Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 29 L 705/21
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage 29 K 2180/21 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. März 2021 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der am 1. April 2021 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage 29 K 2180/21 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. März 2021 anzuordnen,
4hat Erfolg.
5Der Antrag ist zunächst gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sachdienlich dahingehend auszulegen, dass sich die Antragstellerin nur gegen die in dem Bescheid enthaltene Feststellung, dass „nach den einschlägigen Bestimmungen der derzeit geltenden Coronaschutzverordnung […] der Betrieb ihres ‚L. ‘ unzulässig“ ist, wendet. Demgegenüber bezieht sich ihr Antrag nach verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragstellerin nicht auf die Aufforderung, ihren Geschäftsbetrieb „bis zum Ablauf des 28. März 2021 […] geschlossen zu halten“, weil diese lediglich eine logische Konsequenz der Feststellungsverfügung darstellt, mithin keinen eigenständigen Regelungsgehalt aufweist.
6Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig und begründet.
7Das erkennende Gericht ist gemäß § 45 VwGO sachlich zuständig, da sich die Antragstellerin auf eine Verletzung subjektiver Rechte beruft und nicht die abstrakt-generelle Kontrolle der maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 5. März 2021 in der ab dem 7. April 2021 gültigen Fassung begehrt, so dass eine einstweilige Anordnung im Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO, das gleichrangig neben § 80 Abs. 5 VwGO existiert, ausscheidet.
8Vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 10. April 2015 – 2 B 177/15.NE –, Rn. 22, juris; Schoch/Schneider, VwGO, 39. Ergänzungslieferung, Juli 2020, Rn. 141.
9Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen noch nicht bestandskräftigen Verwaltungsakt, der entweder kraft Gesetzes oder kraft behördlicher Anordnung sofort vollziehbar ist und der selbstständig anfechtbar ist, anordnen bzw. wiederherstellen.
10Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 80 Rn. 130.
11Diese Voraussetzungen liegen vor. Die von der Antragsgegnerin getroffene Feststellung, dass der Betrieb des Hochseilgartens der Antragstellerin nach den derzeit gültigen Bestimmungen der CoronaSchVO unzulässig ist, stellt einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) dar. Insoweit wird durch diesen (feststellenden) Verwaltungsakt die materielle Rechtslage für einen Einzelfall verbindlich und mit Außenwirkung geregelt.
12Vgl. zum feststellenden Verwaltungsakt Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 5. November 2009 – 4 C 3/09 –, NVwZ 2010, S. 133, S. 134.
13Die hiergegen im Hauptsacheverfahren gerichtete Anfechtungsklage entfaltet gemäß § 28 Abs. 3 in Verbindung mit § 16 Abs. 8 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) keine aufschiebende Wirkung.
14Der Antrag ist auch begründet. Das Gericht macht von der ihm durch § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO eingeräumten Befugnis, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen sofort vollziehbaren Verwaltungsakt anzuordnen, Gebrauch, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Betroffenen, von Vollziehungsmaßnahmen (vorerst) verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Durchsetzung der getroffenen Maßnahme überwiegt. Bei der Interessenabwägung spielt neben der gesetzgeberischen Grundentscheidung die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zu vollziehenden Verwaltungsakts eine wesentliche Rolle. Ergibt diese – im Rahmen des Eilrechtsschutzes allein mögliche und gebotene summarische – Prüfung, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann grundsätzlich kein öffentliches Interesse bestehen. Erweist sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt nach der gesetzgeberischen Wertung das behördliche Aussetzungsinteresse. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen, ist die Entscheidung auf der Grundlage einer umfassenden Folgenabwägung vorzunehmen.
15Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe fällt die Interessenabwägung vorliegend zugunsten der Antragstellerin aus. Die mit der Verfügung der Antragsgegnerin vom 23. März 2021 getroffene Feststellung, dass der Betrieb des Hochseilgartens nach den geltenden Regelungen der CoronaSchVO unzulässig ist, ist bei summarischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig.
16Die Kammer stellt für die Prüfung der Begründetheit auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ab, da es sich bei der angegriffenen Regelung um einen Dauerverwaltungsakt handelt. Insoweit wird der behördliche Subsumtionsvorgang durch die getroffene Feststellung für einen unbestimmten Zeitraum verbindlich festgeschrieben.
17Die Antragsgegnerin stützt die streitgegenständliche Maßnahme auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 CoronaSchVO. Hiernach ist der Betrieb von Freizeitparks, Indoor-Spielplätzen und ähnlichen Einrichtungen für Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen) untersagt. Diese Voraussetzungen liegen bei summarischer Prüfung nicht vor. Vielmehr handelt es sich bei dem von der Antragstellerin betriebenen Hochseilgarten um einen privilegierten Sportbetrieb auf einer Sportanlage unter freiem Himmel im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 CoronaSchVO.
18Im Einzelnen:
19§ 10 CoronaSchVO regelt nach seiner Überschrift „Freizeit- und Vergnügungsstätten“. Hierzu gehören unter anderem gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 CoronaSchVO die vorliegend hinsichtlich des von der Antragstellerin betriebenen Hochseilgartens allein in Betracht kommenden „ähnlichen Einrichtungen für Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen)“. Unter Freizeit ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der
20„Teil der menschlichen Lebenszeit [zu verstehen], der nicht durch die Erfüllung beruflicher oder berufsähnlicher Verpflichtungen und physiologische Grundbedürfnisse (Ernährung, Schlaf, Körperpflege) gebunden ist und dem Menschen zur freien Verfügung steht.“
21Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Auflage 2006, Stichwort: „Freizeit“.
22Freizeitaktivitäten sind demzufolge jegliche Tätigkeiten, die jeder Einzelne während seiner Freizeit betreiben kann.
23Der in § 9 Abs. 1 CoronaSchVO besonders geregelte „Freizeit- und Amateursport“ bildet einen Unterfall der Freizeitaktivitäten. Denn auch eine sportliche Betätigung in der Freizeit stellt offenkundig eine Freizeitaktivität dar. Der Verordnungsgeber selbst benennt als Regelungsgegenstand im Wortlaut von § 9 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO ausdrücklich den „Freizeitsport“ und stellt damit unmissverständlich klar, dass es sich bei dem in dieser Vorschrift geregelten Sport um eine Freizeitbeschäftigung handelt.
24Bestätigt wird diese Auslegung durch den allgemeinen Sprachgebrauch, demzufolge der Begriff des Sports
25„eine Sammelbezeichnung für die an spielerische Selbstentfaltung sowie am Leistungsstreben ausgerichteten vielgestaltigen Formen körperlicher Betätigung, die sowohl der geistigen und körperlichen Beweglichkeit als auch dem allgemeinen Wohlbefinden dienen soll“,
26Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Auflage 2006, Stichwort: „Sport“,
27ist. Einer jeden sportlichen Betätigung in der Freizeit wohnt nach alledem auch eine für eine Freizeitaktivität charakteristische Vergnügungskomponente inne.
28Sportanlagen im Sinne des § 9 Abs. 1 CoronaSchVO sind folglich besondere Einrichtungen für Freizeitaktivitäten im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 CoronaSchVO. Insoweit handelt es sich demnach bei § 9 Abs. 1 CoronaSchVO um die speziellere und damit vorrangig zu prüfende Regelung. Fällt eine Einrichtung in den Anwendungsbereich von § 9 Abs. 1 Satz 2 CoronaSchVO, ist ihr Betrieb unter Beachtung der dort normierten Einschränkungen erlaubt und kann insbesondere nicht deswegen gemäß § 10 Abs. 1 CoronaSchVO untersagt werden, weil die Anlage zur Freizeitgestaltung aufgesucht wird und Vergnügen bereitet.
29Andere Ansicht Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, Beschluss vom 8. April 2021 – 26 L 693/21 –, S. 3 des Beschlussumdrucks, nicht veröffentlicht.
30Vielmehr ist es gerade typisch für den Freizeit- und Amateursport, dass er auch der Freizeitgestaltung und dem allgemeinen Wohlbefinden dient.
31Das Klettern ist als Freizeit- und Amateursportbetrieb im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO zu qualifizieren. Bei dem von der Antragstellerin in einem Waldgebiet betriebenen Hochseilgarten handelt es sich daher um eine Sportanlage unter freiem Himmel gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 CoronaSchVO.
32Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen fällt unter den Begriff des Sports eine Aktivität, die (auch historisch geprägt) gemeinhin als Sport angesehen wird. Ist eine Aktivität als Disziplin bei den Olympischen Spielen anerkannt, so ist dies ein Indiz dafür, dass es sich um eine Sportart handelt.
33OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2021 – 13 B 1980/20 –, Rn. 3, juris.
34Diese Voraussetzungen liegen vor. Das Klettern ist in Deutschland eine mittlerweile anerkannte Sportart. Der Deutsche Alpenverein, Landesverband Nordrhein-Westfalen, führt hierzu aus:
35„Das Sportklettern ist eine noch recht junge Sportart, die sich in den 70er Jahren aus der Freikletterbewegung entwickelte, und zuerst im Breitensport ihre Verbreitung fand. Geklettert wurde zunächst an natürlichen Felsen, immer häufiger dann aber auch an künstlichen Kletteranlagen.
36Das Sportklettern als Wettkampfsport in Form von Landesmeisterschaften wird in Nordrhein-Westfalen seit 1996 betrieben.
37Mittlerweile existieren das Sportklettern als Breitensport und das leistungsorientierte Sportklettern nebeneinander im Landesverband und bedingen sich gegenseitig.“
38Deutscher Alpenverein, Sportklettern, abrufbar unter: https://www.alpenverein.nrw/Sportklettern.
39Der Deutsche Alpenverein, Landesverband Nordrhein-Westfalen, der überdies als Mitglied des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen anerkannt ist,
40Landessportbund Nordrhein-Westfalen, Bünde/Verbände, abrufbar unter: http://www.vereinssuche-nrw.de/BuendeVerbaende?PlzOrOrt=&InstitutionRestriction=8192&RadiusKm=0&Name=&SportartName=undefined,
41fördert ein bedarfsgerechtes Netz von künstlichen Kletteranlagen zur wohnortnahen Ausübung des Klettersports.
42Deutscher Alpenverein, Leitbild, abrufbar unter: https://www.alpenverein.nrw/Leitbild-des-DAV.
43Darüber hinaus hat das Internationale Olympische Komitee am 3. August 2016 beschlossen, dass das Sportklettern ins olympische Programm aufgenommen wird.
44Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen postulierten pauschalen Betrachtungsweise besteht für die Kammer kein Zweifel daran, dass das Klettern eine Sportart darstellt.
45Dabei verkennt die Kammer nicht, dass zwischen dem olympischen Sportklettern und dem Klettern in einem Hochseilgarten durchaus Unterschiede bestehen. Gleichwohl ist sie davon überzeugt, dass im Hochseilgarten der Antragstellerin die sportliche Betätigung im Mittelpunkt steht und die übrigen Gesichtspunkte der Freizeitgestaltung mit Spiel-, Spaß- und Abenteuerangeboten weitgehend verdrängt.
46Andere Ansicht VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. April 2021 – 26 L 693/21 –, S. 3 des Beschlussumdrucks, nicht veröffentlicht.
47Zwar ist nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen der Begriff des Freizeit- und Amateursports in § 9 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO nicht einschränkend infektionsschutzrechtlich so auszulegen, dass nur solche Aktivitäten erfasst werden, die mit körperlichen Anstrengungen in einem Ausmaß verbunden sind, dass sie zu einem erhöhten Aerosolausstoß führen.
48OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2021 – 13 B 1980/20 –, Rn. 3, juris.
49Dies bedeutet indessen nicht, dass Aktivitäten, die mit körperlichen Anstrengungen verbunden sind, nicht indizieren würden, dass eine sportliche Betätigung im Sinne von § 9 Abs. 1 CoronaSchVO vorliegt. So hatte auch der Verordnungsgeber ausweislich seiner Begründungserwägungen zu § 9 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO eine erhöhte Aerosolproduktion bei sportlicher Betätigung im Blick.
50Konsolidierte Begründung zur Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) vom 5. März 2021 in der zuletzt unter dem 22. März geänderten Fassung, abrufbar unter: https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/210327_begruendung_coronaschvo_konsolidierte_fassung_stand_23.03.2021.pdf.
51Bei Anwendung dieser Maßstäbe steht außer Zweifel, dass im Hochseilgarten der Antragstellerin Freizeitsport betrieben wird. Ihr zentrales Geschäftsmodell besteht darin, dass sich Klettergäste zwischen an Bäumen oder an Masten in unterschiedlichen Höhen befestigten Plattformen bewegen, indem sie angeseilt verschiedene Hindernisse überwinden. Wie auf der Webseite der Antragstellerin ersichtlich ist,
52abrufbar unter: https://xxxxxxxxxxx.net/,
53und in einem Video veranschaulicht wird,
54abrufbar unter: https://www.youtube.com/xxxxxxxxxxxxxxxxxxx,
55ist es das Ziel der jeweiligen Klettergäste, durch teilweise erhebliche Kraftanstrengungen, einen Parcours zu bewältigen. Dabei spielen auch Geschicklichkeit und die Koordination von Armen und Beinen und des gesamten Körpers eine wesentliche Rolle. Der Hochseilgarten der Antragstellerin bietet insgesamt 125 Kletterelemente wie Netzbrücken, Bohlen, Schaukeln, Surfbretter und Tarzansprünge – allesamt Hindernisse, die allein durch körperliche Anstrengungen überwunden werden können. Dass beim Klettern der sportliche Aspekt im Vordergrund steht, folgt auch daraus, dass jeder Gast eine gewisse körperliche Fitness aufweisen muss, um überhaupt in der Lage zu sein, einen der Hochseilparcours zu bewältigen. Hinzu kommt, dass die Klettergäste vor Betreten des Hochseilparcours eine Sicherheitseinweisung zum Umgang mit Karabinern und Stahlseilen erhalten, was (mit Ausnahme des Freikletterns) einen wesentlichen Aspekt des Sportkletterns darstellt. Sicherheitseinweisung und Überwachung der Regularien werden überdies bezeichnenderweise vornehmlich von Sportwissenschaftlern oder Sportlehrern durchgeführt.
56Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass zahlreiche Behörden mittlerweile Hochseilgärten als Sportstätten anerkannt haben. Nach dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sind gewerblich betriebene Einrichtungen unter freiem Himmel wie Hochseilgärten, Kletterparks und Kletterwälder als Sportstätten anzusehen, „da sie zumindest schwerpunktmäßig der Sportausübung offiziell anerkannter Sportarten gemäß Sportartenliste der Dachverbände dienen“.
57Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 12. März 2021, Anlagenkonvolut zur Antragsschrift.
58Das schleswig-holsteinische Ministerium für Inneres ordnet das Klettern dem „Bereich Sportausübung“ zu. Daher sei der Sport im Hochseilgarten unter den weiteren Hygienebedingungen der entsprechenden Verordnung zulässig.
59Vgl. E-Mail des Ministeriums für Inneres vom 2. März 2021, Anlagenkonvolut zur Antragsschrift.
60Nach alledem ist für die Kammer nicht erkennbar, welche Gesichtspunkte der Freizeitgestaltung diese sportliche Betätigung überlagern und sie insgesamt zu einer Freizeitaktivität im Sinne von § 10 Abs. 1 CoronaSchVO machen sollten. Vielmehr werden jedenfalls derzeit nahezu jegliche neben die Ausübung des Sports tretende Freizeitaspekte (z. B. Beköstigungen, Gruppenveranstaltungen wie Kindergeburtstage, Firmenfeiern, Junggesellenabschiede) durch die Notwendigkeit, die übrigen Vorschriften der CoronaSchVO einzuhalten, verdrängt. Übrig bleibt allein das Kerngeschäft der Antragstellerin, ihren Gästen das Klettern zu ermöglichen, das nahezu ausschließlich aus sportlichen Elementen besteht. Aus diesem Grund geht der Einwand der Antragsgegnerin ins Leere, die Antragstellerin betreibe einen Kiosk und bewerbe auf ihrer Webseite Gruppenaktivitäten. Dies gilt umso mehr, als die Webseite im Jahr 2019 und damit vor dem Ausbruch der Coronapandemie gestaltet worden ist, sie sich auf die aktuelle Situation also gar nicht bezieht.
61Auch die übrigen Einwände der Antragsgegnerin greifen nicht durch. Die Kammer hat bereits Zweifel daran, dass die Antragstellerin bei ihrer Gewerbeanmeldung den sportlichen Aspekt ihrer Tätigkeit nicht genannt haben soll, da die Antragstellerin ausdrücklich angegeben hat, dass sie einen „L1. “ zu betreiben beabsichtigt, in dem unter anderem „Teamtrainings“ stattfinden sollen. Diese Begriffe indizieren bereits, dass es in der Einrichtung der Antragstellerin zu sportlichen Aktivitäten kommt. Letztlich kann diese Frage jedoch offen bleiben, weil es für die rechtliche Einordnung des Betriebs der Antragstellerin nicht auf die Angaben in der Gewerbeanmeldung, sondern auf die tatsächlichen Gegebenheiten ankommt. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Antragsgegnerin den Betrieb der Antragstellerin in der Betriebekartei in der Kategorie „Vergnügungs- und Themenparks“ führt. Schließlich kann auch nicht auf die Überlegung zurückgegriffen werden, dass die Öffnung von Sportanlagen zwangsläufig zu weiteren Sozialkontakten führt, indem Menschen sich, um zu den entsprechenden Veranstaltungen oder Einrichtungen zu gelangen, in der Öffentlichkeit bewegen und dort etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln aufeinandertreffen. Dies folgt schon daraus, dass der Verordnungsgeber in § 9 Abs. 1 Satz 2 CoronaSchVO ausdrücklich die Öffnung von Sportanlagen unter freiem Himmel für zulässig erklärt hat. Er hat mithin das Risiko von weiteren Sozialkontakten, das durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und allgemein durch eine erhöhte Mobilität entsteht, bewusst in Kauf genommen. Hierzu heißt es in den Begründungserwägungen zu § 9 CoronaSchVO unmissverständlich, dass dem Sport „gerade in der bevorstehenden Frühjahrszeit […] eine erhebliche Bedeutung für die Gesundheit der Bevölkerung“ zukommt. Daher werde „der Ermöglichung des Sports im Freien auch auf Sportanlagen jetzt eine Priorität vor der Vermeidung der auch im Außenbereich dabei entstehenden Kontakte (in Zugangsbereichen, Parkplätzen, Einzelanlagen/-geräten) eingeräumt.“
62Konsolidierte Begründung zur Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) vom 5. März 2021 in der zuletzt unter dem 22. März geänderten Fassung, abrufbar unter: https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/210327_begruendung_coronaschvo_konsolidierte_fassung_stand_23.03.2021.pdf.
63Eine Schließung von Sportanlagen unter freiem Himmel kann deswegen nicht quasi „durch die Hintertür“ mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass es zu vermehrten Sozialkontakten im Außenbereich der Sportanlage kommt. Hinzu kommt, dass die Besucher des Hochseilgartens angesichts dessen Lage ganz überwiegend mit dem eigenen Auto und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen dürften.
64Der Betrieb einer Sportanlage unter freiem Himmel ist in Ausnahme von § 9 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO zulässig, sofern die übrigen Voraussetzungen von § 9 Abs. 1 Satz 2 bis 4 CoronaSchVO eingehalten werden. Letzteres ist ausweislich des von der Antragstellerin vorgelegten Hygienekonzepts der Fall. Die Antragstellerin darf ihren Betrieb demzufolge nach § 9 Abs. 1 Satz 2 CoronaSchVO öffnen. Der feststellende Verwaltungsakt der Antragsgegnerin, wonach der Betrieb des Hochseilgartens gemäß der derzeit geltenden CoronaSchVO unzulässig ist, ist damit rechtswidrig. Die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen Anfechtungsklage ist anzuordnen. Die Kammer weist ausdrücklich darauf hin, dass die Antragsgegnerin den Betrieb des Hochseilgartens durch die Antragstellerin nicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 CoronaSchVO untersagen darf, solange diese Vorschrift in der jetzigen Fassung Geltung beansprucht.
65Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
66Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Die Kammer sieht von einer Reduzierung des Streitwerts auf die Hälfte des in der Hauptsache maßgeblichen Streitwertes entsprechend Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit,
67NVwZ 2013, Beilage 2/2013, 57 ff.,
68ab, da der Antrag der Antragstellerin inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt.
69Rechtsmittelbelehrung:
70(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
71Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.
72Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
73Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
74Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
75Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
76(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
77Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
78Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
79Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
80Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
81War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 13 B 1980/20 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 67 1x
- § 9 Abs. 1 CoronaSchVO 4x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 1x
- 26 L 693/21 2x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO 5x (nicht zugeordnet)
- 4 C 3/09 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 10 CoronaSchVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 Satz 2 bis 4 CoronaSchVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 CoronaSchVO 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 47 1x
- 2 B 177/15 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 45 1x
- § 10 Abs. 1 CoronaSchVO 2x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 Satz 2 CoronaSchVO 5x (nicht zugeordnet)
- 29 K 2180/21 2x (nicht zugeordnet)