Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - 6 K 3900/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 8.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.
Der Antragsteller begehrt bei sachdienlicher Auslegung die Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts Konstanz vom 08.12.2020 (zugestellt am 10.12.2020). Darin wurde ihm nach vorheriger Anhörung die Fahrerlaubnis der Klassen A, B, CE entzogen (Ziff. 1) und er aufgefordert, den Führerschein unverzüglich bei der Behörde abzuliefern (Ziff. 2). Der Sofortvollzug dieser beiden Regelungen wurde angeordnet (Ziff. 3) und ferner für den Fall, dass der Führerschein nicht innerhalb einer Woche nach Zustellung der Verfügung abgeliefert wird, dessen Wegnahme durch einen Vollzugsbeamten angedroht (Ziff. 4). Für die Entscheidung wurde schließlich eine Gebühr von 150,-- EUR zzgl. 4,11 EUR Auslagen festgesetzt (Ziff. 5).
Die aufschiebende Wirkung des hiergegen rechtzeitig am 11.12.2020 erhobenen Widerspruchs ist aufgrund Einzelfallanordnung gegenüber den beiden Grundverfügungen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) sowie kraft Gesetzes hinsichtlich des angedrohten Zwangsmittels (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 12 LVwG) entfallen. Die am 15.12.2020 erfolgte freiwillige Abgabe des Führerscheins hat nicht zur Erledigung der Ablieferungsverpflichtung und Zwangsmittelandrohung geführt, da sie erkennbar unter dem Vorbehalt des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens steht und i.S.v. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO bzw. § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO rückgängig gemacht werden kann.
Der Widerspruch erstreckt sich zwar kraft Gesetzes auch auf die Gebühren- und Auslagenentscheidung (vgl. § 24 Satz 2 LGebG), welche gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO vollziehbar ist. Mangels inhaltlichen Vortrags hierzu sowie insbesondere wegen des nach Aktenlage bislang nicht ersichtlichen Aussetzungsantrags bzw. einer drohenden Vollstreckung i.S.v. § 80 Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO ist indessen gemäß § 88 VwGO nicht davon auszugehen, dass sich der vorläufige Rechtsschutzantrag auch gegen die Kostenanforderung richten soll.
II.
Der Antrag ist unbegründet.
1.) Das öffentliche Vollzugsinteresse, welches hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 der Verfügung in - wie auch vom Antragsteller nicht bestritten - formell einwandfreier Weise begründet worden ist (§ 80 Abs. 3 VwGO), überwiegt aktuell das Suspensivinteresse des Antragstellers, von Vollzugsfolgen verschont zu bleiben.
a.) Die Fahrerlaubnisentziehung ist bei derzeitiger Erkenntnismöglichkeit voraussichtlich rechtmäßig. Rechtsgrundlage dieser Maßnahme ist § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Der Schluss auf die Ungeeignetheit des Antragstellers ergibt sich hier aus § 11 Abs. 8 Satz 1 und 2 FeV. Bringt danach der Fahrerlaubnisinhaber ein von der Fahrerlaubnisbehörde gefordertes Gutachten nicht bzw. nicht fristgerecht bei, darf diese bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser darauf bei der Gutachtensanforderung hingewiesen worden ist. Bei grundloser Gutachtensverweigerung ist die Vermutung berechtigt, der Fahrerlaubnisinhaber wolle einen ihm bekannten Eignungsmangel verbergen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.2013 - 10 S 2246/12 - juris Rn. 5). Das Landratsamt hat den Antragsteller mit Schreiben vom 24.09.2020 (nebst als Anlage beigefügter Übersicht möglicher Begutachtungsstellen, vgl. VAS. 562-565) aufgefordert, ein medizinisch-psychologisches Gutachten bis zum 24.11.2020 vorzulegen. Hierbei hat die Behörde, wie in § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV gefordert, auf die Rechtsfolgen bei einer verweigerten bzw. nicht fristgerechten Beibringung hingewiesen. Diese Frist zur Vorlage verstrich, ohne dass der Antragsteller ein Gutachten vorgelegt hat.
Der Schluss auf die Nichteignung ist aller Voraussicht nach zulässig, da die Anforderung des Gutachtens bezogen auf den für sie maßgeblichen Zeitpunkt (26.09.2020 [Zustellung der Anforderung]) sehr wahrscheinlich formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig gewesen ist (zu dieser Prüfung vgl. BVerwG, Urteil vom 09.06.2005 - 3 C 21.04 - juris Rn. 22). In formeller Hinsicht erfüllt sie, wogegen auch vom Antragsteller nichts eingewendet wird, die strengen Voraussetzungen des § 11 Abs. 6 Sätze 1 und 2 FeV (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 05.02.2015 - 3 B 16.14 - juris Rn. 8 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2016 - 10 S 77/15 - juris Rn. 41 ff.). Materiell findet sie ihre Rechtsgrundlage, wie vom Landratsamt zutreffend ausgeführt, in § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV (i.V.m. § 46 Abs. 3 FeV). Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist danach anzuordnen, wenn zu klären ist, ob der Betroffene noch abhängig ist oder - ohne abhängig zu sein - weiterhin Betäubungsmittel einnimmt. Dem Wortlaut nach reicht für die Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV, dass nachweislich in der Vergangenheit ein Konsum harter Drogen entweder aufgrund einer Abhängigkeit oder ohne solche Abhängigkeit erfolgt ist. Allerdings kann nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens herangezogen werden. Ohne dass jenseits gesetzlicher Verwertungsbestimmungen zum Fahreignungs- und Bundeszentralregister schematisch feste Zeiten bestimmt werden können, muss der erfolgte Betäubungsmittelmissbrauch nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten noch geeignet sein, die Kraftfahreignung in Zweifel zu ziehen bzw. einen konkreten Gefahrenverdacht zu begründen. Es muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Betroffene noch Drogen einnimmt oder jedenfalls rückfallgefährdet ist und sich dies auf sein Verhalten im Straßenverkehr auswirken kann (BVerwG, Urteil vom 09.06.2005 - 3 C 25.04 - juris Rn. 20 ff.).
Diese Voraussetzungen lagen beim Antragsteller im Zeitpunkt der Gutachtenanforderung sehr wahrscheinlich vor. Ausweislich seiner Angaben in der medizinisch-psychologischen Begutachtung durch das ... vom Juli 2011 (welche aufgrund positiver Eignungsprognose zur Wiedererteilung der im Jahr 2007 entzogenen Fahrerlaubnis geführt hatte) hat er eine erhebliche Drogenvorgeschichte, die ihn über den Konsum von zunächst Cannabis (mit 14 Jahren) zu den harten Drogen Ecstasy und Kokain (mit 15/16 Jahren) und schließlich ab 2001 (mit 17 Jahren) zu Heroin sowie in die mehrjährige Drogenabhängigkeit führte. Noch im April/Mai 2009 injizierte er - zugleich einen Rückfall im Rahmen eines Subutex-Substitutionsprogramms erleidend - Heroin, bevor er sich schließlich von Juni 2009 bis März 2010 in stationäre Behandlung einer Fachklinik für Drogenkrankheiten begab (vgl. ...-Gutachten, Seiten 8 und 12/13 [= VAS. 399 und 403/404]). Art und Ausmaß des sich im Frühjahr 2018 bereits über 10 Jahre erstreckenden Konsums harter, mit hohem körperlichen und/oder psychischen Abhängigkeitspotenzial versehener Drogen besitzen ein erhebliches Gewicht für den konkreten Gefahrenverdacht. Der Konsum von Kokain im März 2018 (bei gleichzeitiger Teilnahme am Straßenverkehr) stellte aller Voraussicht nach vor dem gesamten Hintergrund kein isoliertes Ereignis, sondern vielmehr ein gewichtiges Indiz für einen Rückfall dar. Dass zwischen März 2018 und September 2020 keine weiteren Drogenvorkommnisse bekannt geworden sind, ist unerheblich, da dies keinen Rückschluss auf eine zuverlässige künftige Abstinenz und einen stabilen Einstellungswandel zulässt. Ohne die Ungeeignetheit in Zweifel zu ziehen, kann eine relative Gewöhnung, d.h. Giftfestigkeit, den Rauschgiftkonsumenten „befähigen“, in Grenzen routinierter Handlungsabläufe die Steuerung eines Kraftfahrzeugs auch im berauschten Zustand vorzunehmen; eine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG ist damit indessen nicht dargetan (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.10.2018 - OVG 1 S 101.18 - juris Rn. 4). Dies wird hier auch dadurch belegt, dass sich der Antragsteller - offensichtlich selbst eine nachhaltige Rückfallgefahr gewärtigend - seit April 2018 in ambulanten Gesprächen bei der ... Drogenberatung befindet und sich (erst) im April 2020 nach weiterer psychologischer Beratung durch die ... AG zur Teilnahme an einem Abstinenz-Kontrollprogramm entschlossen hat.
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Die mit 2 Monaten angesetzte Frist zur Vorlage des Gutachtens (bis zum 24.11.2020) ist aller Voraussicht nach nicht zu kurz bemessen worden. Sie entspricht der üblichen Behördenpraxis und ist regelmäßig ausreichend. Eine, wie vom Antragsteller gefordert, erweiterte Fristsetzung, welche das Ende des Abstinenz-Kontrollprogramms (21.04.2021) und die anschließend erforderliche Zeit bis zur Erstellung eines Gutachtens einbezieht, war nicht geboten. Die Gutachtensanordnung gehört als Gefahrerforschungseingriff zu den Gefahrenabwehrmaßnahmen, die von der Fahrerlaubnisbehörde zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten bzw. mangelnder Eignung verdächtigen Fahrerlaubnisinhabern zu ergreifen sind. Dieser Schutzauftrag ist im Hinblick auf die gegenwärtige potentielle Gefährdung der Verkehrssicherheit durch einen möglicherweise ungeeigneten Kraftfahrer mit der gebotenen Beschleunigung zu erfüllen und duldet keinen Aufschub bis zu einem entfernten Zeitpunkt in der Zukunft, zu dem ein solcher Fahrer die Fahreignung möglicherweise wiedererlangt haben mag. Die Gefahrenabwehraufgabe im Entziehungsverfahren unterscheidet sich insoweit deutlich von der Konstellation eines Wiedererteilungsverfahrens, da es im erstgenannten Fall um die alsbaldige Unterbindung der Verkehrsteilnahme ungeeigneter, aber noch im Besitz der Fahrerlaubnis befindlicher Kraftfahrer geht, während im Falle des Wiedererteilungsantrags die Gefahrerforschung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit hinausgeschoben werden kann, weil der betreffende Antragsteller in der Zwischenzeit nicht über eine Fahrberechtigung verfügt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.01.2012 - 10 S 3175/11 - juris Rn. 15 ff.).
11 
Die Maßnahme des Landratsamts ist voraussichtlich auch sonst nicht unverhältnismäßig gewesen. Gegenüber einer bei Konsum harter Drogen grundsätzlich gemäß § 11 Abs. 7 FeV vorrangigen (und zunächst auch beabsichtigten - vgl. Anhörungsschreiben vom 17.08.2020, VAS. 550) Fahrerlaubnisentziehung stellte sie das mildere Mittel dar. Der vom Antragsteller eingewandte Umstand, die kontaktierten Gutachterstellen hätten ihm ihre Beauftragung als nutzlos ausgeredet, weil er ohne den Nachweis einer einjährigen Abstinenz kein positives Gutachten erhalten könne, machten die Anforderung gleichwohl nicht etwa von vornherein ungeeignet. Insoweit hat das Landratsamt im Bescheid vom 08.12.2020 und in der Antragserwiderung nachvollziehbar ausgeführt, selbst die Vorlage eines möglicherweise nur wegen des unvollständigen zwölfmonatigen Abstinenzzeitraums negativen Gutachtens hätte Tatsachen aufzeigen können, die eine Belassung der Fahrerlaubnis unter Auflagen ermöglicht hätten (zu einem Fall bedingter Eignung trotz negativen Gutachtens vgl. etwa VG Freiburg, Beschluss vom 19.06.2008 - 1 K 1008/08 - juris - vgl. dort unter Rn. 8 auch Ausführungen und Nachweise zur eigenständigen Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde bzw. des Verwaltungsgerichts, bei der das Gutachten „nur“ sachverständige Hilfestellung zu geben hat).
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Ein im summarischen Verfahren hinreichend verlässlicher Schluss, der Antragsteller werde im Zeitpunkt des noch ausstehenden Widerspruchsbescheids die einjährige Abstinenzphase erfolgreich absolviert haben (aktuell sind von den 6 vereinbarten Urinscreenings drei mit bezogen auf Drogen unauffälligem Ergebnis erfolgt [am 12.05., 27.07. und 06.10.2020]), und es werde dann ferner ein ihm eine positive Prognose stellendes medizinisch-psychologisches Gutachten vorliegen, ist derzeit nicht möglich.
13 
Eine mögliche Wiedererlangung der Fahreignung ist allerdings im Verfahren der Entziehung der Fahrerlaubnis zu prüfen und für die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung von Bedeutung; es obliegt aber dem Betroffenen, den materiellen Nachweis für die Wiedererlangung der Fahreignung zu erbringen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.04.2014 - 10 S 404/14 - juris Rn. 14). Unter welchen Voraussetzungen von der Wiedererlangung der Fahreignung im Falle eines vorangegangenen Konsums von Betäubungsmitteln im Sinne von Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV auszugehen ist, bestimmt sich nach Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV. Danach ist von einer Eignung bzw. einer bedingten Eignung nach Entgiftung und Entwöhnung auszugehen nach einjähriger Abstinenz. Bei der einjährigen Abstinenz handelt es sich dabei nur um einen Richtwert, der regelmäßig einzuhalten ist, um den Schluss zu rechtfertigen, dass der Drogenverzicht auf einem tatsächlichen Einstellungswandel des Betroffenen beruht und nicht lediglich im Hinblick auf das anhängige Entziehungsverfahren erfolgt und damit nur taktisch bedingt ist. Eine (zusätzliche bzw. vorausgegangene) Entgiftung und Entwöhnung ist gegebenenfalls nur dann notwendig, wenn eine Abhängigkeit oder ein regelmäßiger Konsum bestanden hat (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.09.2003 - 10 S 1917/02 – juris Rn. 32). Der Einstellungswandel muss dabei motivational gefestigt sein und auch nachgewiesen werden. Zum Nachweis ist allerdings eine einjährige Abstinenz für sich alleine nicht ausreichend, sondern es bedarf ferner des Eintritts einer hinreichend stabilen Verhaltensänderung, um für die Folgezeit eine günstige Prognose treffen zu können. Dieser Nachweis kann grundsätzlich nur auf der Grundlage einer medizinisch-psychologischen Begutachtung erbracht werden (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.05.2004 - 10 S 2796/03 - juris Rn. 32; OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 5; offenlassend hingegen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.04.2014, a.a.O., Rn. 14). Im Fall des Antragstellers gilt dies deshalb, weil er im März 2018 offensichtlich wieder drogenrückfällig geworden war und damit die im ...-Gutachten vom Juli 2011 (vgl. dort Seite 22 [VAS. 413]) gestellte Prognose nicht mehr berechtigt ist, es sei nicht zu erwarten, dass er ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln führen werde. Die unter dem 23.11.2020 erstellte Ergebnismitteilung der ... AG zur von seinem Arbeitgeber in Auftrag gegebenen psychologischen Entwicklungsuntersuchung (GAS. 33-37), wonach der Antragsteller aktuell für einen Einsatz als Triebfahrzeugführer aus psychologischer Sicht geeignet sei, kann das in § 11 Abs. 3 FeV spezifisch einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vorbehaltene und gemäß Anlage 4a zur FeV zu gestaltende Gutachtenverfahren nicht ersetzen.
14 
c.) Die Fahrerlaubnisentziehung kann auch nicht ausnahmsweise als unverhältnismäßig angesehen werden. Der Wegfall der Fahrerlaubnis kann die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers nachhaltig beeinflussen. Ihre Entziehung kann insbesondere dazu führen, dass die Ausübung des Berufs eingeschränkt oder ganz aufgegeben werden muss. Diese absehbaren Folgen einer Fahrerlaubnisentziehung muss der Betroffene jedoch hinnehmen, wenn - wie hier - hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr aufgrund charakterlich-sittlicher Mängel eine Gefahr für dessen Sicherheit resultiert. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben gebieten es, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.2002 - 1 BvR 2062/96 - juris Rnrn. 49-54).
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Daraus ergibt sich aber zugleich, dass auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Liegen erhebliche, derzeit nicht ausgeräumte Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr vor, besteht ein dringendes öffentliches Interesse an der sofortigen Unterbindung seiner weiteren Teilnahme am Straßenverkehr. Die für den Antragsteller mit dieser Entscheidung verbundenen Nachteile in Bezug auf seine berufliche und private Lebensführung müssen von ihm im Hinblick auf den hohen Rang der gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer und das entsprechende öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit hingenommen werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller nach seinem eigenen Vortrag bis zur Fahrerlaubnisentziehung beanstandungsfrei am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat. Denn die von einem ungeeigneten Kraftfahrer ausgehende Gefahr für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer kann sich jederzeit aktualisieren (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.04.2014, a.a.O., Rn. 15).
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2.) Das Gebot der sofortigen Ablieferung des Führerscheins findet seine Rechtsgrundlage in § 47 Abs. 1 FeV. Auch insoweit ist die Anordnung des Sofortvollzugs weder formell noch materiell zu beanstanden. Es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, dass der Antragsteller sofort den Führerschein abgibt, um nicht den Anschein erwecken zu können, weiterhin im Besitz der Fahrerlaubnis zu sein. Auch an der Rechtmäßigkeit der weiteren Entscheidung in Gestalt der Androhung eines Zwangsmittels bestehen schließlich keine ernstlichen Zweifel, so dass es beim bereits kraft Gesetzes bestehenden Sofortvollzug verbleiben kann.
III.
17 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 46.1, 46.3 und 46.4 des Streitwertkatalogs 2013. Der danach im Hauptsacheverfahren maßgebliche Streitwert von 17.500,-- EUR ist für das vorläufige Rechtschutzverfahren halbiert worden.

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