Urteil vom Verwaltungsgericht Göttingen (3. Kammer) - 3 A 247/18

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung eines Rückenschadens als Dienstunfallfolge.

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Die am … geborene Klägerin ist im Range einer Polizeikommissarin als Ausbilderin bei der Beklagten beschäftigt. Am 09. Mai 2017 ereignete sich bei einer Trainingseinheit, bei der es um Arten der Waffensicherung ging, ein Unfall. Diesen beschrieb die Klägerin in ihrer Unfallanzeige vom 19. Juni 2017 wie folgt:

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„Im AZT-Unterricht stellten wir Trainer die verschiedenen Möglichkeiten der Waffensicherung vor. Im Kleingruppentraining bei den Studierenden korrigierte ich deren Ausführungen. Dabei brachte ich eine Studierende nach hinten und wollte sie angedeutet zu Boden bringen. Während der Bewegung drehte ich mich unglücklich ein. Nach dem Unterricht verspürte ich Schmerzen im unteren Rückenbereich und hatte später Probleme den Oberkörper aufzurichten. Ein Fremdverschulden kann ausgeschlossen werden.“

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Mit dieser Unfallanzeige erklärte die Klägerin zudem, die vorstehenden Angaben seien richtig und vollständig. Gleichzeitig legte sie eine Stellungnahme ihres Kollegen PK F. vor, der am 09. Mai 2017 mit ihr als Verantwortlicher beim Abwehr- und Zugriffstraining tätig gewesen war. In der Stellungnahme heißt es wörtlich:

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„Während der Trainingseinheit teilte PK’in A. mir mit, dass sie soeben im Rahmen der Vorführung einer Übung für Studenten nach einer ungünstigen Bewegen Schmerzen im unteren Rücken erlitten habe, woraufhin ich für den Rest der Trainingseinheit die weiteren praktischen Elemente übernahm…..“

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Die Klägerin befand sich eigenen Angaben zufolge wegen Rückproblemen seit dem 31. März 2014 bis zum 08. Oktober 2018 bei Herrn Dr. G., H., in ärztlicher Behandlung. Sie beschreibt ihre Beschwerden mit dauerhaftem Kopfschmerz und Verspannungen nach HWS. Anlass für die Behandlung war nach Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eine Halswirbelstauchung, die seinerzeit als Dienstunfall anerkannt worden sei.

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Am 23. Mai 2017 ließ die Klägerin bei der Radiologischen und Nuklearmedizinischen Gemeinschaftspraxis I. und Kollegen in J. eine Kernspinntomographie der Lendenwirbelsäule durchführen.
Ausweislich des Arztbriefes vom 26. Mai 2017 lautet die Anamnese: „MRT LWS. chron. LWS Syndrom bei deg. Veränderungen.“
Die abgegebene Beurteilung lautet: „Lumbosacrale Übergangsstörung mit partieller Lumbalisation SWK 1 bei hypoplastischer Bandscheibe SWK 1/2 und hypoplastischen Wirbelgelenken. SWK 1 nimmt weiterhin am Aufbau der Massa lateralis teil. Zählweise LWK 1 bis 5 weiter mit SWK 1 unverändert, letztes bandscheibentragendes Segment somit SWK.“ Weiter werden beschrieben:

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- flach großbogig linkskonvexe Torsionsskoliose. Abgeflachte Lordose im LSÜ. Sonst. Steilstellung einschließlich TLÜ.

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- LWK 5/SWK 1: Fortgeschrittene Chondrose, dorsale subtotale BSF-Höhenminderung. Dorsomedian nach links flach auslaufend intraforaminal breitbasiger NPP sagittal 5,8 mm. Rechts flache Protrusion. Hochgradig relative SK5 11.7mm, absolute Enge linkslateraler Recessus mit erheblicher Beeinträchtigung Radix S1 im Abgangsbereich. Rechts relative Enge, mögliche Reizzustände Radix S1 rechts, Neuroforamen kombiniert basal diskalbetont relativ eingeengt.

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- LWK 3 bis 5: Flache Protrusion ohne relavante Beeinträchtigung des Spinalkanals. Neuroforamen basal diskal geringfügig eingeengt.

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- Übrige Segmente intakt.

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Mit Bescheid vom 06. November 2017 lehnte es die Beklagte ab, dass bei der Klägerin am 09. Mai 2017 aufgetretene Schmerzereignis im unteren Rücken als Dienstunfall anzuerkennen. Die in der Unfallanzeige angegebenen Schmerzen im unteren Rücken seien wie im Arztbrief vom 26. Mai 2017 beurteilt worden. Die dort beschriebenen Schädigungen seien degenerativen Ursprungs und nicht mit einer dienstlichen Unfallschädigung in Zusammenhang zu bringen. Der eingetretene körperliche Schaden wäre ohne Vorliegen der vorbestehenden degenerativen Wirbelsäulenschäden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten. Ein traumatischer Bandscheibenschaden sei ohne das Vorhandensein pathologischer und somit prädisponierender Wirbelkörpermorphologie nicht möglich.

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Hiergegen legte die Klägerin am 29. November 2017 Widerspruch ein. Sie bat zunächst um Überprüfung ihres Antrags.
Mit später aufgehobenem Bescheid vom 18. Januar 2018 lehnte die Beklagte erneut die Anerkennung eines Dienstunfalls ab. Sie führte in diesem Bescheid aus, die festgestellten Schädigungen seien in keiner Weise durch die geschilderte Drehbewegung oder auch durch ein anderes einmaliges Traumaereignis erklärbar. Bei einem banalen Verdrehtrauma wäre weder eine bildgebende Diagnostik notwendig gewesen, noch eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme. Die Wirbelsäulenschäden und die damit einhergehenden erheblichen Beschwerden seien somit nicht Folgen eines Dienstunfalles, sondern Beschwerden aus innerer Ursache heraus, ausgelöst durch ein hierfür nicht adäquates Bagatelltrauma (Verdrehung).
Daraufhin führte die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 05. Februar 2018 zum Unfallhergang am 09. Mai 2017 aus, während des Trainings zur Waffensicherung zu Fall gekommen zu sein. Dabei habe sie das zusätzliche Gewicht der Studierenden zu tragen gehabt, die sich nach anfänglichem Widerstand plötzlich nach hinten fallen gelassen habe. Während dieses Gerangels habe sie sich verdreht und sei mit ihr zusammen nach hinten gefallen. Da sie ihre Hand noch an ihrer Waffe gehabt hätte, sei der Fall unkontrolliert und habe von ihr auch nicht abgebremst werden können.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

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Hiergegen hat die Klägerin am 22. Mai 2018 Klage erhoben.

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Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen zum Unfallhergang wie sie ihn erstmals mit Schreiben vom 05. Februar 2018 dargelegt hatte. Der in diesem Zusammenhang am 26. Mai 2017 diagnostizierte Bandscheibenvorfall sei unfallbedingt. Zur Stützung ihrer Argumentation legt die Klägerin weitere ärztliche Atteste vor. So dasjenige des Dr. G. vom 22. Juni 2017, in der es heißt, die Klägerin habe sich bei einem Dienstunfall einen Bandscheibenschaden L5/S1 zugezogen. Derselbe Mediziner attestiert am 06. Juli 2017 den nämlichen Bandscheibenschaden und stellt die Diagnosen M 51.0 G, M 99.80 LG und O 47.1 G. In diesem Attest erwähnt Dr. G., die Klägerin seit 10 Jahren zu behandeln. Schließlich attestiert Herr Dr. K. von der L. GmbH aus M. unter dem 05. September 2017 eine Retrolisthese L5 über Übergangswirbel Grad I mit BSV L5/S1 links. Die Anamnese lautet hierin, nach einer unglücklichen Drehbewegung im Dienst linksseitige starke Lumbago. Ein NMR LWS liege vor. Die Klägerin hatte sich hier am 05. September 2017 in der Neurochirurgischen Sprechstunde vorgestellt. Am Tag der mündlichen Verhandlung legte die Klägerin zwei weitere ärztliche Atteste vor. Auf die Sitzungsniederschrift nebst Anlagen wird insoweit Bezug genommen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 06. November 2017 und ihres Widerspruchsbescheides vom 24. April 2018 zu verpflichten, das Unfallereignis vom 09. Mai 2017 als Dienstunfall anzuerkennen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung führt sie aus, die Schäden an der Wirbelsäule der Klägerin seien Beschwerden aus innerer Ursache heraus. Es seien degenerative Veränderungen der Wirbelsäule diagnostiziert worden. Ohne diese wäre die Beschwerdesymptomatik nach dem Unfall gar nicht oder erheblich milder ausgefallen. Der eingetretene Schaden hätte auch im privaten Bereich auftreten können und sei daher eine Gelegenheitsursache im Sinne der Rechtsprechung.

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Das Gericht hat Herrn Dr. G. um Einschätzung gebeten, welches aus seiner Sicht die (Haupt-)Ursache der Schädigung der Klägerin gewesen sei. Der Unfall oder eine anlagebedingte Erkrankung. Hierzu gab Dr. G. unter dem 06. November 2020 an, die Klägerin sei in der Zeit vom 31. März 2014 bis zum 08. Oktober 2018 in seiner orthopädischen Mitbehandlung gewesen. Sie habe sich am 10. Mai 2017 akut und ohne Termin vorgestellt. Sie habe Schmerzen in der Lendenwirbelsäule nach dem Sport. Es handele sich um einen Dienstunfall, bei dem sie einen Klienten habe auffangen müssen. Klinisch habe sich bei ihr ein Muskelhartspann der unteren Lendenwirbelsäule, eine Kreuzdarmbeinblockierung links sowie eine pseudoradikuläre Symptomatik im linken Bein gezeigt. Die LWS-Seitwärtsneigung habe links/rechts 10 0 30 Grad betragen. Weiterhin bestünden klinisch eine Wirbelsäulenfehlhaltung in der BWS und LWS und Vorbehandlungen in der Halswirbelsäule wie auch in der Lendenwirbelsäule. Die von ihr im Mai 2017 geschilderte Schmerzsymptomatik sei durchaus mit dem Unfall in Verbindung zu setzen, wobei jede Erkrankung nach 6 bis 8 Wochen ausheile.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 06. November 2017 und deren Widerspruchsbescheid vom 24. April 2018 sind rechtmäßig und die Klägerin hat einen Anspruch auf Anerkennung eines Dienstunfalls gegen die Beklagte nicht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

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Die dienstunfallrechtliche Behandlung eines Ereignisses beurteilt sich nach demjenigen Recht, das in dem Zeitpunkt galt, in dem sich der Unfall ereignete, sofern sich eine Neuregelung nicht ausdrücklich – in der Regel den Beamten begünstigende – Rückwirkung beimisst (BVerwG, Urteil vom 12.12.2019 – 2 A 6/18 -, Juris Rn. 15; OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.12.2017 – 5 LA 152/17 -, Juris Rn. 13). Maßgeblich für die Frage ob es sich bei dem Schadensereignis, das die Klägerin am 09. Mai 2017 erfahren hat, um einen Dienstunfall handelt, ist demnach § 34 Nds. Beamtenversorgungsgesetz – NBeamtVG – i. d. F. vom 02. April 2013 (Nds. GVBl. 2013, 73).

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Gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 NBeamtVG ist Dienstunfall ein auf äußere Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder in Folge des Dienstes eingetreten ist. Das Merkmal „einen Körperschaden verursachendes Ereignis“ setzt einen mehrfachen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Dienst, dem Ereignis und dem Körperschaden voraus. Nach der von der Kammer geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Nds. Oberverwaltungsgerichts ist – wie im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung – die Theorie der wesentlich mitwirkenden Ursache maßgeblich (BVerwG, a. a. O. Rn. 17; OVG Lüneburg a. a. O. Rn. 14). Diese Auffassung dient in erster Linie der Differenzierung zwischen mehreren Ursachen, die zu einem Unfall adäquat kausal geführt haben. Die Dienstunfallfürsoge soll nicht dazu führen, dass dem Beamten jedes irgendwie denkbare, in keiner Weise aus dem Dienst ableitbare Risiko abgenommen und dem Dienstherrn aufgebürdet wird. Vielmehr soll der Dienstherr mit der Unfallfürsorge nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit oder die nach der Lebenserfahrung auf die Beamtentätigkeit rückführbaren, für den Schaden wesentlichen Risiken übernehmen. Der Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Körperschaden besteht dann nicht mehr, wenn für den Erfolg eine weitere Bedingung ausschlaggebende Bedeutung hatte. Liegen mehrere Ursachen vor, ist jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache anzusehen, wenn sie annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolges hat. Danach ist der Dienstunfall dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) beigetragen hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt. Nach diesen Vorgaben ist eine sogenannte Gelegenheitsursache keine Ursache im Rechtssinne. Eine solche Gelegenheitsursache ist gegeben, wenn die Beziehung zum Dienst eine rein zufällige ist und das schädigende Ereignis nach menschlichem Ermessen bei jedem anderen nicht zu vermeidenden Anlass in naher Zukunft ebenfalls eingetreten wäre. Der Zusammenhang zum Dienst ist deshalb nicht anzunehmen, wenn ein anlagebedingtes Leiden durch ein dienstliches Vorkommnis nur rein zufällig ausgelöst worden ist. Dies ist in Fällen anzunehmen, in denen die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden des Beamten so leicht aktualisierbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte (BVerwG, a. a. O. Rn. 18 f.; Urteil vom 18.04.2002 – 2 C 22/01 -, Juris Rn. 10; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.02.2009 – 5 LA 155/07 -, Juris Rn. 8; OVG Lüneburg, Urteil vom 02.02.2005 – 2 L 3542/00 -, Juris Rn. 39). Gelegenheitsursachen in diesem Sinne sind gegeben, wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass zur Auslösung eines akuten Erscheinens nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte (BVerwG, Urteil vom 18.04.2002, a. a. O.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.02.2009, a. a. O. Rn. 8). Bei einer wie vorliegend – zumindest nicht hinreichend auszuschließenden – Degeneration der Wirbelsäule spricht die Rechtsprechung einer Vorschädigung dann die Qualität der wesentlich wirkenden Ursache zu, wenn nicht ganz besondere Umstände eines atypischen Falles vorliegen. Da die Klägerin als Beamtin den vollen Beweis für das Vorliegen eines Dienstunfalls zu erbringen hat, was bedeutet, dass sie den Beweis für das Vorliegen eines Dienstunfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit führen muss (BVerwG, Urteil vom 18.04.2002, a. a. O. Rn. 18; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.02.2009, a. a. O. Rn. 14), schließt die nicht entfernt liegende Möglichkeit einer Vorschädigung die Annahme einer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestehenden Kausalität zwischen Unfallereignis, dem Dienst und dem eingetretenen Körperschaden aus.

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In Anwendung dieser Grundsätze handelt es sich bei den durch in der Radiologischen und Nuklearmedizinischen Gemeinschaftspraxis am 23.05.2017 nach Durchführung eines MRT festgestellten körperlichen Beeinträchtigungen der Klägerin nicht um einen durch einen Dienstunfall im Rechtssinne hervorgerufenen Schaden. Nach den Aussagen des im Rahmen der mündlichen Verhandlung angehörten Mitarbeiters im Regional Medizinischen Dienst Süd der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen, Medizinaldirektor Dr. N., wird durch diese ärztliche Bescheinigung festgestellt, dass bei der Klägerin ein Bandscheibenvorfall im Bereich des 5. Lendenwirbels und des 1. Sakralwirbels vorliegt. Ferner wird eine verbogene und verdrehte Wirbelsäule (Torsionsskoliose) beschrieben. Gleichzeitig sind degenerative Knorpelveränderungen (fortgeschrittene Chondrose) und krankhafte Wirbelsäulenverformungen (flach großbogig linkskonvexe Torsionsskoliose) bei anlagebedingter Unterentwicklung der Bandscheiben (hypoplastischer Bandscheibe SWK 1/2) festgestellt worden. Entsprechende Diagnosen finden sich in den ärztlichen Stellungnahmen des Dipl.-med. G. vom 06. Juli 2017 und 06. November 2020 und des Dr. med. K. vom 05. September 2017. Unabhängig davon, dass sie erst nach Ablauf der mit der Betreibensaufforderung vom 13. Oktober 2020 gesetzten Frist vorgelegt worden sind, ergibt sich auch aus den Attesten des Dr. med. O. vom 05. Dezember 2017 und des Dr. med. P. vom 01. Juni 2018 nichts anderes. Dr. N. t hat bei seiner Anhörung nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass es sich um Folgeatteste nach erfolgloser Rehabilitationsmaßnahme handelt; sie attestieren einen persistierenden (fortdauernden) Bandscheibenvorfall. All diese Atteste beschreiben – nachvollziebar von Dr. N. t erläutert – eine degenerative Wirbelsäulenschädigung. Anlass Beweis zu erheben besteht, in Anbetracht des bloßen Bestreitens der ärztlichen Feststellungen mit Nichtwissen durch die Klägerin nicht. In diesem Zusammenhang ist auch von wesentlicher Bedeutung, dass aus ärztlicher Sicht ein traumatischer Befund zu erwarten gewesen wäre, wenn eine körperliche Beeinträchtigung durch das von der Klägerin geschilderte Ereignis eingetreten wäre. Zwar stellt Dr. G. in seiner ärztlichen Stellungnahme vom 06. November 2020 einen Zusammenhang zwischen der Schmerzsymptomatik und dem (vermeintlichen) Dienstunfall her. Diese Schmerzsymptomatik sagt indes nichts zum durch MRT diagnostizierten eindeutig degenerativen Befund. Sie würde, so Dr. G. in seiner Stellungnahme, wie jede Erkrankung auch in 6-8 Wochen ausheilen.

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Im Ergebnis handelt es sich damit bei den durch MRT festgestellten Beeinträchtigungen der Klägerin um degenerative, anlagebedingte Veränderungen ihres Rückenstützapparates.

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Der festgestellte Bandscheibenvorfall hätte auch ohne dienstlichen Bezug und Einsatz ebenso jederzeit im privaten Bereich, etwa beim Heben schwerer Gegenstände oder bei unglücklichen Verdrehungen eintreten können. Damit handelt es sich bei der während des dienstlichen Trainings erlittenen Verletzung um eine Gelegenheitsursache. Hieran ändert der unbestreitbare zeitliche und räumliche Zusammenhang mit der Dienstausübung der Klägerin nichts.

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Zu Unrecht wendet die Klägerin dagegen insbesondere ein, der Schaden sei maßgeblich durch einen Sturz auf ihr Gürtelholster samt daran befindlicher Gegenstände verursacht und habe deshalb eindeutig dienstlichen Bezug und Ursache.

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Zum einen bleibt, auch wenn man der Klägerin in ihrer Sachverhaltsschilderung folgen wollte, festzuhalten, dass bei der diagnostizierten Vorschädigung jederzeit auch im privaten Bereich ein Bandscheibenvorfall hätte passieren können. Der angebliche Sturz mit einer weiteren Person auf den eigenen Körper und diversen kantigen Gegenständen unter dem Körper, änderten damit nichts an der Annahme einer Gelegenheitsursache. Die Schilderung lässt allenfalls den dienstlichen Hergang des Unfalls plastischer erscheinen.

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Zum anderen widerspricht ein solcher, von der Klägerin erstmals mit Schreiben vom 05. Februar 2018 geschilderte, Unfallhergang der von der Klägerin am 19. Juni 2017 abgegebenen Unfallanzeige nach § 51 NBeamtVG.

33

Nach § 51 Abs. 1 NBeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach diesem Gesetz entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Jahren nach dem Eintritt des Unfalls bei der oder den Dienstvorgesetzten der oder des Verletzten zu melden. Anknüpfungspunkt der Meldepflicht nach § 51 Abs. 1 NBeamtVG ist weder eine Unfallfolge noch ein bereits entstandener Anspruch, sondern der Unfall selbst. Unabhängig davon, ob der Beamte das Ereignis als Dienstunfall einstuft, soll er seinen Dienstherrn in die Lage versetzen, selbst die hierfür erforderlichen Ermittlungen anzustellen und eine zeitnahe Klärung des Sachverhalts sicherzustellen. Damit werden einerseits Aufklärungsschwierigkeiten vermieden, die sich bei späteren Ermittlungen ergeben könnten; zum anderen wird der Dienstherr in die Lage versetzt präventive Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schäden zu ergreifen (BVerwG, Urteil vom 30.08.2018 – 2 C 18/17 -, Juris Rn. 15). Deshalb kommt der durch den Beamten schriftlich abgegebenen Unfallschilderung besondere Bedeutung zu.
In der, im Tatbestand wörtlich wiedergegebenen, Schilderung der Unfallursache und des Unfallherganges hat die Klägerin mit keinem Wort einen gemeinsamen Sturz mit einer Studierenden geschildert, bei dem sie, die Klägerin, auf ihrem Gürtelholster und den daran befindlichen Gegenständen gelandet und die Studierende auf ihr zu Fall gekommen sei. Die Schilderung beschränkt sich darauf, sie habe eine Studierende nach hinten gebracht und sie angedeutet zu Boden bringen wollen. Während der Bewegung habe sie sich unglücklich eingedreht. Hieraus kann allein der Schluss gezogen werden, dass sich die Klägerin bei ihrer Aktion unglücklich verdreht hat, was den Bandscheibenvorfall hervorgerufen hat. Die Klägerin hat mit ihrer Unterschrift unter die Unfallanzeige ausdrücklich erklärt, die vorstehenden Angaben seien richtig und vollständig. Hieran muss sich die Klägerin festhalten lassen. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gegebene Erklärung, sie habe die Unfallanzeige ursprünglich stressbedingt und um die bearbeitenden Kollegen nicht zu belasten, nicht vollständig ausgefüllt, mag menschlich erklärlich sein, entschuldigt die Klägerin indes nicht. In Anbetracht der Förmlichkeit der Unfallanzeige – sie ist schriftlich auf gesondertem Vordruck und binnen einer bestimmten Frist abzugeben -, wäre es von der berufsbedingt in diesen Angelegenheiten geschulten Klägerin zu erwarten gewesen, dass sie die Anzeige mit der gebotenen Sorgfalt ausfüllt. Der Stressfaktor mag zudem für die Anzeige im Juni 2017 eine Erklärung sein, für den Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung hat die Klägerin derartiges in der mündlichen Verhandlung indes nicht vorgetragen. Allerdings hat sie auch mit ihrem Widerspruchsschreiben vom 29. November 2017 eine Korrektur der Unfallschilderung nicht vorgenommen.

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Im Sinne eines bloßen Verdrehtraumas äußert sich auch der von der Klägerin als Zeuge für ihre Schilderung der Ereignisse benannte PK F.. In dessen Stellungnahme vom 22. Juni 2017 heißt es, die Klägerin habe ihm während der Trainingseinheit mitgeteilt, dass sie soeben im Rahmen der Vorführung einer Übung für Studenten nach einer ungünstigen Bewegung Schmerzen im unteren Rücken erlitten habe.
Der ursprünglich geschilderte Unfallhergang findet sich auch in der auf Angaben der Klägerin beruhenden Anamnese des Dr. K. vom 05. September 2017 wieder. Dort wird als Ursache des Schadens eine “unglückliche Drehbewegung“ genannt. Auch in der im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eingegangenen Bescheinigung des die Klägerin seinerzeit mitbehandelnden Facharztes für Orthopädie, Dr. G. vom 06. November 2020 ist von dem von der Klägerin geschilderten schweren Sturzereignis nicht die Rede. Dr. G. nennt als Ursache der Schädigung, die Grund für die Vorstellung der Klägerin bei ihm am 10. Mai 2017 gewesen ist, dass die Klägerin beim Sport einen Klienten habe auffangen müssen. Sämtliche von der Klägerin gegebenen Sachverhaltsschilderungen, sei es gegenüber ihrem Dienstherrn, sei es gegenüber ihren Ärzten, enthalten ein Sturzereignis nicht.

35

Im Ergebnis vermag das Gericht, ohne dass es für den Rechtsstreit nach dem oben Gesagten etwas austrägt, nicht von einem Sturz der Kläger auf ihren waffenbehängten Gurt auszugehen.

36

Das Gericht sieht weder Anlass, wie von der Klägerin angeregt, Beweis zu erheben, noch erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten. Der Sachverhalt ist – auch unter Würdigung der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Atteste vom 05. Dezember 2017 und 01. Juni 2018 – geklärt. Ein Bedarf für weitere Erörterungen, der einen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Die Klägerin hatte im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausreichend und umfassend Gelegenheit, ihren (Rechts-) Standpunkt vorzutragen. Neue Gesichtspunkte sind nicht aufgetreten. Im Übrigen wäre die Klägerin mit ihrem Begehren gemäß § 87 b Abs. 3 VwGO ausgeschlossen. Sie hat die fraglichen ärztlichen Atteste, auf die sie ihr Wiedereintrittsbegehren stützt, außerhalb der mit der Ladungsverfügung gesetzten, ausdrücklich auf die Vorlage weiterer ärztlicher Stellungnahmen bezogenen Stellungnahmefrist (Betreibensaufforderung) vorgelegt. Eine Erklärung hierfür wurde nicht vorgetragen. Ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung würde den Rechtsstreit verzögern.

 


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