Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 8 L 2184/18
Tenor
1. Unter Abänderung des Beschlusses der Kammer vom 13. Juli 2018 – 8 L 1315/18 – wird der Antrag des Antragsgegners vom 13. Juli 2018 auf Verpflichtung der Antragstellerin, ihn, den Antragsgegner, unverzüglich auf Kosten der Antragstellerin in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen, abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO analog hat Erfolg. Er ist – ungeachtet einer nach § 123 Abs. 3 VwGO entsprechenden Anwendbarkeit des § 929 Abs. 2 ZPO –, aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit zulässig und begründet.
3Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO analog kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung von Beschlüssen über Anträge nach § 123 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
4Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 1995 – 2 BvR 492/95 –, juris Rn. 67; Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, § 123 Rn. 127 mit zahlreichen Nachweisen auch zu anderen Auffassungen.
5Solche veränderten entscheidungserheblichen Umstände sind vorliegend mit Erlass des Beschlusses der 7a. Kammer des Gerichts vom 21. November 2018 – 7a L 1947/18.A – eingetreten. Nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist im vorliegenden Eilantragsverfahren auf Antrag der Antragstellerin insofern eine zum vorangegangenen Antragsverfahren – 8 L 1315/18 – abweichende Bewertung gerechtfertigt. Dies gilt sowohl hinsichtlich des ursprünglich glaubhaft gemachten Bedürfnisses für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch den sicherungsfähigen Anspruch (Anordnungsanspruch), § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2, § 294 ZPO.
6Der ursprünglich vom Antragsgegner im Verfahren der Kammer – 8 L 1315/18 – glaubhaft gemachte Anordnungsanspruch, ihn unverzüglich in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen, ist nachträglich mit Erlass des Beschlusses der 7a. Kammer des Gerichts vom 21. November 2018 – 7a L 1947/18.A – entfallen.
7Zwar bleibt die am 13. Juli 2018 erfolgte Abschiebung des Antragsgegners nach Tunesien – wie der Antragsgegner mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 16. Dezember 2018, dortige Seiten 1 f., zu Recht ausführt – evident rechts- und verfassungswidrig. Denn die Abschiebung erfolgte insbesondere unter Missachtung des Beschlusses der 7a. Kammer des Gerichts vom 12. Juli 2018 –7a L 1200/18.A –. Die Antragstellerin unterließ es insofern zum einen, die Abschiebemaßnahme abzubrechen sowie zum anderen – jedenfalls bis Ende Juli 2018 – unverzüglich alle Maßnahmen zu ergreifen, um den Antragsgegner nach Erlass des Beschlusses der Kammer vom 13. Juli 2018 – 8 L 1315/18 – in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen.
8Vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 15. August 2018 – 17 B 1029/18 –; vorausgehend Beschluss der Kammer vom 13. Juli 2018 – 8 L 1315/18 –.
9Der Antragsgegner kann jedoch nach Erlass des Beschlusses der 7a. Kammer des Gerichts vom 21. November 2018 – 7a L 1947/18.A – auch unter Beachtung von Art. 19 Abs. 4 GG nicht mehr die Beseitigung der dadurch eingetretenen Vollzugsfolgen verlangen. Denn der die materielle Grundlage für einen solchen Anspruch bildende allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch setzt neben dem hier – nach wie vor – gegebenen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht zusätzlich voraus, dass hierdurch ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde, der noch andauert.
10Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Januar 1995 – 20 A 1518/93 –, juris Rn. 19, sowie Beschluss vom 9. März 2007 – 18 B 2533/06 –, juris Rn. 14 m. w. N.; siehe auch Armbruster, in: HTK-AuslR / Rechtsschutz / 2.5.7 (Stand: 18. November 2016), Rn. 7 f.
11Die letztgenannte Voraussetzung des Folgenbeseitigungsanspruchs ist vorliegend nicht mehr gegeben. Der hier zunächst geschaffene rechtswidrige Zustand durch die evident rechts- und verfassungswidrige Abschiebung des Antragsgegners dauert nach Erlass des Beschlusses der 7a. Kammer des Gerichts vom 21. November 2018 – 7a L 1947/18.A – nach summarischer Prüfung nicht mehr an.
12Zwar wurde durch die am 13. Juli 2018 durchgeführte Abschiebung des Antragsgegners nach Tunesien zunächst ein rechtswidriger Zustand geschaffen. Denn bis zu dem unanfechtbaren Beschluss der 7a. Kammer des Gerichts vom 21. November 2018 – 7a L 1947/18.A –, mit welchem der zugunsten des Antragsgegners stattgebende Beschluss vom 12. Juli 2018 – 7a L 1200/18.A – gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO abgeändert und der Antrag des Antragsgegners abgelehnt wurde, kam der anhängigen Asylklage des Antragsgegners – 7a K 3425/18.A – gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 20. Juni 2018 aufschiebende Wirkung zu. Dies hatte zur Folge, dass für die Dauer des weiterhin anhängigen Klageverfahrens – 7a K 3425/18.A – zunächst von der Fortgeltung des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in früherer Fassung (a. F.) auszugehen war, weshalb eine gleichwohl durchgeführte und abgeschlossene Abschiebung – wie hier erfolgt – rechtswidrig war. Daraus resultierte vorliegend auch ein zunächst andauernder rechtswidriger Zustand, da dem Antragsgegner nach den Feststellungen der 7a. Kammer in Tunesien – ohne verbindliche Zusicherung im Einzelfall – die Gefahr der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohte. Dieser rechtswidrige Zustand ist jedoch mit dem unanfechtbaren Abänderungsbeschluss der 7a. Kammer des Gerichts vom 21. November 2018 – 7a L 1947/18.A – entfallen. Die beschließende Kammer ist an die asylgerichtliche Entscheidung der 7a. Kammer, namentlich auch die Feststellungen zu den Folgen, die dem Antragsgegner bei einem längeren Verbleib in Tunesien drohen, gebunden (vgl. § 42 Satz 1 AsylG). Die gegen den Beschluss der 7a. Kammer des Gerichts vom 21. November 2018 – 7a L 1947/18.A – gerichtete Anhörungsrüge ist zudem mit unanfechtbarem Beschluss der 7a. Kammer vom 17. Dezember 2018 – 7a L 2232/18.A – zurückgewiesen worden. Ein materiell-rechtlicher Anspruch des Antragsgegners, ihn in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen, besteht danach derzeit vor dem Hintergrund der von der 7a. Kammer aktuell getroffenen Feststellungen nicht mehr. Die beschließende Kammer hat weder die Frage einer drohenden Foltergefahr noch die Qualität der laut Vortrag vorgelegten diplomatischen Zusicherung aus eigener Anschauung zu bewerten. Die abschließende Klärung der Frage, ob die Annahme des Nichtbestehens einer konkreten Foltergefahr für den Antragsgegner in Tunesien zutrifft, welche dem durch das Bundesamt erfolgten Widerruf des zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots zu Grunde liegt, bleibt dem asylgerichtlichen Klageverfahren – 7a K 3425/18.A – vorbehalten.
13Die Bindungswirkung der asylgerichtlichen Eilentscheidung der 7a. Kammer gilt für die hier beschließende ausländerrechtliche Kammer auch vor dem Hintergrund der von den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners angekündigten Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss der 7a. Kammer des Gerichts vom 21. November 2018 – 7a L 1947/18.A –. Denn weder kommt einer solchen Beschwerde aufschiebende Wirkung zu, noch ist der Antragsgegner rechtsschutzlos gestellt. Insofern besteht selbstredend auch für den Antragsgegner sowohl im asylgerichtlichen als auch dem vorliegenden ausländerrechtlichen Eilverfahren jederzeit die Möglichkeit, veränderte Umstände in einem Antragsverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO (analog) geltend zu machen.
14Zwar ist den Ausführungen der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2018, dortige Seite 8 oben, insoweit beizupflichten, dass das Vertrauen in das Funktionieren des Rechtsstaates und damit die Rechtssicherheit durch das zeitweilige verfassungswidrige Ignorieren gerichtlicher Entscheidungen (Art. 20 Abs. 3 GG) vorliegend massiv gefährdet wurde. Allerdings geht mit diesem verfassungswidrigen Verhalten – anders als die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners vertreten – vorliegend keine Verwirkung des Rechts der Antragstellerin auf Geltendmachung eines Abänderungsantrags einher. Insofern handelt es sich trotz der vorab stattgefundenen Täuschung des Gerichts,
15vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2018 – 17 B 1029/18 –, amtl. Abdruck; Seiten 9 ff.,
16auch nicht – wie die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ausführen – um eine sitten- und treuwidrige Ausnutzung eines von der Antragstellerin selbst herbeigeführten und aufrechterhaltenen Zustandes. Selbst für den Fall, dass das Schreiben des Bundesministers des Inneren, für Bau und Heimat persönlich an den Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10. August 2018 (Beiakte 3, Seiten 1 f.), namentlich Satz 1 des drittletzten Absatzes auf Seite 2 des Schreibens, entsprechend den Ausführungen der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2018, dortige Seite 4, in Verbindung mit dem vorgetragenen anschließenden Telefonat des Bundesinnenministers mit dem tunesischen Innenminister am 30. August 2018 dahingehend verstanden werden müsste, dass aktiv gebeten wurde, die Ausreise des Antragsgegners aus Tunesien zu verhindern bzw. die Passerteilung zu verweigern, ändert dies vorliegend rechtlich nichts daran, dass die Rückholverpflichtung auf Antrag der Antragstellerin aufzuheben ist. Denn der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB abgeleitete – Grundsatz des Verbots unzulässiger Rechtsausübung ("dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est") verbietet vorliegend gerade umgekehrt dem Antragsgegner, sich auf eine etwaig vereitelte Rückholung seitens der Antragstellerin zu berufen. Denn der bestandskräftig ausgewiesene, vollziehbar ausreisepflichtige Antragsgegner hat kein Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland,
17vgl. hierzu Beschluss der Kammer vom 11. Juli 2018 – 8 L 1240/18 –,
18und könnte bzw. müsste (vergleiche § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) folglich nach erfolgter Rückholung wieder – dieses Mal unter Beachtung rechtsstaatlicher Maßgaben – in seinen Herkunftsstaat abgeschoben werden. Etwaiges in der Vergangenheit erfolgtes Fehlverhalten einzelner Amtsinhaber mag insofern gegebenenfalls an anderer Stelle personal- und/oder disziplinarrechtlich geprüft werden.
19Vor diesem Hintergrund hat der Antragsgegner entgegen der Ausführungen seiner Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2018, dortige Seite 8 Mitte, auch keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung des Rückholbeschlusses der Kammer vom 13. Juli 2018 – 8 L 1315/18 – (nachfolgend Beschluss des OVG NRW vom 15. August 2018 – 17 B 1029/18 –) infolge der mit Schriftsatz vom 16. August 2018 im Verfahren – 8 L 1458/18 – abgegebenen Zusicherung der Antragstellerin. Denn an diese Zusicherung ist die Antragstellerin jedenfalls seit Erlass des Beschlusses der 7a. Kammer des Gerichts vom 21. November 2018 – 7a L 1947/18.A – gemäß § 38 Abs. 3 VwVfG NRW nicht mehr gebunden. Nach dieser Norm ist eine Behörde an eine Zusicherung nicht mehr gebunden, wenn sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach-oder Rechtslage derart ändert, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen. Die Zusicherung mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 16. August 2018 wäre bei objektiver Betrachtungsweise nicht gegeben worden und hätte nach summarischer Prüfung auch nicht gegeben werden dürfen, wenn nicht dem Antragsgegner aufgrund der Beschlüsse der 7a. Kammer des Gerichts vom 12. Juli 2018 – 7a L 1200/18.A – und vom 10. August 2018 – 7a L 1437/18.A –, die auch für die Antragstellerin bindend waren (vgl. § 42 Satz 1 AsylG), in Tunesien – ohne verbindliche Zusicherung im Einzelfall – die Gefahr der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gedroht hätte. Diese auch für die Antragstellerin bindende Sach- und Rechtslage war als „Geschäftsgrundlage“ für die Zusicherung objektiv erheblich. Mit dieser nach den Feststellungen der 7a. Kammer des Gerichts mit Beschluss vom 21. November 2018 – 7a L 1947/18.A – eingetretenen Änderung der relevanten Tatsachen- und Rechtslage ist auch die Bindungswirkung der Zusicherung vom 16. August 2018 entfallen.
20Ferner ist auch der zunächst gegebene Anordnungsgrund vorliegend entfallen, da dem Antragsgegner in Tunesien nach den Feststellungen der 7a. Kammer des Gerichts mit Beschluss vom 21. November 2018 – 7a L 1947/18.A – derzeit nicht (mehr) die Gefahr der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, an welche die beschließende Kammer ebenfalls – wie ausgeführt – gebunden ist.
21Infolge der aufgezeigten Änderung der maßgeblichen Umstände wäre die Änderung des Beschlusses der Kammer vom 13. Juli 2018 – 8 L 1315/18 – auch unabhängig von dem erhobenen Einwand der Verwirkung des vorliegenden Antragsrechts durch die Antragsgegnerin – im Übrigen von Amts wegen nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO analog geboten.
22Vgl. zur Möglichkeit der Abänderung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO von Amts wegen: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, § 123 Rn. 129.
23Es ist nicht ersichtlich, dass einer solchen Abänderung von Amts wegen tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstünden. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass einer Abänderung Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Familienlebens entgegenstünden. Zwar wurde durch die am 13. Juli 2018 evident rechtswidrig erfolgte Abschiebung des Antragsgegners in die vom Antragsgegner in den vorausgegangenen Eilverfahren und im nach wie vor anhängigen Klageverfahren – 8 K 3521/18 – vorgetragene (vergleiche Schriftsatz vom 11. Juli 2018 im Klageverfahren, dortige Seiten 2 ff.) gelebte Beziehung zu seinen vier minderjährigen (4, 9, 10 und 11 jährigen) deutsch-tunesischen Kindern eingegriffen. Hieraus erwuchs und erwächst indes nach summarischer Prüfung kein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
24Die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, in ihren Erwägungen angemessen zur Geltung zu bringen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite die sonstigen Umstände des Einzelfalls. Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Allerdings setzen sich auch gewichtige familiäre Belange nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durch.
25Vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 2006 – 2 BvR 1935/05 –, NVwZ 2006, 682.
26Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG nicht schon bzw. allein aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern.
27Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2008 – 2 BvR 588/08 –, juris, mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
28Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war und ist bei summarischer Prüfung selbst bei unterstelltem Vorliegen einer schützenswerten familiären Lebens- oder Begegnungsgemeinschaft zwischen dem Antragsgegner und seinen vier minderjährigen deutschen Kindern bis zu seiner Abschiebung am 13. Juli 2018 und damit auch nach Trennung des Antragsgegners und seiner Ehefrau und der familiengerichtlich vereinbarten Umgangsregelung ein Abschiebungsverbot nicht überwiegend wahrscheinlich. Denn die mit einem Aufenthalt des Antragsgegners außerhalb der Bundesrepublik Deutschland verbundenen Belastungen für seine Kinder und die Beziehung zu ihnen haben nach Abwägung mit den öffentlichen Belange an einer zeitweisen Fernhaltung des Antragsgegners aus dem Bundesgebiet zurückzutreten. Zu der mit der Anwesenheit des Antragsgegners im Bundesgebiet verbundenen Gefahrenlage wird auf die Ausführungen der Kammer mit Beschluss vom 11. Juli 2018 – 8 L 1240/18 –, dortige Seiten 5 ff., unter Bezugnahme auf die diesbezüglichen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 15. April 2015 – 17 A 1245/11 –, juris, und in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts zur Prognose der Gefahr terroristischer Anschläge verwiesen. An der dort vorgenommenen Gefahrenprognose hält die Kammer nach erneuter Prüfung fest. Insofern wiegt der hier insbesondere in den Blick zu nehmende Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit derart hoch, dass die nach Art. 6 GG geschützten Interessen vorliegend – trotz der damit unweigerlich einhergehenden Belastungen für die Kinder und ihre Beziehung zu dem Antragsgegner – zurückzutreten haben. Der Kontakt ist danach vorübergehend gegebenenfalls über Ferien-/Besuchsaufenthalte der Kinder im Ausland bzw. über Fernkommunikationsmittel aufrecht zu erhalten. Die Frage der erforderlichen sowie zumutbaren zeitlichen Dauer der räumlichen Trennung des Antragsgegners von seinen vier minderjährigen Kinder wird sodann im Rahmen der im Klageverfahren – 8 K 3521/18 – streitgegenständlichen Befristungsentscheidung zu beantworten sein.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
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