Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 12 L 2512/15
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt
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Der Antrag,
2der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufzugeben, die beantragte Nebentätigkeit des Antragstellers bei der Firma C. über den 31. Dezember 2015 hinaus zu genehmigen,
3hilfsweise,
4die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, über den Antrag des Antragstellers Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung betreffend die Firma C. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
5hat keinen Erfolg.
6Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Rechts des Antragstellers nur getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung dieses Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2, § 294 ZPO die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.
71. Einen Anordnungsgrund hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.
8Der Antragsteller erstrebt sowohl mit seinem Hauptantrag ( vorläufige Verpflichtung zur Genehmigung der Nebentätigkeit ) als auch mit seinem hilfsweise geltend gemachten Begehren (Neubescheidung) eine Vorwegnahme der Hauptsache zu Lasten der Antragsgegnerin. Dem Antragsteller würde – vorläufig – eine Rechtsposition vermittelt, die er in seinem anhängig gemachten Klageverfahren 12 K 5427/15 gleichfalls anstrebt. Eine Vorwegnahme der grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehaltenen Entscheidung ist auch unter Beachtung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn ein wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht zu erreichen ist, dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung schlechthin unzumutbare Nachteile drohen und er nach dem vom ihm glaubhaft gemachten Sachverhalt im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird.
9Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 -, BVerwGE109, 258; OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2008 - 6 B 971/08 -, juris;VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Juli 2013 - 2 L 522/13 -, juris.
10Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
11Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung schlechthin unzumutbare Nachteile drohen.
12Allein der Umstand, dass der Antragsteller gehalten ist, vor der Weiterführung seiner zuletzt bis Ende des Jahres 2015 genehmigten Nebentätigkeit eine antragsgemäß weitere Nebentätigkeitsgenehmigung von der Antragsgegnerin zu erstreiten, ist nicht geeignet, um daraus eine Unzumutbarkeit des Verweises auf das regelmäßig durchzuführende Hauptsacheverfahren abzuleiten. Es ist nicht ersichtlich, dass es dem Antragsteller hier – ausnahmsweise – nicht zugemutet werden kann, seinen geltend gemachten Anspruch – allein - in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren zur Überprüfung zu stellen. Der Umstand, dass der Antragsteller – nach seinem Vortrag – die Nebentätigkeit nur weiterführen kann, wenn sie bereits im ersten Quartal des Jahres 2016 aufgenommen werden kann, stellt für sich genommen noch keine besondere Härte dar, die eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnte. Dies gilt auch vor dem zwar nicht ausdrücklich vorgetragenen, aber insoweit offensichtlichen Hintergrund, dass mit der Nebentätigkeit auch die damit bislang erzielten zusätzlichen Einnahmen wegfallen. Dem Antragsteller war spätestens seit September 2015 bekannt, dass die ihm erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung mit Ablauf des Jahres 2015 ausläuft und die Antragsgegnerin eine Verlängerung der Nebentätigkeitsgenehmigung für diese Tätigkeit nicht beabsichtigte. Er hatte somit hinreichend Zeit, um sich auf den Wegfall der Einnahmen aus der Nebentätigkeit einzustellen und ggf. die vertraglichen Beziehungen zur Firma C. zu regeln. Darüber hinaus hätte er zeitnah um Rechtsschutz nachsuchen können. Sonstige schwere und unzumutbare Nachteile, denen allein durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung begegnet werden könnte, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
132. Ebensowenig hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren obsiegen wird. Es spricht vielmehr Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung der von ihm beantragten Nebentätigkeitsgenehmigung hat.
14Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung ist § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBG NRW. Danach bedarf der Beamte der vorherigen Genehmigung zur Übernahme einer Nebenbeschäftigung gegen Vergütung. Gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW ist die Genehmigung zu versagen, wenn die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigen kann. Ein solcher Versagungsgrund liegt gemäß § 48 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LBG NRW insbesondere vor, wenn die Nebentätigkeit nach Art und Umfang die Arbeitskraft des Beamten so stark in Anspruch nimmt, dass die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert werden kann. Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 LBG NRW gelten diese Voraussetzungen in der Regel als erfüllt, wenn die zeitliche Beanspruchung durch eine oder mehrere Nebentätigkeiten in der Woche ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit überschreitet.
15Die Antragsgegnerin hat die Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung darauf gestützt, dass die durch die Arbeitszeitverordnung Feuerwehr (AZVOFeu NRW) festgeschriebene regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden – unter Berücksichtigung des Bereitschaftsdienstes einschließlich Mehrarbeitsstunden im Jahresdurchschnitt, § 2 AZVOFeu NRW - die nach der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden bereits vollumfänglich ausschöpft. Insofern bleibe für die Genehmigung zusätzlicher Nebentätigkeiten kein Raum mehr. Zudem stehe der Bewilligung von Nebentätigkeiten die gesetzlich vorgeschriebene Einhaltung von Ruhezeiten – vgl. § 3 AZVOFeu NRW - entgegen.
16Damit hat die Antragsgegnerin darauf abgestellt, dass bei Ausübung der Nebentätigkeit im Fall des Antragstellers infolge der Besonderheiten im feuerwehrtechnischen Schicht- und Bereitschaftsdienst und unter Berücksichtigung der nach der Europäischen Richtlinie zulässigen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden zu besorgen ist, dass der Antragsteller infolge übermäßiger zeitlicher Beanspruchung an der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten gehindert sein könnte. Diese auf sachliche Erwägungen gestützte und nachvollziehbare Besorgnis im Hinblick auf die Erfüllung der Dienstpflichten durch den Antragsteller ist im Grundsatz ausreichend, um die Versagung der beantragten Nebentätigkeitsgenehmigung zu rechtfertigen. Daraus, dass es nach § 5 AZVOFeu NRW im Ausnahmefall auf der Grundlage von Individualvereinbarungen zulässig ist, die Wochenarbeitszeit auf bis zu 54 Stunden ( davon 23 Stunden Arbeits- und Ausbildungsdienst und 31 Stunden Bereitschaftsdienst ) zu erhöhen, kann der Antragsteller nichts für ihn Günstigeres herleiten. Denn auch diese Regelung, die den Bereitschaftsdienst im Gegensatz zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (48 Stunden) um 12 Wochenstunden von 19 auf 31 Stunden Bereitschaftsdienst erhöht und die Arbeits- und Ausbildungszeiten um 14 Wochenstunden von 37 auf 23 Stunden reduziert, trägt dem Umstand Rechnung, dass eine über 48 Stunden hinausgehende Arbeitszeit bei voller Inanspruchnahme des Beamten die Höchstgrenze der zulässigen Belastung überschreitet und damit unzulässig ist.
17Eine unzulässige Einschränkung des Grundrechts auf Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, oder ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG dürfte mit der Versagung der Nebentätigkeit für den Antragsteller nicht verbunden sein. Unabhängig von der Frage, ob die Schutzbereiche der vorgenannten Grundrechte überhaupt betroffen sind und in diese eingegriffen wird, findet das Recht eines Beamten auf entgeltliche Verwertung seiner Arbeitskraft in der Freizeit seine Grenzen in der verfassungsgemäßen Ordnung, zu der die Vorschriften des Beamtenrechts und die Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, Art. 33 Abs. 5 GG, gehören. Danach hat der Beamte sich ganz seinem Beruf zu widmen; er ist verpflichtet, sich voll für den Dienstherrn einzusetzen und diesem seine gesamte Persönlichkeit, Arbeitskraft und Lebensleistung zur Verfügung zu stellen. Dieser Pflicht steht als Korrelat die Alimentationspflicht des Dienstherrn gegenüber. Der Dienstherr hat dem Beamten und seiner Familie u.a. in Form von Dienstbezügen einen seinem Amt angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Demzufolge finden die Grundrechte des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG dort ihre zulässigen Schranken, wo die beantragte Nebentätigkeit sich – wie hier vorliegend gegeben sein dürfte - mit den Pflichten aus dem Beamtenverhältnis nicht vereinbaren lässt.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
19Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG, wobei wegen der angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache von einer Reduktion des Auffangwertes abzusehen war.
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Referenzen
- LBG § 49 2x
- VwGO § 123 2x
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 6 B 971/08 1x (nicht zugeordnet)
- 2 L 522/13 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- 12 K 5427/15 1x (nicht zugeordnet)
- LBG § 48 2x
- ZPO § 294 Glaubhaftmachung 1x