Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 1 L 713/21
Tenor
1. Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Antragstellers,
3dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller eine Freigabe für eine Versetzung nach Augsburg im Bundesland Bayern im Rahmen des länderübergreifenden Versetzungsverfahrens zu erteilen,
4hat keinen Erfolg.
5Er ist zwar zulässig, insbesondere statthaft, denn der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 5. Juli 2021 in Abänderung seiner Ausführungen im Schriftsatz vom 10. Juni 2021 erklärt, dass nach Rücksprache mit dem zuständigen Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den gestellten Antrag noch Verhandlungen mit dem Freistaat Bayern über die Aufnahme des Antragstellers in den dortigen Schuldienst möglich wären.
6Der Antrag ist jedoch unbegründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
7Vorliegend gelten zusätzlich strengere Anforderungen: Der Antragsteller erstrebt mit seinem Antrag eine Vorwegnahme der Hauptsache, weil eine einstweilige Anordnung, mit der der Antragsgegner verpflichtet würde, die begehrte Freigabe für eine Versetzung nach Bayern zu erteilen, ihm bereits – wenn auch zeitlich begrenzt bis zur Entscheidung in der Hauptsache – genau die Rechtsposition vermitteln würde, die er in der Hauptsache erreichen möchte. Eine Anordnung solchen Inhalts würde eine mit Sinn und Zweck einer einstweiligen Anordnung regelmäßig nicht zu vereinbarende und somit unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache beinhalten.
8Dabei kann offenbleiben, ob dem Antragsteller mit der Gewährung seines Begehrens bereits genau die Rechtsposition dauerhaft eingeräumt würde, die er erlangen möchte, weil die Entscheidung und ihre Folgen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auch nach einer Hauptsacheentscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten (vollständige Vorwegnahme der Hauptsache). Dafür könnte hier die Irreversibilität einer auf die Erteilung der begehrten Freigabe möglicherweise folgenden Versetzung des Antragstellers nach Bayern sprechen, denn eine nach der – auch vorläufigen – Versetzung in ein anderes Bundesland dann gegebenenfalls erforderliche Rückversetzung des Antragstellers wäre von Mitwirkungshandlungen (§ 15 Abs. 3 Satz 1 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) des Freistaats Bayern als von dem Antragsgegner verschiedenem Hoheitsträger abhängig und der Justitiabilität durch das erkennende Gericht entzogen.
9Vorliegend würde die Stattgabe jedenfalls zu einer vorläufigen Vorwegnahme der Hauptsache führen, deren Voraussetzung es ist, dass dem Antragsteller, wenn auch nur vorübergehend, genau die begehrte Rechtsposition vorab eingeräumt wird. Auch diesbezüglich gelten strenge Anforderungen an den Erlass einer einstweiligen Anordnung, denn diese soll grundsätzlich nicht befriedigen oder endgültig regeln, sondern nur sichern oder tragbare Verhältnisse schaffen.
10Im Hinblick auf die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ist eine Vorwegnahme der grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren (Klageverfahren) vorbehaltenen Entscheidung nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn wirksamer Rechtsschutz durch ein Hauptsacheverfahren nicht erreichbar wäre, dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung schlechthin unzumutbare Nachteile drohten und dieser nach dem von ihm glaubhaft gemachten Sachverhalt mit hoher Wahrscheinlichkeit im Klageverfahren obsiegen würde.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2008 - 6 B 971/08 -, juris, Rn. 2.
12Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Antragsteller hat bereits nicht nach Maßgabe der genannten Rechtsvorschriften glaubhaft gemacht, dass der zeitweise weitere Verbleib an der B. M. Schule F. in Diensten des Antragsgegners für ihn mit schlechthin unzumutbaren Nachteilen im o. g. Sinne verbunden wäre.
13Der Antragsteller hat insoweit eidesstattlich versichert, mit einer gebürtigen B1. verheiratet zu sein, die im zur Stadt B2. benachbarten Landkreis H. als beamtete Lehrerin tätig sei. Am 15. Januar 2021 habe seine Frau die gemeinsame Tochter geboren. Bei dem Kind handele es sich um ein Frühgeborenes, dessen Geburtsgewicht 710 Gramm betragen habe. Es entwickele sich gut, bedürfe aber „der entsprechenden Pflege“. Der Pflegegrad 4 sei anerkannt worden. Im Verwaltungsvorgang finden sich zudem die Eheurkunde des Antragstellers sowie Laboruntersuchungen und der Befund der Q. N. N1. vom 00.00.0000 betreffend die Untersuchung der Kindsmutter während ihrer Schwangerschaft. In diesem werden bei jener eine schwere J. (J1. H1. S. , E. : J1. X. ) und ein hohes Q1. (M1. : T. ) diagnostiziert; ferner wurde festgestellt, dass die fetale Situation meist bis zur 30./32. Woche stabil bleibt.
14Der Vortrag des Antragstellers ist insgesamt nicht geeignet, den strengen Maßstab „schlechthin unzumutbarer Belastungen“ zu erfüllen. Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass er ohne die angestrebte Freigabe für die Versetzung im Wege der einstweiligen Anordnung schwerwiegende Beeinträchtigungen oder Nachteile befürchten müsste. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die elterliche Sorge für ein neugeborenes Kind, sei es frühgeboren und auf „entsprechende“, nicht näher ausgeführte Pflege angewiesen, oder normalentwickelt zur Welt gekommen, wegen der mit ihr einhergehenden erheblichen zeitlichen Inanspruchnahme im regelmäßig günstigsten Fall von beiden Elternteilen gemeinsam wahrgenommen wird. Dementsprechend kann die vorliegend zu überbrückende Entfernung von ca. 600 km der Verwirklichung einer gemeinsamen familiären Lebensplanung auf Dauer tatsächlich im Wege stehen. Dieser allgemeine Befund begründet jedoch ohne das Hinzutreten weiterer Umstände zur Überzeugung des Gerichts nicht unmittelbar und unbedingt einen Härtefall, der die Vorwegnahme der Hauptsache im vorliegenden Verfahren rechtfertigen könnte. Gegen eine solche Einschätzung spricht bereits das junge Lebensalter des Antragstellers ebenso wie der Umstand, dass dieser erst im September 2017 beim derzeitigen Dienstherrn auf seinen Wunsch hin in das Beamtenverhältnis auf Probe eingetreten und am 25. August 2020 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen worden ist, er mithin in kurzem zeitlichen Abstand vor der Familiengründung selbst seine Verbeamtung bei seinem aktuellen Dienstherrn betrieben hat.
15Einen Härtefall hat der Antragsteller zur Überzeugung der Kammer auch nicht mit dem Vortrag glaubhaft gemacht, sein am 15. Januar 2021 geborenes Kind sei mit einem Geburtsgewicht von 710 Gramm frühgeboren, entwickle sich gut und bedürfe der entsprechenden Pflege. Der Pflegegrad 4 sei anerkannt worden. Der Antragsteller hat diesen Vortrag nicht dahingehend ausgefüllt, dass das Gericht von schlechthin unzumutbaren Belastungen für den Antragsteller im Falle des Nichterlasses der einstweiligen Anordnung ausgehen könnte. Solche ergeben sich weder aus dem bloßen Umstand, dass das Kind frühgeboren ist, noch aus der nicht weiterführenden Aussage, es bedürfe der „entsprechenden“ Pflege. Nach im Internet frei zugänglichen Quellen hat eine vorzeitige Geburt ab der Schwangerschaftswoche 30 oder 31 nur bei zwei bis drei Prozent der betroffenen Kinder langfristige Beeinträchtigungen und Entwicklungsdefizite zur Folge, die sich durch entsprechende Behandlung erheblich bessern oder völlig kompensieren lassen sollen. Auch die Information, ihm sei der Pflegegrad 4 zuerkannt worden, hilft nicht weiter. Der Pflegegrad 4 wird Menschen zugeteilt, die nach Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung unter schwerster Beeinträchtigung ihrer Selbstständigkeit leiden. Dieser Zustand trifft zunächst auf alle Neugeborenen zu, sodass es eines Eingehens auf die konkreten Beeinträchtigungen des Kindes zur Glaubhaftmachung eines Härtefalles bedurft hätte. Überhaupt ist in die Betrachtung der Umstand mit einzustellen, dass der Antragsteller keinerlei detaillierte Angaben zum Gesundheitszustand seiner Tochter im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht (27. Mai 2021) bzw. darüber hinaus gemacht hat. Angesichts des Umstands, dass die überwiegende Mehrheit frühgeborener Kinder mit den Mitteln der modernen Medizin gerade in den ersten Lebensmonaten erhebliche Entwicklungsfortschritte macht, die regelmäßig eine weitgehende Annäherung an den Entwicklungsstand normalgeborener Kinder bedingen, hätte es dem Antragsteller oblegen, etwaige weiter bestehende Einschränkungen darzulegen und glaubhaft zu machen. Dass er stattdessen allein vorträgt, das Kind „entwickle sich gut“, spricht gegen die Annahme eines Härtefalles.
16Hinzu kommt, dass der Antragsteller die aktuelle, nach seiner Auffassung unzulängliche Betreuungssituation trotz Aufwerfens dieser Frage durch den Antragsgegner in dessen Schriftsatz vom 10. Juni 2021 weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat. Es ist zwar keinesfalls zwingend, aber tatsächlich häufig, dass ein Elternteil im ersten oder in den ersten Lebensjahren eines Kindes nicht berufstätig ist und sich ausschließlich der Erziehung und Pflege seines Kindes widmet. Sollte dies auch für die Ehefrau des Antragstellers und Kindsmutter zutreffen, so wäre die seitens des Antragsgegners angesprochene Möglichkeit für die Familie des Antragstellers, in dieser Zeit die gemeinsame Pflege des Kindes am Wohnsitz des Antragstellers vorzunehmen, ohne weiteres bereits für sich betrachtet geeignet, einen Härtefall für den im vorliegend zu entscheidenden Eilverfahren relevanten Zeitraum auszuschließen. Aus diesem Grund hätte es dem Antragsteller oblegen, die aktuelle Betreuungssituation zu schildern und glaubhaft zu machen. Dem ist er mit seinem Einwand im Schriftsatz vom 21. Juni 2021 „Die Bezirksregierung anthematisiert auf Blatt 6 andere Lebensplanungsmodelle. Entscheidend ist jedoch, was der Antragsteller und seine Ehefrau geplant haben“, nicht im Ansatz nachgekommen.
17Es liegt auf der Hand, dass der Antragsteller mit einer Versetzung nach B2. seine familiäre Situation verbessern kann. Dass ihm oder seiner Familie ohne eine einstweilige Anordnung diesbezüglich jedoch binnen entsprechender kurzer Frist unzumutbare Nachteile drohten, ist nicht vorgetragen, nicht glaubhaft gemacht und auch sonst nicht ersichtlich.
18Darüber hinaus hat der Antragsteller auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es ist – jedenfalls mit Blick auf den im vorliegend zu entscheidenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorrangig geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Freigabe für seine Versetzung – nicht anzunehmen, dass er im Klageverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit obsiegen wird.
19Nach § 15 Abs. 1 BeamtStG können Beamtinnen und Beamte auf Antrag in den Dienstbereich eines anderen Dienstherrn eines anderen Landes oder des Bundes versetzt werden. Nach Absatz 3 der Norm wird die Versetzung von dem abgebenden Dienstherrn im Einvernehmen mit dem aufnehmenden Dienstherrn verfügt. Danach hat der Antragsteller grundsätzlich (nur) einen Anspruch auf die ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Versetzungsantrags.
20Das nähere Verfahren betreffend die länderübergreifende Versetzung von Lehrkräften regeln die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz vom 10. Mai 2001 (Übernahme von Lehrkräften aus anderen Ländern) und vom 7. November 2002 (Verfahrensabsprache zur Durchführung der Vereinbarung der Kultusministerkonferenz „Übernahme von Lehrkräften aus anderen Ländern“ vom 10. Mai 2001). Diese stellen lediglich Absprachen und Absichtserklärungen der teilnehmenden Bundesländer dar und haben nicht etwa Gesetzescharakter. Die Kultusminister der Länder haben hierin ein einheitliches und geordnetes Verfahren entwickelt, das die Übernahme einer bereits im Schuldienst eines Landes beschäftigten Lehrkraft in ein anderes Land regelt. Für den Wechsel des Landes stehen demnach das Verfahren nach Punkt 1. (Übernahme im Schuldienst stehender Lehrkräfte über das Bewerbungs- und Auswahlverfahren, sog. schulscharfe Bewerbungen) ebenso wie das streitgegenständliche Verfahren nach Punkt 2. (Übernahme von im Schuldienst stehenden Lehrkräften im Einigungsverfahren zwischen den Ländern, Tauschverfahren) des Beschlusses vom 10. Mai 2001 zur Verfügung.
21Der Antragsteller hat sich mit Bewerbung vom 7. Januar 2021 beim Antragsgegner mit einem „Antrag auf Versetzung/Übernahme in ein anderes Land der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Lehrertauschverfahrens“ am sog. Einigungsverfahren (Verfahren nach Punkt 2.) beteiligt. Seine Bewerbung wurde nicht berücksichtigt, da zuvor eine sogenannte Freigabe zwar seitens der Schulleitung, nicht aber seitens des Schulamtes erteilt wurde. Dies wurde ihm mit Bescheid vom 19. April 2021 mitgeteilt.
22Es bedarf im vorliegenden Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes nicht der abschließenden Entscheidung darüber, ob der streitgegenständliche Bescheid einer Prüfung insbesondere unter dem Gesichtspunkt der fehlerfreien Ermessensausübung standhielte. Hierbei ist insbesondere zweifelhaft, ob der Bescheidtext eine ausreichende Auseinandersetzung des Antragsgegners mit den privaten Belangen des Antragstellers erkennen lässt, wobei der Antragsgegner sich auf die Ausübung ständiger Verwaltungspraxis beruft. Im vorliegend zu entscheidenden Verfahren kann der Antragsteller hieraus aber nichts für sich herleiten:
23Eine Ermessensreduzierung auf Null, die allein die Freigabe zur Versetzung als rechtmäßiges Ergebnis der Abwägung zwischen den privaten Belangen des Antragstellers und den dienstlichen Belangen seines Dienstherrn möglich erscheinen ließe, liegt nicht vor. Ein derartiger gebundener Anspruch auf die Erteilung der begehrten Freigabeerklärung ergibt sich zunächst nicht aus der in Art. 33 Abs. 4, Abs. 5 GG angelegten Fürsorge- und Schutzpflicht des Dienstherrn für seine Beamten. Der Dienstherr ist im Hinblick darauf zwar gehalten, im Rahmen seiner Ermessensausübung nicht nur die notwendigen Belange der Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes und die Dienst- und Treuepflicht der Bediensteten einzubeziehen, sondern auch Gesichtspunkte der Fürsorge und des Schutzes für seine Bediensteten. Im Rahmen der Entscheidung über die Freigabe von Lehrkräften für die länderübergreifende Versetzung sind somit auch die Belange angemessen zu berücksichtigen, die dem Antrag der Lehrkraft aus deren Sicht maßgebend zu Grunde liegen. Hierzu gehört nach Nr. 2.1 des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 10. Mai 2001 ausdrücklich auch der Gesichtspunkt der Familienzusammenführung, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt. Gleichwohl ist im Hinblick darauf ein Anspruch des Antragstellers auf Freigabe bei vorliegend gebotener summarischer Prüfung nicht begründet. Zwar lassen die Übereinkommen der Kultusministerkonferenz der Familienzusammenführung als privatem Belang eine herausgehobene Rolle zukommen. Damit geht jedoch nicht eine Bindung der Ermessensausübung dergestalt einher, dass dienstliche Gründe regelmäßig und letztlich unbedingt dahinter zurückstehen müssten. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht und es ist für die Kammer auch nicht anderweitig ersichtlich, dass keinerlei dienstliche Gründe vorliegen könnten, die seiner unmittelbaren Versetzung entgegenstehen würden.
24Soweit der Antragsteller insoweit vorträgt, rein begrifflich könne eine Stellenplansituation der Freigabe zur Versetzung nicht entgegenstehen, da es sich um ein Tauschverfahren handele, bei dem ein Lehrer gehe und einer komme und somit keine Vakanzen zu befürchten seien, hat der Antragsgegner dies mit seinen Ausführungen in der Antragserwiderung widerlegt, wonach im betreffenden Verfahren nur in der Regel die gleiche Anzahl an Lehrkräften zwischen den Ländern getauscht würden, dies aber nicht immer mit unmittelbarem Ersatz für die einzelne Schule oder den einzelnen Schulbezirk einhergehe. Im streitgegenständlichen Verfahren sei beispielsweise 14 Grundschullehrkräften ein Versetzungsangebot eines anderen Bundeslandes gemacht worden, während nur sieben Grundschullehrkräfte ein Übernahmeangebot für den Regierungsbezirk E1. erhalten hätten. Der Antragsgegner hat damit in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass auch ein landesweit ausgeglichenes Tauschergebnis schul- oder schulbezirksweit zu einem negativen Saldo und damit zu einer Freigabe entgegenstehenden dienstlichen Belangen führen kann. Nur am Rande sei angemerkt, dass diese Flexibilisierung des Verfahrens grundsätzlich im Sinne der wechselwilligen Lehrkraft sein dürfte, da andernfalls ein Tauschpartner unter sehr viel engeren Voraussetzungen – bestenfalls für den direkten Tausch zwischen zwei Schulen – zu ermitteln wäre, was zu deutlich weniger Versetzungen führen dürfte.
25Zudem ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus den Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz, dass der Antragsgegner allein schulspezifische Belange rechtsfehlerfrei in seine Erwägungen einbringen dürfte. Da es um eine Versetzung in ein anderes Bundesland geht, ist (anders als der Antragsteller mit seinem Vortrag, es dürfte der Schulleiter sein, der am besten beurteilen könne, ob der Antragsteller verzichtbar sei, behauptet) nicht allein auf die Situation der Schule, an der die betreffende Lehrkraft unterrichtet, oder des betreffenden Schulamtsbezirks, sondern (auch) auf die landesweite Bedarfssituation abzustellen. Der Antragsteller ist Beamter des Landes Nordrhein-Westfalen und kann als solcher grundsätzlich an jede seiner Laufbahn entsprechende Schule in Nordrhein-Westfalen versetzt werden.
26Vgl. HessVGH, Urteil vom 31. März 2010 - 1 B 272/10 -, juris, Rn. 6; Bay. VGH, Beschluss vom 6. Dezember 2004 - 3 CE 04.2651 -, juris.
27Aus diesem Grund ist es nicht zu beanstanden und führt nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null, dass im vorliegenden Verfahren neben der Freigabeerklärung der Schulleitung auch das Schulamt und die Bezirksregierung ein (jeweils negatives) Votum betreffend die Freigabe des Antragstellers abgegeben haben.
28Auch die weiteren Erwägungen des Antragstellers, von einer nennenswerten Unterbesetzung könne man bei Werten von 94,98% (für die B. -M. Schule), 96,44% (für den Schulamtsbezirk F. ) und 99,15% (für den Regierungsbezirk E1. ) nicht ausgehen, es handele sich insbesondere in Relation zu anderen Schulformen quasi um Vollbesetzung, führen nicht zu einem Anspruch des Antragstellers auf Freigabe zur Versetzung. Gerade für die Schule selbst und den Schulamtsbezirk bleiben die genannten Werte bereits deutlich hinter einer Vollbesetzung zurück und würden im Falle eines nicht kompensierten weiteren Abgangs weiter sinken. Von einer Ermessensreduzierung auf Null könnte hier – wenn überhaupt – im Falle einer deutlichen Überbesetzung, nicht aber in der dargelegten Mangelsituation ausgegangen werden.
29Dem gefundenen Ergebnis steht auch der in Art. 6 Abs. 1 GG niedergelegte Schutz von Ehe und Familie zur Überzeugung der Kammer nicht dergestalt entgegen, dass vorliegend allein ein Entsprechen des Antrags zu einer rechtsfehlerfreien und verfassungsgemäßen Ermessensausübung führte. Der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie geht nicht so weit, dass der Dienstherr allgemein auf eingetretene familiäre Veränderungen wie die Geburt eines – auch frühgeborenen – Kindes unter vollständiger Zurückstellung entgegenstehender dienstlicher Belange binnen kürzester Frist mit der Bewilligung jeglichen Versetzungsbegehrens zu reagieren hätte. Dies gilt auch vor dem Umstand, dass sowohl der Antragsteller als auch seine Ehefrau Einfluss auf ihre jeweiligen, jedenfalls für den Antragsteller erst relativ kurz zurückliegenden, Einstellungen in das Beamtenverhältnis in unterschiedlichen Ländern hatten. Ein derart weitreichendes Eingehen auf die – wie oben dargelegt keinen Härtefall konstituierenden – geänderten privaten Belange des Antragstellers (und seiner Ehefrau) würde die Anforderungen des Art. 6 GG ersichtlich überspannen und wäre mit der ebenfalls verfassungsrechtlich niedergelegten Ausgestaltung des Berufsbeamtentums (Art. 33 GG) als auf Gegenseitigkeit beruhendem Treueverhältnis nicht mehr vereinbar. Dabei darf nicht außer Betracht bleiben, dass der Antragsgegner unwidersprochen ausgeführt hat, der Antragsteller könne spätestens zwei Jahre nach der ersten Antragstellung damit rechnen, freigegeben zu werden. Damit steht nicht in Rede, dass ihm ein familiäres Zusammenleben dauerhaft unmöglich gemacht würde.
30Es bedarf im vorliegend zu entscheidenden Fall keiner abschließenden Klärung der in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilten Frage, wie mit Begehren auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung umzugehen ist, wenn das Gericht im Falle ihrer Stattgabe über dasjenige hinausginge, was dem Antragsteller im Hauptsacheverfahren gewährt werden könnte. Liegt dem in der Hauptsache geltend gemachten Anspruch – wie hier § 15 BeamtStG – eine Ermessensvorschrift zu Grunde, so kann der Kläger in der Regel in der Hauptsache allenfalls ein Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2, § 114 der Verwaltungsgerichtsordnung, VwGO) erreichen.
31Vgl. zum Ganzen Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 123, Rn. 106.
32Nach wohl vorherrschender Auffassung in der Rechtsprechung darf die einstweilige Anordnung nicht über das hinausgehen, was im Hauptsacheverfahren gewährt werden könnte. Ein Anspruch auf Neubescheidung sei nicht mit einer einstweiligen Anordnung sicherungsfähig. Ein Anordnungsanspruch bestehe nur, wenn im konkreten Fall ausnahmsweise eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege.
33Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. August 1978 - 1 WB 112.78 -, Leitsatz 3, BVerwGE 63, 110, 112; OVG NRW, Beschluss vom 12. Dezember 1994 - 8 B 2650/94 -, NWVBl 1995, 140, 141, m.w.N.; OVG Greifswald, Beschluss vom 29. September 2016 - 1 M 435/16 -, NVwZ-RR 2017, 318, 320.
34Demnach wäre der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung hier abzulehnen. Andere halten dagegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung in der genannten Konstellation auch dann für möglich, wenn sich die betreffende Verwaltungsentscheidung bereits im Eilverfahren als rechtswidrig erweist und mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass eine Neubescheidung zu Gunsten des Antragstellers ausgehen werde, wobei teils zusätzlich die Reversibilität der eingeräumten Rechtsposition verlangt wird.
35Vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 123 Rn. 106 m. zahlreichen w. N.
36Auch die Voraussetzungen der hier zweitgenannten, für den Antragsteller günstigeren Rechtsauffassung liegen nicht vor, denn auch die Ermessensfehlerhaftigkeit des gegenständlichen Bescheides für diese Zwecke unterstellt, ist für die Kammer bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich, dass eine Neubescheidung zu Gunsten des Antragstellers ausgehen würde. Dagegen spricht, dass der Antragsgegner jedenfalls im vorliegenden gerichtlichen Verfahren sein Ermessen umfassend und in nicht zu beanstandender Weise unter Abwägung der beiderseitigen Belange ausgeübt und gleichzeitig seine Ablehnung bekräftigt hat, mithin nichts dafür ersichtlich ist, dass, zumal mit hoher Wahrscheinlichkeit, eine eventuelle Neubescheidung zu Gunsten des Antragstellers ausgehen werde.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
38Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Eine Halbierung des Auffangwertes im Hinblick darauf, dass über einen Antrag des einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden war, kommt nicht in Betracht, weil das Antragsbegehren auf eine weitgehende Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist.
39Rechtsmittelbelehrung:
40Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
41Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV), bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV, einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
42Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
43Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
44Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV, bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
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Referenzen
- 1 B 272/10 1x (nicht zugeordnet)
- 8 B 2650/94 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 114 1x
- 1 M 435/16 1x (nicht zugeordnet)
- 6 B 971/08 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 67 1x
- VwGO § 55a 1x
- BeamtStG § 15 Versetzung 1x