kann er dies nicht im Rahmen eines baurechtlichen Genehmigungsverfahren für die oberirdischen Brunnenstationen, die der ordnungsgemäßen Funktion der Brunnen zur Einspeisung in das Trinkwassernetz dienen und auf die sich die wasserrechtliche Erlaubnis/Bewilligung gerade nicht erstreckt, nachholen. Insoweit wird eine wasserrechtliche Genehmigung selbständig neben einer Baugenehmigung erteilt, so dass mit einer Klage gegen die Baugenehmigung nicht Fehler im wasserrechtlichen Verfahren geltend gemacht werden können (so z.B. BayVGH, B.v. 17.3.2020 - 1 ZB 18.2516 - juris Rn. 4 zum Fehlen einer wasserrechtlichen Erlaubnis).

Im Übrigen hat der Beigeladene versichert, dass mit den neuen Brunnen und den dazugehörenden Abschlussbauwerken, die Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung sind, keine Erhöhung der Entnahmemengen, die sich ohnehin im genehmigten Rahmen der wasserrechtlichen Erlaubnis/Bewilligung halten müssen, einhergeht. Vielmehr soll mit den Brunnen WF 12 bis WF 14 die durch den Rückbau der Brunnen WF 02 bis WF 04 entfallene Fördermenge ersetzt werden. Insoweit kann das Gericht auch die Einlassung des Beigeladenen berücksichtigen, auch wenn die eingereichten Schriftsätze nicht den Anforderungen an eine elektronische Einreichung gemäß § 55d VwGO i.V.m. § 55a VwGO erfüllen. Zwar führt die Nichteinhaltung der Pflicht, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln, grundsätzlich zu einer (Form) Unwirksamkeit von Prozesserklärungen (z.B. BayVGH, B.v. 6.5.2022 - 10 ZB 22.827 - juris Rn. 2 m.w.N), jedoch bewirkt der Verstoß gegen die elektronische Einreichungspflicht kein Verwertungsverbot (Ulrich in: Schoch/Schneider, VwGO § 55d Rn. 27), insbesondere da das Gericht spätestens im Hauptsacheverfahren im Rahmen der Amtsermittlungspflicht die entsprechenden Tatsachenfeststellungen anderweitig beschaffen müsste.

Aber auch mit der Rüge eines erheblichen Eingriffs in die Natur durch Rodungsarbeiten und die Vertreibung von im Wald lebenden Wildtieren kann der Antragsteller nicht die Verletzung eigener, drittschützender Rechts geltend machen. Die Normen des Bundesnaturschutzgesetzes, des Bayerischen Naturschutzgesetzes, des Bundeswaldgesetzes und des Bayerischen Waldgesetzes entfalten keine nachbarschützende Wirkung. Die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind dem öffentlichen Interesse zuzuordnen. Durch das Naturschutzrecht werden nur die Interessen der Allgemeinheit geschützt und es ist nicht dazu bestimmt, dem Schutz Dritter zu dienen. Auch der Tier- und Pflanzenschutz verfolgt vielmehr das Ziel des Gemeinwohls (BVerwG, U.v. 17.1.2001 - 6 CN 3.00 - juris Rn. 8). Der verfassungsrechtlich verankerte Umweltschutz als Staatsziel begründet kein Abwehrrecht. Es handelt sich ausschließlich um objektiv-rechtlich zu verstehende Verfassungssätze ohne anspruchsbegründende Wirkung. Ein „Grundrecht auf Umweltschutz“ existiert nicht (BayVGH, B.v. 27.7.2010 - 15 CS 10.37 - juris Rn. 25; VG Potsdam, U.v. 11.7.2022 - 4 K 573/19 - juris Rn. 54 m.w.N.; VG München, B.v. 30.8.2021 - M 1 SN 21.2740 - juris Rn. 26).

Entsprechend ist es nicht beachtlich, ob das AELF … die zu rodende Fläche hinsichtlich der Größe zutreffend bewertet hat. Letztlich kommt es durch den Rückbau der Altbrunnen und der anschließenden Ersatzaufforstung, wie in der Auflage A127 des streitgegenständlichen Bescheides vorgegeben, nicht zu einer Veränderung des Waldbestandes.

Daher war der Antrag abzulehnen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich der Beigeladene mangels formunwirksamer Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es auch nicht der Billigkeit gemäß § 162 Abs. 3 VwGO, ihm einen Kostenerstattungsanspruch zuzusprechen.

Die Entscheidung zum Streitwert fußt auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen