Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 24 L 262/21.A
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Antragstellerin.
Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie – hilfsweise – die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage begehrt. Im Übrigen – d.h. bezüglich des Hauptantrags – wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
1
Gründe:
2Die Entscheidung erfolgt gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes (AsylG) durch die Einzelrichterin. Die Voraussetzungen für eine Übertragung auf die Kammer nach Satz 2 dieser Vorschrift liegen nicht vor.
3I. Der am 12. Februar 2021 gestellte Antrag,
4die aufschiebende Wirkung der Klage (24 K 849/21.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 28. Februar 2021 anzuordnen, hilfsweise festzustellen, dass die Klage aufschiebende Wirkung hat,
5hat keinen Erfolg. Der Hauptantrag ist zwar zulässig (1.), aber er ist unbegründet (2.). Der Hilfsantrag ist bereits unzulässig (3.).
61. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig, insbesondere statthaft. Gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 1. Var. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen.
7Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO kommt immer dann in Betracht, wenn das bereits erhobene oder noch zu erhebende Hauptsacheverfahren ein Anfechtungsverfahren ist. Denn der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO korrespondiert mit der Regelung des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach nur ein gegen einen belastenden Verwaltungsakt erhobener Anfechtungswiderspruch bzw. eine gegen ihn erhobene Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung entfalten. Weitere Voraussetzung für einen statthaften Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Var. 1 VwGO ist, dass die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3a VwGO kraft Gesetzes entfällt.
8Diese Voraussetzungen liegen vor.
9Statthafte Klageart gegen die Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig ist die isolierte Anfechtungsklage.
10Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 14. Dezember 2016 – 1 C 4.16 –, BVerwGE 157, 18–34, juris, Rn. 14; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein–Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 22. September 2016 – 13 A 2448/15.A –, juris, Rn. 18 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. Oktober 2017 – 12 K 91/17.A –, juris, Rn. 26, und Gerichtsbescheid vom 29. Dezember 2015 – 22 K 1472/15.A –, juris, Rn. 19 ff.; VG Minden, Urteil vom 10. Mai 2016 – 10 K 2248/14.A –, juris, Rn. 22 ff., 29; VG Ansbach, Urteil vom 15. Januar 2016 – AN 14 K 15.50126 –, juris, Rn. 19 f.; VG Berlin, Urteil vom 4. Juni 2015 – 23 K 906/14.A –, juris, Rn. 14.
11Darüber hinaus entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 75 Abs. 1 S. 1, 71a Abs. 4, 36 Abs. 1 AsylG. Gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 AsylG hat die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie der §§ 73, 73b und 73c aufschiebende Wirkung. Dies ist nicht der Fall. Insbesondere liegt kein Fall des § 38 Abs. 1 AsylG vor. Danach beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist in den sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, 30 Tage. Vorliegend beträgt die der Antragstellerin zu setzende Ausreisefirst aber gemäß § 36 Abs. 1 AsylG, der gemäß § 71a Abs. 4 AsylG entsprechende Anwendung findet, wenn ein weiteres Asylverfahren – wie hier – nicht durchgeführt wird, eine Woche.
12Vgl. auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Januar 2020 – 12 L 2792/19.A –, juris, Rn. 22.
13Soweit vertreten wird, die einwöchige Ausreisefrist nach § 36 Abs. 1 AsylG gilt nur in den Fällen der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 AsylG sowie im Falle der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet, wohingegen in sonstigen Fällen – wie der hier vorliegenden Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG – die zu setzende Ausreisefrist gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG 30 Tage beträgt,
14vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16. Juli 2020 – 10 ZB 20.31374 –, juris, Rn. 6,
15wird dem nicht gefolgt. Denn es handelt sich bei § 71a Abs. 4 AsylG – wie auch bei § 71 Abs. 4 AsylG – um einen Rechtsfolgenverweis.
16So auch Dickten, in: Kluth/Heusch BeckOK Ausländerrecht, 28. Edition, Stand: 01.01.2021, § 71a Rn. 11 unter Bezugnahme auf § 71 Rn. 32 ff. m.w.N.
172. Der Antrag ist aber unbegründet.
18Im Verfahren nach § 80 Absatz 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse der Antragsteller, den Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom Bundesgebiet aus führen zu können, das gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Abschiebungsandrohung überwiegt. Dabei sieht § 71a Absatz 4 i.V.m. § 36 Absatz 4 Satz 1 AsylG einschränkend vor, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 36 Absatz 4 Satz 1 AsylG liegen nur dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die angegriffene Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.
19Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 –, BVerfGE 94, 166-240, juris, Rn. 99.
20Nach diesem Maßstab bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Bescheid vom 28. Januar 2021 unter Ziffer 3 enthaltenen Abschiebungsandrohung. Das Bundesamt hat nach Aktenlage den Asylantrag der Antragstellerin zu Recht als unzulässig abgelehnt (a). Darüber hinaus besteht nach bisheriger Aktenlage auch kein Abschiebungsverbot (b).
21a) Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung ist § 29 Absatz 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Absatz 1 AsylG. Nach § 29 Absatz 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
22Diese Voraussetzungen für die Durchführung eines (weiteren) Asylverfahrens nach §71a Absatz 1 AsylG liegen nicht vor. Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist danach ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.
23aa) Die Antragstellerin hat einen Zweitantrag im Sinne von § 71a Absatz 1 AsylG gestellt. Danach liegt ein Zweitantrag vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Ein erfolgloser Abschluss des in einem anderen Mitgliedstaat betriebenen Asylverfahrens setzt voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist. Eine Einstellung ist nicht in diesem Sinne endgültig, wenn das (Erst-)Verfahren noch wiedereröffnet werden kann, was nach der Rechtslage des Staates zu beurteilen ist, in dem das Asylverfahren durchgeführt worden ist.
24Zu den Anforderungen an einen erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens ausführlich BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 1 C 4.16 –, juris, Rn. 29 ff.
25Grundsätzlich obliegt es dabei dem Bundesamt, den negativen Abschluss des Erstverfahrens im Rahmen der Amtsermittlungspflicht vollumfänglich zu belegen. Im Falle der Unaufklärbarkeit trägt das Bundesamt die materielle Beweislast.
26Vgl. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 1. April 2020 – 6 K 8296/19.A –, S. 4 des n.v. Entscheidungsabdrucks; VG Münster, Beschluss vom 10. April 2019 – 11 L 294/19.A –, juris, Rn. 22 m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 108. Aktualisierung Januar 2019, § 71a Rn. 34; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand. 1. November 2019, § 71a Rn. 2a.
27Welche Anforderungen im Einzelnen an die Nachforschungspflicht des Bundesamts zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
28Vgl. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 1. April 2020 – 6 K 8296/19.A –, S. 4 des n.v. Entscheidungsabdrucks; VG Münster, Beschluss vom 10. April 2019 – 11 L 294/19.A –, juris, Rn. 24 m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 108. Aktualisierung Januar 2019, § 71a Rn. 35; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand. 1. Januar 2021, § 71a Rn. 3.
29Gemessen an den oben genannten Maßstäben steht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung der dem Gericht im entscheidungserheblichen Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse nach bisheriger Aktenlage zur hinreichenden Überzeugung fest, dass es sich bei dem Asylantrag der Antragstellerin vom 7. April 2020 um einen Zweitantrag i.S.v. § 71a AsylG handelt, da sie bereits in Griechenland – einem EU-Mitgliedstaat, für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten – erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen hat. Neben dem Umstand, dass die Antragstellerin im Rahmen ihrer Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags vom 21. Juli 2020 selbst (mehrfach) angegeben hat, dass ihr Asylantrag in Griechenland abgelehnt worden ist, da ihre Asylgründe nicht zu den Voraussetzungen zählten, um Schutz zu erhalten (vgl. Bl. 144 der Beiakte), ergibt sich dies aus dem Schreiben der Hellenischen Republik vom 26. Oktober 2020 (vgl. Bl. 238 der Beiakte). Danach lehnten die griechischen Behörden den Asylantrag der Antragstellerin am 29. März 2018 ab.
30Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das (Erst-)Verfahren in Griechenland noch wiederaufgenommen werden kann. Zwar ist ihr dahingehend Recht zu geben, dass sie gegen die erstinstanzliche negative Entscheidung am 16. Mai 2018 ein Rechtsmittel – bei dem zweitinstanzlichen administrativen „Appeals Committee“ – eingelegt hatte. Auch folgt aus der Mitteilung der griechischen Behörden weiter, dass das Rechtsmittelverfahren am 9. Oktober 2019 eingestellt worden ist, nachdem sie nicht erschienen ist, um ihre Asylbewerberbescheinigung zu erneuern. In diesem Zusammenhang ist aber weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass ein Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens nach Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Asylverfahrensrichtlinie) noch möglich ist. Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass ein Antragsteller, der sich nach Einstellung der Antragsprüfung gemäß Absatz 1 wieder bei der zuständigen Behörde meldet, berechtigt ist, um Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht nach Maßgabe der Artikel 40 und 41 geprüft wird. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Ungeachtet der Frage, ob es sich mit Blick auf die Angaben der griechischen Behörden, wonach der Asylantrag der Antragstellerin bereits am 29. März 2018 abgelehnt worden ist und es sich „nur“ um ein eingestelltes Rechtsmittelverfahren handelt, überhaupt um eine – mit §§ 32, 33 AsylG vergleichbare – Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens des behördlichen Verfahrens i.S.v. Art. 28 Abs. 1 der Asylverfahrensrichtlinie handelt,
31zum Ablauf des Asylverfahrens in Griechenland vgl. Asylum Information Database (AIDA), Country Report: Greece, 2018 Update, S. 19 f. und S. 25 ff. (speziell zum Rechtsmittelverfahren nach einer ablehnenden erstinstanzlichen Entscheidung siehe S. 47 ff., abrufbar unter https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2019/03/report-download_aida_gr_2018update.pdf,
32können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Asylverfahrensrichtlinie eine Frist von mindestens neun Monaten vorschreiben, nach deren Ablauf das Verfahren nicht wieder eröffnet werden darf beziehungsweise der neue Antrag als Folgeantrag behandelt und nach Maßgabe der Artikel 40 und 41 geprüft werden kann. Da letzteres in Griechenland nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen der Fall ist,
33vgl. AIDA, Country Report: Greece, 2018 Update, S. 67 m.w.N., abrufbar unter https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2019/03/report-download_aida_gr_2018update.pdf,
34und das Verfahren am 9. Oktober 2019 eingestellt worden ist, könnte die Antragstellerin nur noch einen Folgeantrag in Griechenland stellen. Folglich heißt es in der Mitteilung der griechischen Behörden an das Bundesamt auch, dass der Fall als abgeschlossen gilt.
35Anlass zu einer abweichenden Beurteilung folgt – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass sich in dem Verwaltungsvorgang eine Ablichtung einer griechischen „International Protection Applicant Card“ findet (vgl. Bl. 171 f. der Beiakte), da ihre Gültigkeit – in Einklang mit den Angaben der griechischen Behörden – am 15. Mai 2019 endete. Eine aktuelle Bescheinigung über ihren Status als Asylbewerberin in Griechenland hat die Antragstellerin demgegenüber nicht vorgelegt. Vielmehr hat sie im Rahmen ihrer Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags beim Bundesamt vom 21. Juli 2020 selbst angegeben, dass sie eine ähnliche Aufenthaltsgestattung wie in Deutschland gehabt habe, sie aber nicht hingegangen ist, als der Ausweis verlängert werden sollte (vgl. Bl. 145 der Beiakte).
36bb) Die Antragsgegnerin, die danach für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, hat auch das Vorliegen der Voraussetzungen für das Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Absatz 1 bis 3 VwVfG zu Recht verneint. Nach § 51 Absatz 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (2.) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3).
37§ 51 Absatz 1 VwVfG fordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen. Demzufolge ist ein Sachvortrag ausreichend, der eine günstigere Entscheidung als möglich erscheinen lässt.
38Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2000 – 2 BvR 39/98 –, juris, Rn. 32 m.w.N.
39Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat im Rahmen ihrer Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags vom 21. Juli 2020 angegeben, dass sie beim Bundesamt die gleichen Gründe wie bei ihrer Anhörung in Griechenland vortragen werde, nur dass sie dazu ergänzen werde, was sie damals nicht habe vortragen könne, da sie damals depressiv gewesen sei. Dessen ungeachtet ist ihr Vortrag, sie habe Ghana verlassen, um zu ihrer in Deutschland lebenden Familie zu reisen, nicht ansatzweise geeignet, ihr zur Asylberechtigung oder zur Zuerkennung des internationalen zu verhelfen.
40b) Darüber hinaus bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass nationale Abschiebungsverbote gemäß § 60 Absatz 5 und Absatz 7 Satz 1 AufenthG einschlägig sein könnten.
41aa) Nach § 60 Absatz 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In den Blick zu nehmen sind alle Verbürgungen dieser Konvention, aus denen sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot ergeben kann. In Betracht kommt vorliegend insbesondere ein Verstoß gegen Artikel 3 EMRK. Nach dieser Norm darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) schließt Artikel 3 EMRK die Abschiebung einer Person in einen Staat aus, in dem ihr zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine solche Behandlung droht.
42Vgl. EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 – 14038/88 (Soering/Vereinigtes Königreich) –, NJW 1990, 2183, Rdn. 91, vom 28. Februar 2008 – 37201/06 (Saadi/Italien) –, NVwZ 2008, 1330, Rdn. 125 und 133, und vom 28. Juni 2011 – 8319/07 u.a. (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich) –, NVwZ 2012, 681, Rdn. 212 und 215.
43Damit eine Misshandlung von Artikel 3 EMRK erfasst wird, muss sie ein Mindestmaß an Schwere erreichen. Ob dieses Mindestmaß erreicht ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie in einigen Fällen auch vom Geschlecht, dem Alter und dem Gesundheitszustand der betroffenen Person.
44Vgl. EGMR, Urteile vom 28. Februar 2008 – 37201/06 (Saadi/ Italien) –, NVwZ 2008, 1330, Rdn. 134, und vom 28. Juni 2011– 8319/07 u.a. (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich) –, NVwZ 2012, 681, Rdn. 213.
45Um zu entscheiden, ob eine Verletzung des Artikels 3 EMRK droht, ist zu untersuchen, welche Konsequenzen eine Abschiebung der betroffenen Person in den betreffenden Staat voraussichtlich haben wird. Dabei sind sowohl die dortige allgemeine Lage als auch die persönlichen Umstände der betroffenen Person zu beachten.
46Vgl. EGMR, Urteile vom 28. Februar 2008 – 37201/06 (Saadi/Italien) –, NVwZ 2008, 1330, Rdn. 130, und vom 28. Juni 2011 – 8319/07 u.a. (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich) –, NVwZ 2012, 681, Rdn. 216.
47Ausgehend davon liegen keine hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragstellerin bei ihrer Rückkehr in ihr Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung droht. Denn sie hat ihr Heimatland nach eigenen Angaben "lediglich“ verlassen, um zu ihrer in Deutschland lebenden Familie zu fahren.
48bb) Hinreichende Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG werden weder vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich.
49Zur weiteren Begründung – auch hinsichtlich der Ziffern 3 und 4 des angegriffenen Bescheides – wird gemäß § 77 Absatz 2 AsylG auf die zutreffenden Gründe des Bescheides, denen das Gericht folgt, Bezug genommen.
503. Der Hilfsantrag ist bereits unzulässig, da die Klage – nach den vorstehenden Ausführungen – gerade keine aufschiebende Wirkung hat.
51II. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war demgegenüber stattzugeben. Prozesskostenhilfe ist zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinrei-chende Aussicht auf Erfolg bietet, der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint, § 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 der Zivilprozessordnung (ZPO). Ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe besteht hiernach nicht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist.
52Zu Letzterem Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 –, ju-ris, Rn. 26.
53Nach diesen Maßstäben war dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hier – allein – mit Blick auf den Hilfsantrag stattzugeben. Insoweit bietet die Rechtsverfolgung der bedürftigen Antragstellerin die erforderlichen Erfolgsaussichten, da – wie aufgezeigt – in der Rechtsprechung vertreten wird, dass die zu setzende Ausreisefrist in Fällen der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG 30 Tage beträgt, mit der Folge, dass der Klage nach § 75 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung zukäme, sodass analog § 80 Abs. 5 VwGO festzustellen wäre, dass die Klage aufschiebende Wirkung hat.
54Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylG.
55Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
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