Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 5 L 1556/16
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
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Gründe:
2Der Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung der Klage in dem Verfahren 5 K 4153/16 gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Ausrichtung des 35. Wiesentalpokals vom 28. Juni 2016 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Er ist zulässig, insbesondere nach § 80 a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da die Klage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Bauvorhabens nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212 a Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) keine aufschiebende Wirkung hat.
6Der Antrag ist jedoch unbegründet. Hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt, wie hier nach § 212 a BauGB in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache deren aufschiebende Wirkung gemäß § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.
7In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Dritten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung ist das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung einerseits und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vorzunehmende Abwägung im Wesentlichen an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ein überwiegendes Interesse des Bauherrn ist demnach grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Umgekehrt ist dem Interesse des Nachbarn grundsätzlich der Vorrang einzuräumen, wenn er durch das genehmigte Vorhaben in seinen Rechten verletzt und die Nachbarklage daher mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zur Aufhebung der Baugenehmigung führen wird.
8Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfungsmaßstabs gilt dabei, dass im baurechtlichen Nachbarstreit – und auch im Verfahren des zugehörigen vorläufigen Rechtsschutzes – keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer in seinen subjektiven Rechten verletzt.
9Ob die kurzfristig erteilte Baugenehmigung vom 28. Juni 2016 zur Durchführung des X. -Pokals vom 1. bis 3. Juli 2016 die Antragsteller in ihren subjektiven Rechten verletzt, kann - vor allem aufgrund der komplexen Fragen hinsichtlich einer etwaigen Verwirkung des Klagerechts sowie der Einhaltung der zulässigen Lärmimmissionswerte - nicht im vorliegenden Eilverfahren geklärt werden, sondern bedarf der – gegebenenfalls auch mit sachverständiger Hilfe - Aufklärung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren.
10Sind demnach die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen anzusehen, kommt es für die Entscheidung des Gerichts im vorliegenden Eilverfahren maßgeblich auf das Ergebnis der vorzunehmenden Interessenabwägung an. Bei dieser Abwägung des Vollzugsinteresses des Beigeladenen gegen das Aussetzungsinteresse der Antragsteller ist zu berücksichtigen, dass das Interesse des Betroffenen, von der sofortigen Vollziehung verschont zu bleiben, ein umso höheres Gewicht gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse hat, je schwerwiegender die durch den Verwaltungsakt auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Behörde Unabänderliches bewirkt. Hätte die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts für den Betroffenen schwere und nicht rückgängig zu machende Folgen, muss das öffentliche Interesse am Sofortvollzug von besonderem Gewicht sein.
11Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 11. November 2015 – 6 L 1695/15 -, mit weiteren Nachweisen, zitiert nach juris.
12Zu berücksichtigen ist hier, dass die Entscheidung zwar für die Antragsteller irreversible Folgen hätte, da sie aufgrund der Durchführung des X. -Pokals den hierdurch verursachten Immissionen ausgesetzt sind und dies im Nachhinein nicht mehr rückgängig zu machen wäre.
13Entscheidend ist vorliegend allerdings, dass die Antragsteller nicht erst durch Erteilung der Baugenehmigung Kenntnis von der Durchführung des X. -Pokals am ersten Juli-Wochenende erlangt haben. Vielmehr findet seit 35 Jahren einmal im Jahr der X. -Pokal statt. Dass der X. -Pokal dieses Jahr am ersten Juli-Wochenende stattfindet, steht ausweislich der Mitteilung der Beigeladenen, an deren Wahrheitsgehalt keine durchgreifenden Zweifel bestehen, bereits seit etwa einem halben Jahr fest. Die Antragsteller hatten zudem zum einen ausreichend Zeit, sich auf die dreitätige Veranstaltung einzustellen und bereits im Voraus Vorkehrungen zu treffen bzw. etwaige rechtliche Schritte einzuleiten. Zum anderen – und hier maßgeblich entscheidend – müssen sich die Antragsteller entgegenhalten lassen, dass sie über einen Zeitraum von inzwischen 16 Jahren nicht gegen die Durchführung des X. -Pokals vorgegangen sind. Dem entnimmt die Kammer, dass die Antragsteller selbst die Durchführung des X. -Pokals in der Vergangenheit offenbar als mit noch erträglichen Belastungen verbunden angesehen haben.
14Dem gegenüber steht das Interesse der Beigeladenen an der Durchführung der Veranstaltung. Diese ist mit aufwendigen Vorbereitungen und Organisationsmaßnahmen im Vorfeld der Veranstaltung sowie nicht unerheblichen finanziellem Aufwand verbunden. Mehrere hundert Teilnehmer haben Vorbereitungen für den X. -Pokal getroffen und sich auf die Durchführung eingerichtet. Aufgrund der Untätigkeit der Antragsteller trotz Kenntnis der Veranstaltung hatte die Beigeladenen auch keinen Anlass, die diesjährige Durchführung des X. -Pokals in Frage zu stellen und brauchte demnach auch nicht mit einem Einschreiten wenige Tage vor Veranstaltungsbeginn zu rechnen. Dass die Beigeladene ihrerseits den Bauantrag hinsichtlich der Genehmigung der Veranstaltung erst am 23. Juni 2016 stellte, führt zu keinem anderen Ergebnis.
15Die kurzfristige Absage des X. -Pokals führt damit auf Seiten der Beigeladenen zu schwerwiegenderen Nachteilen als auf Seiten der Antragsteller, die von der Veranstaltung ausgehenden Immissionen ertragen zu müssen.
16Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig, da dieser erfolgreich einen eigenen Antrag gestellt und sich damit dem allgemeinen Prozessrisiko ausgesetzt hat.
17Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetztes (GKG) und orientiert sich an Ziffer 7 a) des Streitwertkatalogs der Bausenate des OVG NRW (BauR 2003, 1883), dem die Kammer regelmäßig folgt, wobei der Streitwert bei Nachbarklagen wegen Beeinträchtigung eines Wohngrundstücks zwischen 1.500,00 € und 15.000,00 € beträgt. Darüber hinaus beträgt der Streitwert im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig die Hälfte des Streitwertes im Verfahren zur Hauptsache. Danach war hier als Streitwert ein Betrag von 2.500,00 € festzusetzen.
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 162 1x
- VwGO § 80 1x
- 5 K 4153/16 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 6 L 1695/15 1x