Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
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| | Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am 20.07.2021 erhobenen Klage der Antragstellerin - A 10 K 2223/21 - gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 02.07.2021 ist fristgerecht innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt worden. Der Bescheid wurde laut Aktenvermerk vom 14.07.2021 am selben Tag als Einschreiben zur Post gegeben und gilt nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post - also am 17.07.2021 als zugestellt. Der Bescheid ist nach den Angaben der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin dieser indes bereits am 16.07.2021 zugegangen. Auch in diesem Falle ist die einwöchige Rechtsbehelfsfrist mit der Klageerhebung und Antragstellung am 20.07.2021 gewahrt. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig (vgl. §§ 36 Abs. 3, 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Insbesondere ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz geboten, da die Klage der Antragstellerin gegen die Abschiebungsandrohung nicht schon kraft Unionsrechts aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.12.2018 - 11 S 2125/18 -, juris Rn. 19). |
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| | Der Antrag ist auch begründet. |
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| | Hat das Bundesamt - wie im vorliegenden Fall - die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt, so darf das Gericht die Aussetzung der Abschiebung nur anordnen, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamts bestehen (Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Prüfung muss die Frage sein, ob das Bundesamt die Anträge zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn - komplexe - Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung die Möglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens übersteigen. |
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| | Mit diesen Anforderungen werden auch die unionsrechtlichen Vorgaben zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes und zu dem Grundsatz der Nichtzurückweisung in Verbindung mit Art. 47 GRCh hinreichend berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs folgt daraus, dass dem Rechtsbehelf gegen eine Rückkehrentscheidung - hier in Gestalt der Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG - aufschiebende Wirkung zukommen muss, soweit diese Entscheidung den Drittstaatsangehörigen der tatsächlichen Gefahr einer Behandlung aussetzen würde, die Art. 18 GRCh i. V. m. Art. 33 GK oder Art. 19 Abs. 2 GRCh verletzt. Die Mitgliedstaaten haben daher zu gewährleisten, dass der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz seine volle Wirksamkeit entfaltet, indem während der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs und, falls er - wie hier - eingelegt wird, bis zur Entscheidung über ihn alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung auszusetzen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2018 - C-181/16 - [Gnandi], juris Rn. 61; Urteil vom 26.09.2018 - C-175/17 - [X gegen Belastingdienst/Toeslagen], juris Rn. 33; Beschluss vom 05.07.2018 - C-269/18 - [PPU], juris Rn. 50 ff.). Das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bietet grundsätzlich wirksamen Rechtsschutz in diesem Sinne. Geboten ist jedoch eine inhaltlich hinreichend vertiefte Prüfung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.12.2018 - 11 S 2125/18 -, juris Rn. 15). |
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| | Vorliegend hat das Bundesamt der Antragstellerin eine Ausreisefrist von einer Woche nach Bekanntgabe des angefochtenen Bescheids gesetzt und für den Fall der fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage den Lauf der Ausreisefrist bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt. Damit beginnt der Lauf der Wochenfrist mit dem unanfechtbaren Abschluss des vorliegenden Antragsverfahrens. Diese Regelung ist mit dem Unionsrecht vereinbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2020 - 1 C 19.19 -, juris Rn. 36 f.). Damit sind aller Voraussicht nach auch sonst die Wirkungen der Abschiebungsandrohung ex tunc ausgesetzt, so dass der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrages auf internationalen Schutz seine volle Wirksamkeit entfaltet (vgl. dazu eingehend BVerwG, Urteil vom 20.02.2020 - 1 C 19.19 -, juris; in diesem Sinne etwa auch VG Freiburg, Beschluss vom 03.08.2020 - 2 K 1819/20 - und VG Hannover, Beschluss vom 18.18.2020 - 1 B 3782/20 -, juris Rn. 18; VG Bremen, Beschluss vom 22.04.2020 - 7 V 591/20 -, juris Rn. 25 m.w.N.; a.A. VG Aachen, Beschluss vom 12.05.2020 - 7 V 2810/20 -, juris Rn. 48 f. und VG Potsdam, Beschluss vom 04.09.2020 - 12 L 215/20.A -, juris, die von einer Unwirksamkeit der Änderung ausgehen). |
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| | Unter Berücksichtigung der o. g. Maßstäbe liegen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der der Ablehnung des Asylantrags der Antragstellerin als offensichtlich unbegründet vor. |
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| | 1. Nach § 30 Abs. 1 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.09.2007 - 2 BvR 1613/07 -, juris Rn. 17; BVerfG, Beschluss vom 25.04.2018 - 2 BvR 2435/17 -, juris Rn. 20). Angesichts der einschneidenden Rechtsfolgen kann eine solche Evidenzentscheidung nur dann getroffen werden, wenn das Asylbegehren sowie der Antrag auf internationalen Schutz eindeutig aussichtlos ist und die Aussichtslosigkeit auf der Hand liegt (vgl. dazu BeckOK AuslR/Heusch, 30. Edition, Stand: 01.07.2021, AsylG § 30 Rn. 14, 15). Ein solcher Fall liegt hier vor. |
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| | 2. Die Antragstellerin hat in der schriftlichen Begründung ihres Antrags gegenüber dem Bundesamt durch ihre Prozessbevollmächtigte vortragen lassen, ihre drohe aufgrund ihres Gesundheitszustandes nach mehreren Hirninfarkten, beginnender Demenz und Pflegebedürftigkeit entsprechend des Pflegegrades 4 nach § 15 Abs. 3 Satz 4 Nr. 4 SGB XI („schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten“) im Falle einer Rückführung nach Israel dort eine erhebliche konkrete Bedrohung für Leib und Leben. Sie sei inkontinent, bettlägrig und bedürfe einer 24-stündigen Betreuung. Diese werde überwiegend von ihrem in Deutschland lebenden Sohn und dessen Ehefrau bewerkstelligt. Sie habe in Israel keine Familienangehörigen und verfüge auch nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel, sich dort die notwendige Pflege und medizinische Versorgung verschaffen zu können. |
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| | Dieses Vorbringen rechtfertigt offensichtlich weder die Zuerkennung internationalen Schutzes noch die Anerkennung der Asylberechtigung. Das Bundesamt hat dies zutreffend im angefochtenen Bescheid ausgeführt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG analog). |
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| | Die Antragstellerin hat auch kein - zielstaatsbezogenes - Abschiebungsverbot in Bezug auf Israel glaubhaft gemacht. |
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| | 1. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK im Hinblick auf Israel liegen voraussichtlich nicht vor. |
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| | a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger, nicht staatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, beruhen, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will. Aber auch dann, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil es an einem verantwortlichen Akteur fehlt, können schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet dennoch als Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren sein, wenn ganz außerordentliche individuelle Umstände hinzutreten. Es sind also im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtigungsfähig, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen, sondern auch „nichtstaatliche“ Gefahren auf Grund prekärer Lebensbedingungen, wobei dies aber nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht kommt. Bei entsprechenden Rahmenbedingungen können schlechte humanitäre Verhältnisse eine Gefahrenlage begründen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führt. Hierbei sind indes eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und nicht zuletzt die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen usw. Danach muss für die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG eine ausreichende reale, auf eine hinreichende Tatsachengrundlage gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung bestehen; dies entspricht dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 105 ff. m. w. N.). |
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| | b) Für Israel dürfte es bereits an der Voraussetzung der prekären Lebensbedingungen fehlen. Israel ist ein wirtschaftlich prosperierendes Land mit einem funktionierenden Sozial- und Gesundheitssystem (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Israel, Stand: Juli 2013, S. 18 f. m.w.N.). Auch für die Minderheit der russischstämmigen Juden liegen prekäre Lebensbedingungen nicht vor. Russischsprachige Juden sind die größte Minderheit. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung betrug im Jahr 2013 14 Prozent. Neben hebräisch wird in vielen Landesteilen und Städten auch russisch gesprochen. Die russischstämmige jüdische Bevölkerung ist wirtschaftlich und sozial gut integriert (vgl. zum Ganzen Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Israel, Stand: Juli 2013, S. 15 m.w.N.). |
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| | 2. Im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand und die Möglichkeit, sich in Israel entsprechend medizinisch behandeln und pflegen zu lassen, liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG voraussichtlich ebenfalls nicht vor. |
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| | a) Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind solche Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe, welcher der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (§ 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG). Es muss sich daher um eine bestehende individuelle Gefahr handeln (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 60 AufenthG Rn. 98). Das Vorliegen einer solchen ist im Wege einer Gefahrenprognose zu ermitteln. |
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| | b) Es ist zwar nach dem Vorbringen der Antragstellerin, der eidesstattlichen Versicherung ihres Sohnes vom 07.09.2021, des ärztlichen Attests vom 14.09.2021 sowie des Pflegegutachtens nach dem SGB XI des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 02.03.2020 nicht ausgeschlossen, dass die am 16.03.1960 geborene Antragstellerin nach drei Hirninfarkten in ganz erheblichem Maße gesundheitlich beeinträchtigt ist und umfassender Pflege bedarf. Nach den unwidersprochenen Angaben des Sohnes der Antragstellerin, der diese gemeinsam mit seiner Frau pflegt, leidet sie unter Demenz und ganz gravierenden körperlichen Gebrechen. Der fortschreitende geistige Verfall soll demnach mit Bedrohungen der Angehörigen einhergehen, die sie häufig nicht erkennt. Ausweislich des Pflegegutachtens des Medizinischen Dienstes ist das Kurzzeitgedächtnis erheblich betroffen. Räumlich soll sich die Antragstellerin nur in der Wohnung des Sohnes, in der sie lebt, zurechtfinden. Das Zeitgefühl sei erheblich beeinträchtigt, sie verwechsele Wochentage und das Jahr. Ferner soll die Antragstellerin inkontinent, bettlägrig und in nur sehr begrenztem Maße mobil sein. Insbesondere der rechte Arm und die rechte Hand sind nach den Feststellungen des Medizinischen Dienstes nur sehr eingeschränkt einsetzbar und die feinmotorischen Fähigkeiten erheblich eingeschränkt. |
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| | Ferner ist die erforderliche medizinische und pflegerische Versorgung der Antragstellerin im Falle einer Rückkehr nach Israel dort voraussichtlich ausreichend gewährleistet. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Zunächst ist auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts zu verweisen (S. 5 f. des angefochtenen Bescheids, § 77 Abs. 2 AsylG analog), die sich das Gericht zu eigen macht. Ergänzend ist anzumerken, dass Israel nach den vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln über ein medizinisches Versorgungsniveau auf europäischem Standard verfügt. Das Gesetz über die nationale Gesundheitsversicherung bietet einen standardisierten Korb medizinischer Dienste, darunter auch Krankenhausaufenthalt für alle Einwohner Israels an. Alle medizinischen Dienste werden von den vier Gesundheitsorganisationen des Landes zur Verfügung gestellt. Es müssen alle Patienten ungeachtet des Alters oder Gesundheitsstatus behandelt werden. Der israelischen Bevölkerung steht ein umfassendes medizinisches Netzwerk, Krankenhäuser, ambulanten Kliniken und Zentren für präventive Medizin und Rehabilitation zur Verfügung (vgl. Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Israel, Stand: Juli 2013, S. 18 f. m.w.N.). Ferner gilt in Israel ein umfassendes Sozialsystem, das ein breites Angebot an nationalem und kommunalem Service, darunter auch die Pflege von Alten, beinhaltet. Die einkommensunterstützende Politik Israels wird vom National Insurance Institute durchgeführt und bietet Unterstützung von Familien und Personen, die in festgelegtes Einkommen unterschreiten (Österreichisches Bundesasylamt, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Israel, Stand: Juli 2013, S. 18 m.w.N.). |
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| | Es ist nicht ersichtlich, dass sich an diesen Umständen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung etwas geändert hat. |
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| | 3. Die Befürchtung der Antragstellerin, im Falle einer Abschiebung ohne den Beistand ihres erwachsenen Sohnes und ihrer Schwiegertochter werde sich ihr Gesundheits- und Geisteszustand binnen kürzester Zeit rapide drastisch verschlechtern und sie drohe sich das Leben zu nehmen, betrifft inlandsbezogene Abschiebungshindernisse. Diese könnten allenfalls der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung entgegenstehen (vgl. hierzu ausführlich IV.). |
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| | Es bestehen indes ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der unter Ziffer 5 des Bescheids vom 02.07.2021 verfügten Abschiebungsandrohung. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 5 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie - RFRL) ist derzeit innerhalb der erst- und zweitinstanzlichen Rechtsprechung ungeklärt, inwiefern inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die auf den in Art. 5 RFRL benannten Belangen beruhen, bereits vom Bundesamt vor dem Erlassen einer Abschiebungsandrohung und damit auch von den in Bezug hierauf angerufenen Verwaltungsgerichten zu prüfen sind. |
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| | 1. Nach Art. 5 RFRL berücksichtigen die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung dieser Richtlinie in gebührender Weise das Wohl des Kindes (Buchstabe a), die familiären Bindungen (Buchstabe b) und den Gesundheitszustand der betreffenden Drittstaatsangehörigen (Buchstabe c). |
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| | 2. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 14.01.2021 - C-441/19 - entschieden, dass Art. 6 Abs. 1 RFRL i.V.m. Art. 5 Buchst. a RFRL und mit Art. 24 Abs. 2 GRCh dahin auszulegen ist, dass der betreffende Mitgliedstaat vor Erlass einer Rückkehrentscheidung gegenüber einem unbegleiteten Minderjährigen eine umfassende und eingehende Beurteilung der Situation des Minderjährigen vornehmen und dabei das Wohl des Kindes gebührend berücksichtigen muss. Mit Urteil vom 11.03.2021 - C 112/20 - hat er ferner entscheiden, dass Art. 5 RFRL i.V.m. Art. 24 GRCh dahin auszulegen sei, dass die Mitgliedstaaten vor Erlass einer mit einem Einreiseverbot verbundenen Rückkehrentscheidung das Wohl des Kindes und familiäre Bindungen gebührend zu berücksichtigen haben, selbst wenn es sich beim Adressaten der Entscheidung nicht um einen Minderjährigen, sondern um dessen Vater handelt. |
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| | a) Hieraus wird in der erstinstanzlichen Rechtsprechung und der Literatur zum Teil gefolgert, alle in Art. 5 RFRL genannten Belange seien bereits vor Erlass der Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung (vgl. hierzu BVerwG Urteil vom 21.08.2018 - 1 C 21.17 -, BVerwGE 162, 382, Rn. 18 und Urteil vom 20.02.2020 - 1 C 19.19 -, BVerwGE 167, 383, Rn. 23) zu berücksichtigen und könnten daher auch bei der Prüfung des § 34 Abs. 1 AsylG dem Erlass einer Abschiebungsandrohung entgegenstehen (VG Sigmaringen, Urteil vom 07.06.2021 - A 4 K 3124/19 -, juris; VG Karlsruhe, Beschluss vom 02.07.2021 - A 19 K 2100/21 -, juris Rn. 29 f. und Urteil vom 12.07.2021 - A 19 K 9993/17 -, juris; Anm. Roß, NVwZ 2021, 553, 554; Anm. Pfersich, ZAR 2021, 125, 127 f.). In der Folge hätten sowohl die Antragsgegnerin vor Erlass der Abschiebungsandrohung als auch die hiergegen angerufenen Verwaltungsgerichte inländische Abschiebungsverbote zu prüfen, soweit diese in den in Art. 5 RFRL aufgeführten Belangen begründet lägen. |
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| | b) Dementgegen sieht das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen keinen Anlass dazu, etwas an der Aufgabenteilung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Antragsgegnerin einerseits und der Ausländerbehörden andererseits im Hinblick auf die Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten bzw. inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse zu ändern. Namentlich erfülle das nationale deutsche Recht die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufgestellte Grundbedingung für eine Verknüpfung einer Rückkehrentscheidung mit der Ablehnung des Schutzantrags, dass es dem Betroffenen möglich sein müsse, sich auf jede nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetretene Änderung der Umstände zu berufen, die in Anbetracht der Rückführungsrichtlinie und insbesondere ihres Art. 5 erheblichen Einfluss auf die Beurteilung ihrer Situation haben könne (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.2021 - 19 A 810/16.A -, juris Rn. 96). Dem stehe auch nicht entgegen, dass diese Umstände nach nationalem Verständnis lediglich inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu begründen geeignet seien, welche der Betroffene grundsätzlich in einem gesonderten Verfahren gegen die für den Vollzug der Abschiebung zuständige Ausländerbehörde geltend machen müsse. Diese Aufteilung der Rechtsschutzmöglichkeiten sei durch den dem nationalen Gesetzgeber verbliebenen Spielraum zur Ausgestaltung der Rechtsschutzverfahren gedeckt und insbesondere auch mit Art. 6 Abs. 4 RFRL vereinbar, der bei einer Aufenthaltsberechtigung aus humanitären Gründen die Aussetzung der Rückkehrentscheidung zulasse und weder zwingend den Verzicht auf diese noch deren Rücknahme verlange (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.2021 - 19 A 810/16.A -, juris Rn. 98 unter Verweis auf Dörig, DAR 2021, 66, 71). |
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| | Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe ist ebenfalls der Auffassung, dass das Wohl eines Kindes oder auch von familiären Bindungen (vgl. Art. 5 Buchstabe b RFRL) unter anderem dadurch „gebührend“ berücksichtigt werde, dass von vornherein aufgrund der gesetzgeberischen Systematik feststehe, dass eine Abschiebungsandrohung nicht vollstreckt werde, solange inlandsbezogene Abschiebungshindernisse bestünden. Das deutsche Rechtssystem lasse daher als solches keine Verletzung der Rechte, wie sie etwa in Art. 7 und 24 GRCh oder Art. 8 EMRK niedergelegt seien, zu erwarten (Urteil vom 19.04.2021 - A 4 K 6798/19 -, juris Rn. 37; vgl. ferner VG Potsdam, Beschluss vom 29.09.2021 - 6 L 411/21.A -, juris Rn. 30 ff. |
|
| | 3. Soweit es um die Pflegebedürftigkeit der Antragstellerin und ihre familiäre Bindung an ihren erwachsenen Sohn als Beistandsgemeinschaft aufgrund ihres Gesundheits- und Geisteszustands geht, ist insbesondere die bislang nicht abschließend geklärte Frage betroffen, inwiefern dies in Bezug auf volljährige Familienangehörige wegen der Verpflichtung aus Art. 5 Buchstabe b RFRL bereits vom Bundesamt vor dem Erlass einer Abschiebungsandrohung zu prüfen ist. |
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| | Der Vortrag der Antragstellerin könnte grundsätzlich Anhaltspunkte für ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis in Gestalt der Reiseunfähigkeit im engeren oder weiteren Sinnen und der Beistandsgemeinschaft zwischen volljährigen Familienmitgliedern (Art. 8 EMRK) bieten. Allerdings ist die nach § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG erforderliche qualifizierte ärztliche Bescheinigung noch nicht vorgelegt worden. Daher geht das Gericht zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung lediglich davon aus, dass aufgrund der hinreichend glaubhaft gemachten Pflegebedürftigkeit der Antragstellerin und ihrer geistigen Verfassung zwischen ihr und ihrem volljährigen Sohn eine von Art. 8 EMRK geschützte familiäre Beistandsgemeinschaft besteht. Diese dürfte aufgrund der Gebrechen und des Geisteszustandes der Antragstellerin der Hilfsbedürftigkeit eines minderjährigen Kindes annähernd entsprechen. Nicht entscheidungserheblich ist daher, ob und unter welchen Voraussetzungen auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die auf dem Gesundheitszustand des Betroffenen (Art. 5 Buchstabe c RFRL) beruhen, von der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs betroffen sind. |
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| | Hiervon ausgehend ist die oben dargelegte und bislang in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärte Frage entscheidungserheblich, ob diese familiären Bindungen (Art. 5 Buchstabe b RFRL), auch in Bezug auf betroffene volljährige Familienangehörige, nach der oben dargelegten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits vor Erlass der Abschiebungsandrohung hätte geprüft werden müssen und vom entscheidenden Gericht im hiergegen gerichteten vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu prüfen ist. Die Beantwortung dieser komplexen und kontroversen Rechtsfrage übersteigt die Möglichkeiten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes. Insoweit ist beim Bundesverwaltungsgericht derzeit auch die vom Verwaltungsgericht Sigmaringen (Urteil vom 07.06.2021 - A 4 K 3124/19 -, juris) zugelassene Sprungrevision (1 C 24.21) anhängig. Mithin sprechen erhebliche Gründe dafür, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält |
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