Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 3 L 2807/19
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage 3 K60;5962/19 gegen den zu Gunsten der Beigeladenen ergangenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 22. Oktober 2018 in der Fassung der Widerspruchsbescheide der Antragsgegnerin vom 5. und 8. Juli 2019 wird wiederhergestellt.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der im Sinne des vorstehenden Tenors gestellte Antrag ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Zwar ist die Vollziehungsanordnung der Antragsgegnerin formell nicht zu beanstanden; die im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotene Interessenabwägung fällt jedoch zu Gunsten der Antragsteller aus.
3Bei einem – wie hier – begünstigenden Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung kann das Gericht die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen einen von der Behörde für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf Antrag des Drittbetroffenen ganz oder teilweise nach Maßgabe der §§ 80a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wiederherstellen. Die gerichtliche Entscheidung hängt dabei von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits ab. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ergibt diese allein mögliche und gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehene Genehmigung offensichtlich gegen Rechtsvorschriften verstößt, die auch dem Schutz des Antragstellers als Nachbarn zu dienen bestimmt sind, überwiegt grundsätzlich das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Verletzt der angegriffene Bescheid hingegen keine Rechte des Antragstellers, überwiegt regelmäßig das Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehung. Formale Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO darüber hinaus, dass das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen ist.
4Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den – den Antragstellern Anfang Oktober 2019 zur Kenntnis gegebenen – gesonderten Bescheid vom 18. September 2019 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
5In der Begründung für die Vollziehungsanordnung hat die Behörde schlüssig, konkret und substantiiert darzulegen, aufgrund welcher Erwägungen sie gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes privates und öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung als gegeben ansieht und das Interesse des Rechtsmittelführers am Bestehen der gesetzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat.
6Vgl. nur Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 27. November 2009 - 8 B 1549/09.AK -, juris, Rn. 43 f. m. w. N.
7Ausgehend von diesen Erwägungen ist die fast achtseitige Vollziehungsanordnung, die sich im Rahmen der rechtlichen Würdigung aus Sicht der Behörde mit den Erfolgsaussichten der erhobenen Klagen auseinandersetzt und unter 8. („Vollzugsinteresse“) das (private) Interesse der Beigeladenen an der zeitnahen Verwirklichung des Vorhabens unter den Gesichtspunkten „hohe Gewinneinbußen“ und „Gefährdung von Arbeitsplätzen“ als überwiegend bewertet, ordnungsgemäß begründet worden.
8Darauf, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich (auch inhaltlich) rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
9Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2009 - 8 B 1549/09.AK -, a. a. O., Rn. 45 f. m. w. N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Januar 2017 - 28 L 3406/16 -, juris, Rn. 8 f. m. w. N.
10Denn das ist keine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung, sondern der vom Gericht nach den obigen Grundsätzen eigenständig vorzunehmenden Interessenabwägung.
11Bei dieser überwiegt das Interesse der Antragsteller, vom Vollzug der angefochtenen Genehmigung vorerst verschont zu bleiben, das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Umsetzung des Genehmigungsbescheides. Ein Erfolg der Antragsteller im Hauptsacheverfahren ist nämlich nach der im vorliegenden Verfahren – wie dargelegt – allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage überwiegend wahrscheinlich.
12Die von den Antragstellern gegen den Genehmigungsbescheid vom 22. Oktober 2018 erhobene Klage 3 K 5962/19 ist zulässig, insbesondere ist sie (nach Durchführung des nach § 110 Abs. 3 JustG NRW gebotenen Widerspruchsverfahrens) fristgerecht erhoben worden. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen haben die Antragsteller dort auch u. a. in Gestalt einer möglichen Verletzung des (auch sie als Eigentümer zweier im Plangebiet gelegenen Grundstücke begünstigenden) Gebietserhaltungsanspruchs ihre Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO (unter Vertiefung ihrer entsprechenden Argumentation im Widerspruchsverfahren) mehr als hinreichend dargelegt.
13Es spricht nach Aktenlage Überwiegendes dafür, dass die vorgenannte Klage der Antragsteller auch begründet ist, weil der angefochtene Genehmigungsbescheid – wie von ihnen im Hauptsacheverfahren innerhalb der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG gerügt – gegen den zu ihren Gunsten eingreifenden Anspruch auf Gebietserhaltung verstößt.
14Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Pflichten und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Das Gericht hat durchgreifende Bedenken, dass die der Beigeladenen seitens der Antragsgegnerin erteilte Genehmigung diesen Vorgaben gerecht wird, denn der Anlage stehen Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegen. Bei summarischer Prüfung spricht Alles dafür, dass die Anlage in dem durch den Bebauungsplan Nr. 000 der Stadt L. ausgewiesenen Gewerbegebiet nicht zulässig und deren durch die Antragsgegnerin in dem Genehmigungsbescheid vorgenommene Einstufung als atypisch bzw. „ausnahmsweise zulässig“ nicht haltbar ist.
15Das Betriebsgelände der Beigeladenen liegt im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans. In dessen Geltungsbereich ist gemäß § 30 Abs. ;1 BauGB ein Vorhaben zulässig, wenn es den Festsetzungen des Plans nicht widerspricht. In dem Bebauungsplan der Stadt L. sind Baugebiete nach § 1 Abs. 2 BauNVO festgesetzt. Dadurch sind gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO die Vorschriften der §§ 2 bis 14 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplans geworden, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt ist und damit dessen spezielle Festsetzungen gelten. Eine solche Festsetzung von Baugebieten hat kraft Bundesrechts nachbarschützende Funktion, die auf Bewahrung der festgesetzten Gebietsart gerichtet ist (Gebietserhaltungsanspruch).
16Vgl. aktuell Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. März 2019 - 4 C 5.18 -, juris, Rn. 22; ausführlich OVG NRW, Urteil vom 22. Mai 2014 - 8 A 1220/12 -, juris, Rn. 110 f. m. w. N.; Beschluss vom 27. November 2009 - 8 B 1549/09.AK -, a. a. O., Rn. 59 f. m. w. N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. November 2008 - 3 L 575/08 -, juris, Rn. 26 f. m. w. N.
17Das Gelände, auf dem sich die genehmigte Anlage befindet bzw. befinden soll, liegt in einem Plangebiet, das der Bebauungsplan, von dessen Wirksamkeit im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auszugehen ist,
18vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2009 - 8 B 1549/09.AK -, a. a. O., Rn. 69 ff. m. w. N.,
19unter Verwendung des für Gewerbegebiete geltenden Planzeichens GE als Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO ausweist. Gewerbegebiete dienen nach dieser Vorschrift vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Demgegenüber gilt die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG für die Errichtung und den Betrieb solcher Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen. Daraus folgt zwar, dass eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage in einem Gewerbegebiet regelmäßig ein erhebliches bauplanungsrechtlich bedeutsames Konfliktpotenzial in sich birgt. Nach § 15 Abs. 3 BauNVO ist die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten aber nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen. Dieser eindeutige Wortlaut der Norm schließt es aus, bereits den Umstand, dass eine Anlage einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf, als Zulassungshindernis anzusehen. Allerdings dürfen die Regelungen der 4. BImSchV über die Genehmigungsbedürftigkeit potenziell störender Betriebe bei ihrer bauplanungsrechtlichen Beurteilung auch nicht vernachlässigt werden; denn die Tatsachen, die dieser Wertung des Verordnungsgebers zu Grunde liegen, und diese Wertung selbst bilden durchaus Anhaltspunkte für die Beurteilung der Gebietsverträglichkeit. Dies bringt § 15 Abs. 3 BauNVO dadurch zum Ausdruck, dass er lediglich verbietet, allein die immissionsschutzrechtlichen Einordnungen heranzuziehen. Damit setzt er voraus, dass sie – neben anderen Gesichtspunkten – Grundlage für die bauplanungsrechtliche Beurteilung sein können.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2009 - 8 B 1549/09.AK -, a. a. O., Rn. 80 f. m. w. N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. November 2008 - 3 L 575/08 -, a. a. O., Rn. 28 f. m. w. N.
21Vorliegend ist insbesondere zu beachten, dass es nicht um eine kleinere immissionsschutzrechtlich genehmigte Anlage geht, sondern um ein aus drei Betriebseinheiten bestehendes Vorhaben, wobei allein die Durchsatzkapazität der Anlage zur sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen ausweislich Ziff. II. 4.1 des Genehmigungsbescheides 90.000 t beträgt, wovon wiederum – auch ausweislich des iMA-Gutachtens vom 29. Dezember 2017 (Tabelle 3-1 auf Seite 11 von 77) – allein 25.000 t auf die Brechanlage (Bauschutt) entfallen. Hinzu kommt eine Gesamtlagerkapazität der Anlage zur zeitweiligen Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen in Höhe von 5.289 t.
22Allein dieser Zuschnitt spricht für ein erhebliches Störpotenzial und gegen die Gebietsverträglichkeit der Anlage, auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass die Beigeladene und ihr folgend die Antragsgegnerin – u. a. auf der Basis des vorgenannten iMA-Gutachtens – insbesondere die Staubemissionen und -immissionen durch eine Reihe von Maßnahmen (vgl. vor allem die Nebenbestimmungen zum Immissionsschutz unter Ziff. III. 3. – Luft – Nrn. 7. ff. des Genehmigungsbescheides) zu begrenzen versuchen und damit der einschlägigen strengen Rechtsprechung (zu Bauschuttrecyclinganlagen),
23vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2009 - 8 B 1549/09.AK -, a. a. O., Rn. 86 f. m. w. N., u. a. VG Düsseldorf, Urteil vom 7. Mai 2002 - 3 K 6192/01 -, juris,
24Rechnung zu tragen.
25Ob dies tatsächlich – gerade im Hinblick auf Lärm, Erschütterungen und Luft – dergestalt gelungen ist, dass hinsichtlich der oben genannten Anlagenteile zur Behandlung und Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen von einer Atypik ausgegangen werden kann, die im Hinblick auf Art und hier insbesondere Betriebsweise von vorneherein keine Störungen befürchten lässt, sodass die Gebietsverträglichkeit dauerhaft und zuverlässig sichergestellt ist,
26vgl. nur VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. November 2008 - 3 L 575/08 -, a. a. O., Rn. 28 ;f. m. w. N.,
27erscheint dem Gericht allein angesichts des erheblichen Verkehrsaufkommens auch unter Berücksichtigung der von der Beigeladenen angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg
ass="absatzRechts">28vom 5. März 1996 - 10 S 2830/95 -, juris, (zu einer wegen ihrer Einhausung atypischen Sortieranlage für Baustellenmischstoffe),
29äußerst fraglich, bedarf jedoch angesichts der im Folgenden dargestellten Problematik keiner – sich auch mit den vorliegenden Gutachten im Einzelnen auseinandersetzenden – weiteren Vertiefung.
30Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise spricht nämlich Überwiegendes dafür, jedenfalls die Anlagenteile zur Lagerung und zum Umschlagen gefährlicher Abfälle nicht als gewerbegebietsverträglich, sondern als in ein Industriegebiet im Sinne des § 9 BauNVO gehörendes Vorhaben einzuordnen.
31Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Betrieb auch diesbezüglich (nur) einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG zugänglich ist, denn die entsprechende Einordnung vermag den Nachweis, dass der konkrete Betrieb in der oben beschriebenen Weise atypisch ist, nicht zu ersetzen.
32Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. November 2008 - 3 L 575/08 -, a. a. O., Rn. 30.
33Der offenbar gegenteiligen Auffassung des von der Beigeladenen angebrachten Beschlusses des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
34vom 23. August 2002 - 7 ME 57/02 -, juris, Rn. 22,
35folgt das beschließende Gericht ausdrücklich nicht, zumal auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen derartige Erwägungen in der bereits mehrfach genannten Entscheidung für die dortigen „Spalte 2-Betriebseinheiten“ nicht angestellt, sondern lediglich die starke Indizwirkung hinsichtlich des erheblichen Störpotenzials für die dortigen „Spalte 1-Betriebseinheiten“ betont hat.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2009 - 8 B 1549/09.AK -, a. a. O., Rn. 82 f. (Spalte 1) sowie 86 ff. (Bewertung einer nach Spalte 2 genehmigten Betriebseinheit).
37Für einen atypischen Zuschnitt, dass gerade das von (in der Anlage ausweislich der Liste der zugelassenen Abfälle in Anhang 2 zum Genehmigungsbescheid zugelassenen) asbesthaltigen Baustoffen (des Abfallschlüssels 17 06 05*) ausgehende erhebliche Störpotenzial in gewerbegebietsverträglicher Weise reduziert ist, geben weder der angegriffene Genehmigungsbescheid noch die sonstigen dem Gericht vorliegenden Unterlagen etwas her.
38Zwar lässt sich der Beschreibung des Genehmigungsgenstandes unter Ziff. II. 2 des Genehmigungsbescheides entnehmen, dass die Lagerung „gefährlicher Stoffe“ bzw. „gefährlicher Abfälle“ in der Betriebseinheit BE01 in geschlossenen Containern in der Halle erfolgen soll. Auch in dem schon oben genannten iMA-Gutachten vom 29. Dezember 2017 ist in der bereits angeführten Tabelle bezüglich gefährlicher Abfälle von „geschlossenen Gebinden“ (und einer Umschlagsmenge von 1.075 t/a) die Rede; anders als bei den anderen Materialien enthält der Text (auf den Seiten 11 f. von 77) hierzu jedoch keine weiteren Erläuterungen.
39Insgesamt ist festzustellen, dass der angegriffene Genehmigungsbescheid die Problematik der gefährlichen Abfälle deutlich weniger stark in den Blick nimmt und regelt als das übrige mit der Anlage einhergehende Konfliktpotenzial. Obwohl gegenüber dem ursprünglichen Konzept, das (beispielsweise ausweislich des Schreibens des Geschäftsführers der Beigeladenen von Juli 2017, vgl. Bl. 300 der Beiakte Heft 3 zur Gerichtsakte 3 K 4633/19) keine Annahme von asbesthaltigen Baustoffen, sondern nur deren Vorhandensein als Störstoffe vorsah, erhebliche Änderungen erfolgten, die u. a. zur „klarstellenden“ Ergänzung des Genehmigungsantrages um „eine Anlage nach Nr. 8.15.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV“ (vgl. Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen vom 9. März 2018, Bl. 1 der Beiakte Heft 3 zur Gerichtsakte 3 K 4633/19) und zu einer entsprechenden Bescheidung (vgl. hierzu auch Ziff. V. 2. des Genehmigungsbescheides) unter Aufnahme (auch) der drei – gemäߠ§ 3 Abs. 1 AVV gefährliche Abfälle bezeichnenden – Abfallschlüssel 17 02 04*, 17 06 03* und 17 06 05* führten, belässt es der Genehmigungsbescheid diesbezüglich bei wenigen Regelungen: Diese geben zwar die immissionsschutzrechtlichen Rahmenbedingungen insbesondere hinsichtlich der Kapazitäten (vgl. Ziff. II. 4.3 und 4.4 sowie Ziff. III. 4. 2. des Genehmigungsbescheides: u. a. Tagesumschlag bis zur Grenze der Nr. 8.15.1 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV) zutreffend wieder und legen der Beigeladenen eine dahingehende Dokumentation in einem Betriebstagebuch auf (vgl. Ziff. III. 4. 4. des Genehmigungsbescheides), enthalten sonst aber – anders als beispielsweise die sehr konkreten Nebenbestimmungen unter Ziff. III. 3. des Genehmigungsbescheides – keine spezifische Reglementierung zur Reduktion des von gefährlichen Abfällen und insbesondere von asbesthaltigen Baustoffen ausgehenden Stör- und Gefährdungspotenzials. Diese ist auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Antragsgegnerin einerseits ausdrücklich die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zum „Umschlag“ von gefährlichen Abfällen genehmigt, andererseits in der maßgeblichen Anlage 2 des Genehmigungsbescheides aber – insoweit nicht widerspruchsfrei – durch Verwendung des Kennbuchstabens L nur das Lagern von gefährlichen Abfällen der drei oben genannten Abfallschlüssel, nicht aber deren Umschlagen (Kennbuchstabe U) vorgesehen hat. Denn jedenfalls ist völlig unklar, ob und wie den Besonderheiten dieser Abfallarten – bei und nach deren Anlieferung in der Anlage der Beigeladenen – Rechnung getragen werden soll.
40Vermag angesichts dieser fehlenden Reglementierung bei summarischer Prüfung eine Atypik und damit eine Gewerbegebietsverträglichkeit der Anlagenteile zur Lagerung und zum Umschlagen gefährlicher Abfälle – insbesondere von asbesthaltigen Baustoffen – und damit der Anlage insgesamt nicht festgestellt zu werden, so folgt aus dem Bebauungsplan Nr. 000 der Stadt L. nichts Abweichendes: Zwar enthält dieser in Ziff. 1.1.6 eine nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO zulässige Gliederung der Nutzungen nach dem Abstandserlass 2007 (Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – V-3 - 8804.25.1 vom 6. Juni 2007),
41vgl. zur Zulässigkeit einer derartigen Festsetzung nur OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2009 - 8 B 1549/09.AK -, a. a. O., Rn. 100 f. (zum Abstandserlass 1990),
42wonach in dem hier interessierenden Gewerbegebiet (GE) 1 Betriebsarten der Abstandsklassen I – IV nicht zulässig sind, als Ausnahme (aber) unter bestimmten Voraussetzungen im Einzelfall Betriebsarten der Abstandsklasse IV zugelassen werden können; indes spricht ganz Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin, deren Bauverwaltung sich bereits früh und mehrfach gegen die Annahme einer Ausnahme ausgesprochen hatte (vgl. Stellungnahmen, Schreiben und E-Mails der Bauaufsicht und der Stadtplanung vom 7.60;August 2017, 30. November 2017, 1. Dezember 2017, 23. Januar 2018 und 30. Januar 2018, Bl. 152 f., 202, 205, 284 und 294 f. der Beiakte Heft 7 zur Gerichtsakte 3 K 4633/19), in der Begründung des Genehmigungsbescheides (vgl. dessen Ziff. V. 2.) das Vorhaben zu Unrecht als gebietsverträglich und innerhalb des Gewerbegebietes GE 1 als „ausnahmsweise zulässig“ angesehen hat. Dabei ist die vorgenommene Zuordnung zur Abstandsklasse IV nicht zu beanstanden, allerdings ist der Antragsgegnerin der in der Bebauungsplanbestimmung geforderte Einzelfallnachweis nicht gelungen, zumal die Beleuchtung der gefährlichen Abfälle in diesem Zusammenhang gänzlich unterbleibt. Anders als in dem Bescheid über die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 18. September 2019 (auf Seite 6 unten) angedeutet, kann dem nicht entgegengehalten werden, dass es nur auf den Teil der Anlage ankomme, der Nr. 73 des Abstandserlasses und damit der Abstandsklasse IV entspreche, weil die im Übrigen Abstandsklasse V unterfallende Anlage im Plangebiet ohnehin zulässig sei; dies verkürzt die in Ziff. 1.1.6 des Bebauungsplans, die ausweislich der Begründung (S. 15) den Schutz der „Wohngebiete G. und T. und der Kindertagesstätte an der B. Straße“ bezweckt, geforderte Einzelfallbetrachtung (mit ggf. gutachterlichem Nachweis) in unzulässiger Weise und geht überdies offenbar von der unzutreffenden Annahme aus, dass eine Zuordnung zur Abstandsklasse V die Prüfung der Gebietsverträglichkeit entbehrlich macht.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2009 - 8 B 1549/09.AK -, a. a. O., Rn. 104 f. (zum Verhältnis von allgemeiner Zweckbestimmung des Baugebietes und der planerischen Feinsteuerung).
44Vor diesem Hintergrund bedarf die Frage, was genau unter dem im Bebauungsplan mehrfach verwendeten Begriff des „klassischen“ Gewerbes (vgl. dessen Begründung, S. 9 ff.) zu verstehen ist und wie das Vorhaben zu dem dort formulierten Bebauungs- und Nutzungskonzept (vgl. dessen Begründung, S. 11: „Die kleinteilige, seit den 1970er Jahren entwickelte Struktur als Standort für produzierende Betriebe, Kfz-Gewerbe, Handwerksbetriebe und Dienstleistungsanbieter soll auch künftig als Zielrichtung des Gewerbegebietes bewahrt bleiben.“) passt, keiner Vertiefung.
45Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO.
46Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und orientiert sich an den Ziff. 19.2 i. V. m. 2.2.2 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hälftiger Betrag des im zugehörigen Hauptsacheverfahren vorläufig festgesetzten Streitwertes in Höhe von 15.000,00 Euro).
47Rechtsmittelbelehrung:
48(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
49Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.
50Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
51Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
52Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).
53Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
54(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
55Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
56Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
57Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro nicht übersteigt.
58Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
59War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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