Beschluss vom Verwaltungsgericht Halle (6. Kammer) - 6 B 141/15
Gründe
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Der Antrag der Antragstellerin,
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festzustellen, dass ihre am 20. Mai 2015 erhobene Klage zum Aktenzeichen 6 A 98/15 HAL gegen den den Beigeladenen betreffenden Versagungsbescheid des Antragsgegners vom 16. April 2015 aufschiebende Wirkung hat,
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hilfsweise, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu gebieten, bis zur Entscheidung der oben angeführten Klage, äußerst hilfsweise bis zum Ende des laufenden Schuljahres gegen die Lehrtätigkeit des Beigeladenen entsprechend der Unterrichtsanzeige vom 04. Februar 2015 nicht einzuschreiten,
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hat keinen Erfolg.
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Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Hauptantrag, der auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) der am 20. Mai 2015 zum Aktenzeichen 6 A 98/15 HAL erhobenen Klage gerichtet ist, ist nicht begründet.
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Da die aufschiebende Wirkung nur Eingriffe in bestehende rechtlich geschützte Positionen vorläufig ausschließt, nicht aber die Rechtstellung des durch sie Begünstigten erweitern kann, kommt sie grundsätzlich bei Verwaltungsakten, die einen Antrag ablehnen, nicht in Betracht, bzw. ist sie hier ohne rechtliche Bedeutung. Eine positive vorläufige Regelung kann hier nur gemäß § 123 VwGO erreicht werden. Etwas anderes gilt dann, wenn das materielle Recht an die ablehnende Entscheidung weitergehende Wirkungen knüpft, etwa den Verlust einer bis zur Entscheidung kraft Gesetzes anerkannten Rechtstellung; in diesen Fällen hat die aufschiebende Wirkung mittelbar zur Folge, dass der Betroffene vorläufig weiterhin so zu behandeln ist, als wäre er im Besitz dieser Rechtstellung geblieben (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 80 Rdnr. 40 m.w.N.). Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wäre der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO demnach nur dann die richtige Antragsart, wenn die hier durch den Bescheid des Antragsgegners vom 16. April 2015 ausgesprochene Versagung der Unterrichtsgenehmigung für den Beigeladenen den Verlust eines durch Anzeige bzw. Antrag begründeten fiktiven Rechts zur Unterrichtserteilung an der Ersatzschule der Antragstellerin bewirkt hätte (vgl. OVG Thüringen, Beschluss vom 11. März 1996 - 3 EO 891/95 -, DÖV 1996, 1059). Dies ist jedoch nicht der Fall.
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Die Antragstellerin vermag nicht erfolgreich geltend zu machen, dass eine Genehmigungsfiktion nach § 16 a Abs. 2 Satz 4 SchulG LSA eingetreten sei, die im Fall der Aufhebung der ablehnenden Verfügung „aufleben“ würde. Nach § 16 a Abs. 2 Satz 4 SchulG LSA in der hier maßgeblichen, zum 14. Dezember 2012 in Kraft getretenen aktuellen Fassung gilt die Unterrichtsgenehmigung für Lehrkräfte mit der Befähigung zum Lehramt, einem entsprechenden Abschluss nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik oder nach § 30 Abs. 7 oder 8 mit festgestellter Befähigung für ein Lehramt oder Lehrbefähigung für ein Unterrichtsfach an anerkannten Ersatzschulen und Ersatzschulen von besonderer pädagogischer Bedeutung, sofern diese Finanzhilfe nach § 18 Abs. 2 erhalten, als erteilt, wenn der Schulträger die Ausübung der Tätigkeit der zuständigen Schulbehörde mit den entsprechenden Unterlagen gemäß Absatz 1 angezeigt hat. Eine Genehmigungsfiktion nach Maßgabe dieser Regelung scheidet von vornherein aus, da diese nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut nur auf Lehrkräfte Anwendung findet, die – anders als der Beigeladene – über eine Befähigung zum Lehramt oder einen entsprechenden Abschluss nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik bzw. einen in einem Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum erworbenen Abschluss verfügen (vgl. VG Halle, Urteil vom 19. November 2013, 6 A 45/12 HAL, Urteil vom 04. März 2014, 6 A 73/13 HAL, [nicht rechtskräftig]). Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 10. Dezember 2013, 7 A 426/12; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 09. Februar 2015, 3 L 70/14). So beziehen sich die genannten Entscheidungen auf die vor dem 14. Dezember 2012 geltende Fassung des § 16 a Abs. 2 Satz 4 SchulG LSA. Danach galt die Unterrichtsgenehmigung für Lehrkräfte an anerkannten Ersatzschulen und Ersatzschulen von besonderer pädagogischer Bedeutung, sofern diese Finanzhilfe nach § 18 Abs. 2 SchulG LSA erhalten, - ungeachtet ihrer konkreten Ausbildung - als erteilt, wenn der Schulträger die Ausübung der Tätigkeit der zuständigen Schulbehörde mit den entsprechenden Unterlagen gemäß § 16a Abs. 1 SchulG LSA angezeigt hatte. Die Bestimmung war als Ausnahme von der in Satz 1 des Abs. 4 verlangten Entscheidung der Schulbehörde über eine Unterrichtsgenehmigung zu verstehen (vgl. Reich, Schulgesetz Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2006, § 16 Rdn. 6). Bei Vorliegen der Fiktionsvoraussetzungen konnte diese (lediglich) in begründeten Fällen prüfen, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt waren, und gegebenenfalls die Unterrichtsgenehmigung widerrufen (§ 16a Abs. 2 Satz 5 SchulG LSA a.F.). Im Übrigen enthält der genannte Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt auch keine Bestätigung der erstinstanzlich geäußerten Annahme zum Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 16 a Abs. 2 Satz 4 SchulG LSA a.F., sondern lediglich Ausführungen zur mangelnden Ergebnisrelevanz dieser Rechtsauffassung.
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Ebenso wenig kann sich die Antragstellerin auf die ihrerseits beanspruchte „fiktive vorläufige Genehmigung nach § 16 a Abs. 2 Satz 5 SchulG LSA“ berufen. Die vorgenannte Regelung bestimmt, dass Personen mit anderen wissenschaftlichen Ausbildungen nach Anzeige des Schulträgers und Vorlage der entsprechenden Unterlagen an der Schule eingesetzt werden dürfen. Soweit die Antragstellerin meint, dass durch diese Anzeige des Schulträgers und die Vorlage der entsprechenden Unterlagen eine Genehmigungsfiktion eintrete, „deren Wirkung … erst durch Bestandskraft einer entgegenstehenden Entscheidung [oder dem Sofortvollzug] end(e)“, kann ihr jedoch nicht gefolgt werden. Mit der Anzeige nach § 16 a Abs. 2 Satz 5 SchulG LSA beginnt die dreimonatige Frist, innerhalb derer die Schulbehörde über die Erteilung einer Unterrichtsgenehmigung zu entscheiden hat (§ 16 a Abs. 2 Satz 5 SchulG LSA). In dieser Fristenregelung kommt der klare Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass auch an der Ersatzschule niemand für längere Zeit als drei Monate unterrichten soll, der nicht über die Voraussetzungen für die Erteilung einer Unterrichtsgenehmigung verfügt. Die durch § 16 a Abs. 2 Satz 5 SchulG LSA vermittelte Rechtstellung ist danach jedenfalls dann „verbraucht“, wenn nach der Anzeige im Sinne des § 16 a Abs. 2 Satz 5 SchulG LSA drei Monate verstrichen sind und die Schulbehörde in dieser Zeit über die Erteilung der Unterrichtsgenehmigung entschieden hat. Letzteres ist hier der Fall. Denn nach der am 04. Februar 2015 erfolgten Anzeige, die der Antragsgegner zu Recht als Antrag auf Erteilung einer Unterrichtsgenehmigung für den Beigeladenen angesehen hat, hat der Antragsgegner mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. April 2015 entschieden, dass die Unterrichtsgenehmigung für den Beigeladenen versagt wird.
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Mit dem - nach § 123 Abs. 1 VwGO zu beurteilenden - Hilfsantrag ist der Antrag ebenfalls abzulehnen. Insoweit fehlt es bereits an der erforderlichen Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Für das Begehren der Antragstellerin, dem Antragsgegner ein Einschreiten gegen die Lehrtätigkeit des Beigeladenen zu untersagen, ist bereits keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Wie oben dargelegt, verfügt der Beigeladene derzeit nicht über die erforderliche Unterrichtsgenehmigung, die aber drei Monate nach der Anzeige im Sinne von § 16 a Abs. 2 Satz 4 SchulG LSA erteilt worden sein muss, damit eine Lehrkraft (weiterhin) an der Ersatzschule Unterricht erteilen darf. Wird eine Lehrkraft trotz Versagung der Unterrichtsgenehmigung weiterhin eingesetzt, so stellt sich dies als Rechtsverstoß dar, gegen den die Schulbehörde im Rahmen ihrer Aufsichtspflichten (vgl. § 83 SchulG LSA) vorgehen kann. Darüber hinaus kommt auch die Ahndung eines solchen Verhaltens des Schulträgers als Ordnungswidrigkeit gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 7 SchulG LSA in Betracht. Ein rechtlich schützenswertes Interesse der Antragstellerin, dem Antragsgegner sozusagen vorsorglich ein entsprechendes Tätigwerden zu untersagen, ist nicht erkennbar. Die vorläufige Erteilung einer Unterrichtsgenehmigung macht die Antragstellerin schließlich ausdrücklich nicht geltend. Die Kammer ist insoweit an das in den Anträgen und dem übrigen Vorbringen der anwaltlich vertretenen Antragstellerin zum Ausdruck kommende Antragsziel gebunden (vgl. § 88 VwGO analog).
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Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten weist die Kammer jedoch darauf hin, dass der Antragstellerin nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen derzeit auch kein Anspruch auf Erteilung einer Unterrichtsgenehmigung zugunsten des Beigeladenen zustehen dürfte. Maßgeblich ist insoweit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rdn. 217 m.w.N.), so dass die Eignung des Beigeladenen als Lehrkraft für das Fach Ethik nach Maßgabe des § 16a Abs. 1 SchulG LSA i.V.m. § 3 Abs. 5 und 6 der Verordnung über Schulen in freier Trägerschaft (SchifT-VO) vom 17. April 2013 (GVBl. LSA S. 166) zu beurteilen ist und in diesem Zusammenhang auch die von ihm zwischenzeitlich absolvierten und im gerichtlichen Verfahren belegten Fortbildungen Berücksichtigung finden. Der Beigeladene verfügt - soweit derzeit ersichtlich - allerdings gegenwärtig weder über eine der Ausbildung und den Prüfungen der Lehrerinnen und Lehrer an entsprechenden öffentlichen Schulen im Werte gleichkommende Ausbildung nebst staatlicher bzw. staatlich anerkannter Prüfung noch hat er die geforderte Eignung durch gleichwertige Leistungen nachgewiesen.
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Dabei kann offenbleiben, ob die erforderliche pädagogische Eignung des Beigeladenen aufgrund seiner mehrjährigen Unterrichtserfahrung angenommen werden kann. Denn es fehlt jedenfalls derzeit an dem Nachweis seiner fachlichen Eignung. Der Antragsgegner verlangt insoweit unter Verweis auf den Runderlass „Evangelischer Religionsunterricht, katholischer Religionsunterricht und Ethikunterricht an den Schulen des Landes Sachsen-Anhalt“ des Kultusministeriums des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. Mai 2007 das Vorliegen der dort in Ziff. 2 aufgestellten Voraussetzungen. Nach Ziff. 2.6 kann der Ethikunterricht auch durch Lehrkräfte erteilt werden, die eine Lehrbefähigung oder Unterrichtserlaubnis im Fach Philosophie erworben haben. Die wissenschaftliche Eignung kann gem. § 16 a Abs. 1 SchulG LSA auch durch gleichwertige Leistungen nachgewiesen werden. Der Beigeladene verfügt zwar über ein Philosophie-Diplom der Karl-Marx-Universität Leipzig aus dem Jahr 1977. Die Entscheidung des Antragsgegners, die hierdurch nachgewiesene Ausbildung nicht als gleichwertig im o.g. Sinne anzuerkennen, ist allerdings nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen nicht zu beanstanden. So weist das Diplom-Zeugnis nach den Angaben des Antragsgegners im angegriffenen Bescheid vom 16. April 2015 aus, dass das Diplom an der Sektion „Marxistisch-leninistische Philosophie/Wissenschaftlicher Kommunismus“ erworben wurde, wobei der Beigeladene eine Diplomarbeit zum Thema „Die marxistisch-leninistische Ästhetik“ zum Begriff „Volksverbundenheit“ und die Bedeutung dieses Begriffs für die Theorie des sozialistischen Realismus“ vorgelegt hat. Die Einschätzung des Antragsgegners, dass hierdurch das Vorliegen einer "gleichwertige(n) Leistung" nach § 16a Abs. 1 Satz 1 SchulG LSA nicht nachgewiesen ist, ist nicht zu beanstanden. Das derzeit von ihm betriebene Fernstudium der Philosophie an der Fernuniversität Hagen hat der Beigeladene noch nicht abgeschlossen. Dass das vom Beigeladenen darüber hinaus nachgewiesene Diplom im Fach Soziologie als Nachweis einer „gleichwertigen Leistung“ im o.g. Sinne für den Unterrichtseinsatz im Fach „Ethik“ geeignet ist, trägt schließlich weder die Antragstellerin noch der Beigeladene vor. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Anerkennung derartiger „freier" Leistungen grundsätzlich möglich ist und nur dann nicht in Betracht kommt, wenn der betreffende Lehrer mit seiner Qualifikation eindeutig hinter dem Standard der staatlichen Lehrerausbildung zurücksteht, weil bloße Zweifel an der Gleichwertigkeit der vorhandenen Qualifikation nicht zuungunsten des freien Trägers der Schule gewertet werden dürfen (vgl. VG Dresden, Beschluss vom 24. März 2005 – 5 K 2981/04 -, zit. nach juris Rdn. 70 unter Verweis auf OVG Münster, Urteil vom 7. April 1992 – 19 A 3019/91 -, veröff. in juris und BVerwG zur Gleichwertigkeit der Lehrziele, Urteil vom 19. Februar 1992 – 6 C 3/91 -, veröff. in juris, dort Rdn. 52), decken die Ausbildungen des Beigeladenen danach das erforderliche Fachwissen für seinen Einsatz im Unterrichtsfach „Ethik“ derzeit nicht ab.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Der für das Hauptsacheverfahren in Ansatz zu bringende Streitwert von 5.000,00 Euro wird in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt bei Kopp/Schenke, a.a.O., Anh. § 164 Rdnr. 14) um die Hälfte reduziert, weil es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt.
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Referenzen
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- § 18 Abs. 2 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 L 70/14 1x (nicht zugeordnet)
- § 16 a Abs. 2 Satz 5 SchulG 5x (nicht zugeordnet)
- 6 C 3/91 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 3x
- § 83 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- 5 K 2981/04 1x (nicht zugeordnet)
- § 16a Abs. 2 Satz 5 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- 6 A 73/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 16a Abs. 1 Satz 1 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- 19 A 3019/91 1x (nicht zugeordnet)
- 3 EO 891/95 1x (nicht zugeordnet)
- § 16 a Abs. 2 Satz 4 SchulG 5x (nicht zugeordnet)
- §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 3x
- 6 A 98/15 2x (nicht zugeordnet)
- § 16a Abs. 1 SchulG 2x (nicht zugeordnet)
- § 16 a Abs. 1 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 88 1x
- 6 A 45/12 1x (nicht zugeordnet)
- § 84 Abs. 1 Nr. 7 SchulG 1x (nicht zugeordnet)