Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 2 K 2984/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.0.1957 geborene Kläger ist Gesamtschulrektor an einer Gesamtschule in N. . Im Oktober 2011 nahm er an einer Qualifikationserweiterungsmaßnahme für Lehrkräfte, die ein Schulleiteramt anstreben, teil. Am 1. und 2. Dezember 2011 unterzog sich der Kläger dem EFV in Form eines Assessment-Center-Verfahrens (ACV). In den Übungen Postkorb, Konfliktgespräch, Gruppendiskussion und Präsentation erzielte er bei jeweils zwei bewerteten Leitungskompetenzen insgesamt 39 Punkte. Aus der beigezogenen Sachakte ergibt sich, dass bei der Übung „Konfliktgespräch“ in einem Fall ein unzutreffender Bewertungsbogen zugrunde gelegt worden ist. Darauf wurde nachträglich die Kenn-Nummer des Teilnehmers handschriftlich geändert und paraphiert. Die Änderung des für diese Übung zugeordneten Beobachtungspartners, anonymisiert durch die Vergabe einer Buchstabenkombination, erfolgte dagegen nicht. Der Beklagten teilte dem Kläger durch Bescheid vom 16. Dezember 2011 mit, dass er das EFV nicht bestanden habe. Dagegen legte der Kläger unter dem 5. Januar 2012 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 13. Februar 2012 begründete. Darin wendet er sich gegen die fehlerhafte Bewertung seiner Leistungen im EFV und strebt als Ziel die Feststellung an, das EFV für bestanden zu erklären. Zur Begründung macht er geltend, die Regelung, wonach ein erfolgloser Teilnehmer erst nach einem Jahr erneut zum EFV zugelassen werden könne, bedürfe einer formalgesetzlichen Grundlage. Ein Runderlass reiche insoweit nicht aus. Die Beobachter im EFV seien mehrfach von jeweils unzutreffenden Sachverhalten ausgegangen. Wegen der Einzelheiten zu diesem Punkt, wird auf die Aufzählung unter Ziffer 1. lit. a. bis l. des Schreibens vom 13. Februar 2012 verwiesen. Die Übung Postkorb sei unlösbar gewesen, weil der Aufgabenstellung nicht zu entnehmen sei, auf welche Strukturen der Teilnehmer bei seinen Lösungsansätzen treffe. Insbesondere fehlten Angaben dazu, ob es sich um eine große oder kleine Schule, ein Gymnasium oder eine Gesamtschule etc. handele. Daraus folge ein zu weites Spektrum an Bewertungsmöglichkeiten. Eine nachvollziehbare Bewertung sei nicht möglich. Aus den Bewertungsbögen ergäben sich nachträglich vorgenommene Änderungen, die in acht Fällen zu Herunterstufungen geführt hätten, ohne dass diese Vorgehensweise näher begründet worden wäre. In der Folgezeit tauschten sich die Beteiligten per E-Mail informell über die Notwendigkeit bzw. Statthaftigkeit eines Widerspruchsverfahrens aus. Ein förmlicher Widerspruchsbescheid erging nicht.
3Am 28. März 2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er bezieht sich im Wesentlichen auf die im Widerspruchsverfahren erhobenen Rügen, hält das Vorverfahren für statthaft und ergänzt in der mündlichen Verhandlung seinen Vortrag wie folgt: Im Nachgespräch zur Übung „Postkorb“ habe man ihm erläutert, dass er zur Lösung dieser Aufgabe eine im Vergleich zu seiner Stammdienststelle kleinere Organisationseinheit/kleinere Schule hätte wählen sollen.
4Der Kläger beantragt,
5- 1.6
den Bescheid des Beklagten vom 16. Dezember 2011 aufzuheben,
- 2.7
den Beklagten zu verpflichten, den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gericht erneut zu bescheiden,
- 3.8
die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
An seinem ursprünglichen Hilfsbegehren festzustellen, dass er weder gehindert ist, unmittelbar und sofort an einem EFV teilzunehmen, noch sich als Schulleiter zu bewerben, hält er nicht mehr fest.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er macht im Wesentlichen folgendes geltend: Das EFV beruhe auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage. Es sei nur ein Baustein eines besonderen, auf die Schulleitungskompetenz bezogenen Beurteilungsverfahrens. Im Zuge des ACV könnten schriftliche Begründungen zu allen Einzelkriterien aufgrund der zeitlichen Struktur gar nicht vorgenommen werden. Von den Beobachtenden während der jeweiligen Übung angelegte Notizen orientierten sich an deren chronologischem Verlauf. Diese Vorgehensweise diene der Strukturierung von Wahrnehmung und Beobachtung. Einzelne Notizen könnten nicht als Grundlage für die Bewertung der gesamten Übung bzw. einzelner Kriterien genommen werden. Nach Abschluss der jeweiligen Übung finde ein strukturierter Austausch zwischen den Beobachtenden statt, die sog. Konsolidierungsphase. Jeder Beobachter trage seine Bewertung unabhängig in den entsprechenden Bewertungsbogen ein. Abweichungen werden im Anschluss diskutiert, um eine einheitliche Bewertung herbeizuführen, die aber nicht zwingend sei. Notwendige Änderungen würden paraphiert. Danach sei der Bewertungsprozess abgeschlossen. Die Übung „Postkorb“ gehe von einer fiktiven Musterschule aus. Vorgänge und Szenarien wiesen einen schulformübergreifenden Charakter auf und zeichneten sich durch eine „Viellösbarkeit“ aus.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage hat keinen Erfolg.
16Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine erneute Bescheidung über das Ergebnis seiner Teilnahme am EFV. Der dies durch die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens des EFV ausschließende Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 16. Dezember 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
17Die angefochtene Entscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in Nr. 9 Absatz 1 Satz 1 des Runderlasses. des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 25. November 2008 – 412-6.07.01 – 50216 -, geändert durch Runderlass vom 2. Februar 2011 – 412-6.07.01 – 92215, BASS 21 – 01 Nr. 30 (im Folgenden: Runderlass), der die Bewerbung von Lehrerinnen und Lehrern um ein Amt als Schulleiterin oder als Schulleiter einschließlich des EFV und der dienstlichen Beurteilung regelt. Die so vorgegebene Gestaltung des EFV genügt den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG und ist grundsätzlich nicht zu beanstanden.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Juni 2012 – 6 A 1991/11 -, DÖD 2012, 228. Soweit das Obergericht in seiner Entscheidung eine Beanstandung ausspricht, betrifft diese das weitere Verfahren nach bestandenem EFV, einer Konstellation, die den vorliegenden Sachverhalt nicht trifft.
19Soweit der Kläger Nr. 9 Abs. 4 letzter Satz des Runderlasses nicht als hinreichende Rechtsgrundlage für den einjährigen Ausschluss von einer erneuten Teilnahme ansieht, bedarf es keinen Ausführungen mehr, weil diese Sperre im Falle des Klägers inzwischen abgelaufen ist und er folgerichtig an seinem ursprünglichen Hilfsbegehren auch nicht mehr festhält.
20Der Kläger kann nicht damit gehört werden, dass zu seinen Lasten (mehrfach) ein falscher Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist. Das gilt zunächst für den Beobachtungsbogen bei der Übung „Konfliktgespräch“,
21Bl. 48-52 der Beiakte, Heft 2,
22der als Beobachtertandem die Kennbuchstaben AC (Beobachtungspartner) und AE (Beobachter) ausweist. Die richtige Bezeichnung des Beobachtungspartners lautet zutreffenderweise AA. Ausweislich der zusammenfassenden Ergebnisübersicht,
23Bl. 2 der Beiakte, Heft 2,
24trugen die Beobachter die Kennbuchstaben A und E. Zur Vervollständigung ihrer Buchstabenkombination wird aus der Kenn-Nummer des Teilnehmers – hier A8 – der Buchstabe entliehen und vor die Kennbuchstaben der Beobachter gesetzt, so dass diese im vorliegenden Fall bei der Übung „Konfliktgespräch“ vollständig AA und AE lauten.
25Vgl. auch Nr. 7 Abs. 1 Satz 2 des Runderlasses, wonach sich die Beobachter in einem rollierenden System abwechseln.
26Der Einzelrichter folgt der Darstellung des Beklagten, wonach die Korrektur des Beobachters an dieser Stelle unvollständig geblieben ist. Immerhin hat der Beobachter, dessen Paraphe im Beobachtungsbogen mit der im korrespondierenden Bewertungsbogen übereinstimmt, die Kenn-Nummer des Teilnehmers korrigiert. Es spricht viel dafür, dass die Korrektur der dem Beobachtungspartner zugeordneten Buchstabenkombination versehentlich unterblieben ist. Jedenfalls ergibt sich aus der nach Hinweisverfügung des Einzelrichters vom Kläger vorgenommenen Plausibilitätsbetrachtung kein Anhaltspunkt dafür, dass der Sachakte zum EFV ein nicht dem Kläger zuzuordnender Beobachtungsbogen der Bewertung zugrunde gelegt worden sein könnte. Dem ACV ist es immanent, dass die Bewertungen auf einer Vielzahl von Einzeleindrücken der Beobachtenden zurückzuführen sind. Die Verschriftlichungen auf den Bewertungsbögen dienen insoweit als Hilfsmittel einer im Anschluss daran vorzunehmenden Bewertung, um insbesondere ein vollständiges Bild vom jeweiligen Teilnehmer sicherzustellen. Als bloßes Hilfsmittel für die Bewertungsvorgänge können sie diese nicht widerspiegeln. Im Übrigen würde sich ein angenommener falscher Beurteilungsbogen auf das Endergebnis „nicht bestanden“ nicht auswirken. Bei maximal zu erreichenden 4 Punkten je Leistungskompetenz hätte der Kläger bei dieser Teilübung höchstens weitere 3 Punkte erlangen können. Die dann erreichte Gesamtpunktzahl von 42 würde für ein bestandenes EFV noch immer nicht ausreichen. Nach Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 des Runderlasses sind dafür mehr als 43 Punkte erforderlich.
27Unzutreffende Sachverhalte folgen auch nicht aus dem bereits im Widerspruchsverfahren unter Ziffer 1. lit. a. bis l. aufgeführten Punkten, die der Kläger ausdrücklich zum Gegenstand seines Klagevortrags gemacht hat. Über das im vorstehenden Absatz dieses Urteils bereits Gesagte hinaus verkennt der Kläger, dass seine Angriffe die Bewertungen betreffen und nicht den jeweils zugrunde liegenden Sachverhalt. Sein Vortrag zu allen Punkten orientiert sich an den verbalen Umschreibungen in den Bewertungsbögen. Diese wiederum nehmen nur die Endpunkte ++ und – in den Blick und geben den Beobachtenden Anhaltspunkte für eine sachgerechte Bewertung ihrer Beobachtungen an die Hand. Dabei werden die Zwischenstufen + und – nicht näher erläutert. Die Verknüpfungen zwischen den Erläuterungen in den Spalten der Bewertungsbögen und den zeilenförmig angeordneten Bewertungsstufen erfolgen in zweierlei Hinsicht. Das Symbol ++ nimmt Bezug auf die Bewertungsstufe „gut erfüllt“, das Symbol – auf die Bewertungsstufe „nicht erfüllt“. Die Umschreibungen in den Spalten erläutern den Beobachtenden, wann ein Merkmal gut erfüllt und wann es nicht erfüllt ist. Die Zwischenstufen „erfüllt“ und „zum Teil erfüllt“ ergeben sich für die Beobachtenden zwangsläufig dann, wenn die mit der jeweiligen Umschreibung verbundene Aufzählung in quantitativer und/oder qualitativer Hinsicht nur teilweile auf den jeweiligen Teilnehmer zutrifft. Unter Außerachtlassung dieser Systematik stellen sich die Einwände des Klägers so dar, dass er lediglich seine eigenen Bewertungen den Bewertungen der Beobachtenden entgegensetzt. Angesichts des Beurteilungsspielraums auf seiten der Beobachtenden sowie des fehlenden persönlichen Eindrucks des Einzelrichters vom Kläger während des EFV ist eine weitergehende gerichtliche Überprüfung des EFV an dieser Stelle nicht möglich.
28Mit seinem Vortrag, die Übung „Postkorb“ sei unlösbar gewesen, dringt der Kläger ebenfalls nicht durch. Unter Hinzuziehung der Aufgabenbeschreibung ist der Klageerwiderung zu folgen. Danach existieren Vorgaben, die auf eine bestimmte Schulform hindeuten könnten, noch nicht einmal ansatzweise. Auf den ergänzenden Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung kommt es nicht. Es ist schon nicht ersichtlich, in welchem inhaltlichen Zusammenhang die vom Kläger wiedergegebene Äußerung durch einen oder mehrere Beobachter gefallen sein soll. Eine Beweiserhebung zu diesem Punkt hat sich nach den Umständen des Einzelfalles auch nicht aufgedrängt. Das Material der Beobachtenden für das Interview zum Postkorb,
29Bl.31-40 und Bl. 56- 65 der Beiakte, Heft 2,
30lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass man vom Kläger erwartet hat, dass dieser seinen Lösungsansätzen eine bestimmte oder aber zumindest eine im Vergleich zu seiner Stammdienststelle kleinere Organisationseinheit zugrunde legt.
31Dem Beklagten ist ferner zuzustimmen, dass der Ablauf des ACV eine schriftliche Begründung von nachträglich vorgenommen Änderungen in den Bewertungsbögen nicht erforderlich macht. Vielmehr dient der Austausch der Beobachtenden nach ihren Bewertungen dazu, den jeweiligen Teilnehmer möglichst leistungsgerecht einzustufen. Ohne Zwang einer einheitlichen Bewertung ist es aber durchaus naheliegend, das sich der Beobachter nach Auseinandersetzung mit den Eindrücken und Bewertungen seines Beobachtungspartners aus eigener Überzeugung heraus zu einer Änderung veranlasst sieht. Über die bereits erwähnten verbalen Umschreibungen der obersten und untersten Bewertungsstufen in den Spalten der Bewertungsbögen hinaus drängt sich eine weitere Verschriftlichung nicht auf. Die Verantwortung für die endgültige Bewertung wird durch die Paraphierung der Änderungen nach außen manifestiert.
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Einer weiteren Kostenentscheidung gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO bedurfte es nicht, weil der Kläger nicht Kostengläubiger geworden ist.
33Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
34Der Einzelrichter lässt die Berufung nicht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil es die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht als gegeben ansieht.
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Referenzen
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 162 1x
- 6 A 1991/11 1x (nicht zugeordnet)