Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (5. Kammer) - 5 A 179/13
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Rücknahmebescheides.
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Die Klägerin ist Beamtin des Landes Sachsen-Anhalt. Sie ist gewähltes Mitglied des geschäftsführenden Landesbezirksvorstandes und gewählte Vorsitzende der Bezirksgruppe … der Gewerkschaft der Polizei des Landes Sachsen-Anhalt. Als Mitglied des geschäftsführenden Landesbezirksvorstandes ist sie auch Mitglied des Landesbezirksvorstandes und des erweiterten Landesbezirksvorstandes.
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Am 12. April 2013 fand eine Sitzung des erweiterten Landesbezirksvorstandes der Gewerkschaft der Polizei statt. Die Klägerin wurde unter dem 12. März 2013 eingeladen. Sie beantragte unter dem 14. März 2013 ihr für den 12. April 2013 einen Tag Sonderurlaub zu gewähren. Dieser Urlaub wurde antragsgemäß unter dem 19. März 2013 erteilt.
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Mit Bescheid vom 11. April 2013, der der Klägerin am selben Tage bekanntgegeben wurde, nahm die Beklagte die Genehmigung des Sonderurlaubs zurück.
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Die Klägerin nahm an der Sitzung des erweiterten Landesvorstandes teil. Die Beklagte wertete das als gewährten Freizeitausgleich (Dienstfrei) und belastete das Arbeitszeitkonto der Klägerin dementsprechend.
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Unter dem 24. April 2013 erhob die Klägerin Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 22. Mai 2013 zurückgewiesen wurde. Die Klägerin hat am 28. Juni 2013 vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben (Az.: 5 A 98/13 HAL). Mit Bescheid vom 7. August 2013 hob die Beklagte den Bescheid vom 11. April 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2013 auf. Beide Beteiligte gaben im Klageverfahren eine Erledigungserklärung ab, das Verfahren wurde eingestellt.
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Mit Bescheid vom 8. August 2013 nahm die Beklagte die Genehmigung des Sonderurlaubsantrages mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und stellte fest, dass für die Teilnahme an der Sitzung des erweiterten Landesbezirksvorstandes am 12. April 2013 kein Sonderurlaub in Anspruch genommen werden könne. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, ein rechtswidriger Verwaltungsakt könne nach § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Sonderurlaub solle nach § 16 Abs. 1 der Urlaubsverordnung für die Teilnahme an Sitzungen des überörtlichen Gewerkschaftsvorstandes gewährt werden, wenn der Beamte an diesen als Mitglied des Vorstandes oder als Delegierter teilnehme und dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Die Sitzung des erweiterten Landesbezirksvorstandes der GDP unterfalle nicht diesem Schutzbereich. Die Gewährung von Sonderurlaub für die Teilnahme an dieser Veranstaltung sei somit rechtswidrig gewesen. Die Entscheidung über die Rücknahme der Genehmigung stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Es sei das Interesse der Klägerin am Bestand der Genehmigung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme einer rechtswidrigen Entscheidung abzuwägen. Einerseits sei hierbei das Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Genehmigung oder der Gewährung eines Tages Sonderurlaub zu berücksichtigen. Es dürfe jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass der Sonderurlaub noch nicht angetreten gewesen sei. Aufgrund der Rücknahme vom 11. April 2013 sei es nicht möglich, den Sonderurlaub am betreffenden Tag der Sitzung auch wirklich in Anspruch zu nehmen. Gleichwohl sei es der Klägerin ermöglicht worden, unter Inanspruchnahme von Dienstfrei an der betreffenden Sitzung teilzunehmen. Andererseits stehe dem das berechtigte öffentliche Interesse an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes und das Verfassungsgebot der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle gegenüber.
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Die Klägerin erhob unter dem 5. September 2013 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13. September 2013 zurückgewiesen wurde. In der Begründung vertieft die Beklagte die Erwägungen des Ausgangsbescheides und führte weiter aus, das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt habe mit E-Mail vom 10. April 2013 mitgeteilt, dass die Sitzung des erweiterten Landesbezirksvorstandes der GDP nicht der Schutzwirkung des § 16 Abs. 1 UrlVO unterfalle. Entsprechende Sonderurlaubsanträge seien daher abzulehnen gewesen. Gründe, welche gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG eine Rücknahme ausschließen würden, seien in diesem Falle nicht ersichtlich.
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Die Klägerin hat am 4. Oktober 2013 beim erkennenden Gericht Klage erhoben.
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Sie trägt im Wesentlichen vor, § 16 Abs. 1 UrlVO ermögliche die Gewährung von Sonderurlaub für die Teilnahme an Sitzungen eines überörtlichen Gewerkschafts- oder Berufsverbandsvorstandes. Hierzu gehöre der erweiterte Landesbezirksvorstand. Die Norm sei klar und entgegen der Meinung der Beklagten auch nicht einschränkend auszulegen. Insbesondere könne die Dienstpflicht der Klägerin hier nicht ins Feld geführt werden. Diese werde nämlich nicht ausgeschlossen, sondern lediglich für bestimmte Zeiten suspendiert. Zu ihren Gunsten greife aber der Schutz des Grundrechtes des Art. 9 GG. Diese Norm schütze auch die gewerkschaftliche Betätigung von Beamten.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 13. September 2013 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid. Sie trägt weiter vor, § 16 Abs. 1 UrlVO sei als Ausnahme von dem hergebrachten Grundsatz der beamtenrechtlichen Dienstleistungsverpflichtung eng auszulegen. Eine Befreiung rechtfertige sich nur für die Teilnahme an Sitzungen, bei denen ein Organ mit Außenvertretung handele. Das sei bei dem erweiterten Landesvorstand – unabhängig von seiner Entscheidungsgewalt – nicht der Fall, weil dieser primär nach innen wirke.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid kann nur der nach § 1 VwVfG LSA anwendbare § 48 Abs. 1 VwVfG sein. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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Der von der Beklagten zurückgenommene Verwaltungsakt, die Gewährung von Sonderurlaub für den 12. April 2013, war nicht rechtswidrig. Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist § 16 Abs. 1 der Verordnung über den Urlaub der Beamten im Land Sachsen-Anhalt in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. November 2001 (GVBl. S. 464), zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. November 2012 (GVBl. S. 543) – UrlVO -. Nach dieser Vorschrift soll für die Teilnahme an Sitzungen eines überörtlichen Gewerkschafts- oder Berufsverbandsvorstandes, dem die Beamtin angehört, Urlaub unter Fortzahlung der Besoldung bis zu fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr gewährt werden, wenn dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Diese Voraussetzungen waren bei der Klägerin am 12. April 2013 gegeben. Die Klägerin ist Mitglied des erweiterten Landesbezirksvorstandes, der an diesem Tage eine Sitzung abhielt. Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob die für diesen Tag angesetzte Sitzung des erweiterten Landesbezirksvorstandes der Gewerkschaft der Polizei, Landesbezirk Sachsen-Anhalt, eine Sitzung eines überörtlichen Gewerkschaftsverbandsvorstandes war. Dies ist zu bejahen. Die Sitzung des erweiterten Landesbezirksvorstandes wird ohne Weiteres von dem Wortlaut der Norm erfasst. Dieser spricht nur von der Sitzung eines überörtlichen Gewerkschaftsverbandsvorstandes ohne das mit Einschränkungen zu versehen. Der erweiterte Landesbezirksvorstand ist – wie schon sein Name sagt - kein örtlicher, sondern ein dem örtlichen Vorstand übergeordneter, für das gesamte Land zuständiger Gewerkschaftsvorstand. Für die von der Beklagten vertretene Einschränkung, dass Sonderurlaub nur für Sitzungen von Gremien mit Außenwirkung erteilt werden kann, findet sich in der Norm keine Stütze. Der Wortlaut enthält hierfür keinen Anhaltspunkt. Der Normtext enthält keine einschränkenden Attribute, außer der Forderung nach Überörtlichkeit. Auch aus der Systematik des § 16 Abs. 1 UrlVO kann nichts anderes entnommen werden, sie spricht sogar für das Ergebnis der Wortlautauslegung. Die zweite Alternative, die dort genannt ist, die Teilnahme an Tagungen von Gewerkschaften oder Berufsverbänden auf internationaler, Bundes- oder Landesebene, wenn die Beamtin als Mitglied eines Gewerkschafts- oder Berufsverbandsvorstandes oder als Delegierte teilnimmt, hat mit Außenwirkung nichts zu tun. Solche überörtlichen oder internationalen Tagungen wirken nach innen. Sie dienen der Kommunikation der Mitglieder untereinander, manchmal auch der Festlegung gemeinsamer Ziele. Ein unmittelbare Außenwirkung ist nicht zu erwarten, auch wenn manchmal über solche Tagungen in der Presse berichtet wird.
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Auch der Sinn und Zweck der Norm ergibt nichts anderes. Erkennbarer Zweck des § 16 UrlVO ist es, der Beamtin die Möglichkeit zu verschaffen, an solchen überörtlichen Sitzungen, die üblicherweise länger dauern und häufig mit einer zeitraubenden Anreise verbunden sind, teilzunehmen. Weitere Zielsetzungen lassen sich der Norm nicht entnehmen.
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Gegen die von der Beklagten vertretene restriktive Auslegung sprechen auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte aus Art. 9 GG. Die dort geschützte Vereinigungsfreiheit steht auch Beamten zu. Die Vereinigungsfreiheit beschränkt sich nicht auf das Recht, eine Vereinigung zu gründen, sondern enthält auch die Freiheit, die Vereinigung so zu organisieren, wie man es selbst für richtig hält. Dementsprechend nimmt der Verordnungsgeber für die Frage des Sonderurlaubs auch nicht die wahrgenommenen Aufgaben als Maßstab, sondern knüpft an den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Gremiums an. Schon aus diesem Grunde kann es offen bleiben, wie genau die Funktion des Landesbezirksvorstandes sich von dem des erweiterten Landesbezirksvorstands abgrenzt.
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Die von der Beklagten vorgeschlagene Trennung nach den Aufgaben des Gremiums ist auch aus einem anderen Grunde nicht möglich. Eine gewerkschaftliche Betätigung kann sich nämlich niemals allein in einer Außenvertretung erschöpfen. Die Außenvertretung und die dort aufgestellten Forderungen bedürfen einer ständigen Rückbindung im Innenverhältnis und gegenüber den Mitgliedern. Das eine ist ohne das andere schlechthin nicht denkbar.
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Dem aus der Verordnung fließenden Anspruch auf Sonderurlaub kann auch nicht die Dienstleistungspflicht als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums entgegengehalten werden. Die Dienstleistungspflicht eines Beamten bemisst und beschränkt sich nach den gesetzlichen Regelungen, wozu die Urlaubsverordnung gehört. Soweit diese Normen keinen Dienst mehr vorsehen, sondern z.B. einen Urlaubsanspruch gewähren, entfällt jede Dienstleistungspflicht. Die Normen können auch nicht durch Entscheidungen von Vorgesetzten ersetzt oder ausgehebelt werden. Vielmehr sind die Vorgesetzten selbst an Recht und Gesetz gebunden und dürfen von einem Beamten nur dann Dienst fordern, wenn das Gesetz das gebietet oder zulässt. Teil des gesetzlichen Systems ist § 16 UrlVO, ein Regeltatbestand für die Gewährung von Sonderurlaub, der andererseits den Umfang des zu gewährenden Urlaubes auf fünf Tage im Jahr begrenzt. Dieser durch den Verordnungsgeber vorgenommenen Abwägung ist zu folgen. Eine anderweitige Abgrenzung zwischen Dienstleistungspflicht und der Freistellung davon, steht weder der Verwaltung noch dem Gericht zu.
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Zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, dass einer Teilnahme der Klägerin an dieser Sitzung keine dienstlichen Gründe entgegenstanden.
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Der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid leiden aber auch noch an weiteren Fehlern. Ein Bescheid über die Gewährung von Sonderurlaub kann nach dem genommenen Urlaubstag nicht mehr zurückgenommen werden. Jedenfalls vermag eine solche Rücknahme keine Rechtsfolgen nach sich zu ziehen. Denn dieser Urlaubstag kann nicht zurückgegeben werden. Der Beamte ist auch nicht verpflichtet, sich stattdessen einen Tag Erholungsurlaub oder Freistellung vom Dienst anrechnen zu lassen. Ein solcher Fall liegt hier vor. Der genehmigte Tag Sonderurlaub am 12. April 2013 wurde mit Bescheid vom 8. August 2013 zurückgenommen. Das ist deutlich später. Dem kann auch nicht – wie die Beklagte es tut – der Bescheid vom 11. April 2013 entgegengehalten werden. Dieser Bescheid wurde nämlich von der Beklagten aufgehoben und damit wurden seine sämtlichen Rechtswirkungen ex tunc vernichtet. Dass dies so beabsichtigt war, ergibt sich aus den Umständen. Die Aufhebung erfolgte nämlich, um einen Prozessverlust vor dem Verwaltungsgericht zu vermeiden. Genauso lautete auch die interne, dem Aufhebungsbescheid allerdings nicht beigegebene, Begründung der Beklagten. Nach Aufhebung des Bescheides vom 11. April 2013 war aber die Genehmigung des Sonderurlaubs am 12. April 2013 wieder existent geworden. Insoweit unterscheidet sich die Aufhebung einer Urlaubsgewährung von einem Streit über die Frage, ob Urlaub zu gewähren ist. Im letzteren Falle erledigt sich der Rechtsstreit nicht dadurch, dass der ursprünglich vorgesehene Urlaubszeitraum verstrichen ist. Das folgt aus Art. 19 Abs. 4 GG, der Garantie effektiven Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt. Aus dieser Norm kann die Beklagte aber nichts für sich herleiten.
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Etwas anderes ergibt sich in diesem Zusammenhang auch nicht aus dem Umstand, dass der Klägerin sofort im Anschluss an die Bekanntgabe des Bescheides vom 11. April 2013 für den 12. April 2013 Dienstbefreiung gewährt worden ist unter Anrechnung auf von der Klägerin geleisteten Überstunden. Diese Anrechnung ist als solche ohne Weiteres hinfällig, weil Zeiten, in denen Sonderurlaub gewährt worden ist, nicht gleichzeitig zum Abbau von Überstunden durch Freizeitausgleich genutzt werden können.
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Das Gleiche ergibt sich aber auch durch die prozessuale Situation. Der Bescheid vom 11. April 2013 ist niemals vollziehbar geworden. Mit dem Widerspruch vom 24. April 2013 ist nach § 80 Abs. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eingetreten, die auf den Erlass des Bescheides zurückwirkt. Diese aufschiebende Wirkung wiederum ist durch die Klage perpetuiert worden und hat bis zur Aufhebung des Rücknahmebescheides durch die Beklagte angedauert. All das hindert die Beklagte geltend zu machen, der Sonderurlaub sei widerrufen und die gleichwohl von der Klägerin weiter beabsichtigte Teilnahme müsse durch eine andere Art von Freistellung abgedeckt werden. Es liegt auch kein Fall einer möglichen Verrechnung vor. Ohne den Rücknahmebescheid bleibt der bewilligte Anspruch der Klägerin in der Welt, d.h. der fiktive Anspruch auf Rückgewähr von Sonderurlaub besteht nicht.
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Der Beklagten steht hinsichtlich der Gewährung des Sonderurlaubs auch kein Ermessen zu. Wie das Wort „soll“ in der Norm anzeigt, ist im Regelfalle Sonderurlaub zu gewähren. Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall sind hier nicht ersichtlich und werden von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
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Auch die von der Beklagten vorgenommenen Ermessenserwägungen sind nach dem Prüfungsprogramm des § 48 Abs. 1 VwGO defizitär. Zu Unrecht stellt die Beklagte auf eine Rücknahme der Sonderurlaubsgewährung vor dem Urlaubstag ab. Das ist aus den oben genannten Gründen unzutreffend. Zudem beruft sie sich auf die Gleichbehandlung mit anderen Rücknahmefällen. Tatsächlich gibt es aber in ihrem Bereich keine gleichartigen Fälle - wie im gerichtlichen Verfahren unstreitig geworden ist -, so dass der Gesichtspunkt einer gleichmäßigen Behördenpraxis kein Gewicht gewinnen kann. Bei diesem Befund kann es dahingestellt bleiben, ob auch die Ausführungen zu dem besonderen Gewicht der Rechtmäßigkeit des Handelns zu beanstanden wären. Gerade in Fällen des § 48 Abs. 1 VwVfG ist nämlich zwischen den beiden aus dem Rechtstaatsprinzip fließenden Gesichtspunkten, der materiellen Rechtmäßigkeit und der Rechtssicherheit abzuwägen. Keinem dieser beiden Gesichtspunkt kommt von Vornherein Vorrang zu. Ebenso kann offen bleiben, inwieweit die Behörde schon bei der Ausübung des Rücknahmeermessens Vermögensnachteile des Betroffenen zu berücksichtigen hat. Ein solcher Vermögensnachteil kommt hier in Betracht, nachdem auch im Beamtenrecht nach neuer Rechtsprechung Freizeit und Urlaub zu monetarisieren ist. Bei dieser Betrachtung ist der Verlust an Freizeit oder an Urlaubstagen ein vermögensrechtlicher Nachteil.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, macht die Kammer keinen Gebrauch.
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Referenzen
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- 5 A 98/13 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
- VwGO § 48 1x
- § 16 Abs. 1 UrlVO 4x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 1 Anwendungsbereich 2x