Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (6. Kammer) - 6 A 849/03

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückübertragung der Flurstücke 84, 86/2 und 87/2 der Flur 2 in der Gemarkung D., eingetragen im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs von D. Bl. 6, an die Beigeladenen.

2

K. war hinsichtlich der Flurstücke 84, 86 und 87 der Flur 2 im Grundbuch von D. Band 40 Bl. 1135 als Eigentümer eingetragen. Unter dem 22.05.1969 bevollmächtigte er Frau L. mit der Verwaltung des vorgenannten Grundeigentums.

3

Der Rat der Stadt D. erteilte unter dem 01.11.1971 auf Antrag des VEB Stadtwirtschaft D. eine Standortgenehmigung für das Investitionsvorhaben "Sozialeinrichtung" am Standort S.weg 8 in D. Die Baugenehmigung für dieses Bauvorhaben "Sozialgebäude - Typ Erntekindergarten" auf dem Flurstück 84 der Flur 2 wurde am 15.12.1971 durch die Staatliche Bauaufsicht erteilt. Der VEB Stadtwirtschaft D. errichtete im Jahre 1972 auf dem Flurstück 84 ein Büro- und Sozialgebäude, das in den Folgejahren mit einem Anbau versehen wurde, der sich auch auf Teile der Flurstücke 86 und 87 erstreckte.

4

K. ist im März 1972 verstorben und ausweislich des gemeinschaftlichen Erbscheins des Amtsgerichts M. vom 27.06.1973 von B., den Beigeladenen zu 3., 4. und 5. sowie O. zu je 1/5 Anteil beerbt worden.

5

Das Ministerium für Bauwesen forderte die Verwalterin, L., mit Schreiben vom 07.12.1981 auf, an entstandenen Rissen an dem Wohngebäude S.weg 8 Gipsplomben anzubringen. Der Rat der Stadt D. wies Frau L. mit Schreiben vom 23.12.1981 darauf hin, dass dem Abriss des Gebäudes S.weg 8 durch die Staatliche Bauaufsicht zugestimmt werde, wenn der Antrag zum Abriss von den Eigentümern oder von Frau L. als notariell beglaubigter Verwalter gestellt werde. Versuche der Frau L., mit K. bzw. seinen Erben in Verbindung zu treten, blieben erfolglos. Sie gab mit Schreiben vom 06.03.1982 an den Rat der Stadt D. die Verwaltung über den Grundbesitz ab. Mit Beschluss des Staatlichen Notariats D. vom 27.06.1983 wurde eine Abwesenheitspflegschaft für K. angeordnet, die die ordnungsgemäße Verwaltung des Grundbesitzes S.weg 7 und 8 umfasste.

6

In einer Aufstellung der Aufwendungen und Erträge für die Grundstücke S.weg 7/8 für das Jahr 1982 wurden durch Frau L. Mieteinnahmen von 1.198,- M ("normal 1.360,- M") und Aufwendungen von 1.206,43 M angegeben. Die früheren Aufwendungen wurden mit 506,- M (1978), 1.010,- M (1979), 1.210,- M (1980) und 750,- M (1981) angegeben.

7

In den Akten findet sich ein Vermerk vom März 1982 darüber, dass Frau L. die Verwaltung der Grundstücke S.weg 7/8 abgeben wolle. Zugleich ist darin ausgeführt, dass das Gebäude S.weg 8 nicht mehr bewohnt sei. "Der VEB Stadtwirtschaft möchte dieses Grundstück zum Neubau einer Baracke nutzen".

8

Ausweislich einer weiteren für das Grundstück S.weg 7/8 erstellten Abrechnung vom 02.08.1983 für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.07.1983 betrugen die Einnahmen 796,86 M und die Ausgaben 529,58 M. In der Rechenschaftslegung für 1984 wurden als Einnahmen 1.490,24 M und als Ausgaben 1.249,91 M angegeben und darauf hingewiesen, dass am 03.05.1984 ein Kredit über 7.000,- M aufgenommen worden sei. Ausweislich einer Aufstellung vom 24.07.1985 betrugen die Mieten für das Mietwohngrundstück (Flurstück 84 und 86) jährlich 1.115,76 M zuzüglich gewerblicher Miete von 150,- M.

9

Mit Schreiben vom 07.05.1984 bat der VEB Gebäudewirtschaft D. den VEB Stadtwirtschaft D., die Pachtgebühr für die von diesem genutzte Fläche auf dem Grundstück S.weg 8 auf ein dort genanntes Konto zu überweisen.

10

Der VEB Gebäudewirtschaft beantragte unter dem 15.10.1985 beim Rat des Kreises D., die Grundstücke S. 7/8 zum Aufbaugebiet zu erklären. Ein bei der Kreissparkasse D. beantragter Kredit sei aufgrund nicht vorhandener Sicherheit abgelehnt worden. Es seien größere Werterhaltungsmaßnahmen für diese Grundstücke notwendig. Daraufhin wurden die Flurstücke 84, 86 und 87 mit Beschluss des Rates des Kreises D. vom 11.12.1986 mit Wirkung vom 01.01.1986 nach dem Baulandgesetz in Volkseigentum überführt und die Rechtsträgerschaft dem VEB Gebäudewirtschaft übertragen.

11

Unter dem 18.12.1987 wurde durch den VEB (B) Ingenieurbüro für Rationalisierung und Betriebswirtschaft der ÖWV eine Zuarbeit zur Aufgabenstellung Verwaltungsgebäude des VEB Stadtwirtschaft D. im S.weg mit konkreten Planungsunterlagen erstellt.

12

Der Rat der Stadt D. bat das Ministerium für Bauwesen mit Schreiben vom 05.02.1988 um Erteilung einer Abrissgenehmigung für den S.weg 8. Die Räumlichkeiten seien bereits aus dem Wohnungsbestand ausgegliedert. Nach erfolgtem Abriss sei an gleicher Stelle für den VEB Stadtwirtschaft ein Sozialgebäude für die Unterbringung von zusätzlichen Arbeitskräften zu schaffen. Mit Schreiben vom 09.03.1988 bat der Rat der Stadt D. erneut um Erteilung der Abrissgenehmigung für den S.weg 8. Es handele sich um ein Wohnhaus der Bauzustandsstufe 4, das aufgrund einer ausgesprochenen Sperrung bereits aus dem Wohnungsbestand herausgenommen worden sei, wegen teilweisen Einsturzes tragender Teile eine erhebliche Unfallgefahr darstelle und schnellstmöglich beseitigt werden müsse, um weiteren Schäden vorzubeugen. Mit Prüfbescheid vom 17.03.1988 wurde die bauaufsichtliche Genehmigung zum Abriss erteilt und das auf dem Flurstück 86 befindliche Gebäude S.weg 8 im Jahr 1988 abgerissen.

13

Mit Rechtsträgernachweis vom 12.09.1988 wurde die Rechtsträgerschaft für die Flurstücke 86 und 87 auf den VEB Stadtwirtschaft D. übertragen. Der Rechtsträgerwechsel erfolge aufgrund Betriebserweiterung. Das Flurstück Nr. 86 sei unbebaut und das Flurstück Nr. 87 sei baupolizeilich gesperrt.

14

Mit Schreiben vom 21.06.1990 stellte B. für die Erbengemeinschaft nach K. einen Antrag auf Rückübertragung seines ehemaligen Eigentums.

15

Der Landrat des Landkreises D. erteilte am 10.11.1992 der Stadt D. eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung des Flurstücks 84 zum Obdachlosenheim.

16

Nach vorheriger Anhörung übertrug der Landrat des Landkreises D. mit Bescheid vom 05.07.1999 die streitgegenständlichen Flurstücke an die Beigeladenen zu 2. bis 4. sowie B. und O. in Erbengemeinschaft zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Eigentumsverlust basiere auf schädigenden Maßnahmen, welche von § 1 Abs. 2 und 3 VermG erfasst würden. Ausschlussgründe nach §§ 4, 5 VermG lägen nicht vor.

17

Die Klägerin legte dagegen mit Schreiben vom 09.07.1999 Widerspruch ein und führte aus, die Rückübertragung sei nach §§ 4, 5 VermG ausgeschlossen, da die Flurstücke vor dem 29.09.1989 mit erheblichem baulichen Aufwand in der Nutzungsart und Zweckbestimmung verändert worden seien. Auf dem ehemaligen Gartengrundstück sei das Büro- und Sozialgebäude der Stadtwirtschaft D. errichtet worden. Die Investition auf Pachtgrundstücken habe auch in der DDR gegen die damaligen gesetzlichen Bestimmungen verstoßen. Es sei erforderlich gewesen, dass der Investor auch Eigentümer von Grund und Boden habe sein müssen. Ausnahmen seien nur bei der Errichtung von Eigenheimen auf volkseigenem Grund und Boden bzw. ab 1982 auf genossenschaftlich genutztem Grund und Boden zulässig gewesen. Hierfür seien entsprechende Nutzungsrechte erforderlich gewesen. Für die streitgegenständlichen Flurstücke habe bei Errichtung des Büro- und Sozialgebäudes kein Nutzungsrecht verliehen werden können, da das Grundstück weder Volkseigentum noch genossenschaftlich genutzter Grund und Boden gewesen sei. Die Berichtigung des Grundbuchs über die Aufbaugebietserklärung sei 1986 notwendig gewesen. Für die Investition volkseigener Mittel zur Instandhaltung und Modernisierung des Büro- und Sozialgebäudes der Stadtwirtschaft nach 1986 sei es erforderlich gewesen, dass das Grundstück Volkseigentum gewesen sei. Auch vor 1992 habe das Gebäude bereits öffentlichen Aufgaben der Klägerin gedient. Der Anbau des Bürogebäudes müsse nach 1972 erfolgt sein. Das Sozial- und Bürogebäude sei bis Juni 1991 durch den Stadtwirtschaftsbetrieb genutzt worden. Im Jahre 1992 sei der Antrag auf Nutzungsänderung zum Obdachlosenheim gestellt worden. Für die Nutzung des Grundstücks als Büro- und Sozialgebäude sei eine monatliche Pacht gezahlt worden.

18

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2003 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, hinsichtlich der Flurstücke 87 (S.weg 7) und 84, die zusammen ein Buchgrundstück gebildet hätten und damit das rechtliche Schicksal des anderen Flurstücks geteilt hätten, sowie hinsichtlich des Flurstücks 86 (S.weg 8) liege jedenfalls eine Maßnahme nach § 1 Abs. 3 VermG vor. Für die Enteignung sei nicht die Instand- oder Werterhaltung oder ein nach dem Baulandgesetz sogar gerechtfertigt gewesener Abriss des Hauses Nr. 8 entscheidend gewesen, sondern der "Schutz" bzw. die nachträgliche Absicherung vorheriger staatlicher Investitionen auf dem Flurstück 84 nebst geringfügigem Überbau auf den heutigen Flurstücken 86/2 und 87/2. Darin sei eine unlautere Machenschaft zu sehen, da ein solcher Zweck vom Baulandgesetz nicht gedeckt gewesen sei und die Gründe für die Inanspruchnahme nur vorgeschoben worden seien, um auf das Eigentum Zugriff nehmen zu können. Zwar habe das Baulandgesetz auch staatlichen Betrieben den Aus- oder Umbau sowie die Rekonstruktion bereits bestehender Altbauten ermöglicht. Für eine Inanspruchnahme sei aber erforderlich gewesen, dass künftige und konkrete Baumaßnahmen angestanden hätten und entsprechende Mittel im Volkswirtschaftsplan vorgesehen gewesen seien. Dies sei nach Aktenlage nicht der Fall. Für den Ausbau oder die Modernisierung des auf diesen Flurstücken errichteten Sozial- und Bürogebäude habe zudem keine konkrete Planung von Maßnahmen bestanden, die eine Enteignung nach dem Baulandgesetz hätten rechtfertigen können.

19

Eine Rückübertragung sei auch nicht nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG ausgeschlossen. Sei die Nutzungsänderung - wie hier - aus abgeleitetem Recht, nämlich aus dem Pachtvertrag erfolgt, sei für die Anwendung dieser Vorschrift kein Raum. Der 1992 erfolgte Umbau des Gebäudes in ein Obdachlosenheim stelle ebenfalls keinen Ausschlussgrund im Sinne der genannten Vorschrift dar, da die Änderung nach dem Stichtag des 29.09.1990 erfolgt sei.

20

Die Klägerin hat am 25.04.2003 Klage erhoben.

21

Sie trägt vor, zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Grundstücks seien kostendeckende Einnahmen in einem recht deutlichen Verhältnis erwirtschaftet worden. Für eine Grundstücksüberschuldung oder unmittelbar bevorstehende Überschuldung lägen keine Anhaltspunkte vor. Unlautere Machenschaften seien nicht ersichtlich. Der VEB Stadtwirtschaft habe das 1971/1972 mit Sozialeinrichtung Typ "Erntekindergarten" bebaute Flurstück 84 auf vertraglicher Grundlage genutzt. Die bauliche Investition des Volkseigentums auf Privatgrundstück sei hinreichend abgesichert gewesen, nämlich durch selbstständiges volkseigenes Gebäudeeigentum nach ZGB, EGZGB. Es habe 1985 aus rechtlicher Sicht keine Veranlassung bestanden, diese Investition im Nachhinein unter Missbrauch des Baulandgesetzes durch Inanspruchnahme des Grundstücks abzusichern. Mit den im Antrag vom 15.10.1985 angeführten "größeren Werterhaltungsmaßnahmen" sei insbesondere der Abriss des Hauses Nr. 8 gemeint gewesen. Dieser sei schon 1981 sachlich geboten, aber bauordnungsrechtlich über den Grundstückseigentümer bzw. über die Verwalterin mangels Vollmacht nicht herbeiführbar gewesen. Ein solcher Abriss sei nach dem Baurecht der DDR nicht illegal und durch das Baulandgesetz gedeckt gewesen.

22

Bei der Überführung in Volkseigentum per 01.01.1986 sei lediglich das Flurstück 84 mit der Sozialeinrichtung Typ "Erntekindergarten" bebaut gewesen. Dies ergebe sich daraus, dass für das Volkseigentum nur für dieses Flurstück selbstständiges Gebäudeeigentum dokumentiert worden sei und bauliche Erweiterungs-/Um-/Neubauvorhaben des VEB Stadtwirtschaft aktenkundig aus der Zeit von beginnend März 1982 - Februar 1988 verlautet seien und bis zum 01.01.1986 nicht hätten umgesetzt werden können. Das - wegen der Wende nicht mehr durchgeführte - Bauvorhaben für das Sozialgebäude des VEB Stadtwirtschaft am Standort S.weg 7/8 sei Motiv und Hintergrund für die Inanspruchnahme des Vermögenswertes nach dem Baulandgesetz im Jahre 1986 gewesen. Dieses Bauvorhaben sei konkret vorgesehen, geplant und genehmigt gewesen. Für die Annahme unlauterer Machenschaften sei daher kein Raum. Das Baulandgesetz habe auch auf den Abriss von Gebäuden Anwendung gefunden. Anderenfalls wären Abrisse von nicht mehr standsicheren und eine Allgemeingefahr bildenden Gebäuden nach Inkrafttreten des Baulandgesetzes rechtswidrig gewesen.

23

Es liege ein Restitutionsausschlussgrund nach §§ 4, 5 Abs. 1 Buchst. a VermG vor. Der 1988 an die ursprüngliche Sozialeinrichtung vom Typ "Erntekindergarten" neu angebaute Bürotrakt des VEB Gebäudewirtschaft, teils aufstehend (zu je 1/2) auf den Flurstücken 86/2 und 87/2, überwiege die ursprüngliche Sozialeinrichtung nach Größe und Wert um ein Mehrfaches und verändere die Nutzung und Nutzungsart der Flurstücke gänzlich, die ursprünglich Gartenland (84) und Wohngebäude (86 und 87) dargestellt hätten. Das nach der Enteignung und vor dem Stichtag gemäß § 5 Abs. 2 VermG nahezu neu errichtete Sozial- und Bürogebäude des VEB Stadtwirtschaft sei nach dem Stichtag mit erheblichem Kostenaufwand in das jetzige Obdachlosenheim der Klägerin umgebaut worden. Diese habe ein dringliches Interesse am Fortbestand ihres Eigentumsrechts am Grundstück.

24

Die Klägerin beantragt,

25

den Bescheid des Landrates des Landkreises D. vom 05.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 31.03.2003 aufzuheben.

26

Der Beklagte beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Er bezieht sich auf die Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, wenn - wie die Klägerin meine - die bauliche Investition des Volkseigentums auf einem Privatgrundstück (die Errichtung des Sozialgebäudes des VEB Stadtwirtschaft) hinreichend rechtlich abgesichert gewesen sei, sei erst recht von unlauteren Machenschaften auszugehen, wenn die Enteignung unter dem Deckmantel der "Werterhaltungsmaßnahme" erfolgt sei. Ebenfalls als Enteignungsgrund nur vorgeschoben sei die "Werterhaltungsmaßnahme" für den Abriss einer Ruine, wenn keine neue Bebauung vorgesehen gewesen sei. Anders als zur Zeit des Aufbaugesetzes, in dem explizit der Abriss eines Gebäudes als Inanspruchnahmegrund enthalten gewesen sei, habe das Baulandgesetz im Tenor die Bereitstellung von Bauland für die "planmäßige" Errichtung von Gebäuden und baulichen Anlagen, die "planmäßige" Modernisierung usw. vorgesehen. An einer solchen Planung fehle es hier. Der mit der Begründung "Betriebserweiterung" durchgeführte Rechtsträgerwechsel auf den VEB Stadtwirtschaft D. sei nicht zum 01.01.1988, sondern mit Wirkung vom 01.09.1988 vollzogen worden. Die beabsichtigte Betriebserweiterung sei offenkundig nicht Gegenstand des Inanspruchnahmeverfahrens nach dem Baulandgesetz gewesen. Die erst nach der Inanspruchnahme der Grundstücke Ende 1987 erstellte Vorlage der "Zuarbeit zur Aufgabenstellung Verwaltungsgebäude des VEB (K) Stadtwirtschaft D." sehe zwar konkrete Planungsunterlagen für die Errichtung eines Sozialgebäudes vor, welches aber nicht mehr errichtet worden sei. Die Klägerin habe keinen Nachweis darüber erbracht, dass die nachträglichen Planungsunterlagen des VEB Stadtwirtschaft Grundlage der vom VEB Gebäudewirtschaft beantragten Inanspruchnahme nach dem Baulandgesetz gewesen seien.

29

Die Beigeladenen haben sich in der Sache nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

30

O. ist im April 2004 gestorben und ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts Krefeld vom 19.05.2004 von der Beigeladenen zu 4. beerbt worden. B. ist ebenfalls verstorben; über ihren Nachlass wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Fulda vom 18.07.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter hat das Verfahren aufgenommen.

31

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakte sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 15.05.2008 und vom 26.11.2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

32

Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Mecklenburg-Vorpommern - LARoV - ist in dem vorliegenden Verfahren der richtige Beklagte (geworden), da die Aufgaben des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen des Landkreises Ostvorpommern nach der Dritten Landesverordnung zur Übertragung der Zuständigkeit für Verfahren nach dem Vermögensgesetz, dem Entschädigungsgesetz, dem Ausgleichsleistungsgesetz und dem DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz vom 08.12.2008 (GVOBl. M-V S. 494) mit Wirkung vom 01.01.2009 dem LARoV übertragen wurden.

33

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

34

Der Bescheid des Landrates des Landkreises D. vom 05.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 31.03.2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

35

Die Beigeladenen haben einen Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums an den streitgegenständlichen Flurstücken 84, 86/2 und 87/2 nach § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 i.V.m. § 1 Abs. 3 VermG.

36

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG sind Vermögenswerte, die den Maßnahmen im Sinne des § 1 VermG unterlagen und in Volkseigentum überführt oder an Dritte veräußert wurden, auf Antrag an die Berechtigten zurückzuübertragen, soweit dies nicht nach diesem Gesetz ausgeschlossen ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG sind Berechtigte im Sinne dieses Gesetzes natürliche und juristische Personen sowie Personenhandelsgesellschaften, deren Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 VermG betroffen sind, sowie ihre Rechtsnachfolger.

37

Ursprünglicher Eigentümer der streitgegenständlichen Flurstücke war K. Dieser ist im März 1972 verstorben und ausweislich des gemeinschaftlichen Erbscheins des Amtsgerichts Moers vom 27.06.1973 von B., den Beigeladenen zu 3., 4. und 5. sowie O. zu je 1/5 Anteil beerbt worden. O. ist im April 2004 gestorben und ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts Krefeld vom 19.05.2004 von der Beigeladenen zu 4. beerbt worden. Über den Nachlass der B. wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Fulda vom 18.07.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter hat das Verfahren aufgenommen.

38

Es liegt hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Flurstücke eine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG vor.

39

Nach § 1 Abs. 3 VermG betrifft das Vermögensgesetz auch Ansprüche an Vermögenswerten sowie Nutzungsrechte, die aufgrund unlauterer Machenschaften, zum Beispiel durch Machtmissbrauch, Korruption, Nötigung oder Täuschung von Seiten des Erwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter, erworben wurden.

40

Die Bestimmung betrifft solche Vorgänge, bei denen im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR auf bestimmte Vermögenswerte zugegriffen wurde. Ein derartiges qualifiziertes Einzelfallunrecht liegt deshalb nicht vor, wenn bei dem Erwerbsvorgang - gemessen an den in der DDR gültigen Rechtsvorschriften und den sie tragenden ideologischen Grundvorstellungen - "alles mit rechten Dingen zugegangen" ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.02.1996 - 7 C 59.94 - BVerwGE 100, 310; BVerwG, Urteil vom 20.03.1997 - 7 C 23.96 - VIZ 1997, 348). Die zum Vermögensverlust führende unlautere Machenschaft setzt keine bestimmten Handlungsformen und Erwerbsvorgänge voraus. Erfasst wird grundsätzlich jede Art des Rechtserwerbs, neben rechtsgeschäftlichen Erwerbsvorgängen z.B. auch hoheitliche Erwerbsakte in Form willkürlicher oder sonst manipulativer Enteignungen. Eine solche manipulative Enteignung ist anzunehmen, wenn die staatlichen Organe ein den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben als Enteignungszweck nur vorgeschoben haben, um in Wahrheit zu gänzlich anderen Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erlangen. Sie liegt auch dann vor, wenn die Manipulation darin besteht, dass der wahrheitsgemäß angegebene Zweck der Inanspruchnahme offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte, der Enteignungsbeschluss also nur den äußeren Schein einer gesetzmäßigen Vermögensentziehung begründen sollte. Die einfache Rechtswidrigkeit des Enteignungsakts unterhalb der Schwelle der Willkür reicht demgemäß für die Annahme eines solchen Tatbestands nicht aus; denn die Vorschrift des § 1 Abs. 3 VermG will keinen Anspruch auf Rückübertragung von Vermögenswerten allein deswegen gewähren, weil bei einer vermögensentziehenden Maßnahme Regelungen des DDR-Rechts nicht beachtet worden sind (BVerwG, Urteil vom 31.08.1995 - 7 C 39.94 - Buchholz 112 § 1 VermG Nr. 53; BVerwG, Urteil vom 26.06.1997 - 7 C 25/96 - VIZ 1997, 685).

41

Hinzuweisen ist zunächst darauf, dass die konkrete Inanspruchnahme nach dem Baulandgesetz sich insgesamt auf die Flurstücke 86, 87 und 84 richtete. Zwar war in dem Antrag des VEB Gebäudewirtschaft D. vom 15.10.1985 das Flurstück 84 nicht ausdrücklich erwähnt worden; aus der in dem Antrag angegebenen Gesamtfläche für die beantragte Inanspruchnahme ergibt sich aber, dass auch das Flurstück 84 von dem Antrag auf Inanspruchnahme nach dem Baulandgesetz umfasst sein sollte. Dementsprechend sah sowohl die Aufbaugebietserklärung als auch der Bescheid nach dem Baulandgesetz die Entziehung auch des Flurstücks 84 vor.

42

Die erfolgte Inanspruchnahme der Flurstücke 84, 86 und 87 stellt sich als unlautere Machenschaft staatlicher Stellen im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG dar.

43

Zwar wurde in dem Antrag des VEB Gebäudewirtschaft D. vom 15.10.1985 auf Erklärung dieser Grundstücke zum Aufbaugebiet angegeben, dass ein bei der Kreissparkasse D. beantragter Kredit aufgrund nicht vorhandener Sicherheit abgelehnt worden sei und größere Werterhaltungsmaßnahmen für diese Grundstücke notwendig seien. Bei diesem angegebenen Zweck für die Inanspruchnahme handelte es sich um einen durch das Baulandgesetz gedeckten Enteignungszweck.

44

Auch wenn die Enteignung formal zugunsten eines vom Baulandgesetz gedeckten Zweck erfolgte, ist auch in solchen Fällen immer eine umfassende, an den Gesamtumständen orientierte Prüfung erforderlich, ob die angegebenen Maßnahmen der wirkliche Grund für den Eigentumszugriff waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.09.1998 - 7 C 26/97 - VIZ 2000, 217-218). Der durch den VEB Gebäudewirtschaft angegebene Grund für die Inanspruchnahme nach dem Baulandgesetz war durch die damaligen staatlichen Stellen offenkundig nur vorgeschoben worden. Werterhaltungsmaßnahmen waren für die betreffenden Flurstücke zum damaligen Zeitpunkt weder beabsichtigt noch konkret geplant.

45

Aus den Unterlagen ergibt sich zunächst nicht, dass die im Antrag auf Erklärung zum Aufbaugebiet vom 15.10.1985 angegebenen Erhaltungsmaßnahmen oder Investitionen tatsächlich durchgeführt worden sind. Vielmehr lässt sich aus den Akten entnehmen, dass das Gebäude auf dem Grundstück S.weg 8 zu diesem Zeitpunkt bereits abbruchreif war. Dies folgt aus den Angaben der damaligen Verwalterin, Frau L., zu einem Verzichtsantrag einschließlich der Aufwands- und Ertragsrechnung für das Jahr 1982 entnehmen. Darin wird unter der Rubrik "baulicher Zustand des Gebäudes" von dieser ausdrücklich angegeben, dass der S.weg 8 abbruchreif und der S.weg 7 teilweise reparaturbedürftig sei. In der Baubeschreibung vom 11.06.1985 wird ein solcher Zustand des Gebäudes S.weg 8 nicht erwähnt, sondern lediglich ausgeführt, dass dieses "ehemals als Wohnhaus genutzte Gebäude" als Lager durch den VEB Stadtwirtschaft genutzt werde. Das Gebäude sei in die Bauzustandsstufe III einzuordnen. Um eine weitere Nutzungsdauer von 20 Jahren zu erreichen, seien der Außenputz und die Fenster zu erneuern und die Holzbalkendecke auf ihre Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Weitere notwendige Maßnahmen werden in der Baubeschreibung für dieses Gebäude nicht erwähnt. Stellt man jedoch in den Blick, dass das Gebäude im Jahre 1988 dann abgerissen wurde, nachdem die entsprechende Abrissgenehmigung erteilt wurde, ergibt sich ein anderes Bild über den tatsächlichen Zustand des Gebäudes S.weg 8. Dieses war zumindest seit 1981, also bereits Jahre vor der Inanspruchnahme nicht mehr bewohnt, sondern abrissreif. Dies ergibt sich aus einem Schreiben der Stadt D. an Frau L. vom 23.12.1981, in dem darauf hingewiesen wurde, dass dem Abriss des Gebäudes S.weg 8 zugestimmt werde, wenn ein entsprechender Antrag durch den Eigentümer oder die Verwalterin gestellt werde. In einem Schreiben vom 04.01.1982 an den damaligen Eigentümer, K., erklärte Frau L., dass sie eine notariell beglaubigte Vollmacht benötige zum Abriss des Gebäudes. Das Haus sei so baufällig, dass es eine Gefahr für die Passanten sei. Auch in dem Antrag auf Einleitung einer Abwesenheitspflegschaft vom 13.06.1983 wird ausgeführt, dass das Grundstück S.weg 8 baufällig sei. Schließlich ergibt sich zudem aus einem Aktenvermerk aus dem März 1982, dass das Gebäude S.weg 8 bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bewohnt war und dass der VEB Stadtwirtschaft dieses Grundstück zum Neubau einer Baracke nutzen wolle.

46

Das Gebäude S.weg 7 war zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme nach dem Baulandgesetz zwar noch von Mietern bewohnt. In der Baubeschreibung vom 13.06.1985 wurde zu diesem Objekt ausgeführt, dass es in die Bauzustandsstufe III einzuordnen sei; d.h. in die gleiche Bauzustandsstufe wie das zu diesem Zeitpunkt bereits abrissreife Haus im S.weg 8; weiterhin werden dort verschiedene zur Erreichung einer weiteren Nutzung erforderlichen Maßnahmen angegeben. Nach den eigenen Angaben der Klägerin in einem Schreiben vom 07.07.1992 im Rahmen des Verwaltungsverfahrens wurden von ihr "die Bauruinen", die sich auf den Grundstücken befanden, mit erheblichem Aufwand abgetragen. Ausweislich des Rechtsträgernachweises vom September 1988 war das Flurstück 86 zu diesem Zeitpunkt bereits unbebaut, der Abriss also bereits erfolgt, und das Flurstück 87 (S.weg 7) baupolizeilich gesperrt. Ein Abriss auch des auf dem letztgenannten Flurstück befindlichen Gebäudes ist in der Folgezeit vorgenommen worden.

47

In den Akten finden sich keine Unterlagen dafür, dass für das Gebäude auf dem Flurstück 87 Werterhaltungsmaßnahmen durchgeführt wurden; vielmehr ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass dieses Gebäude ca. zwei Jahre nach der Inanspruchnahme baupolizeilich gesperrt wurde, dass Werterhaltungsmaßnahmen auch hinsichtlich dieses Gebäudes nicht durchgeführt wurden. Auch ergibt sich nicht, dass tatsächlich die Durchführung solcher Maßnahmen zum Zeitpunkt der Beantragung sowie der Inanspruchnahme konkret beabsichtigt waren.

48

Werterhaltungsmaßnahmen auf dem Flurstück 84 waren ebenfalls zu keinem Zeitpunkt konkret beabsichtigt. Insoweit fehlt es bereits an einer entsprechenden Erwähnung dieses Flurstück im Rahmen des Antrags auf Inanspruchnahme. Konkrete Maßnahmen wurden auch im Übrigen im Zusammenhang mit dem Flurstück 84 nicht genannt.

49

Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass durch die staatlichen Stellen versehentlich ein unzutreffender Enteignungszweck angegeben worden wäre oder der angegebene Enteignungszweck der Durchführung von Werterhaltungsmaßnahmen erst nachträglich, d.h. nach der Inanspruchnahme der Grundstücke, aus sonstigen Gründen weggefallen ist. Dies trägt auch die Klägerin selbst nicht vor. Es spricht daher alles dafür, dass der für die Inanspruchnahme der Flurstücke 84, 86 und 87 angegebene Enteignungszweck der Durchführung von Werterhaltungsmaßnahmen nur vorgeschoben war und die Flurstücke in Wahrheit zu gänzlich anderen Zwecken in Anspruch genommen wurden. Hierfür sprechen auch die übrigen sich aus den Akten ergebenden Umstände.

50

Sollte die Inanspruchnahme der Flurstücke 84, 86 und 87 tatsächlich dem Zweck gedient haben, einen Abriss des Gebäudes S.weg 8 vorzunehmen, um anschließend dem VEB Stadtwirtschaft den Neubau einer Baracke zu ermöglichen, wie es sich aus dem Vermerk aus dem August 1982 ergibt, so wurde ein solcher Zweck für die Inanspruchnahme zu keinem Zeitpunkt angegeben. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass selbst wenn ein solches Neubauvorhaben auf dem Flurstück 86 geplant gewesen sein sollte, es hierfür nicht erforderlich gewesen wäre, auch die Flurstücke 84 und 87, die ein eigenes Buchgrundstück darstellten, zu enteignen. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass die Inanspruchnahme der Flurstücke 84, 86 und 87 zu einem anderen Zweck erfolgte, nämlich zur Sicherung der Investitionen auf dem Flurstück 84 sowie - nach erfolgtem Anbau - des auf den Flurstücken 86 und 87 teilweise befindlichen Überbaus. Auf den Flurstücken 84, 86 und 87 wurden in der Vergangenheit zu Beginn der 70er Jahre - vor der Inanspruchnahme nach dem Baulandgesetz - Investitionen aus staatlichen Haushaltsmitteln auf privatem Grund getätigt; für die von dem (Über-)Bau betroffenen Grundstücke wurde durch den VEB Stadtwirtschaft D an den damaligen Eigentümer bzw. an den für diesen bestellten Abwesenheitspfleger (VEB Gebäudewirtschaft D.) eine Pacht gezahlt. Durch die erfolgte Inanspruchnahme nach dem Baulandgesetz konnten diese staatlichen Investitionen auf privatem Grunde gesichert werden, indem das betreffende Grundstück nachträglich - nämlich mehr als 10 Jahre später - dem Staatsvermögen zugeführt wurde. Vor der Inanspruchnahme der genannten Flurstücke bestand keinerlei Sicherung hinsichtlich der getätigten staatlichen Investitionen, da kein gesondertes Gebäudeeigentum an dem durch den VEB Stadtwirtschaft errichteten Gebäude entstanden war. Zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes auf dem Flurstück 84 bzw. des späteren Anbaus auf Teilflächen der Flurstücke 86 und 87 Anfang der 70er Jahre galt noch das Bürgerliche Gesetzbuch, da das Zivilgesetzbuch der DDR erst im Juni 1975 in Kraft getreten war. Das Bürgerliche Gesetzbuch sah jedoch im Falle der Errichtung von Gebäuden auf privatem Grund und Boden aufgrund eines vertraglich vereinbarten Pachtvertrages die Entstehung eines dinglichen Nutzungsrechts oder eines Eigentumsrechts der Errichters des Gebäudes nicht vor. Die Entstehung von gesondertem Gebäudeeigentum oder dinglichen Nutzungsrechten war in solchen Fällen auch nach den sonstigen Rechtsvorschriften nicht möglich. Die Rechtsordnung der DDR sah nur die Verleihung von dinglichen Nutzungsrechten an volkseigenem Grund und Boden vor; zudem gab es die Zuweisung dinglicher Nutzungsrechte an genossenschaftlich genutztem Boden (Holst/Liedtke in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 4 Rdnr. 80). Die streitgegenständlichen Grundstücke befanden sich jedoch zum Zeitpunkt der Bebauung noch in privatem Eigentum des Herrn K. und wurden auch nicht genossenschaftlich genutzt, so dass weder ein dingliches Nutzungsrecht noch gesondertes Gebäudeeigentum zugunsten des Volkseigentums mangels entsprechender rechtlicher Grundlage entstanden war.

51

Weder das Aufbaugesetz noch das Baulandgesetz rechtfertigten jedoch eine Inanspruchnahme zum Zwecke der nachträglichen Sicherung bereits Jahre zuvor getätigter Investitionen aus dem Staatshaushalt. Auch der Zweck, die an den damaligen Eigentümer zu zahlende Pacht einzusparen, war von keiner der genannten Rechtsgrundlagen für eine Inanspruchnahme gedeckt. Für die Enteignung allein zum Zweck der nachträglichen Sicherung bereits verausgabter Haushaltsmittel gab es offenkundig keine rechtliche Grundlage (BVerwG, Urteil vom 26.06.1997 - 7 C 25/96 - VIZ 1997, 685-687), so dass sich die Enteignung der streitgegenständlichen Flurstücke als staatlicher Machtmissbrauch darstelle.

52

Es liegen zudem keine Ausschlusstatbestände nach §§ 4, 5 VermG vor.

53

Ein Ausschlussgrund nach § 4 Abs. 2 VermG scheidet offenkundig für alle hier streitgegenständlichen Flurstücke aus, da es insoweit am Vorliegen von gesondertem Gebäudeeigentum sowie der Verleihung eines - dinglichen - Nutzungsrechts fehlt und im Übrigen der Anwendungsbereich der Vorschrift sich auf den Erwerb dieser Rechte durch natürliche Personen, Religionsgemeinschaften oder gemeinnützige Stiftung beschränkt.

54

Auch ein Ausschlusstatbestand nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG liegt nicht vor. Danach ist eine Rückübertragung von Eigentumsrechten an Grundstücken und Gebäuden gemäß § 4 Abs. 1 VermG insbesondere auch dann ausgeschlossen, wenn Grundstück und Gebäude mit erheblichem baulichen Aufwand in ihrer Nutzungsart oder Zweckbestimmung verändert wurden und ein öffentliches Interesse an dieser Nutzung besteht. Nach Abs. 2 des § 5 VermG ist im Falle des Abs. 1 Buchst. a die Rückübertragung von Eigentumsrechten nur dann ausgeschlossen, wenn die maßgeblichen tatsächlichen Umstände am 29.09.1990 vorgelegen haben.

55

Hier fehlt es bereits an einer Änderung der Nutzungsart oder Zweckbestimmung und damit an der ersten der genannten Voraussetzungen. Die Begriffe Änderung der Nutzungsart und der Zweckbestimmung überschneiden sich weitgehend. Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn einem Grundstück oder Gebäude eine andere Zweckbestimmung gegeben wird, die darin besteht, dass die bisherige Nutzung aufgegeben wird und an ihre Stelle eine neue, andersartige Nutzung tritt. Eine Änderung der Zweckbestimmung stellt darüber hinaus jede Ersetzung der bestehenden Nutzung durch eine andere Nutzung dar, ohne dass sich die Nutzungsart geändert haben muss (Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Band II, Stand: Juni 1998, § 5 Rdnrn. 9, 11). Für die Beurteilung der Frage, ob sich bezüglich der streitgegenständlichen Flurstücke die Nutzungsart oder Zweckbestimmung geändert hat, kommt es auf einen Vergleich des Zustandes, wie er im Zeitpunkt des Eigentumsverlustes bestanden hat, mit dem Zustand an, wie er am 29. September 1990 (d.h. im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vermögensgesetzes) bestanden hat; § 5 Abs. 2 VermG (Hellmann in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 5 Rdnr. 17).

56

Den Altunterlagen lässt sich entnehmen, dass das Flurstück 84 bereits im Jahre 1972 und damit lange vor der Inanspruchnahme nach dem Baulandgesetz mit einem Sozialgebäude - Typ Erntekindergarten - bebaut worden war und sich in der Nutzung des VEB Stadtwirtschaft befand. Darüber hinaus erfolgte die Nutzungsänderung - von Gartenland zu bebautem Grundstück mit Sozialgebäude des VEB Stadtwirtschaft - nicht aus eigenem Recht, sondern vielmehr aufgrund eines mit dem Eigentümer des Grundstücks - bzw. hier für diesen die Verwalterin handelnd - abgeschlossenen Pachtvertrages. Wenn die Nutzungsänderung jedoch in Ausübung eines dinglichen oder obligatorischen Nutzungsrechts (Miete, Pacht o.ä.) erfolgte, ist für die Anwendung des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG von vornherein kein Raum. Der durch die Vorschrift bezweckte Bestandschutz der geänderten Nutzungsverhältnisse wird in diesen Fällen nach Maßgabe der §§ 16 Abs. 2, 3 und 17 VermG garantiert, die nach der Systematik des Gesetzes insoweit abschießende Sonderregelungen enthalten (Hellmann a.a.O., VermG § 5 Rdnr. 15). Soweit sich die Klägerin hinsichtlich des Vorliegens eines Ausschlusstatbestandes nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG darauf beruft, dass erhebliche An- und Umbauten an dem Sozialgebäude späterhin stattgefunden hätten, vermag dies ebenfalls keinen Ausschlusstatbestand im Sinne der vorgenannten Vorschrift zu begründen. Hinsichtlich der Änderung der Nutzungsart oder Zweckbestimmung ist auf die tatsächliche Nutzung abzustellen mit der Folge, dass der Restitutionsausschluss von § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG bereits dann nicht eingreift, wenn der Vermögenswert im Zeitpunkt der Schädigung im Wesentlichen wie am 29. September 1990 (§ 5 Abs. 2 VermG) genutzt wurde. Reichte es hingegen aus, dass der erhebliche bauliche Aufwand für diese - konkrete - Nutzung (§ 5 Abs. 1 Buchst. VermG) zeitlich nach dem Vermögensverlust erfolgt war, würde letzthin dieser Aufwand privilegiert, obwohl sonst Investitionen einer Rückgabe eines Vermögenswertes nicht entgegenstehen, sondern allenfalls einen Wertausgleich gemäß § 7 VermG rechtfertigen können (BVerwG, Beschluss vom 24.08.2000 - 8 B 181/00 -; BVerwG, Urteil vom 30.11.1995 - 7 C 55/94 -, BVerwGE 100, 70, 72).

57

Eine Nutzungsänderung aufgrund des im Jahre 1992 erfolgten Umbaus zum Obdachlosenheim muss vorliegend im Rahmen des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG außer Betracht bleiben, da diese Nutzungsänderung erst nach dem Stichtag des § 5 Abs. 2 VermG erfolgte und daher von dem Schutzbereich des § 5 VermG nicht mehr umfasst wird.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen