Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (3. Kammer) - 3 A 244/09

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen (Schmutz- und Niederschlagswasser).

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Die Klägerin ist Untererbbauberechtigte an dem gewerblich genutzten Grundstück G1 in einer Größe von 7.778 m². Erbbauberechtigte ist eine aus den Herren M.S. und J.S. gebildete GbR. Das Grundstück liegt im Bereich des betriebsfertigen Teils der von der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (Stadt) betriebenen Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlungsanlagen.

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Mit Bescheid vom 22.08.2008 zog der Beklagte die Klägerin zu einem Schmutzwasserbeitrag in Höhe von 5.111,27 EUR und einem Niederschlagswasserbeitrag in Höhe von 2.986,75 EUR heran. Die Widersprüche der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2009 – zugestellt am 05.02.2009 - zurück.

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Am 05.03.2009 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. In einem das Grundstück der Klägerin betreffenden Verfahren zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen hätten sowohl das VG Greifswald als auch das OVG Mecklenburg-Vorpommern festgestellt, dass Beitragsschuldnern die von den Herren S. gebildete GbR als Erbbauberechtigte sei. Demgemäß habe der Beklagte Erschließungsbeitragsbescheide an diese gerichtet. Hieran müsse er sich nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung auch im vorliegenden Verfahren festhalten lassen. Da ein Erbbaurecht bestehe, müsse auf die Klägerin als Untererbbauberechtigte nicht mehr zurückgegriffen werden. Die Beitragssatzung lasse eine Auslegung dergestalt zu, dass die Untererbbauberechtigte nur heranzuziehen sei, wenn von der Erbbauberechtigten keine Beiträge eingetrieben werden könnten.

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Die Klägerin beantragt,

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die Bescheide des Beklagten vom 22.08.2008 – … - in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 03.02.2009 aufzuheben.

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Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Mit Beschluss vom 03.11.2011 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

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1. Sie finden ihre gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung vom Beiträgen für die Abwasserentsorgung – Schmutzwasser und Niederschlagswasser – der Universitäts- und Hansestadt A-Stadt (Beitragssatzung – BS) vom 06.01.2004 i. d. F. der 3. Änderungssatzung vom 10.10.2007.

13

Die Satzung ist wirksam (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2008 – 3 A 1395/05 – juris Rn. 19 ff.). Zwar ist die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 BS, wonach der Eigentümer eines Gebäudes zum Beitragspflichtigen bestimmt werden kann, wenn das Eigentum an einem Grundstück und an einem Gebäude infolge der Regelung des § 286 Zivilgesetzbuch vom 19. Juni 1975 (GBl. DDR I, S. 465) getrennt ist, seit dem Inkrafttreten der KAG-Novelle 2005 am 31.03.2005 so nicht mehr zulässig. Denn nunmehr bestimmt § 7 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V, dass, wenn das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch belastet ist, der Inhaber dieses Rechtes anstelle des Eigentümers beitragspflichtig ist. Damit entfällt das bis dahin bestehende Wahlrecht.

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 22 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V. Danach bleiben Satzungen, die aufgrund des Kommunalabgabengesetzes vom 1. Juni 1993 (GVOBl. M-V S. 522, 916), geändert durch Artikel 27 des Gesetzes vom 22. November 2001 (GVOBl. M-V S. 438) gültig erlassen worden sind, weiterhin in Kraft. Allerdings sind sie gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V bis zum 1. Januar 2007 dem geänderten Recht anzupassen.

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Zwar ist eine solche Anpassung bisher nicht erfolgt. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 3 BS ist mit Ablauf der Anpassungsfrist unwirksam geworden ist, denn der dargestellte Fehler kann durch eine geltungserhaltende Auslegung geheilt werden. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass § 8 Abs. 2 Satz 3 BS dem Beklagten ein Ermessen einräumt und dieses Ermessen durch Auslegung eingeschränkt werden kann. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von dem dem Urteil des VG Greifswald vom 11.11.2011 (– 3 A 189/09 – juris Rn. 23) zu Grunde liegenden Sachverhalt. Daher ist § 8 Abs. 1 Satz 3 BS so auszulegen, dass das Ermessen, den Gebäudeeigentümer zum Beitragspflichtigen zu bestimmten, seit Ablauf der Anpassungsfrist „auf Null“ reduziert ist. Folglich eröffnet die Bestimmung kein Ermessen (mehr). Seit diesem Zeitpunkt ist der Gebäudeeigentümer im Einklang mit § 7 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V zum Beitragspflichtigen zu bestimmen.

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Die Frage, ob der Fehler auch deshalb unbeachtlich ist, weil die sachliche Beitragspflicht vor dem Ablauf der Anpassungsfrist entstanden ist (vgl. VG Greifswald a.a.O. Rn. 24), kann daher auf sich beruhen.

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2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten begegnet keinen Bedenken. Insbesondere ist die Klägerin persönlich beitragspflichtig. Hierzu bestimmt § 8 Abs. 1 Satz 1 BS, dass beitragspflichtig ist, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks oder zur Nutzung dinglich berechtigt ist. Ist das Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, so ist nach Satz 2 l.cit. der Erbbauberechtigte bzw. Untererbbauberechtigte anstelle des Eigentümers beitragspflichtig. Die Verknüpfung der Merkmale „Erbbauberechtigte“ und „Untererbbauberechtigte“ durch die Wendung „bzw.“ (beziehungsweise) ist noch hinreichend bestimmt. Die Wendung hat die Bedeutung von „oder vielmehr“ und „und im anderen Fall“ (www.duden.de). Daraus folgt, dass die genannten Merkmale nicht gleichrangig miteinander verknüpft sind, sondern dass, wenn – wie hier - ein Untererbbaurecht besteht, der Inhaber dieses Rechts anstelle des Erbbauberechtigten Beitragsschuldner ist. Dies ist nicht zu beanstanden, da der Untererbbauberechtigte als Inhaber der unmittelbaren Verfügungsgewalt über das Grundstück primär in den Genuss des durch die Herstellung der Abwasseranlagen begründeten Vorteils kommt (vgl. Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 08/11, § 7 Anm. 12.2). Mit der Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 2 BS wird lediglich der bereits in § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG M-V enthaltene Rechtsgedanke weiterentwickelt. Damit ist die Klägerin und nicht die von den Herren S. gebildete GbR persönlich beitragspflichtig. Auch die Annahme einer Gesamtschuld scheidet aus.

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Der Hinweis der Klägerin auf den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung greift in diesem Zusammenhang bereits deshalb nicht, weil es in den von ihr benannten Verfahren nicht um die Erhebung von Anschlussbeiträgen, sondern um die Erhebung von Erschließungsbeiträgen ging. Wer persönlich beitragspflichtig ist, ist im Erschließungsbeitragsrecht unmittelbar in § 134 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) geregelt. Im Unterschied zu § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG M-V handelt es sich bei § 134 Abs. 1 BauGB um eine Vollregelung. Einer satzungsrechtlichen Definition des Beitragspflichtigen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 erste Var. KAG M-V) ist daher nicht erforderlich. Die Bestimmung des § 134 Abs. 1 Satz 2 BauGB enthält das in § 8 Abs. 1 Satz 2 BS normierte Rangverhältnis nicht.

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Weitere Rechtsanwendungsfehler werden von der Klägerin nicht geltend gemacht. Sie drängen sich auch nicht auf.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a VwGO) sind nicht ersichtlich.

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