Urteil vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 14 K 3555/16
Tenor
Die Beklagte zu 1. wird verpflichtet, die Anträge der Kläger vom 30. Juli 2015 und 26. Januar 2016 auf Anordnung verkehrsregelnder Maßnahmen zum Zweck der Lärmminderung wie z.B. ein Nachtfahrverbot für LKW-Durchgangsverkehr sowie eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h auf der Bundessstraße 224 in Gladbeck zwischen dem Anschluss an die Bundesautobahn 2 und der Kreuzung mit der Bohmert-/Phönixstraße unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen die Kläger als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 1. jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. tragen die Kläger. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. trägt diese selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
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Die Beklagte zu 1. wird verpflichtet, die Anträge der Kläger vom 30. Juli 2015 und 26. Januar 2016 auf Anordnung verkehrsregelnder Maßnahmen zum Zweck der Lärmminderung wie z.B. ein Nachtfahrverbot für LKW-Durchgangsverkehr sowie eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h auf der Bundessstraße 224 in Gladbeck zwischen dem Anschluss an die Bundesautobahn 2 und der Kreuzung mit der Bohmert-/Phönixstraße unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
2Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen die Kläger als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 1. jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. tragen die Kläger. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. trägt diese selbst.
4Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
5Tatbestand:
6Die im Jahre 1949 gewidmete Bundesstraße 224 (B 224) führt von Raesfeld im südlichen Münsterland durch das Ruhrgebiet über Gelsenkirchen-Buer, Gladbeck und Essen nach Solingen im bergischen Land. Ab der Anschlussstelle Gelsenkirchen-Hassel verläuft die B 224 weiter über die A 52, die kurz vor Gladbeck endet und als B 224 weitergeführt wird.
7Die Klägerin zu 1. ist Eigentümerin der im Grundbuch von Gladbeck C. . eingetragenen Grundstücke (Gebäude- und Freiflächen) Flur X, Flurstücke X, X, des Weges Flur X, Flurstück X und der Waldfläche Flur X, Flurstück X. Das Flurstück X ist mit einem Wohnhaus bebaut, in dem die Klägerin zu 1. wohnt. Das Wohnhaus der Klägerin zu 1. ist ca. 70 bis 80 m Luftlinie von der - von ihrem Haus aus betrachtet - südlich verlaufenden Bundesautobahn A 2 und ca. 80 bis 100 m von der in diesem Bereich von Südwesten nach Nordosten verlaufenden B224 entfernt.
8Die Kläger zu 2. sind jeweils zur ideellen hälftigen Anteilen Miteigentümer des Grundstückes „C1. 8“ (Flur X, Flurstück X). Das Grundstück ist ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaut, in dem die Kläger wohnen. Ihr Wohnhaus ist ca. 30 - 60 m von der B 227 entfernt und ca. 200 - 230 m von der A 2. Die B 224 ist in diesem Bereich vierspurig und die A 2 sechsspurig. Die Grundstücke der Kläger liegen nicht innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans.
9Mit Schreiben vom 30. Juli 2015 forderte die Klägerin zu 1. den Kreis Recklinghausen als Straßenverkehrsbehörde auf, verkehrslenkende Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 der Straßenverkehrsordnung (StVO) zu ergreifen. Zur Begründung führte sie u. a. aus, dass auf den von ihr bewohnten Grundstücken ausweislich der Lärmumgebungskarte des Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Verbraucher NRW (LANUV) ein durchschnittlicher Schallpegel von 60 - 65 dB (A) tags und von 55 - 60 dB (A) nachts gegeben sei, gartenseitig zu ihrem Grundstück mit der Nummer Flurstück 204 sogar 70 dB (A) tags. Das Flurstück 204 werde tags nahezu vollständig mit 65-70 dB (A) beschallt. Die insoweit maßgeblichen Grenzwerte für reine und allgemeine Wohngebiete nach der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung (Verkehrslärmschutzverordnung - 16.BImSchVO) seien damit überschritten. Auch die in den Richtlinien für die straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-RL-StV) aufgeführten Richtwerte seien übertroffen. Zudem sei festzustellen, dass die Kommission der Europäischen Union in einem anhängigen Vertragsverletzungsverfahren zu hohe Stickstoffdioxidwerte unter anderem auch in Gladbeck an der B 224 rüge. So habe die Auswertung des Passivsammlers an der H.-----straße in Höhe der Brücke über die B 224 ergeben, dass in den vergangenen sechs Jahren regelmäßig Werte oberhalb der Höchstgrenze von 40 µg (Mikrogramm) je Kubikmeter gegeben gewesen seien. Sie, die Klägerin zu 1., sei damit Lärm- und Luftschadstoffeinwirkungen ausgesetzt, die das zumutbare Maß überschritten. Es seien geeignete Maßnahmen zur Erfüllung des individuellen Schutzanspruches zu treffen. Die verlangten Maßnahmen bezögen sich auf eine Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 50 im Bereich der Ortsdurchfahrt der B 224 im Stadtbereich und ein Nachtfahrverbot für den Schwerlastverkehr sowie auf eine Anordnung zur weiträumigen Umleitung des Schwerlastverkehrs über die A 2, die A 43, die A 42 und die A 31. Diese Maßnahmen seien jedenfalls in Kombination geeignet, den in einem unerträglichen Maße ordnungswidrigen Zustand zu beseitigen. Die Umleitung des Schwerlastverkehres sei zudem geeignet und erforderlich, um die gesundheitsschädliche Lärm- und Feinstaubpartikelimissionen nachhaltig zu verringern. Die Beklagte zu 1. und zu 2. werde - wie aus den Anlagen ersichtlich - abschriftlich informiert mit der Aufforderung, bei der Anordnung und Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten mitzuwirken.
10Mit Schreiben vom 20. August 2015 teilte der Beklagte zu 2. der Klägerin mit, dass der Kreis Recklinghausen für keine der begehrten Maßnahmen verkehrsbehördlich zuständig sei, da insoweit in mittleren und großen kreisangehörigen Städte die örtlichen Ordnungsbehörden zuständig seien und für entsprechende Anordnung auf Autobahnen ausschließlich die Regierungspräsidenten. Daher werde das Schreiben vom 30. Juli 2015 an die Beklagte zu 1. weitergeleitet. Soweit weiträumige Umleitungen des Schwerlastverkehrs über die umliegenden Bundesautobahnen gefordert würden, sei Folgendes festzustellen: Autobahnen und Bundesstraßen seien integrale Bestandteile des Bundesfernstraßennetzes. Gemäß § 1 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) gliederten sich die Bundesstraßen des Fernverkehrs in Bundesautobahnen und Bundesstraßen mit Ortsdurchfahrten. Per Definition seien Bundesstraßen des Fernverkehrs öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bildeten und einem weiträumigen Verkehr dienten oder zu dienen bestimmt seien. In der geschlossenen Ortslage gehörten zum zusammenhängenden Verkehrsnetz die zur Aufnahme des weiträumigen Verkehrs notwendigen Straßen. Insoweit sei die Vermutung, dass die B 224 als Abkürzung für den Fernverkehr genutzt werde, unrichtig. Diese sei Bestandteil des Bundesfernstraßengesetzes und daher explizit für diesen Verkehr konzipiert. Dies gelte erst recht für die Autobahn.
11Nach § 45 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 StVO sei auf einer Bundesfernstraße allenfalls eine vorübergehende Maßnahme möglich. Die dauerhafte Beschränkung des Verkehrs auf bestimmte Verkehrsarten sei einer straßenwegerechtlichen Teileinziehung gleichzusetzen. Insoweit gelte jedoch der Vorbehalt des Straßenrechtes. § 7 FStrG lege fest, dass jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsbehördlichen Vorschriften der Gebrauch der Bundesfernstraßen zum Verkehr gestattet sei. Dieser Gemeingebrauch könne lediglich beschränkt werden, wenn dies wegen des baulichen Zustandes zur Vermeidung außerordentlicher Schäden an der Straße oder für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs notwendig sei. Die von der Klägerin zu 1. verlangte Maßnahme sei aber nicht aus diesen Gründen notwendig. Vielmehr seien Lärm- und Abgasbelastungen als Begründungen für die Forderung angeführt worden. Die von der Klägerin zu 1. angeführten Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm bestätigten natürlich die Möglichkeit, straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen einzusetzen. Aber auch in diesem Regelwerk werde gleichzeitig festgelegt, dass „diese Maßnahmen nicht zu einer Beschränkung der Widmung durch Untersagung bestimmter Verkehrsarten führen“ dürften. Eine straßenwegerechtliche Teilentwidmung der B 224 sei daher bereits nicht zulässig.
12Im Übrigen scheide ein Durchfahrtsverbot für Lkw-Fahrer auf der B 224 auch deswegen aus, da die rechtlich zulässigen Lärm- und Abgaswerte nicht überschritten würden. Die von der Klägerin zugrunde gelegten Werte aus der Lärmumgebungskarte seien unzureichend und aufgrund des unterschiedlichen Berechnungsverfahrens auch nicht geeignet, um das Überschreiten der Richtwerte zu belegen. Erfahrungsgemäß seien die nach den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS 90) berechneten Werte niedriger als die Werte der Lärmkartierungen. Aus den eingereichten Lärmkartierungen folge die Belastung am Wohnhaus der Klägerin zu 1. von 70 dB (A) tags und von 60 dB (A) nachts nicht, weshalb davon auszugehen sei, dass eine konkrete Berechnung der Werte ebenfalls kein günstigeres Ergebnis bringen werde. Zudem sei dem Lärmaktionsplan der Beklagten zu 1. zu entnehmen, dass die Autobahn A 2 und die B 224 als Prüfliste an den Landesbetrieb Straßenbau NRW gemeldet worden seien. Dieser werde diese Abschnitte in eigenen detaillierten Berechnungen noch einmal überprüfen. Insoweit bestehe auch keine Veranlassung entsprechende Berechnungen für die A 2 einzufordern. Hinsichtlich der vorgetragenen Feststellungen zu erhöhten Stickstoffdioxidwerten (NO2) sei mitzuteilen, dass an den die B 224 querenden städtischen Straßen vom LANUV, exemplarisch an der H.-----straße , seit 2009 Passivsammlermessungen von NO2 durchgeführt würden. Aufgrund ihrer Erkenntnisse und der in diesem Zusammenhang getroffenen Maßnahmen, wie etwa der Einführung einer Umweltzone, sei zu erwarten, dass es zu einem Belastungsrückgang auf der B 224 kommen werde. Zusammenfassend sei festzustellen, dass den beantragten verkehrslenkenden Maßnahmen auf den Autobahnen nicht nachgekommen werden könne.
13Die Beklagte zu 1. bat die Klägerin zu 1. im Oktober 2015, um Klarstellung, ob auch von dieser Maßnahme nach § 45 StVO verlangt würden. Hinsichtlich des von der Klägerin zu 1. geäußerten Akteneinsichtsgesuchs vom 22. September 2015 könne mitgeteilt werden, dass im Zuge des Planfeststellungsverfahrens auf dem Gladbecker Stadtgebiet schalltechnische Untersuchung stattgefunden hätten. Aufgrund des Mitte 2014 bekannt gewordenen Planfeststellungsverfahrens seien von Seiten der Beklagten zu 1. trotz der entsprechend ausgewiesenen und von der Klägerin zu 1. benannten Haushaltsmittel kein weiteres eigenes Lärmgutachten erstellt worden. Es liege aber zudem ein vom Vorhabenträger erstelltes schalltechnisches Gutachten zu den Straßenverkehrsgeräuschen für eine geplante Wohnbebauung im Bereich „C1. “ aus dem Jahr 2013 vor.
14Im Januar 2016 beantragten die Kläger zu 2. bei dem Beklagten zu 2. ebenfalls verkehrslenkende Maßnahmen, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen auf die Begründung des Antrages der Klägerin zu 1. vom 30. Juli 2015 Bezug nahmen. Einen entsprechenden Antrag stellten sie auch gegenüber der Beklagten zu 1. Zudem wurde gegenüber der Beklagten zu 1. an die Bearbeitung des Antrags der Klägerin zu 1. erinnert.
15Mit Gutachten des Herrn Dipl.- Phys.-Ingenieur Herrn Frank Overdick vom 11. März 2016 zu den Geräuschemissionen und -immissionen durch den Straßenverkehr auf der B 224 und der A 2 an Wohnhäusern am C1. in Gladbeck (GA TÜV Nord) wurde die Lärmbelastung durch Straßenverkehrsgeräusche durch die vorgenannten Straßen gemäß dem Teilstückverfahren der RLS-90 ermittelt. Dabei wurden die Belastungen für die Häuser am C1. 8, 12 und 26 ermittelt. Es wurden vom Gutachter Mittelungspegel für den Ist-Zustand, für den Zustand bei einer Geschwindigkeitsreduzierung von 70 auf 50 km/h, bei einem Nachtfahrverbot für Lkw sowie bei einer Reduzierung der Geschwindigkeit vom 70 auf 50 km/h bei gleichzeitigem Nachtfahrverbot für Lkws berechnet. Die Beurteilungspegel wurden für die Grundstücke der Kläger im Bereich von 58 bis 65 db (A) tags und 52 bis 58 db (A) nachts bestimmt. Unter Berücksichtigung der zur Reduzierung einbezogenen Maßnahmen seien bei einer Geschwindigkeitsreduzierung Pegelsenkungen zwischen 2,0 und 0,1 db (A), bei einem Nachtfahrverbot für LKW Pegelsenkungen zwischen 1,9 und 0,1 db (A) und bei kombiniertem Maßnahmen zwischen 8,0 und 0,2 db (A) möglich.
16Im April 2016 teilte die Beklagte zu 1. den Klägern mit, dass eine abschließende Entscheidung über ihren Antrag noch nicht möglich sei, da eine Stellungnahme des Landesbetriebs Straßen NRW als Straßenbaulastträger ausstehe. Dieser sei mit Schreiben vom 18. April 2016 hieran erinnert worden. Im Übrigen weise sie jedoch darauf hin, dass aus dem Gutachten des TÜV Nord aus März 2016 hervorgehe, dass an keinem der Grundstücke der Kläger die Lärmsanierungswerte erreicht würden, weshalb keine Grundlage für die Durchführung lärmmindernder Maßnahmen, etwa in Form einer Reduzierung der Geschwindigkeit oder einem Nachtfahrverbot, gegeben sei. Zur Luftschadstoffsituation sei mangels gesicherter Erkenntnisse aktuell keine Entscheidung möglich.
17Am 1. Juni 2016 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.
18Zur Begründung ihrer Klage führen die Kläger im Wesentlichen aus, dass sie jedenfalls einen Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung der Beklagten hätten. Die auf ihre Grundstücke einwirkenden Lärmimmissionen überstiegen das zumutbare Maß. Für die Klägerin zu 1. folge aus der Lärmumgebungskarte des LANUV hinsichtlich des Flurstücks X, dass sie einem durchschnittlichen Schallpegel von 60 bis 65 dB (A) tags und 55 bis 60 dB (A) nachts ausgesetzt sei. Gartenseitig zu dem Flurstück X hin erreiche der Schallpegel bereits bis zu 70 dB (A) tags. Auf Veranlassung des Bürgerforums Gladbeck e. V. sei in einem längeren und repräsentativen Zeitraum vom 16. November 2015 bis zum 26. November 2015 qualifizierte Eigenmessungen am Objekt durchgeführt worden. Die Messungen seien unmittelbar am Erdgeschossfenster des Wohnhauses und auf der Gartenfläche durchgeführt worden. Die dabei festgestellten Durchschnittswerte bestätigten die Messungen der Lärmumgebungskarte in vollem Umfang. So betrügen die ermittelten Tagesdurchschnitte 60,3 dB (A) und die durchschnittlichen Nachtwerte mit 55,8 dB (A). Zum Teil seien Spitzen von 84,8 dB (A) tags und 72,8 dB (A) nachts erreicht worden. Die gleichmäßigsten Messungen hätten sich zwischen dem 16. November 2015 und dem 20. November 2015 ergeben. Nehme man diese infolge ihrer Gleichmäßigkeit ebenfalls signifikanten Messwerte hinaus, erschienen die Überschreitungen mit 61,1 dB (A) tags und 60 dB (A) nachts noch deutlicher.
19Für die Kläger zu 2. folge aus der Lärmumgebungskarte des LANUV hinsichtlich des Flurstücks 36 ebenfalls ein durchschnittlicher Schallpegel von 60 bis 65 dB (A) tags und 55 bis 60 dB (A) nachts. Gartenseitig zu den Flurstücken X und X hin erreiche der Schallpegel bereits bis zu 70 dB (A) tags. Auch hier seien auf Veranlassung des Bürgerforums Gladbeck e. V. in einem längeren Zeitraum vom 28. Januar 2016 bis zum 5. Februar 2016 Eigenmessungen durchgeführt worden. Der Messpunkt habe sich im nordöstlichen Teil des Gartens befunden. Die dabei ermittelten Tagesdurchschnitte betrügen 59,78 dB (A) und die durchschnittlichen Nachtwerte 55,98 dB (A). Zum Teil seien Spitzen von 75 dB (A) tags und 73 dB (A) nachts erreicht worden.
20Auch das von der Beklagten zu 1. eingeholte Gutachten des TÜV Nord spreche nicht gegen die von den Klägern ermittelten Lärmwerte. Es bestätigte nicht nur die Zuverlässigkeit der durchgeführten Eigenmessungen, sondern stelle z. T. sogar höhere Beurteilungspegel fest, etwa an der Südseite des ersten Obergeschosses des Hauses der Klägerin zu 1. (64 dB (A) tags, 58 dB (A) nachts) oder an der Westseite des ersten Obergeschosses des Hauses der Kläger zu 2. (61 dB (A) tags, 55 dB (A) nachts). Dies liege inmitten der Werte der Lärmkartierung und der Eigenmessungen. Die vom TÜV Nord auf Grundlage der RLS-90 ermittelten Werte seien - anders als von dem Beklagten 2. behauptet - somit sogar höher als die Werte aus der Lärmumgebungskarte.
21Es sei auch im Rahmen der Ermessensausübung zu beachten, dass die Verkehrsmengen nach den bislang bekannten Daten erheblich zunehmen werden und somit auch die Lärmimmissionen, denen sich die Kläger ausgesetzt sähen. Nach dem Erläuterungsbericht des Landesbetriebes Straßenbau NRW zur Planfeststellung für den Bau der A 52 Teil 02 AD Essen/Gladbeck sei eine Verkehrsbelastung bezogen auf den Analysezustand für das Jahr 2005 zwischen 37.000 Kraftfahrzeugen pro Tag südlich der Anschlussstelle Essen/Gladbeck und 48.000 Kraftfahrzeuge pro Tag nördlich der A2 im Stadtgebiet Gladbeck zu erwarten. Der auf Basis einer Verkehrszählung aus dem Jahre 2005 ermittelten Verkehrsprognose des Vorhabenträgers zur Planfeststellung der A 52 zufolge werde sich bezogen auf den Prognosehorizont 2025 der bisher bereits über 10 % liegende Anteil der besonders emissionskräftigen LKW am Gesamtverkehr im Prognose-Null-Fall auf 15 % erhöhen. Zudem verzeichneten alle dem Erläuterungsbericht des Vorhabenträgers zugrunde liegenden Gutachten einschließlich des seitens der Beklagten zu 2. eingeholten IVV-Gutachten 2009 für den Planfall nördlich der A 2, also im Bereich der Ortsdurchfahrt der B 224, Verkehrszuwächse von mindestens 10.000 Kraftfahrzeugen pro Tag, wobei sich der Lkw Anteil um bis zu 29 % deutlich erhöhen werde. Dies bedeute eine Steigerung der besonders lauten durch Dieselmotoren betriebenen Fahrzeuge am Verkehrsaufkommen um 50 %. Durch diese deutlich erhöhten Verkehrsmengen, insbesondere des signifikanten Anstieg des Schwerlastverkehr sowohl für den Planfall als auch den Prognose Null-Fall, seien durchgehende Lärmbelästigungen im Bereich oder gar über der grundrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle von 70 dB (A) tags und 60 dB (A) nachts zu erwarten.
22Sollte der Bund nördlich der A 2 auf dem Stadtgebiet der Beklagten zu 1. zudem ein Baurecht bekommen, sei mit einem Baubeginn der A 52 im Jahr 2024 bis 2026 zu rechnen. Die Belastungssituation für die Kläger werde sich aber auch dann nicht ändern, wenn ein Volltunnel wie im Planfeststellungsverfahren vorgesehen von der Phönix- bis zur Graben-/Landstraße gebaut werde, da dieser nördlich ihrer Grundstücke auf Höhe der Phönixstraße gelegen seien.
23Die dauerhafte Lärmsituation sei für die Kläger unerträglich und gesundheitsgefährdend. Dauerschallpegel in der vorliegend festgestellten Höhe führten zu einem erheblichen Anstieg des Risikos für Herz- und Gefäßkrankheiten, wie insbesondere den Erkenntnissen der sog. NORAH-Studie oder des Umweltbundesamtes zu entnehmen sei. Die WHO habe die Werte zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen auf unter 55 dB (A) am Tag und unter 45 dB (A) nachts verschärft. Zahlreiche biochemische und physiologische Stressreaktionen träten jedenfalls bereits ab Schallpegel von 60 dB (A) auf. Diese Reaktionen seien zusammen mit anderen Belastungsgrößen vor allem als Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen anzusehen. Bei einem Verkehrslärmpegel ab 65 dB (A) könne von einem ca. 20 % erhöhten Herzinfarktrisiko ausgegangen werden.
24Der Beklagte zu 2. setze sich nur unzureichend mit der Situation und dem Antrag der Kläger auseinander. So seien etwa deren Ausführungen überhaupt nicht geeignet, den Anspruch der Kläger auf ermessensfehlerfreie Entscheidung in Frage zu stellen. Die gemessenen Grenzwerte näherten sich bereits den von den Beklagten zu Grunde gelegten Sanierungswerten von 70 db (A) tags und 60 dB (A) nachts an bzw. erreichten diese vereinzelt sogar. Unter Berücksichtigung der die dargestellten Verkehrsprognosen sei davon auszugehen, dass diese Werte demnächst insgesamt erreicht würden.
25Auch sei die vorgeschlagene Maßnahme der Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 km/h auf 50 km/h ein geeignetes und auch im Übrigen angemessenes Mittel um die Lärmbelastung auf den Grundstücken der Kläger zu reduzieren. Davon gehe im Übrigen wohl auch die Beklagte zu 1. aus. So sei nach dem ablehnenden Bürgerentscheid von 2012 diese Maßnahme auch eine Forderung der Mehrheitskooperation im Rat gewesen, um die Verkehrssituation auf der B 224 zu verbessern. Dies könne etwa dem Antrag der Ratsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen nach § 7 der Geschäftsordnung des Rates der Beklagten zu 1. vom 5. April 2012 entnommen werden, der vom Stadtplanungs- und Stadtbauausschuss aufgenommen worden sei. Sowohl der Beklagte zu 2. als auch der Kreis Recklinghausen seien in der Vergangenheit zudem davon ausgegangen, dass „weniger Tempo = weniger Lärm“ bedeute und der Lärmpegel bei einer Geschwindigkeit über 50 km/h ansteige. Zudem gingen auch diese davon aus, dass die Lärmsituation vom LKW-Verkehr bestimmt werde, sobald dieser einen Anteil von 10 % am Gesamtverkehrsaufkommen betrage. Aus der Verkehrszählung von 2010 ergebe sich bereits ein Anteil des LKW-Verkehrs auf der B 224 von 10,8 %. Folgerichtig sei daher die Untersuchung der Schallsituation als erforderliche Maßnahme angesehen worden. Die Beklagte zu 1. habe jedoch trotz ausgewiesener Haushaltsmittel und somit trotz der grundsätzlich erkannten Notwendigkeit eines Einschreitens zunächst keine weiteren Bemühungen, insbesondere keinen Auftrag zur Erstellung eines weiteren Gutachtens, unternommen.
26Erst im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens hätte die Beklagten zu 1. – offenbar auch wegen weiterer Beschwerden von Anwohnern – das spätere Gutachten des TÜV Nord vom 11. März 2016 eingeholt. Dieses zeige, dass die Beklagten über keine aktuellen Erkenntnisse über die Art und Ausdehnung der die Kläger dauerhaft beeinträchtigenden Lärmbeeinträchtigungen verfügten. Auch hätten sie keine weitere Sachaufklärung, die sie zu einer ermessensfehlerfreien Entscheidung hätte befähigen können, betrieben, obwohl sich eine solche insbesondere auf Grund der Werte des LANUV aufgedrängt habe. In diesem Zusammenhang gehe auch die Begründung der Beklagten zu 1. vollständig ins Leere, von der Beauftragung eines Gutachters abgesehen zu haben, da Mitte 2014 bekannt geworden sei, dass ein solches im Rahmen des Planfeststellungsverfahren eingeholt werden solle. Die Planfeststellungsverfahren hätten keinen Einfluss auf die Verpflichtung der Beklagten zur ermessensfehlerfreien Entscheidung. Auch könne nicht auf eine nach dem Planfeststellungsverfahren ggf. geänderte Lärmsituation verwiesen werden, um der aktuell bestehenden Lärmsituation zu begegnen, insbesondere da eine Fertigstellung des Planvorhabens in keiner Weise prognostizierbar sei.
27Auch das eingeholte Gutachten des TÜV Nord ändere im Übrigen nichts an der Verpflichtung der Beklagten vorliegend ermessensfehlerfrei zu entscheiden. Zu dem Gutachten sei zudem zu bemerken, dass der Gutachter von unzutreffenden rechtlichen Beurteilungsgrundlagen ausgehe, indem er auf die Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes (VLärmSchRL 97) abstelle. Auch behandele er allenfalls eine Ermessensreduktion auf „null“. Insbesondere sei entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Anspruch über ermessensfehlerfreie Entscheidung über verkehrslenkende Maßnahmen regelmäßig schon bei einem Überschreiten der in § 2 Abs. 1 16. BImSchV bestimmten Grenzwerte gegeben. Soweit das Gutachten hinsichtlich des Grundstücks der Klägerin zu 1. bei der Kombination der verlangten Maßnahmen nur von einer Reduzierung von bis zu 1,4 dB (A) ausgehe, sei dies von zweifelhafter Aussagekraft. Der Gutachter lege insoweit die tatsächlichen Grundlagen nicht offen. Auch sei der Unterschied zwischen den in einer Entfernung von ca. 130 m gelegenen Grundstücken der Kläger nicht plausibel.
28Auch sei davon auszugehen, dass aufgrund der beantragten Verkehrsreglungen eine Lärmreduzierung eintreten werde. Nach den Lärmschutz-RL-StV sei im Regelfall eine Reduzierung von 3 dB (A) gefordert. Allerdings sei auch nach der Rechtsprechung der vorliegend zur Entscheidung berufenen Kammer und auch des Oberverwaltungsgerichtes NRW zu berücksichtigen, dass schon das Unterbleiben einzelner Pegelspitzen für das akustische Empfinden der Betroffenen – hier der Kläger – eine spürbare Erleichterung bedeuten könne. Es sei zu berücksichtigen, dass die durch den LKW-Verkehr verursachten Pegelspitzen überproportional in die Berechnung einflössen und somit bei einer Herausnahme dieser Spitzen durch ein Nachtfahrtverbot den Mittelungspegel deutlich herabsenken würden. Dass insbesondere nachts die maßgeblichen Werte überschritten würden, ergebe sich aus den Eigenmessungen des Bürgerforums Gladbeck e. V. und der Lärmkartierung. Letztlich folge auch aus dem Gutachten des TÜV Nord nicht anderes. So sei danach bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h in Kombination mit dem LKW-Verkehr von einer Lärmpegelreduzierung am Grundstück der Kläger zu 2. von 8,1 dB (A) auszugehen. Die Zuverlässigkeit der Eigenmessungen werde zudem auch durch die Ergebnisse des Gutachtens des TÜV Nord vom 2. Oktober 2014 gestützt, welches die Straßenverkehrsgeräusche im Bebauungsplangebiet Nr. 131 „Phönixstraße/Eichendorffstraße“ in Gladbeck untersucht habe. Die Ergebnisse dieses Gutachtens stünden aufgrund der räumlichen Nähe zur B 224 und zur A 52 in einem repräsentativen Zusammenhang mit der seitens der Kläger dargelegten Lärmkulisse. Nach den Ergebnissen des Gutachtens sei für die dort betrachteten Straßen von einem Emissionspegel für die B 224 von 75 dB (A) tags und 67,6 dB (A) nachts auszugehen. Der Gutachter komme dann auch zu dem Ergebnis, dass Lärmschutzmaßnahmen erforderlich seien. Das südliche Plangebiet liege auf Höhe des Grundstücks der Klägerin zu 1., wobei die Beurteilungspegel dort 63,00 dB (A) tags und 57 dB (A) nachts erreichten. Die von den Klägern beschriebene Lärmkulisse werde schließlich auch vom 2. Lärmaktionsplan der Beklagten zu 1. bestätigt, der die B 224 als Hauptlärmquelle im Stadtgebiet ausweise. So würden im Verlauf der B 224 von Süd nach Ost Lärmpegelüberschreitungen des Wertes 55 dB (A) nachts von 2 – 9 dB (A) ausgewiesen.
29Für den Eintritt einer Lärmreduzierung bei einer Beschränkung der maximal erlaubten Geschwindigkeit auf 50 km/h auf der B 224 spreche auch Folgendes: Es sei von Mitte 2018 bis Mitte 2019 im Gladbecker Abschnitt der B 224 wegen baulicher Mängel der Trasse und damit zusammenhängender Instandsetzungsarbeiten eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h angeordnet worden. Im Oktober 2019 habe Straßen NRW die zulässige Höchstgeschwindigkeit wieder auf 70 km/h heraufgesetzt. Im vorgenannten Zeitraum der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h habe das Bürgerforum Gladbeck e. V. Schallmessungen am Messort „C1. 8“ in 45968 Gladbeck durchgeführt. Hierbei sei ein Lärmwert pro Sekunde bei 86.400 Messpunkten pro Tag erfasst und die Ergebnisse als arithmetisches Mittel gebildet worden. Hiernach habe sich im Zeitraum vom 19. Januar 2019 bis zum 25. Januar 2019 tagsüber ein Mittelwert von 52,7 dB(A) und in den Nachtstunden ein Mittelwert von 48,5 dB(A) gezeigt. Im Vergleich zu einer früheren Schallmessung von Februar 2016 mit Mittelwerten von 56,9 dB(A) tags und 54,3 dB(A) nachts habe sich im Zeitraum der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h eine deutliche Entlastung von ca. 4 dB(A) am Tag und sogar 6 dB(A) zur besonders empfindlichen Nachtzeit gezeigt. An der Geeignetheit und auch Notwendigkeit der begehrten Maßnahme bestünden daher unter Zugrundelegung dieser Vergleichsbetrachtung keine durchgreifenden Zweifel. Das Protokoll der gesamten Auswertung der Vergleichsmessungen im Januar 2019 befinde sich in der Anlage zur Eingabe des Bürgerforums Gladbeck e.V. vom 29. Januar 2019 an die Träger öffentlicher Belange einschließlich der zustimmungsberechtigten Behörden und sei den Beklagten bekannt.
30Soweit die Beklagte zu 1. im Rahmen ihrer Güterabwägung von einer Gesamtbilanz spreche, bei der feststehen müsse, dass nicht neue Unzulänglichkeiten an anderer Stelle auftreten, sei darauf hinzuweisen, dass solche Unzulänglichkeiten vorliegend gar nicht erst dargelegt worden seien. Insoweit sei zumindest zu erwarten, dass die Beklagte zu 1. die unterschiedlichen Auswirkungen der verschiedenen Verkehrsräume hinreichend durch Tatsachen belegt darstellt. Dass eine Maßnahme nur auf der B 224 aufgrund der Geräuschemissionen der A 2 zu keiner nennenswerten Entlastung führe, wie die Beklagte zu 1. meine, sei zudem schon durch das Gutachten des TÜV Nord vom 11. März 2016 widerlegt.
31Auch im Übrigen seien die Ausführgen der Beklagten zu 1. unsubstantiiert, insbesondere ihr Hinweis, dass andere nicht näher benannte Bundesstraßen bei Anordnung der von Seiten der Kläger beantragten Maßnahmen stärker frequentiert würden. Es sei vielmehr unwahrscheinlich, dass auf der A 2 neue Unzulänglichkeiten auftreten werden, sofern die hier beantragten Maßnahmen umgesetzt würden. Zum einen sei die verlangte Geschwindigkeitsbegrenzung nicht relevant für die Lärmkulisse auf der A 2. Zum anderen seien aufgrund eines Nachtfahrverbots für LKW aufgrund des relativ zügigen Verkehrsflusses auf der A 2 keine nächtlichen Staus zu befürchten.
32Auch werde die Verkehrsfunktion der B 224 für den Fernverkehr durch die beantragten Maßnahmen nicht in Frage gestellt. Der Fern- bzw. Schwerlastverkehr könne bestehende Autobahnen nutzen, nämlich die A 53, A 2, A 31 und A 42. Der Beklagte zu 2. habe die B 224 als Bundesstraße mit Autobahncharakter vom Übergang der A 52 in die B 224 bis zur A 42 und mit Transitbedeutung nicht in Abrede gestellt, was jedoch ohnehin daraus folge, dass die Verbindung einer der wenigen Nord-Süd-Achsen im Ruhrgebiet darstelle und somit überregionale Bedeutung habe. Jedoch sei die Zurückweisung der Vermutung der Kläger, dass die B 224 als Abkürzung vom Fernverkehr genutzt werde, durch die Beklagte zu 2. nicht überzeugend. Zunächst seien die Erhebungen des Bürgerforums Gladbeck e. V. aus März 2014 zu beachten, wonach 70 % der LKWs die Trasse durch Gladbeck nicht zum Erreichen von Zielpunkten bzw. als Startpunkt nutzten. Die Herausnahme des Schwerlastverkehrs im Streckenverlauf vom Übergang der A 52 in die B 224 bis zur Anschlussstelle der A 42 führe zu einer erheblichen Reduzierung der Lärm- und Abgasbelastung für die Kläger.
33Obwohl dies nicht streitgegenständlich sei, seien auch die Ausführungen des Beklagten zu 2. zur Feinstaubbelastung zu berücksichtigen, da diese zeigten, wie fehleranfällig dessen Einschätzungen der Belastungen für die Kläger insgesamt seien. So zähle nach den näher bezeichneten und zur Verfügung stehenden Erkenntnissen die Feinstaubbelastung an der B 224 in Gladbeck zu den höchsten Belastungen in NRW. Soweit die Beklagte zu 2. von geringeren Belastungen an den Grundstücken der Kläger, als etwa an der Messstelle an der H.-----straße ausgehe, sei dies rein spekulativ. Insbesondere lägen die Grundstücke der Kläger direkt an der Trasse der B 224 und befänden sich zudem in einem geschlossenen Bebauungsbereich, so dass die entgegenstehenden Annahmen des Beklagten zu 2. schlicht unzutreffend seien.
34Auch die Funktionsweise der Navigationsgeräte sei im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. So dürfe eine angepasste Programmierung der Geräte der eigentliche Durchbruch zur Verkehrsberuhigung sein, die dann nicht nur den LKW-Verkehr, sondern auch den weiträumigen PKW-Verkehr betreffe. Sofern die beantragten Verkehrsbeschränkungen vorlägen, sei damit zu rechnen, dass dies auch in der Programmierung der Navigationsgeräte Berücksichtigung fände, mit der Folge, dass die B 224 an dieser Stelle nicht als ohnehin nur vermeintliche Abkürzung angezeigt werde. Hier könnten die entsprechenden Programmierer proaktiv durch die Beklagten, jedenfalls des Beklagten zu 2., einbezogen werden. Obwohl eine zuverlässige Verbindung über die A 52 an der Anschlussstelle Gelsenkirchen-Buer bestehe, wählten die meisten LKWs aufgrund der entsprechenden Programmierung ihrer Navigationsgeräte den vermeintlichen „Schleichweg“ über die B 224. Dadurch werde diese Strecke zur vorprogrammierten „Staufalle“. Auch werde die Umleitung des Verkehrs auf Akzeptanz stoßen, da damit ein allenfalls geringer Zeitverlust verbunden sei. So sei mit der Nutzung der B 224 für den Fernverkehr in Richtung Metropole Ruhr und Norddeutschland eine Streckenverkürzung von 5,8 km verbunden im Vergleich zur Nutzung der bestehenden Autobahnen, hier etwa der A 43 bis zum Kreuz Recklinghausen und der A 2 zwischen Kreuz Recklinghausen und Anschlussstelle Gladbeck/Essen. Für die Relation Münster – Essen sei dies sogar nur eine Verkürzung von 4,4 km. Zudem lasse sich die durch die kürzere Strecke grundsätzlich gewonnene Zeitersparnis tatsächlich aber aufgrund des regelmäßigen ampelbedingten Rückstaus des Verkehrs auf der B 224 ohnehin nicht realisieren.
35Auch der Vortrag des Beklagten zu 2. im vorliegenden Verfahren genüge nicht den Anforderungen an die ihm obliegende Darlegungslast. So werde auch von diesem lediglich unsubstantiiert ausgeführt, dass es nicht auszuschließen sei, dass sich der Verkehr in nachgeordnete Netze verlagere, ohne dass diese Netze spezifiziert würden. Es fehle auch an Tatsachenmaterial für die Prognose, dass dies zu einer deutlichen Verschlechterung der Lärmsituation innerhalb des Stadtgebiets Gladbecks führen werde. Insoweit hätte es jedenfalls schlüssiger Darlegungen bedurft, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beklagte zu 2. die besondere Verkehrsfunktion als Transitstrecke hervorhebe.
36Im Übrigen sei auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass bei einer Verlagerung des Verkehrs durch die hier beantragten Maßnahmen neue Unzulänglichkeiten an anderer Stelle entstünden, hinter denen die Belange der Kläger dann zurückstehen müssten. Aus der Lärmumgebungskarte des LANUV sei ersichtlich, dass die Mischgebiete auf beiden Seiten der A 2 bereits mit 65 – 70 dB (A), vereinzelt sogar 75 dB (A) tagsüber beschallt würden. Nachts betrage die Lärmvorbelastung der Mischgebiete überwiegend 55 - 60 dB (A), vereinzelt sogar bis 65 dB (A), so dass auch die Grenzwerte der 16. BImSchV deutlich überschritten würden. Auch eine wahrnehmbare Pegeländerung von 3 dB (A) werde durch die beantragten Maßnahmen nicht hervorgerufen. Dafür sei eine Verdoppelung des Schwerlastverkehrs erforderlich, wobei es vorliegend keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass eine solche eintreten werde.
37Zudem würden die Umleitungen nicht nur im Bereich der A 2, sondern auch der Autobahnkreuze A 2/A 43 und A 52/A 43 anzusetzen haben, wobei diese den aus der B 224 herausgenommenen Schwerlastverkehr entflechten würden. Es werde auch dem Vortrag widersprochen, dass eine Umleitungsbeschilderung als solche nicht ausreiche, um eine Umfahrung des LKW-Verkehrs zu gewährleisten. Insbesondere nutze der Schwerlastverkehr die B 224 lediglich als Abkürzung, um auf die A 2 zu gelangen. Da - wie bereits ausgeführt- die Abkürzung, wenn überhaupt nur eine geringe Zeitersparnis bringe, sei diese nicht geeignet, die Leichtigkeit des Verkehrs zu beeinträchtigen. Zudem könne auch an den Autobahnkreuzen auf ein Nachtfahrverbot für LKWs auf der B 224 durch den insoweit zuständigen Beklagten zu 2. hingewiesen werden. Dies würde nicht nur dessen Durchsetzbarkeit erhöhen, sondern auf einen flüssigen und störungsfreien Verkehrsablauf hinwirken.
38Auch der Einwand, dass straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen nicht zu einer Beschränkung der Widmung führen dürften, gehe in seiner Allgemeinheit fehl. Weder die Verkehrsbedeutung noch die funktionsgerechte Nutzung der Straße schließe solche Maßnahmen von vornherein aus. Insoweit sei - wie aus der zitierten Rechtsprechung ersichtlich sei - die Überlagerungs- und Verdrängungsfähigkeit der Widmung auch auf Bundesstraßen dem Grunde nach anerkannt, wobei die Bestimmung der Grenze im Einzelfall schwierig sei. Insofern habe die zuständige Behörde zu prüfen, welche Maßnahmen geeignet seien, die Lärmbelastung für die Anwohner spürbar zu verringern, ohne die Verkehrssicherheit zu gefährden, ohne Anwohner anderer Straßen zu belasten und ohne die Möglichkeit einer funktionsgerechten Nutzung der Straße ernsthaft in Zweifel zu ziehen, wobei sie auf die für die jeweilige Fernstraße getroffene Nutzungsentscheidung des Bundes die gebotene Rücksichtnahme in der Weise nehmen müsse, dass die vom Bund vorgegeben Konzeption des Fernstraßenverkehrs durch das konkrete Verbot nicht in Frage gestellt werde. Diesen Abwägungserfordernissen werden die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten insbesondere im Hinblick auf die Gefährdungssituation der Kläger nicht gerecht. Insbesondere werde die Konzeption des Fernstraßenverkehr des Bundes durch die von den Klägern eingeforderten Maßnahmen berücksichtigt, da der Fernverkehr in zumutbarer Weise die umliegenden Autobahnen, namentlich die A 43, A 2, A 42 und A 31 nutzen könne.
39Sofern die Beklagte zu 1. ausführe, dass die von den Gutachtern im Planfeststellungsverfahren zu Teilabschnitt 02 der Ausbauplanung zur A 52 erstellten Lärmprognosen den Teilabschnitt 03 der Planung nicht beträfen und somit auch nicht den Verkehr auf der derzeitigen B 224, sei dem entgegenzutreten. Dies sei bereits unzutreffend, da eine Vielzahl von Straßenzügen sich in den von den Gutachten aufgegliederten Untersuchungsgebieten nördlich der A 2 und somit im Teilabschnitt 3 der Ausbauplanung befänden, darunter auch der Straßenzug, in welchem die Kläger wohnten. Dass diese Annahme der Beklagten zu 1. nicht zutreffend sei, folge auch daraus, dass diese Gutachten auf das Gutachten der Ingenieurgesellschaft Stolz mbH vom 29. März 2018 Bezug nähmen. Dieses zuletzt genannte Gutachten definiere den Planfall 01, welches ausdrücklich auch das Gebiet der bestehenden B 224 nördlich der A 2 umfasse. Diese Verkehrsprognose gehe also vom Vollausbau der B 224 zur A 52 vom Autobahnkreuz Essen-Nord bis zur Anschlussstelle Gelsenkirchen-Buer-West aus.
40Es sei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass zu dem Teilabschnitt 03 derzeit nicht einmal eine Vorplanung vorliege. Dadurch, dass der erweiterte Planfeststellungsumfang in den Gutachten zugrunde gelegt werde, sei die Lärmprognose aufgrund der besonderen Lage der Straße C1. zu Gunsten der Kläger zu relativieren. Nur wenn der Teilabschnitt in Form einer Durchstreckung des Ausbaus der A 52 nördlich der A 2 durch das Stadtgebiet der Beklagten zu 1. tatsächlich realisiert würde, könne es im Bereich der Autobahnabfahrt am Dreieck Essen/Gladbeck, sofern diese Dreieck als Autobahnkreuz ausgestaltet werde, in Richtung Norden und entlang des C1. zur Verflüssigung der Verkehre kommen. Ansonsten bliebe es bei der Situation, dass die Abfahrt vom im Teilabschnitt 02 geplanten Autobahndreieck in das Stadtgebiet auf der Bestandstraße der B 224 und damit auf plangleich beampelte Kreuzungen führe. Hierdurch würde sich der Verkehr im Bereich C1. wesentlich stockender und angesichts der enormen Verkehrsdichte als stauanfällig darstellen im Vergleich zu dem in der schalltechnischen Untersuchung angenommenen Vollausbau. Die Belastung der klägerischen Grundstücke dürfte also in diesem Falle – wie auch jetzt – erheblich höher sein als in den Lärmprognosen beschrieben. Zudem wirke sich nach allgemeiner Erfahrung eine Vielzahl von Anfahr- und Beschleunigungsvorgängen erheblich nachteilig auf die Lärmkulisse aus. Vor diesem Hintergrund sei auch kritisch zu bewerten, ob die von der schalltechnischen Untersuchung mit Lärmschutzmaßnahmen prognostizierte knappe Einhaltung der Grenzwerte mit 59 db (A) tags auch für den Fall angenommen werden könne, dass der Ausbau der B 224 und A 52 zunächst oder endgültig nur in den Teilabschnitten 01 und 02 erfolge.
41Jedenfalls führten auch die von der schalltechnischen Untersuchung ermittelten Werte der Beurteilungspegel zu einer teils erheblichen Überschreitung der Immissionsgrenzwerte Tag und Nacht an den Wohnhäusern und Außenbereichen der Grundstücke der Kläger. Die Prognose ohne die Lärmschutzmaßnahmen bilde die tatsächlichen Verhältnisse ab und bilde ein gewichtiges Indiz dafür, dass die maßgeblichen Grenzwerte der 16. BImSchV überschritten würden. Jedenfalls aber zeige die schalltechnische Untersuchung, dass auch für den Fall des Vollausbaus der A 52 eine Überschreitung der für die Nacht geltenden Grenzwerte an den Grundstücken der Kläger überschritten werde. Damit würden im Übrigen auch die von den Klägern vorgelegten Eigenmessungen, die Ergebnisse der Lärmumgebungskarte des LANUV und der Gutachten des TÜV Nord aus Oktober 2014 und März 2016 ausdrücklich erhärtet. Aus den Erläuterungen zur schalltechnischen Untersuchung gehe hervor, dass die Kläger sowie zahlreiche andere betroffene Anwohner im C1. Anspruch auf passive Lärmschutzmaßnahmen hätten. Auch dies zeige, dass bei einem Vollausbau die maßgeblichen Grenzwerte dauerhaft überschritten würden. Der Gutachter, der in der Sonderratssitzung der Beklagten zu 1. am 13. August 2020 die Ergebnisse der schalltechnischen Untersuchungen vorgestellt habe, habe diesen Bereich daher als den am härtesten und schwersten betroffenen Bereich bezeichnet, der schalltechnisch schwer abzustimmen sei.
42Es sei auch das Bescheidungsbegehren der Kläger stützende Teilergebnis der verkehrstechnischen Untersuchung hervorzuheben, wonach die Verkehrsbelastung am Werktag im Schwerverkehr im Bereich der Siedlung C1. auf der B 224 deutlich höher sei als im südlich der A 2 gelegenen Abschnitt der B 224. Dies als zutreffend unterstellt, müsse auch dieser besonderen Belastung im Rahmen des geltend gemachten Bescheidungsanspruchs Rechnung getragen werden.
43Auch die Auswirkungen auf die Lärmkulisse im Außenbereich des Grundstücks der Klägerin zu 1, am C1. 26, ergebe sich aus den Prognosedaten der Untersuchungen der INVER mbH. Danach seien ohne Lärmschutzmaßnahmen Werte von 66 dB (A) tags für den Terassenbereich und den Garten bestimmt worden. Gesundes Wohnen umfasse auch die Nutzung des Außenbereiches, insbesondere die Möglichkeit der ungestörten Kommunikation. Dies sei nach den festgestellten Werten jedoch nicht gegeben.
44Schließlich können die Beklagten auch nicht damit gehört werden, dass die derzeit anhängigen Planfeststellungsverfahren die Lärmkulisse verändern könnten. Diese Verfahren hätten - wie bereits erwähnt - keinerlei Einfluss auf die hier zu treffende ermessensfehlerfreie Entscheidung. Der Verweis auf diese Verfahren könne insbesondere keine sachgerechte Ermessensbetätigung zur Bewältigung der derzeitigen Lärmproblematik sein.
45Die Kläger beantragen,
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1. die Beklagte zu 1. zu verpflichten, die Anträge der Kläger vom 30. Juli 2015 und 26. Januar 2016 auf Anordnung verkehrsregelnder Maßnahmen zum Zwecke der Lärmminderung wie z.B. eines Nachtfahrverbots für LKW-Durchgangsverkehrs sowie eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h auf der Bundesstraße 224 in Gladbeck zwischen dem Anschluss an die Bundesautobahn 2 und der Kreuzung mit der Bohmertstraße/Phönixstraße unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden,
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2. den Beklagten zu 2. unter Aufhebung seines Bescheides vom 20. August 2015 zu verpflichten, die Anträge die Kläger vom 30. Juli 2015 und 26. Januar 2016 auf weiträumige Umleitung des LKW-Durchgangsverkehrs auf der B 224 in Gladbeck über die Bundesautobahn A 2, A 43, A 42 und A 31 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Die Beklagte zu 1. beantragt,
51die Klage abzuweisen.
52Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass die Kläger zwar einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ihres Antrags hätten, diesem Anspruch aber genügt worden sei. Insoweit dürfte unstreitig sein, dass hier die Richtwerte für allgemeine Wohngebiete heranzuziehen seien, da es sich vorliegend um ein faktisches Wohngebiet handele. Bei der Frage der Zumutbarkeit von Lärmeinwirkungen sei nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes als auch des Oberverwaltungsgerichtes NRW zu berücksichtigen, wie schutzbedürftig bzw. schutzwürdig die Anlieger seien und auch das Vorhandensein bzw. Fehlen einer Lärmvorbelastung zu beachten. Dabei sei insbesondere auch einzustellen, ob der die Lärmeinwirkungen auslösende Verkehr die Straßen funktionsgerecht oder funktionswidrig in Anspruch nehme. Insoweit seien Anlieger einer Ortserschließungsstraße nicht mit den Anliegern einer Bundesfernstraße, Landesstraße bzw. Kreisstraße aufgrund der unterschiedlichen Verkehrsbedeutung vergleichbar. Zudem sei auch zu berücksichtigen, inwieweit verkehrsbedingten Immissionen durch geeignete passive Lärmschutzmaßnahmen begegnet werden könne, insbesondere durch Lärmschutzfenster mit geeigneten Lüftungseinrichtungen.
53Zudem seien die das Ermessen lenkenden und für sie, die Beklagte zu 1., grundsätzlich verbindlichen Lärmschutz-RL-StV zu beachten. Nach Ziffer 1. 4. Lärmschutz-RL-StV sollen straßenverkehrsrechtliche Lärmschutzmaßnahmen nicht losgelöst von baulichen oder planerischen Lärmschutzmaßnahmen der Straßenbaubehörden oder der Gemeinden angeordnet werden. Sie sollen kein Ersatz für technisch mögliche und finanziell tragbare bauliche oder andere Maßnahmen – auch aktive und/oder passive Lärmschutzmaßnahmen – seien, sondern in ein Konzept zur Lärmbekämpfung eingebunden werden.
54Unter Beachtung der gebotenen Abwägungsentscheidung seien die Voraussetzungen für ein Einschreiten durch die beantragte Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung sowie die Anordnung eines Nachtfahrverbotes für LKWs nicht gegeben. Zunächst seien die nach Ziffer 2.1. Lärmschutz-RL-StV maßgeblichen Richtwerte ausweislich des Gutachtens des TÜV Nord nicht überschritten. Zudem beruhe die Verkehrsbelästigung der Kläger in einem erheblichen Umfang auch auf den durch die A 2 bedingten Verkehrslärm. Eine nennenswerte Entlastung durch verkehrslenkende Maßnahmen auf der B 224 sei daher nicht zu erwarten. Zudem sei die B 224, wie auch aus einer Stellungnahme des Kreises Recklinghausen vom 18. Juli 2012 ersichtlich sei, eine Straße mit Transitbedeutung. Der den Lärm auslösende Verkehr werde durch die Straße funktionsgerecht aufgenommen. Es handele sich letztlich um eine Ortsdurchfahrt mit überörtlicher Bedeutung. Daher sei die der Verkehrsbedeutung der Straße entsprechende Verkehrsbelastung grundsätzlich hinzunehmen. Bei einer zeitweisen (nächtlichen) Sperrung der B 224 für LKW über 7,5 t sei Gladbeck für diesen Verkehr nur unter erheblichen Schwierigkeiten passierbar. Es blieben dann im Wesentlichen nur die Autobahnen A 43 und A 31 als alternative Routen zur Umfahrung der Sperrung. Diese Autobahnen verliefen jedoch zum einen westlich und zum anderen östlich in einigen Kilometern Entfernung von Gladbeck, so dass den LKW-Verkehr nicht unerhebliche Umwege zugemutet würden. Zudem müssten LKW, die Gladbeck meiden müssten, voraussichtlich Umwege über andere Bundestraßen in Kauf nehmen, um ihr Ziel über die A 31 bzw. A 43 zu erreichen. Dadurch würde der Verkehr auf andere stark frequentierte Bundesstraßen verlagert.
55Der Beklagte zu 2. beantragt,
56die Klage abzuweisen.
57Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass aufgrund der festgestellten Lärmimmissionswerte die Kläger zwar einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hätten. Diesen Anspruch habe er jedoch erfüllt. So seien in der zutreffenden Abwägungsentscheidung die Belange der betroffenen Anlieger einerseits sowie die Belange des Straßenverkehrs und Verkehrsteilnehmer einzustellen. Dabei sei andererseits zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes NRW, Urteil vom 1. Juni 2005, 8 A 2350/04, sogar dann von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen abgesehen werden könne, wenn dies mit Rücksicht auf die damit verbundenen Nachteile gerechtfertigt erscheine.
58Für die Beurteilung der Zumutbarkeit sei insbesondere zu prüfen, ob der den Lärm auslösende Verkehr die betroffenen Straßen funktionsgerecht oder -widrig in Anspruch nehme. Denn eine der Verkehrsbedeutung der Straße entsprechende Verkehrsbelastung sei grundsätzlich hinzunehmen. Bei der B 224 handele es sich um eine Bundesstraße des Fernverkehrs, weshalb die Nutzung durch den überörtlichen LKW-Verkehr einen bestimmungsmäßen Gebrauch darstelle. Bundesstraßen dienten nämlich insbesondere auch der Bündelung des Güterverkehrs. Daher liege nach der v. g. Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts die Zumutbarkeitsschwelle von Anliegern an eine solche Straße (einschließlich der Ortsdurchfahrten) wegen ihrer der Widmung entsprechenden Verkehrsbedeutung höher als für Anlieger einer Ortserschließungsstraße.
59Gemäß Ziffer 1. 3. Lärmschutz-RL-StV, an welche die Behörden bei der Planung und Durchführung von Lärmsanierungen gebunden seien, schieden straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen als Mittel zur Lärmbekämpfung dort aus, wo sie die Verhältnisse nur um den Preis von Unzulänglichkeiten anderer Stelle verbessern könnten, die im Ergebnis zu einer schlechteren Gesamtbilanz führten, etwa weil sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigten oder durch Veränderungen der Verkehrsströme noch gravierendere Lärmbeeinträchtigungen von Anliegern anderer Straßen zur Folge hätten.
60Durch die von den Klägern geforderte weiträumige Umleitung des Verkehrs würden die Verkehrsteilnehmer zunächst gezwungen, Umwege in Kauf nehmen, die durch die B 224 gerade verhindert werden sollten. Zudem werde dadurch der Schwerlastverkehr auf andere Bundesautobahnen verlagert, wie die A 2 und A 42. Diese Strecken seien jedoch ohnehin stark belastet und kaum mehr in der Lage, den zusätzlichen LKW-Anteil der B 224 aufzunehmen, wodurch die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf den umliegenden Autobahnen erheblich beeinträchtigt würde. Weiterhin sei nicht auszuschließen, dass sich der Verkehr in die nachgeordneten Verkehrsnetze verlagere, um weiträumige Umfahrungen über andere stark belastete Bundesstraßen zu vermeiden. Dies würde dann zu einer deutlichen Verschlechterung der Lärmsituation innerhalb des Stadtgebietes in Gladbeck führen, wobei die innerörtlichen Straßen den Verkehr ohnehin nicht aufnehmen könnten.
61Auch könne eine reine Umleitungsbeschilderung nicht dazu führen, dass die B 224 entlastet werde, da viele diese Strecke nicht lediglich auf Empfehlung ihres Navigationsgerätes, sondern aufgrund eigener Ortskenntnis nutzen würden. Das Begehren der Kläger könne daher nur durch eine Beschränkung des Verkehrs im Wege eines Durchfahrtsverbots für den LKW-Verkehr erreicht werden. Da Verkehrsteilnehmern, die, sofern sie sich auf die B 224 von der A 52 oder A 2 kommend zubewegten, keine Umkehrmöglichkeit bleibe, müsse die Anordnung vielmehr den gesamten Bereich des Autobahnkreuzes Recklinghausen A 2/A 43, des Autobahndreiecks Bottrop A 2/A 31 sowie des Autobahnkreuzes Marl-Nord A 43 / A 52 erfassen. Verkehrsverbote seien jedoch ausdrücklich nicht zulässig auf u. a. Autobahnen, Kraftfahrtstraßen und autobahnähnlichen Straßen nach Ziffer 3.4. Lärmschutz-RL-StV. Die B 224 stelle zudem eine autobahnähnliche Kraftfahrstraße dar. Eine Beschränkung widerspreche somit auch der erheblichen Verkehrsbedeutung der B 224.
62Demgegenüber seien die Kläger und deren Schutzwürdig- bzw. Schutzbedürftigkeit als gering einzustufen. Auch hierfür seien die Lärmschutz-RL-StV, hier Ziffer 2. 1. heranzuziehen. Danach komme eine verkehrsrechtliche Maßnahme insbesondere dann in Betracht, wenn der vom Straßenverkehr herrührende Beurteilungspegel für rein und allgemeine Wohngebiete die Richtwerte von 70 dB (A) tags und 60 dB (A) nachts überschreite. Diese würden vorliegend, wie aus dem Gutachten des TÜV Nord folge, nicht überschritten.
63Es treffe zwar zu, dass die von den Klägern angesprochenen Verkehrsprognosen von einer zukünftigen Erhöhung des LKW-Verkehrsanteils ausgingen, jedoch könnten Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 StVO nur nach dem Ist-Zustand beurteilt werden. Die vorhandenen Werte unterschritten die maßgeblichen Richtwerte durchweg.
64Zudem widerspreche das Klagebegehren dem Vorbehalt des Straßenrechtes. Danach dürften straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen nicht zu einer Beschränkung der Widmung führen. Die Voraussetzungen für die Beschränkung des Gemeingebrauchs gem. § 7 Abs. 2 FStrG seien nicht gegeben. Auch komme eine dauerhafte Beschränkung des LKW-Verkehrs einer straßenrechtlichen Teileinziehung gleich.
65Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
66Entscheidungsründe:
67Die zulässigen Klagen haben lediglich in dem aus den Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
68Die als Verpflichtungsklagen statthaften Klagen sind zulässig. Dass die Anträge der Kläger zu 2. vom 26. Januar 2016 von den Beklagten bislang nicht förmlich beschieden worden sind, ist unschädlich. Dies gilt auch im Hinblick auf den von der Beklagten zu 1. nicht förmlich beschiedenen Antrag der Klägerin zu 1. vom 30. Juli 2015. Die Verpflichtungsklage ist, wenn ein Ablehnungsbescheid nicht ergangen ist, als Untätigkeitsklage statthaft. Die Untätigkeitsklage zielt in diesem Fall zunächst auf den Erlass eines unterlassenen Verwaltungsaktes.
69Vgl. BeckOK VwGO/Schmidt-Kötters, 54. Ed. 1.10.2019, VwGO § 42 Rn. 65.
70Nach der Ablehnung aller Anträge der Kläger durch die Beklagten im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens konnten die Kläger ihre Klagen im Einklang mit § 91 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entsprechend § 264 der Zivilprozessordnung (ZPO) ihre Klageanträge auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts umstellen.
71Die Klage hinsichtlich des Antrages zu 1. ist begründet. Die Ablehnung der Anträge der Kläger durch die Beklagten zu 1. ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Die Kläger haben nach der hier maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung,
72vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juni 2019 – 8 B 821/18 –, juris m. w. N.
73einen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Anträge auf verkehrslenkende Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StVO unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
74Die Beklagte zu 1. ist insbesondere zuständig für die nach § 45 StVO zu treffende Entscheidung über verkehrsbeschränkende Maßnahmen auf der B 224, soweit diese – wie hier – durch ihr Stadtgebiet führt. Nach § 44 Abs. 1 StVO sind zuständig zur Ausführung der StVO, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Straßenverkehrsbehörden. Nach § 10 Abs. 1 Verordnung über Zuständigkeiten im Bereich Straßenverkehr und Güterbeförderung (ZustVO-StV NRW) sind für Maßnahmen nach § 45 StVO in Mittleren und Großen kreisangehörigen Städten die örtlichen Ordnungsbehörden dieser Städte zuständig. Nach § 10 Abs. 2 ZustVO-StV NRW sind für Anordnungen nach § 45 StVO zur Anbringung und Entfernung von Verkehrszeichen und -einrichtungen auf Autobahnen ausschließlich die Regierungspräsidenten zuständig. Die Beklagte zu 1. ist gem. § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Großen kreisangehörigen Städte und der Mittleren kreisangehörigen Städte nach § 4 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen eine Große kreisangehörige Stadt. Die Zuständigkeit der Beklagten zu 1. wird im Übrigen in Ziffer 3 der Zuständigkeit und Zustimmungspflicht für die Anordnung und Entfernung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (RdErl. d. Ministeriums für Verkehr, Energie und Landesplanung - III B 3 - 78-45/2 - v. 31.7.2003) erwähnt. Auch dürften insoweit etwaige Zustimmungsvorbehalte nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO), dort zu § 45 StVO – Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen, III. Nr. 1 – 5, im Zusammenhang mit der Anordnung zur Anbringung und Entfernung von Verkehrszeichen nach § 45 StVO entfallen (vgl. Ziffer 5 der Verwaltungsvorschrift . 31.7.2003).
75Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruches nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StVO liegen vor. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.
76Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen – vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Ausnahmen nach Satz 4 bis 6 und Abs. 10 – nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt (Abs. 9 Satz 3). Hierdurch wird § 45 Abs. 1 (bzw. Abs. 1a) StVO nicht ersetzt, sondern lediglich modifiziert.
77Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juni 2019 – 8 B 821/18 –, juris m. w. N.
78Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO können insbesondere in der Streckenführung, dem Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingten Einflüssen (z. B. Nebel, Schnee- und Eisglätte), der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein. Das Vorliegen einer Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO bestimmt sich nicht allein nach einem Aspekt, sondern wird von einer Gemengelage verschiedener Faktoren beeinflusst. Ihre Annahme setzt nicht voraus, dass sich ein Schadenfall bereits realisiert hat. In den regelmäßig vorliegenden Fällen, dass es bei der Verkehrsbeschränkung bzw. dem Verkehrsverbot um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben und bedeutende Sachwerte geht, wird auch eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO nicht gefordert. Entscheidend ist vielmehr, ob die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder Strecke der Straße eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefahrenlage im Hinblick auf die durch § 45 StVO geschützten Rechtsgüter (z. B. Sicherheit des Straßenverkehrs, Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm) darstellt und die Befürchtung nahe liegt, dass ohne eine gefahrmindernde Tätigkeit der Straßenverkehrsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dort Schadensfälle eintreten werden.
79Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juni 2019 – 8 B 821/18 –, juris m. w. N.
80Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken auch zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Die Grenze der zumutbaren Lärmbelastung, bei deren Überschreitung ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO besteht, ist nicht durch auf Rechtsetzung beruhende Grenzwerte festgelegt. Auch durch die in den Lärmschutz-RL-StV,
81vgl. VkBl 2007, S. 767 – 771,
82enthaltenen Schallpegel wird diese Grenze nicht bestimmt. Ebenso wenig können die Vorschriften der 16. BImSchV bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbelastung im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO unmittelbar angewendet werden. Diese Verordnung bestimmt durch Festlegung von Immissionsgrenzwerten die Schwelle der Zumutbarkeit von Verkehrslärm nämlich nur für den Bau und die wesentliche Änderung u.a. von öffentlichen Straßen (vgl. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1). Desgleichen gelten die Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes lediglich für planerische Maßnahmen bei der Linienführung und Trassierung (Lärmschutz durch Planung), für bauliche Maßnahmen an der Straße (aktiver Lärmschutz) und an lärmbetroffenen baulichen Anlagen (passiver Lärmschutz) beim Neubau und bei der wesentlichen Änderung von Straßen (Lärmvorsorge) und zur Verminderung der Lärmbelastung an bestehenden Straßen (Lärmsanierung) sowie für die Entschädigung wegen verbleibender Beeinträchtigungen. Demgegenüber geht es bei § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO um straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen des Lärmschutzes für bestehende Straßen.
83Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 21. März 2012 – 11 B 10.1657 –, juris
84Die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV können jedoch im Anwendungsbereich des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO als Orientierungshilfe für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze, deren Überschreitung die Behörde zur Ermessensausübung verpflichtet, herangezogen werden. Die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung bringen ganz allgemein die Wertung des Normgebers zum Ausdruck, von welcher Schwelle an eine nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung der jeweiligen Gebietsfunktion, zumindest auch dem Wohnen zu dienen, anzunehmen ist. Eine Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung ist danach jedenfalls ein Indiz dafür, dass die Lärmbelastung auch die Zumutbarkeitsschwelle in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht nicht erreicht. Umgekehrt kommt bei einer Überschreitung dieser Immissionsgrenzwerte eine zur fehlerfreien Ermessensausübung verpflichtende Überschreitung der straßenverkehrsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle in Betracht.
85Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. April 2019 – 7 A 11622/18 –, juris.
86Dabei sind die maßgeblichen Beurteilungspegel nicht durch örtliche Schallmessungen zu ermitteln, sondern nach Maßgabe der Anlage 1 zu § 3 der 16. BImSchV bzw. gemäß den RLS-90 entsprechend dem allgemeinen Rundschreiben des Bundesministers für Verkehr vom 10. April 1990 in der Fassung der Berichtigung vom 18. März 1992 zu berechnen. Die Berechnung der Beurteilungspegel kann nicht durch Lärmmessungen ersetzt werden. Ein direkter Vergleich rechnerischer Werte mit gemessenen Werten ist nicht möglich. Die Berechnung trägt darüber hinaus dem Umstand Rechnung, dass direkte Lärmmessungen vor Ort abhängig von der Witterungslage, den konkreten Verkehrsströmen und anderen Einflussfaktoren unterschiedliche und nicht repräsentative Ergebnisse hervorbringen können. Nur die Anwendung eines einheitlichen Berechnungsverfahrens führt insoweit zu aussagekräftigen und vergleichbaren Werten.
87Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2018 – 8 A 1247/16 –, juris.
88Die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV dienen bei der Beurteilung der zumutbaren Lärmbelastung der Wohnbevölkerung im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO als Orientierungshilfe, ab welcher Schwelle regelmäßig von einer erheblichen Immissionsbelastung auszugehen ist, die dem Einzelnen einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über straßenverkehrsbeschränkende Maßnahmen einräumt. Werden die in Nr. 2.1 Lärmschutz-RL-StV aufgeführten Richtwerte überschritten, kann sich das Ermessen der Behörde zur Pflicht zum Einschreiten verdichten. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist aber auch dann nicht zwangsläufig gegeben.
89Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2018 – 8 A 1247/16 –, juris.
90Bei erheblichen Lärm- oder Abgasbeeinträchtigungen müssen die verkehrsberuhigenden oder verkehrslenkenden Maßnahmen entgegenstehenden Verkehrsbedürfnisse schon von einigem Gewicht sein, wenn mit Rücksicht auf diese Belange ein Handeln der Behörde unterbleibt. Die zuständige Behörde darf jedoch selbst bei erheblichen Lärm- oder Abgasbeeinträchtigungen von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen absehen, wenn ihr dies mit Rücksicht auf die damit verbundenen Nachteile gerechtfertigt erscheint.
91Vgl. VG Würzburg, Urteil vom 20. März 2019 – W 6 K 17.1463 –, juris m. w. N.
92Umgekehrt ermöglicht § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO Schutz vor Verkehrslärm nicht erst dann, wenn dieser einen bestimmten Schallpegel überschreitet; es genügt vielmehr, dass der Lärm Beeinträchtigungen mit sich bringt, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden muss. Maßgeblich für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist jedoch letztlich eine wertende Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände.
93Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 11 A 1648/06 –, juris; vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. August 2019 – OVG 1 N 104.17 –, juris; vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. April 2019 – 7 A 11622/18 –, juris.
94Nach diesen Maßstäben ist zunächst festzustellen, dass die Kläger auf ihren Grundstücken erheblichen Verkehrslärmbelästigungen ausgesetzt sind. Diese Grundstücke liegen in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil, dessen Eigenart und die der näheren Umgebung einem reinen bzw. allgemeinen Wohngebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung entsprechen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV ist zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche sicherzustellen, dass der Beurteilungspegel in reinen und allgemeinen Wohngebieten die Immissionsgrenzwerte von 59 dB (A) tags und 49 dB (A) nachts nicht überschreitet. Nach 2.1. Lärmschutz-RL-StV kommen verkehrsrechtliche Lärmschutzmaßnahmen insbesondere im Betracht, wenn der vom Straßenverkehr herrührende Beurteilungspegel am Emissionsort im reinen und allgemeinen Wohngebieten den Richtwert von 70 dB (A) tags und 60 dB (A) nachts überschreitet. Nach den auf Grundlage des Teilstückverfahrens der RLS-90 ermittelten Feststellungen des Gutachtens des TÜV Nord vom 11. März 2016 betragen die Beurteilungspegel am Haus der Klägerin zu 1. an den sechs Messpunkten zwischen 58 und 64 dB (A) tags und zwischen 52 und 59 dB (A) nachts. Die Beurteilungspegel am Haus der Kläger zu 2. betragen an den sechs Messpunkten zwischen 58 und 61 dB (A) tags und zwischen 52 und 55 dB (A) nachts. Die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV niedergelegten Grenzwerte werden somit an den Grundstücken der Kläger überschritten, wobei die in 2.1. Lärmschutz-RL-StV festgelegten Grenzwerte nicht, für nachts jedenfalls noch nicht überschritten werden. Dass die Kläger Verkehrslärmbelästigungen im Ausmaß der vorgenannten Feststellungen ausgesetzt sind, wird auch durch die vorgenommenen Eigenmessungen des Bürgerforums Gladbeck e. V. zur Lärmbelastung an den Wohnhäusern der Kläger vom November 2015 und Januar/Februar 2016 sowie den Ergebnissen der im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zum Ausbau der A 52 angestellten schalltechnischen Untersuchungen der INVER GMBH aus Dezember 2019, in welchen Lärmbelastungen auch für die Wohnhäuser der Kläger ermittelt wurden, belegt.
95Die Kläger haben somit grundsätzlich, was von den Beklagten auch nicht bestritten wird, einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag. Sind die Voraussetzungen nach § 45 Abs. 1 und Abs. 9 StVO - wie hier - gegeben, was in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt, verbleibt der Behörde für ihre Entscheidung, ob und wie sie eingreifen will, ein Ermessensspielraum, der nur beschränkt überprüfbar ist (§ 114 Satz 1 VwGO).
96Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juni 2019 – 8 B 821/18 –, juris m. w. N.
97Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung muss die Behörde eine Gesamtbilanz der Folgen unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls vornehmen. Zu prüfen ist etwa, ob die Verhältnisse nur um den Preis gebessert werden können, dass an anderer Stelle neue Unzuträglichkeiten auftreten. Bei der Entscheidung über die Anordnung von Maßnahmen zum Schutz von Anliegern hat die zuständige Behörde daher neben den Interessen der Betroffenen auch die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer sowie die Interessen der Anlieger anderer Straßen zu würdigen. Maßgeblich ist auf die gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit sowie auf das Vorhandensein bzw. Fehlen einer Lärm- oder Abgasvorbelastung abzustellen. Von einer Maßnahme kann umso eher abgesehen werden, je geringer der zu beseitigende Missstand ist. Umgekehrt müssen bei erheblichen Missständen die entgegenstehenden Interessen von einigem Gewicht sein, wenn mit Rücksicht auf diese eine Maßnahme unterbleiben soll.
98Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juni 2019 – 8 B 821/18 –, juris m. w. N.
99Das Gericht darf die getroffene Entscheidung nur anhand derjenigen Erwägungen überprüfen, die die Behörde angestellt hat. Tragen diese Erwägungen nicht, so ist die Entscheidung rechtswidrig und muss aufgehoben werden. Das Verwaltungsgericht ist hingegen nicht befugt, die behördliche Entscheidung aus Gründen, die für die Verwaltung nicht oder nicht allein ausschlaggebend waren, im Ergebnis aufrecht zu erhalten oder sich aus Erwägungen, welche die Behörde (noch) nicht angestellt hat, an die Stelle der Behörde setzen und das Ermessen selbst ausüben.
100Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. August 2019 – OVG 1 N 104.17 –, juris.
101Die von der Beklagten zu 1. angestellten Ermessenserwägungen vermögen ihre Entscheidung nicht in rechtlich hinreichendem Maße zu tragen. Sofern sie ihre ablehnende Entscheidung im Wesentlichen auf die Verkehrsbedeutung der B 224 und die funktionsgerechte Nutzung der Bundesstraße durch den vorhandenen Verkehr stützt, genügt dies den Anforderungen an eine rechtmäßige Ermessensausübung nicht. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass weder die Verkehrsfunktion der B 224 als Bundesstraße selbst noch der Umstand, dass die Lärmbelästigung durch die dem Grunde nach funktionsgerechte Nutzung der Straße ausgelöst wird, die Anordnung verkehrsrechtlicher Maßnahmen von vornherein ausschließt. Insofern ist jedenfalls dem Grunde nach die Überlagerungs- und Verdrängungsfähigkeit straßenverkehrsrechtlicher Anordnungen zu Lasten der Widmung und des widmungsmäßigen Verkehrs auch auf Bundesstraßen anerkannt, wobei die Bestimmung ihrer Grenze im Einzelfall rechtlich problematisch sein kann. Insofern hat die im Einzelfall berufene Straßenverkehrsbehörde bei dieser Konstellation im Einzelnen zu prüfen, welche Maßnahmen geeignet sind, die Lärmbelastung für die Anwohner spürbar zu verringern, ohne die Verkehrssicherheit zu gefährden, ohne Anwohner anderer Straßen über Gebühr zu belasten und ohne die Möglichkeit einer funktionsgerechten Nutzung der Straße ernsthaft in Zweifel zu ziehen, wobei sie auf die für die jeweilige Fernstraße getroffene Nutzungsentscheidung des Bundes die gebotene Rücksicht nehmen muss in der Weise, dass die vom Bund vorgegebene Konzeption des Fernstraßenverkehrs durch das konkrete Verbot nicht in Frage gestellt wird.
102Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Juni 2006 – 14 K 1655/03 –, juris.
103Die Beklagte zu 1. hat schon nicht dargelegt, dass es durch die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h zu einer Einschränkung der funktionsgerechten Nutzung der B 224 kommen könne. Insoweit fehlt es an einer an Tatsachen anknüpfenden Prognose, die sich etwa mit der durch die beantragten Maßnahmen eintretenden Verkehrsbelastung und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Leichtigkeit des Verkehrs, d. h. etwa des Verkehrsflusses befasst. Sie hat insbesondere nicht ausgeführt, dass es anlässlich der Baumaßnahmen auf der B 224 im streitgegenständlichen Bereich und der damit verbundenen Geschwindigkeitsreduzierung auf 50 km/h in der Zeit von Mitte 2018 bis Mitte 2019 zu erheblichen Störungen des Verkehrs gekommen sei. Vielmehr hat ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es in dieser Zeit seiner Kenntnis und subjektiven Wahrnehmung nach nicht zu baustellenbedingten Verkehrsstörungen gekommen sei, die jedenfalls auch auf die Geschwindigkeitsbegrenzung zurückzuführen seien. Der bloße Hinweis der Beklagten zu 1. auf die Verkehrsbedeutung und die funktionsgerechte entsprechende Verkehrsbelastung, die von den Klägern grundsätzlich hinzunehmen sei, wird auch dem vorliegenden Einzelfall nicht gerecht. Denn die Beklagte zu 1. übergeht damit die Besonderheit, dass der Ausbauzustand der B 224 - wie auch aus dem Gutachten der IGS Stolz mbH von März 2018 folgt - den von ihr zu bewältigenden Verkehrsmengen und somit letztlich auch der tatsächlichen Verkehrsbedeutung nicht mehr entspricht. Diese Verkehrsmengen sind jedoch letztlich auch für die Lärmbelastungen der Kläger verantwortlich. Auch hat die Beklagte zu 1. nicht im Einzelnen dargelegt, wie es durch die Maßnahme zu Unzulänglichkeiten an anderer Stelle kommen könne.
104Soweit die Beklagte zu 1. anführt, dass Maßnahmen auf der B 224 nicht geeignet seien, eine nennenswerte Entlastung der Lärmbelästigung der Kläger zu bewirken, da die Kläger in erheblichem Umfang durch den Verkehrslärm der A 2 belastet seien, ist diese Erwägung ebenfalls unsubstantiiert geblieben. Zwar hat die Straßenverkehrsbehörde zu prüfen, ob und welche Verkehrsregelungen, die den Verkehr zum Zwecke der Verkehrssicherheit oder -ordnung lenken oder beschränken sollen, zu dem angestrebten Zweck geeignet und erforderlich sind. Auf welche Erkenntnisse die Beklagte zu 1. ihre v. g. Annahme stützt, legt sie jedoch nicht dar. Auch ergibt sich aus dem von der Beklagten zu 1. in Auftrag gegebenen Gutachten des TÜV Nord vom 11. März 2016, dass alleine eine Geschwindigkeitsreduzierung eine Pegelreduzierung an den Grundstücken der Kläger von bis zu 2,0 dB (A) bewirken könne. Auch die vom Bürgerform Gladbeck e. V. durchgeführten Eigenmessungen im Januar 2019 deuten auf eine sogar noch deutlichere pegelreduzierende Wirkung einer Geschwindigkeitsbegrenzung hin. Die Straßenverkehrsbehörde kann in diesem Zusammenhang zwar darauf abstellen, welche Lärmminderung auf Grund der jeweiligen Verkehrsregelung zu erwarten ist. Die Lärmschutz-Richtlinien-StV (Nr. 4.1) fordern insoweit im Regelfall eine Pegelminderung von mindestens 3 dB (A). Allerdings ist zumindest bei besonders hoher Lärmbelastung zu berücksichtigen, dass nach akustischen Erkenntnissen auch eine Pegelminderung von weniger als 3 dB (A) hörbar ist. Daher sind Maßnahmen in Betracht zu ziehen, da schon das Unterbleiben einzelner Spitzenpegel für das akustische Empfinden der Betroffenen eine spürbare Erleichterung bedeuten kann, auch ohne dass eine Reduzierung des insoweit nur beschränkt aussagekräftigen Mittelungspegels um 2 oder 3 dB (A) erreicht wird.
105Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Juni 2006 – 14 K 1655/03 –, juris.
106Vorliegend ist eine hohe Lärmbelastung gegeben. Für die Klägerin zu 1. ist dabei zudem in den Blick zu nehmen, dass der Beurteilungspegel an ihrem Wohnhaus für nachts – ausweislich der Feststellungen im Gutachten TÜV Nord vom 11. März 2016 – mit 58 dB (A) bereits nah an den in Ziffer 2. 1. Lärmschutz-RL StV genannten Immissionsgrenzwerten liegt.
107Die Erwägungen der Beklagten zu 1. zu dem von den Klägern beantragten Nachtfahrverbot für LKW auf der B 224, sind, etwa soweit sie auf die Verkehrsverlagerung auf andere Bundesstraßen verweisen, ebenfalls unsubstantiiert. Sie enthalten bereits keine (prognostischen) Angaben zu von einem solchen Verbot betroffenen Verkehrsmengen oder zu den bereits bestehenden Belastungen der anderen, im Übrigen nicht einmal konkret benannten Bundesstraßen. Dies gilt auch für die Ausführungen, dass der LKW-Verkehr bei einer zeitweisen nächtlichen Sperrung Gladbeck nur mit erheblichen Schwierigkeiten passierbar seien. Zudem vermag dies die Kammer insbesondere für den Transitverkehr in Richtung Norden oder Süden nicht zu überzeugen, da die Anschlussstelle an die A 31 von der Anschlussstelle Essen/Gladbeck (A2/B224) lediglich ca. 5 km über die A 2 und das Kreuz Recklinghausen als Anschlussstelle an die A 43 ca. 15 km über die A 2 entfernt ist. Anhaltspunkte etwa dafür, dass die genannten Strecken, namentlich zur Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr, überlastet oder aus sonstigen Gründen zur Aufnahme des zusätzlichen LKW-Verkehres nicht geeignet sein könnten, sind von der Beklagten zu 1. weder erörtert worden noch sonst ersichtlich. Zudem dürfte eine Beschränkung des LKW-Verkehrs zur Nachtzeit keine die Funktion der Bundesstraße aufhebende Beschränkung oder Teilentziehung sein. Ungeachtet dessen weist das Gericht daraufhin, dass dem von den Klägern begehrten Nachtfahrverbot jedoch entgegenstehen dürfte, dass es der Beklagten zu 1. nicht möglich sein dürfte, die B 224 in Gladbeck insbesondere für den von Norden über die A 52 kommenden LKW-Verkehr zu sperren und den LKW-Verkehr weiträumig umzuleiten. Insbesondere besteht für sie keine Möglichkeit, den Verkehr vor dem Autobahnkreuz Gelsenkirchen-Buer-West, der letzten Ausfahrt auf der A 52 bevor diese auf Gladbecker Stadtgebiet führt, umzuleiten, ohne dass Unzulänglichkeiten an anderer Stelle auftreten. Der Verkehr müsste sich dann nämlich den Weg durch die Wohngebiete in Gladbeck suchen.
108Aufgrund der v. g. Mängel der Ermessensentscheidung der Beklagten zu 1. kann auch dahinstehen, ob die Beklagte zu 1. vorliegend bereits deswegen ermessensfehlerhaft entschieden hat, weil sie sich, was ihre Ausführungen jedenfalls teilweise nahe legen, durch die Lärmschutz-RL StV in ihrer Entscheidung gebunden sah, obwohl eine solche Bindung tatsächlich nicht besteht. Sowohl die Richtwerte der 16. BImSchV als auch der Lärmschutz-RL StV sind in diesem Zusammenhang Orientierungs- und Beurteilungshilfen, den allerdings ein nicht unerhebliches Gewicht zur Ermittlung der Schutzbedürftigkeit der Betroffenen zukommt.
109Der Anspruch der Kläger auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat sich vorliegend nicht zu einer Pflicht der Beklagten zu 1. zum Einschreiten durch verkehrslenkende Maßnahmen verdichtet. Der Beklagten zu 1. verbleibt vielmehr ein Entscheidungsspielraum, insbesondere im Hinblick darauf, welche Maßnahmen sie zur Lärmminderung ergreifen kann, wie z. B. eine Geschwindigkeitsreduzierung zu bestimmten Tageszeiten und/oder differenziert nach bestimmten Verkehrsarten. Dem trägt der auf Neubescheidung gerichtete Klageantrag Rechnung.
110Hinsichtlich des Klageantrages zu 2. ist die Klage unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch gegenüber dem Beklagten zu 2. auf weiträumige Umleitung des LKW-Durchgangsverkehrs auf der B 224 über die Bundesautobahn A 2, A 43, A42 und A 31. Diese Umleitung müsste – nach der Klagebegründung – nicht nur im Bereich der A 2, sondern auch im Bereich der Autobahnkreuze A 2/A 43 und A52/A43 anzusetzen haben. Solche großräumigen Beschränkungen, z.B. bezogen auf ganze Stadtteile oder - wie hier - Stadtgebiete, können jedoch nicht nach § 45 StVO angeordnet werden. Solche Anordnungen würden die abstrakt-generellen Regelungen des Straßenverkehrsrechts unterlaufen. Vielmehr dürfen nur örtliche Bereiche in Gestalt „bestimmter Straßen oder Straßenstrecken“ Gegenstand von Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 StVO werden. Da die Vorschrift der Abwehr oder Vorbeugung konkreter im Einzelfall bestehender Gefahrenlagen zu dienen bestimmt ist, können Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverbote und Umleitungen eben auch nur konkrete Verkehrsbereiche betreffen.
111Vgl. Wolf in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 45 StVO (Stand: 30.04.2020).
112Den Klägern fehlt es somit bereits an einer subjektiven Rechtsposition, die durch die Ablehnung des Antrags durch die Beklagte zu 2. verletzt sein könnte. Zudem ist nicht ersichtlich, dass auf der A 52 ab dem Übergang von der B 224 (Gelsenkirchen-Buer-West) bis zum Kreuz Marl-Nord durchgängig eine nach § 45 StVO jedoch erforderliche konkrete Gefahrenlage vorliegt. Die von den Klägern beantragte Umleitung hätte jedoch eine Sperrung dieses Bereichs für den LKW-Durchgangsverkehr zur Folge. Zudem wäre mit einer entsprechenden den Verkehr verbindlich regelnden Umleitung eine der wesentlichen Verkehrsfunktion der B 224, nämlich als überregionale Verbindung für den Schwerlastverkehr und den damit regelmäßig verbundenen Güterverkehr, aufgehoben, die auch unter Berücksichtigung der Interessen der Kläger nicht gerechtfertigt wäre.
113Soweit die Kläger, wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, eine bloße Hinweisbeschilderung, mit der Empfehlung an den Schwerlastverkehr, die B 224 zum Transit zu vermeiden, begehren, fehlt es bereits an einer gesetzlichen oder auf sonstiger Rechtsvorschrift beruhenden Anspruchsgrundlage. Ein solches Begehren kann insbesondere nicht auf § 45 StVO gestützt werden, da eine solche Beschilderung mangels Regelungswirkung keine Beschränkung oder Umleitung im Sinne des § 45 StVO darstellt.
114Vgl. a. A. wohl Wolf in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 45 StVO (Stand: 30.04.2020).
115Ein subjektiv-öffentliches Recht der Kläger besteht nach Auffassung der Kammer für eine solche unverbindliche Beschilderung nicht. Mangels kodifizierter Anspruchsgrundlage kann das insoweit geäußerte Begehren nur als Begehren im Rahmen der (allgemeinen) Leistungsverwaltung verstanden werden. Der in der mündlichen Verhandlung vom Beklagtenvertreter zu 2. geäußerte Grund, dass die Aufstellung solcher Schilder nicht mit dem Grundsatz vereinbar sei, dass Schilder möglichst zurückhaltend und grundsätzlich nur dort aufgestellt werden sollen, wo sie notwendig seien, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger einen entsprechenden Antrag auf bloße Hinweise bzw. Empfehlung zur Umfahrung der B 224 gegenüber dem Schwerlastverkehr jedenfalls nach dem insoweit maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont bislang nicht gestellt haben, so dass es an dem Erfordernis der im gerichtlichen Verfahren auch nicht nachholbaren vorherigen Antragstellung bei der Behörde fehlt.
116Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
117Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 1, 711, 713 ZPO.
118B e s c h l u s s:
119Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes auf 20.000,00 € festgesetzt.
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