Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 2 L 1243/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf die Wertstufe bis 35.000,- Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der am 4. Juni 2021 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 3911/21 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27. Mai 2021 wiederherzustellen,
4hat keinen Erfolg.
5Er ist zulässig, aber unbegründet.
6I. Der vorgenannte Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaft. Der gegen die streitgegenständliche Zurruhesetzungsverfügung vom 27. Mai 2021 erhobenen Anfechtungsklage (2 K 3911/21) kommt wegen der zugleich erfolgten behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu.
7II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
81. Die zusammen mit der Zurruhesetzungsverfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ergangene Anordnung der sofortigen Vollziehung ist mit Blick auf die formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden. Das mit dieser Vorschrift normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts soll - neben der Information des Betroffenen bzw. der Betroffenen und des mit einem eventuellen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO befassten Gerichts - vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst zu werden. Gleichwohl dürfen die Anforderungen an den Inhalt einer solchen Begründung nicht überspannt werden. Diese muss allein einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich - in aller Regel - nicht nur auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf. Demgegenüber verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die Gründe, die für das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung angeführt werden, auch materiell überzeugen, also auch inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen.
9Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 20. August 2012 - 6 B 776/12 -, juris, Rn. 5, m.w.N.
10Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Aus ihr wird hinreichend deutlich, dass der Antragsgegner die Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung abgewogen hat und aus welchen Gründen er die Anordnung der sofortigen Vollziehung als notwendig erachtet. Er hat ausgeführt, das persönliche Interesse des Antragstellers trete hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung zurück, da die durch ihn besetzte haushaltsrechtliche Planstelle eines Polizeivollzugsbeamten ansonsten bis zum Ende eines möglichen Klageverfahrens besetzt wäre, ohne dass er polizeidienstfähig und allgemein dienstfähig sei und tatsächlich zur Dienstverrichtung zur Verfügung stünde. Eine Nachbesetzung seiner Planstelle könne erst nach seiner Versetzung in den Ruhestand erfolgen. Dem öffentlichen Interesse an einem effektiven und personell optimal ausgestatteten Polizeivollzugsdienst müsse eindeutig Vorrang vor seinem Interesse an der Durchführung des rechtlichen Überprüfungsverfahrens der festgestellten Polizei- und allgemeinen Dienstunfähigkeit unter aufschiebender Wirkung eingeräumt werden. Eine hinreichende Alimentation sei aufgrund der ihm in Vollziehung der Zurruhesetzung zu gewährenden Versorgungsbezüge gewährleistet. Diese Ausführungen zeigen, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst war. Sie gehen über die den Verwaltungsakt tragenden Gründe hinaus und erschöpfen sich auch nicht in einer bloßen Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Schließlich weisen sie auch noch hinreichend erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall des Antragstellers auf. Zum einen wird speziell auf das Interesse an einem effektiv und personell optimal ausgestatteten Polizeivollzugsdienst abgestellt. Zum anderen wird - das in der Verfügung dargestellte Krankheitsbild des Antragstellers und die pessimistische ärztliche Prognose zur Wiedererlangung der Dienstfähigkeit berücksichtigend - erkennbar in den Blick genommen, dass mit einer Genesung des Antragstellers während des laufenden Klageverfahrens nicht zu rechnen sei.
11Vgl. zu einem vergleichbaren Fall OVG NRW, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 6 B 1022/15 –, juris, Rn. 18; Beschluss der Kammer vom 13. August 2015 - 2 L 447/15 -, Seite 2 f. des amtlichen Entscheidungsabdrucks, n.v.
122. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Verwaltungsakt wiederherstellen, dessen sofortige Vollziehung die Behörde - wie hier der Antragsgegner hinsichtlich der vorzeitigen Zurruhesetzung - gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. Die Entscheidung des Gerichts hängt von einer Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit mit dem privaten Interesse an einem vorläufigen Aufschub der Vollziehung ab. Dabei ist maßgeblich auf die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage abzustellen. Der Antrag hat Erfolg, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da an der sofortigen Vollziehung einer solchen Maßnahme kein öffentliches Interesse bestehen kann, oder wenn das private Interesse an der aufschiebenden Wirkung aus anderen Gründen überwiegt. Ist der Verwaltungsakt indes offensichtlich rechtmäßig und besteht darüber hinaus ein besonderes Interesse an dessen sofortiger Vollziehung, fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.
13Ausgehend von diesen Grundsätzen bleibt dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers der Erfolg versagt. Die Interessenabwägung fällt nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einzig möglichen und gebotenen summarischen Prüfung zu seinen Lasten aus.
14Die streitgegenständliche, auf § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG gestützte, Zurruhesetzungsverfügung vom 27. Mai 2021 ist nach summarischer Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden.
15Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist (sog. vermutete Dienstunfähigkeit). Die gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG landesrechtlich zu bestimmende Frist beträgt gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW im Land Nordrhein-Westfalen sechs Monate. Von der Versetzung in den Ruhestand soll allerdings gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Näheres für den Fall der anderweitigen Verwendungsmöglichkeit ist in § 26 Abs. 2 BeamtStG geregelt. Ebenso soll gemäß § 27 Abs. 1 BeamtStG von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit).
16Gemessen an diesen Maßstäben, ist der Antragsgegner - nachdem mit bestandskräftigem Bescheid vom 14. Februar 2018 bereits die Polizeidienstunfähigkeit des Antragstellers festgestellt worden war - im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Zurruhesetzungsverfügung,
17vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 -, juris, Rn. 10, m.w.N; Beschluss vom 27. November 2008 - 2 B 32.08 -, juris, Rdn. 4; OVG NRW, Urteil vom 3. Februar 2015 - 6 A 371/12 -, juris, Rn. 79,
18zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller auch allgemein dienstunfähig i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist.
19Die Annahme der allgemeinen Dienstunfähigkeit des Antragstellers beruht auf den nachvollziehbaren Ausführungen in dem Gutachten des Polizeiärztlichen Dienstes des Polizeipräsidiums I. vom 25. März 2021. Darin nimmt der Polizeiarzt LRMD Dr. med. T. Bezug auf das von ihm im November 2017 erstellte polizeiamtsärztliche Gutachten und kommt zu dem Ergebnis, dass das Krankheitsbild des Antragstellers weiterhin durch einen fortgesetzten schädlichen Gebrauch von Alkohol (Alkoholmissbrauch) dominiert werde. Die bereits 2017 festgestellten zahlreichen Folgeschäden zeigten aktuell sämtlich eine Verschlechterung. So habe sich das klinische Erscheinungsbild mit schlechtem körperlichem Pflegezustand, vermehrten äthyltoxischen Hautzeichen und unsichererem Gangbild deutlich verschlechtert. Im Gegensatz zu 2017 gebe es nun deutliche Hinweise auf äthyltoxisch bedingte Hirnleistungseinbußen (unstrukturierter Rapport; unscharfes zeitliches Erinnerungsvermögen, Konzentrationsstörungen, Sprache teilweise mit syntaktischen und semantischen Fehlern; nutzt viele Füllwörter, Umschreibungen und Floskeln). Das Schädigungsbild der Leber im Ultraschall habe sich verschlechtert und zeige erste Anzeichen einer beginnenden Leberzirrhose. Die Labordiagnostik zeige - wie 2017 - eine deutliche Leberzellschädigung, jetzt aber zusätzlich eine nachweisbare Synthese- und Abbaustörung. Das Vorliegen eines Alkoholabhängigkeitssyndroms sei wahrscheinlich; jedenfalls aber hätten die alkoholbedingten Folgeerkrankungen bereits ein solches Ausmaß angenommen, dass diese auch durch Einhalten einer konsequenten Abstinenz allenfalls teilreversibel wären. Die Prognose bezüglich der Alkoholproblematik müsse aufgrund des langjährigen Verlaufs, der gescheiterten ambulanten Entwöhnungsbehandlung, der bereits erheblichen Organschäden, des nach wie vor nicht vorhandenen Problembewusstseins und des fehlenden Abstinenzwillens als ungünstig bewertet werden. In Anbetracht der beschriebenen alkoholbedingten Folgeerkrankungen und Leistungseinbußen sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller innerhalb von sechs Monaten nicht in der Lage sein werde, in einem Amt der inneren Verwaltung oder für ein den Einschränkungen entsprechendes funktionelles Amt, in der Regel als selbständiger Sachbearbeiter am Schreibtisch, eingesetzt werden zu können. Ihm fehle die erforderliche Stressstabilität, Lehrgangstauglichkeit sowie geistige und körperliche Belastbarkeit.
20Diesen schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Dies gilt zunächst, soweit er einwendet, dass nach seiner Auffassung bei der polizeiamtsärztlichen Untersuchung (abgesehen von einer nachvollziehbaren Aufgeregtheit) jedenfalls kein unstrukturierter Rapport, kein unscharfes zeitliches Erinnerungsvermögen, keinerlei Konzentrationsstörungen, keine sprachlichen Defizite, kein unsicheres Gangbild, kein schlechter körperlicher Pflegezustand oder äthyltoxisch bedingte Gehirn- und sonstige Leistungseinbußen bestanden hätten. Mangels näherer Substantiierung ist dieses, einzig auf der subjektiven Wahrnehmung des Antragstellers fußende, Bestreiten der polizeiamtsärztlich dokumentierten Erhebungen und ärztlich-fachlichen Einschätzung nicht geeignet, Zweifel an der Validität derselben zu säen. Nachvollziehbare objektivierte Hinweise, die seine eigene Wahrnehmung stützen - wie etwa die Vorlage privatärztlicher Unterlagen - bleibt der Antragsteller schuldig.
21Auch mit seinem Einwand, dass fehlerhafter Weise keine neueren Gesundheitsdaten, ärztliche Unterlagen oder sonstige Befunde für den Zeitraum nach der polizeiärztlichen Untersuchung seit 2017 hinzugezogen worden seien, dringt er nicht durch. Er zeigt bereits nicht auf, auf welche ärztlichen Unterlagen er sich konkret beruft. Erst Recht bleibt offen, inwieweit diese geeignet gewesen wären zu einer abweichenden ärztlichen Einschätzung zu gelangen. Soweit er überdies bemängelt, dass der begutachtende Polizeiamtsarzt „keine neue vollständige und reguläre polizeidienstärztliche Untersuchung“ durchgeführt, sondern nach einer kurzen Befragung „lediglich eine optische Untersuchung, eine Blutabnahme sowie eine kurze Ultraschalluntersuchung“ vorgenommen und sich ansonsten auf die Angaben aus dem Gutachten aus dem Jahr 2017 bezogen habe, geht sein Vortrag ebenfalls ins Leere. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn der beauftragte Polizeiamtsarzt sich für seine Einschätzungen und Schlussfolgerungen - mangels umfassender im Zurruhesetzungszeitpunkt durchgeführter Untersuchungen - auf zeitlich frühere Untersuchungsbefunde und sonstige (aktenkundige) Umstände, Feststellungen sowie medizinisch gesicherte Erfahrungswerte stützt.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Juni 2016 – 6 A 8/15 –, juris, Rn. 11.
23Für die polizeiamtsärztlich vorzunehmende Prüfung der Dienstfähigkeit und die anzustellende Prognose der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit erscheint es im Streitfalle vielmehr angezeigt, dass der Polizeiarzt LRMD Dr. med. T. die langjährige Entwicklung des Gesundheitszustandes des Antragstellers umfassend in den Blick genommen hat und dabei auf die Erhebungen in dem von ihm im Jahre 2017 erstellten Gutachten zurückgegriffen hat. Im Übrigen hat der Antragsteller auch nicht näher dargelegt, welche für die anzustellende ärztliche Einschätzung notwendigen Untersuchungen unterlassen worden sein sollen und inwieweit diese zu einem anderen Ergebnis hätten führen können.
24Der Einwand des Antragstellers, ihm werde in dem Gutachten unzutreffender Weise vorgehalten, dass er den Termin zur polizeiamtsärztlichen Untersuchung am 5. März 2021 unentschuldigt nicht wahrgenommen habe, ist ebenfalls nicht geeignet einen rechtserheblichen Fehler des Gutachtens aufzuzeigen. Dabei kann offenbleiben, ob der Antragsteller dem zunächst angesetzten Untersuchungstermin tatsächlich unentschuldigt ferngeblieben ist. Zum einen handelt es sich bei dem entsprechenden Absatz auf Seite 7 des Gutachtens ersichtlich lediglich um die Wiedergabe des seitens des Antragsgegners formulierten Gutachtenauftrags und nicht um eine eigene Bewertung des Gutachters. Zum anderen ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass der Polizeiamtsarzt aus diesem Umstand irgendwelche (ergebnistragenden) Schlüsse gezogen hätte.
25Die Befürchtung des Antragstellers, das Gutachten sei nicht ergebnisoffen erstellt worden, teilt die Kammer ebenfalls nicht. Weder aus dem Vortrag des Antragstellers noch aus den sonstigen der Kammer zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ergeben sich Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit des begutachtenden Polizeiamtsarztes. Soweit der Antragsteller dies aus dem auf Seite 8 des Gutachtens befindlichen Satz „Er […] räumt freimütig einen Konsum ein, der weit über einer von der WHO als noch gesundheitsverträglich eingestuften Dosis liegt.“ zu entnehmen glaubt, kann ihm nicht gefolgt werden. Wenn der Antragsteller eidesstattlich versichert, dass er bei der Untersuchung erklärt habe, täglich zwei bis drei Flaschen Bier zu trinken und nicht danach gefragt worden sei, ob es sich um 0,5 oder 0,33 Liter Flaschen gehandelt habe, zeigt er damit keine fehlerhaft oder gar voreingenommen - weil auf unzureichender Grundlage - gewonnene Einschätzung auf. Die Frage nach der Flaschengröße war in Anbetracht des eingeräumten täglichen Konsums für die vorgenommene Bewertung obsolet. Denn nach der Empfehlung der WHO sollten pro Tag nicht mehr als 20 Gramm purer Alkohol konsumiert werden, wobei zwei trinkfreie Tage einzuhalten sind.
26Vgl. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/67205/WHO_MSD_MSB_01.6a-eng.pdf?sequence=1&isAllowed=y.
27Eine Voreingenommenheit des Gutachters ergibt sich auch nicht etwa aus dem Umstand, dass dieser auf Seite 6, 2. Absatz des Gutachtens ausführt, dass die von dem Antragsteller am 23. September 2019 begonnene Therapie nach einer krankheitsbedingten Unterbrechung vom 2. Dezember 2019 in der Folgezeit nicht fortgesetzt und keine weiteren Therapienachweise erbracht wurden. Zum einen gibt der Polizeiamtsarzt auch hier lediglich den Text des Gutachtenauftrages wieder. Zum anderen handelt es sich aber auch um eine sachliche und unstreitig zutreffende Darstellung der tatsächlichen Geschehnisse.
28Gleiches gilt für die von dem Antragsteller aufgezeigten gutachterlichen Ausführungen auf Seite 8, wo es heißt, der Antragsteller habe die 2015 fachgutachterlich und 2017 polizeiamtsärztlich empfohlenen Therapiemaßnahmen nur sehr halbherzig und zeitverzögert auf behördlichen Druck umgesetzt. Auch diese Bewertung wird durch die im Verwaltungsvorgang dokumentierte Abfolge der Geschehnisse gestützt. Nach Aktenlage war bereits im Jahre 2015 seitens der ihn begutachtenden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. C. S. eine suchtspezifische Behandlung sowohl durch eine Suchtberatungsstelle als auch durch eine Selbsthilfegruppe und eine 6-monatige Alkoholabstinenzphase für erforderlich gehalten worden, damit der Antragsteller seine Eignung zum Führen von Dienstkraftfahrzeugen und Dienstwaffen wiedererlangen könne. In dem unter dem 10. November 2017 erstellten polizeiamtsärztlichen Gutachten wurde indes festgehalten, dass der Antragsteller keine dieser Maßnahmen umgesetzt habe. Zugleich wurde erneut betont, dass die fachgutachterlich empfohlenen Maßnahmen nach wie vor erforderlich seien, um dem Antragsteller die uneingeschränkte Dienstfähigkeit zusprechen zu können. Mit Schreiben vom 2. Februar 2018 wurde der Antragsteller seitens des Antragsgegners angewiesen, sich zwecks Besprechung möglicher Therapieansätze beim Polizeiärztlichen Dienst vorzustellen. Zugleich wurde er auf seine beamtenrechtlichen Pflichten und mögliche Konsequenzen einer schuldhaften Verletzung hingewiesen. Bei seiner Vorsprache beim Polizeiärztlichen Dienst am 28. Februar 2018 lehnte er sodann allerdings die Besprechung konkreter Maßnahmen ab und gab indes an, sich von seinem Hausarzt beraten lassen zu wollen und sodann erneut vorstellig zu werden. Mit Schreiben vom 12. März 2018 wies der Antragsgegner ihn daraufhin ergebnislos unter Hinweis auf seine beamtenrechtliche Mitwirkungspflicht an, spätestens bis zum 9. April 2018 mit einem Ergebnisbericht seines Hausarztes beim Polizeiärztlichen Dienst vorstellig zu werden. Auch der erneuten Aufforderung vom 23. April 2018 mit Frist bis zum 16. Mai 2018 kam der Antragsteller nicht nach. Erst nach der Einleitung eines Disziplinarverfahrens leistete der Antragsteller im April 2019 einer neuerlichen Aufforderung zur Vorsprache beim Polizeiärztlichen Dienst Folge und erklärte sich bereit, die erforderlichen Maßnahmen zur Einleitung einer ambulanten Reha-Maßnahme zu ergreifen. Diese offensichtlich zeitverzögerte Umsetzung der fachärztlich und polizeiamtsärztlich seit 2015 für notwendig erachteten Maßnahmen vermag der Antragsteller auch nicht damit zu entschuldigen, dass er seit 2017 bedingt durch eine schwere Herzoperation über langanhaltende Zeiträume arbeitsunfähig gewesen sei. Zum einen erklärt dies nicht seine Untätigkeit im Jahre 2016. Zum anderen war er nach Aktenlage in der Zeit vom 13. Februar 2018 bis zum 24. Juni 2018 mit Ausnahme von 2 Tagen (2. März 2018 und 17. Mai 2018) über einen Zeitraum von über drei Monaten dienstfähig und damit unzweifelhaft auch dazu in der Lage, sich um die Einleitung entsprechender therapeutischer Maßnahmen zu kümmern und den Aufforderungen des Antragsgegners nachzukommen. Sein weiterer Einwand, dass er die im September 2019 begonnene suchttherapeutische Maßnahme bei der Stadt C1. krankheitsbedingt und sodann aufgrund der Corona-Pandemie nicht habe fortsetzen können, lässt sich ebenfalls nicht mit der Aktenlage in Einklang bringen. Jedenfalls in der Zeit vom 2. bis zum 19. Januar 2020 und vom 8. bis zum 23. Februar 2020 war er nachweislich weder krankheitsbedingt noch aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie daran gehindert an der wöchentlichen Gruppentherapie teilzunehmen.
29Das nach alledem in nicht zu beanstandender Weise erstellte polizeiamtsärztliche Gutachten trägt in Anbetracht der erheblichen Leistungseinschränkungen und seiner fehlenden Therapie- und Abstinenzmotivation den von dem Antragsgegner gezogenen Schluss der allgemeinen Dienstunfähigkeit. Zudem bestanden auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine anderweitige Verwendung des Antragstellers gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BeamtStG oder die Übertragung einer geringerwertigen Tätigkeit gemäß § 26 Abs. 3 BeamtStG möglich gewesen wäre. Die Suchpflicht entfällt, wenn wie hier feststeht, dass der Beamte krankheitsbedingt voraussichtlich keinerlei Dienst mehr leisten kann oder erhebliche Fehlzeiten zu erwarten sind. Dies ist anzunehmen, wenn die Erkrankung des Beamten von solcher Art oder Schwere ist, dass dieser für sämtliche Dienstposten der betreffenden oder einer anderen Laufbahn, in die der Beamte wechseln könnte, ersichtlich gesundheitlich ungeeignet ist, er also keinerlei Restleistungsvermögen mehr besitzt oder erhebliche Fehlzeiten zu erwarten sind.
30Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014 - 2 B 97/13 -, Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 1 A 2111/13 -, Rdn. 12.
31So liegt der Fall nach summarischer Prüfung hier. Der Polizeiamtsarzt kam nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller in Anbetracht seiner erheblichen äthyltoxisch bedingten kognitiven Leistungseinbußen sowie seiner fehlenden Stressstabilität, Lehrgangstauglichkeit sowie geistiger und körperlicher Belastbarkeit auch für eine anderweitige Verwendung gesundheitlich dauerhaft ungeeignet ist. Aus dieser Einschätzung hat der Antragsgegner, auch angesichts der Vielzahl an Fehltagen in den vergangenen Jahren (seit 2018 insgesamt 644 Kalendertage), zutreffender Weise den Schluss gezogen, dass es dem Antragsteller schon an einem Mindestmaß an gesundheitlicher Belastbarkeit fehlt und damit an einer Chance auf eine hinreichend verlässliche Einsatzmöglichkeit auch in einem anderen Bereich. Dies gilt umso mehr, als die erhebliche Anzahl an Krankheitstagen aufgetreten ist, obwohl er bereits seit vielen Jahren auf einem Dienstposten eingesetzt war, der seinen bis dato festgestellten Einsatz- und Verwendungseinschränkungen Rechnung getragen hatte. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner vor diesem Hintergrund annahm, dass jede andere zulässige anderweitige Verwendung aussichtslos war und er von einer entsprechenden Suche von vornherein abgesehen hat. Eine Besserung seines Gesundheitszustandes ist in Anbetracht dessen, dass die Leistungseinbußen ihre Ursache in dem festgestellten schädlichen Gebrauch von Alkohol finden und bereits im Vergleich zur Untersuchung im Jahre 2017 eine deutliche Verschlechterung erfahren haben, in Ermangelung einer Therapiemotivation nicht zu erwarten.
32Auch eine begrenzte Dienstfähigkeit i.S.v. § 27 BeamtStG kam - wie in dem polizeiamtsärztlichen Gutachten folgerichtig auf Seite 10 festgestellt - in Anbetracht des fehlenden Restleistungsvermögens nicht in Betracht.
33Schließlich fällt auch die Interessenabwägung im engeren Sinne zu Lasten des Antragstellers aus. Das Interesse des Dienstherrn, die vom Antragsteller besetzte Planstelle alsbald mit einem geeigneten Beamten zu besetzen, wiegt schwerer, als das Interesse des Antragstellers, den rechtskräftigen Ausgang des Hauptsacheverfahrens ohne Statusveränderung abwarten zu können. Sowohl die vom Antragsgegner angesprochenen haushaltsrechtlichen Gründe als auch der betonte Aspekt eines effektiv und personell optimal ausgestatteten Polizeivollzugsdienstes lassen keine Zweifel im Sinne einer unverhältnismäßigen Gewichtung der gegenläufigen Interessen aufkommen. Hinzu tritt, dass der Antragsteller für die Zeit des Klageverfahrens keinen unzumutbaren Belastungen ausgesetzt ist.
34Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation OVG NRW, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 6 B 1022/15 –, juris, Rn. 18.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
36Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 6 S. 1 Nr. 1, S. 2 und 3 GKG.
37Rechtsmittelbelehrung:
38(1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
39Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.
40Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) eingeht.
41Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
42Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sind durch einen Prozessbevollmächtigten einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
43Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
44(2) Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
45Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
46Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
47Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
48Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
49War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 6 B 776/12 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 2111/13 1x (nicht zugeordnet)
- BeamtStG § 26 Dienstunfähigkeit 7x
- 6 B 1022/15 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 80 8x
- VwGO § 67 1x
- 6 A 8/15 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 6 S. 1 Nr. 1, S. 2 und 3 GKG 4x (nicht zugeordnet)
- 2 K 3911/21 2x (nicht zugeordnet)
- BeamtStG § 27 Begrenzte Dienstfähigkeit 2x
- 2 L 447/15 1x (nicht zugeordnet)
- LBG § 33 1x
- 2 B 97/13 1x (nicht zugeordnet)
- 6 A 371/12 1x (nicht zugeordnet)