Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 3 L 123/14
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage 3 K 9532/13 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 12.11.2013 wird hinsichtlich der unter Nr. 1 der Verfügung getroffenen Untersagungsanordnung wiederhergestellt und bezüglich der unter Nr. 3 ausgesprochenen Zwangsmittelandrohung angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
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Gründe:
2Der dem Tenor sinngemäß entsprechende Antrag hat Erfolg.
3Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung. Diese Wirkung entfällt, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse angeordnet hat. Zudem haben gemäß den §§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 112 Satz 1 JustG NRW Rechtsbehelfe, die sich gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden und der Vollzugsbehörden in der Verwaltungsvollstreckung richten, gleichfalls keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch gemäß den §§ 80 Abs. 5 VwGO, 112 Satz 2 JustG NRW die aufschiebende Wirkung auf Antrag des Betroffenen wiederherstellen bzw. anordnen. Ein derartiger Antrag hat Erfolg, wenn das private Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Das ist der Fall, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, weil ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides nicht bestehen kann, oder wenn das private Interesse des Antragstellers aus sonstigen Gründen überwiegt. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
4Die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin dürfte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig sein.
5Das Gericht kann dahinstehen lassen, ob die Antragsgegnerin zutreffend ihre Verfügung auf die Vorschrift des § 15 Abs. 2 GewO als in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage gestützt hat oder aber § 9 Abs. 1 Satz 3 Glücksspielstaatsvertrag in der seit dem 01.07.2012 gültigen Fassung (GlüStV) die sachnähere Ermächtigungsgrundlage wäre. Beide Vorschriften würden für eine wirksame Ermächtigung der Antragsgegnerin zum Erlass der Untersagungsverfügung voraussetzen, dass die vom Antragsteller geplanten Pokerturniere Glücksspiele im Sinne von §§ 284 Abs. 1 StGB, 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV wären. Dies dürfte aber nicht der Fall sein.
6Ein Spiel ist dann ein Glücksspiel im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB, wenn die Entscheidung über Gewinn oder Verlust ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt, es auf die Erzielung eines Gewinns ausgerichtet ist und für den Erwerb der Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird. Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV gegebene Legaldefinition ist mit dem Glücksspielbegriff des § 284 Abs. 1 StGB deckungsgleich. Das nach beiden Vorschriften erforderliche Entgelt, das als Spieleinsatz für die Teilhabe an der Gewinnchance erbracht wird, kann auch in versteckter Form, wie z.B. durch Eintritts- oder Verzehrkarten, geleistet werden. Voraussetzung ist jedoch, dass das gezahlte Entgelt nicht lediglich - wie etwa der für den Eintritt in eine Spielbank aufgewendete Betrag - die Teilnahme am Spiel ermöglicht und deswegen stets verloren ist, sondern über eine solche Art von "Eintrittsgeld" hinaus aus dem Spieleinsatz der Spielteilnehmer die Gewinnchance des Einzelnen erwächst.
7Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11.06.2008 – 4 B 606/08 -, juris, m.w.N.
8Hiervon ausgehend dürften die von dem Antragsteller geplanten Pokerveranstaltungen die Voraussetzungen des Glücksspielbegriffs nicht erfüllen. Das von ihm vorgesehene Eintrittsgeld in Höhe von 25 Euro stellt sich wohl nicht als Entgelt bzw. Spieleinsatz im vorgenannten Sinne dar.
9Der Antragsteller hat hierzu substantiiert und für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass die diesbezüglichen Einnahmen zur Deckung der Veranstaltungskosten dienen. Die zur Verfügung gestellten Gewinne würden daraus nicht finanziert. Das Eintrittsgeld ermögliche lediglich die Teilnahme am Spiel und sei - anders als ein Spieleinsatz - stets verloren. Die Antragsgegnerin ist diesem Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht nicht entgegen getreten.
10Sie führt vielmehr dazu in rechtlicher Hinsicht aus, dass es im Sinne des Schutzes der Bevölkerung nicht darauf ankäme, ob die Gewinne aus den Eintrittsgeldern oder anders finanziert würden. Im Rahmen des Spieles könne es für den Spieler keine Auswirkung haben, wer die von ihm gewonnenen Preise finanziert habe. Der Spieler spiele jedenfalls, um die ausgelobten und hier nicht mehr unbedeutenden Gewinne zu erlangen. Die Wirkung für den Spieler bliebe die gleiche, als wenn die Gewinne von den Eintrittsgeldern gezahlt würden.
11Diese Ansicht dürfte sich wahrscheinlich schon allein im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.01.2014 – 8 C 26.12 – als nicht richtig erweisen. Danach liegt ein Glücksspiel vor, wenn von den Teilnehmern ein Entgelt für die Erlangung einer Gewinnchance abverlangt wird. Hierfür genügt jedoch nicht jede Geldzahlung, erforderlich ist vielmehr, dass das Entgelt gerade für die Gewinnchance gefordert wird, dass also zwischen der Zahlung und der Gewinnchance ein notwendiger Zusammenhang besteht. Daran fehlt es bei einer bloßen Teilnahmegebühr jedenfalls dann, wenn damit ausschließlich oder doch ganz überwiegend die Veranstaltungskosten gedeckt werden.
12Zitiert nach der Pressemitteilung vom 22.01.2014, juris.
13Letztendlich teilt auch die Antragsgegnerin diesen rechtlichen Ansatz, da sie dem Antragsteller nach dem Inhalt ihrer Verfügung die Durchführung von Pokerturnieren mit einem Spieleinsatz von bis zu 15 Euro nicht verbieten will. Fehl geht insoweit nur ihre Vorstellung, bei 15 Euro handele es sich um eine feste Grenze, mit der man eine nur die Veranstaltungskosten deckende Teilnahmegebühr von einem Entgelt für die Erlangung einer Gewinnchance im Sinne eines Glücksspieles unterscheiden könne. Ob eine Teilnahmegebühr nur die Veranstaltungskosten deckt, ist aber allein eine Frage der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles. Der Antragsteller hat auch hierzu nachvollziehbar dargelegt, warum bei ihm die Gebühr etwas höher als in vergleichbaren bekanntgewordenen Einzelfällen ausfalle.
14Nicht durch das Gericht zu prüfen ist, ob die Vorschrift des § 15 Abs. 2 GewO in anderer Hinsicht tatbestandlich greifen könnte. Denn bei dieser Norm handelt es sich um eine Ermessenvorschrift und die Antragsgegnerin will alleine zur Verhinderung illegalen Glücksspiels gegen den Antragsteller einschreiten. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass sie nach dem Tenor der Verfügung die Veranstaltungen des Klägers unter gewissen Voraussetzungen dulden will.
15Auch die übrige Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sie vor Erlass der Verfügung nur wenige eigene Ermittlungen angestellt hat. Nach der Begründung des Bescheides geht sie davon aus, dass grundsätzlich der Anschein illegalen Glücksspieles besteht, wenn sie Kenntnis von nicht angezeigten Pokerveranstaltungen erhält. Dann obliege es dem jeweiligen Veranstalter, im Einzelnen nachzuweisen, dass der Tatbestand eines Glücksspieles nicht erfüllt sei. Solche Überlegungen können den verwaltungsrechtlichen Grundsatz, dass es der Ordnungsbehörde obliegt, vor Erlass einer Ordnungsverfügung das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten zu ermitteln, nicht suspendieren. Solche Ermittlungen sind hier jedenfalls im Hinblick auf die Frage, ob die vom Antragsteller geforderte Teilnahmegebühr nur ausschließlich oder ganz überwiegend die Veranstaltungskosten decken, unterblieben und deshalb im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachzuholen. Auch dies rechtfertigt es, die Ordnungsverfügung zunächst außer Vollzug zu setzen.
16Darf die Untersagungsverfügung nicht sofort vollzogen werden, besteht auch in Bezug auf die Zwangsmittelandrohung gegenwärtig kein Vollziehungsinteresse.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
18Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
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Referenzen
- §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 112 Satz 1 JustG 1x (nicht zugeordnet)
- GewO § 15 Empfangsbescheinigung, Betrieb ohne Zulassung 2x
- §§ 80 Abs. 5 VwGO, 112 Satz 2 JustG 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 284 Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels 2x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 80 3x
- 3 K 9532/13 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 606/08 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 284 Abs. 1 StGB, 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 1x (nicht zugeordnet)